Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.09.2002, Az. 3 StR 314/02

3. Strafsenat | REWIS RS 2002, 1476

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BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSS3 StR 314/02vom24. September 2002in der StrafsachegegenwegenMordes- 2 -Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-desanwalts und des Beschwerdeführers am 24. September 2002 gemäß § 349Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-richts Krefeld vom 5. April 2002 mit den Feststellungen aufgeho-ben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammerdes Landgerichts zurückverwiesen.Gründe:Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslangerFreiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere seiner Schuld festgestellt(§ 57 a Abs. 1 Nr. 2 StGB). Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verlet-zung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfah-rensrüge Erfolg. Zutreffend beanstandet der Angeklagte, daß das Landgerichtunter Verstoß gegen § 261 StPO in seiner Beweiswürdigung einer verlesenenUrkunde einen Inhalt beigemessen hat, der im Widerspruch zu ihrem Wortlautsteht (vgl. BGHSt 29, 19, 21; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1987, 18 Nr. 11;BGH bei Miebach NStZ 1988, 212 Nr. 16). Dem liegt folgendes zugrunde:Nach den Feststellungen des Landgerichts war die Ehefrau des Ange-klagten aus Angst vor diesem aus dem Fenster des Kinderzimmers der imvierten Stock eines Mietshauses gelegenen Ehewohnung geklettert und hatte- 3 -sich an der Außenwand des Gebäudes festgeklammert. Diese Situation nutzteder Angeklagte zur Tötung seiner Ehefrau aus, indem er sie in die Tiefe stieß.Seine Überzeugung von diesem Tatgeschehen hat das Landgericht auch dar-auf gestützt, daß nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein Selbstmord derEhefrau des Angeklagten auszuschließen sei. Dies ergebe sich unter anderemaus dem von den Zeugen S. und L. bekundeten Hilferufdes Tatopfers "Helfen sie mir, mein Mann bringt mich um, die Kinder !". DieseZeugen seien glaubhaft, wobei "entscheidend" hinzukomme, daß der Ange-klagte zwei Tage nach der Tat, am Abend des 7. Juli 2001. gegenüber derZeugin A. selbst erklärt habe, er habe einen solchen Ruf seinerFrau gehört.Gegen die Aussage der Zeugin A. hat der Angeklagte eingewandt,diese müsse ihn falsch verstanden haben. Er habe der Zeugin nur den Tatvor-wurf geschildert, der in dem gegen ihn am selben Tag, dem 7. Juli 2001, ver-kündeten und sofort außer Vollzug gesetzten Haftbefehl wegen fahrlässigerTötung enthalten gewesen sei. Diese Einlassung des Angeklagten hat dasLandgericht für widerlegt erachtet, weil in dem - gemäß § 249 Abs. 1 StPOverlesenen - Haftbefehl der Hilferuf der Ehefrau des Angeklagten überhauptnicht erwähnt sei.Mit Recht macht die Revision geltend, daß diese Würdigung des Land-gerichts im Widerspruch zum Wortlaut des Haftbefehls steht. Denn dort istausdrücklich festgehalten, daß die Ehefrau des Angeklagten, nachdem sie ausdem Kinderzimmerfenster geklettert war, einer Nachbarin zurief: "Hilfe, derbringt mich um". Die Überzeugungsbildung des Landgerichts beruht daher indiesem Punkt nicht auf dem Inbegriff der Hauptverhandlung. Damit hat es ge-gen § 261 StPO verstoßen.- 4 -Auf diesem Verfahrensfehler beruht die angefochtene Entscheidung(§ 337 Abs. 1 StPO). Das Landgericht hat es trotz der an sich unzweideutigenSchilderung des Kerngeschehens der Tat durch die Zeugin L. fürseine Überzeugungsbildung als wesentlich erachtet, ob auch nach dem sonsti-gen Beweisergebnis ein Selbstmord der Ehefrau des Angeklagten auszu-schließen sei. Hierzu hat es sich zwar in erster Linie auf die Angaben der Zeu-gen S. und L. zu dem Hilferuf des Tatopfers gestützt, mit "ent-scheidend" aber auch auf die eigene Bekundung des Angeklagten gegenüberder Zeugin A. zu diesem Hilferuf abgestellt. Der Senat vermag dahernicht auszuschließen, daß das Landgericht bei zutreffender Erfassung des In-halts des Haftbefehls vom 7. Juli 2001 die Einlassung des Angeklagten zu sei-ner Äußerung bei der Zeugin A. und damit letztlich die Möglichkeit einesSelbstmords der Ehefrau des Angeklagten abweichend gewürdigt hätte.Da das angefochtene Urteil schon aufgrund dieses Verfahrensfehlerskeinen Bestand haben kann, bedarf es keines weiteren Eingehens auf dierechtlich nicht unproblematischen Ausführungen des Landgerichts zum Mord-merkmal der niedrigen Beweggründe und zum Vorliegen besonderer Schuld-schwere im Sinne des § 57 a Abs. 1 Nr. 2 StPO.Tolksdorf Miebach von Lienen Becker Hubert

Meta

3 StR 314/02

24.09.2002

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.09.2002, Az. 3 StR 314/02 (REWIS RS 2002, 1476)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 1476

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