Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.
PDF anzeigen[X.]:[X.]:B[X.]H:2018:300518B2STR141.18.0
BUN[X.]S[X.]ERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 [X.]/18
vom
30. Mai
2018
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags
-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung
des [X.]eneralbun-desanwalts
und des Beschwerdeführers
am 30.
Mai
2018
gemäß
§
349 Abs.
4
StPO beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8.
Dezember 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere als Schwur-gericht tätige [X.] des [X.] zurückverwiesen.
[X.]ründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Seine dagegen gerichtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des [X.] konsumierte der Angeklagte gemeinsam mit dem später geschädigten [X.]
und dem Zeugen Dr.
am Abend des 24.
März 2016 in der Wohnung des Dr.
erhebliche Mengen
Bier und Kräuterlikör. Etwa gegen 0.50
Uhr wollte der Angeklagte einen Streit 1
2
-
3
-
zwischen [X.]
und Dr.
schlichten und wurde daraufhin von [X.]
,
der die Situation verkannte, geschlagen. Der Angeklagte, dessen Steuerungs-fähigkeit infolge des [X.] erheblich vermindert war, geriet in große Wut und schlug [X.]
zunächst mit einer leeren Kräuterlikörflasche auf den
Kopf, die dabei zerbrach. [X.]
ging zu Boden. Der Angeklagte versetzte
dem am Boden liegenden [X.]eschädigten mehrere Faustschläge in
das [X.]esicht.
Der Angeklagte
verlor jetzt alle Hemmungen und wollte [X.]
töten. Er
ergriff einen Tisch und riss diesen
hoch, wobei sich das [X.] löste. Die
mit schweren Tonfliesen belegte
Tischplatte warf der Angeklagte auf den weiterhin am Boden liegenden [X.]
. Schließlich nahm er einen Miniback-
ofen
und warf diesen auf die auf
Kopf und Rumpf des [X.]eschädigten liegende Tischplatte.
Unmittelbar nach diesen
Verletzungshandlungen
klopfte ein anderer
Hausbewohner, der Zeuge Z.
,
an die Wohnungstür. Der Angeklagte öffnete,
verweigerte Z.
und dessen
inzwischen ebenfalls erschienener
Ehefrau je-
doch zunächst den Zutritt zur Wohnung. Als Dr.
rief, dass die
Zeugen
her-
einkommen sollten, schubste Z.
den Angeklagten zur Seite und drückte ihn
an die Wand im Flur, so dass er gemeinsam mit seiner Frau die Wohnung [X.] konnte. Beide sahen im Wohnraum den
[X.]eschädigten, von dem nur die Beine zu erkennen waren,
unter der Tischplatte am Boden liegen. Daraufhin riefen
J.
Z.
und ein weiterer
Bewohner den
Notarzt und die Polizei.
O.
Z.
kümmerte sich um den [X.]eschädigten, der nur noch röchelte
und dessen Kopf blutverschmiert war.
Der [X.]eschädigte erlitt mehrere Schürfwunden und Hämatome, ein Schä-delhirn-
und ein [X.]esichtstrauma,
einen
Nasenbeinbruch, einen
Bruch des rech-ten [X.] sowie der seitlichen Wand des rechten Unterkiefers
3
4
5
6
-
4
-
mit mehreren Einblutungen. Seine Verletzungen waren potentiell lebensbedroh-lich. Ohne ärztliche Hilfe hätte der hohe Blutverlust zu seinem Tode führen [X.]. Der [X.]eschädigte verließ die Klinik nach der Erstversorgung gegen [X.] bereits am nächsten Morgen. Er hat sich zwischenzeitlich mit dem Angeklagten ausgesöhnt.
Die [X.] ist davon ausgegangen, der Angeklagte habe nach [X.] Vorstellung nach der letzten Tathandlung alles getan, was nötig gewesen sei, um den [X.]eschädigten zu töten, wobei
er es für möglich gehalten habe, dass der [X.]eschädigte ohne ärztliche Versorgung aufgrund der erlittenen Verlet-zungen hätte versterben können. Von dem danach beendeten Versuch habe der Angeklagte
wie nicht geschehen
nur aktiv zurücktreten können. Würde
man aus Sicht des Angeklagten von einem unbeendeten Versuch ausgehen, fehle es an der Freiwilligkeit des Rücktritts, denn er sei
durch das Klopfen an der Wohnungstür bei der Tatausführung gestört worden.
II.
Die Revision des Angeklagten ist begründet.
Das angefochtene Urteil leidet an durchgreifenden materiell-rechtlichen Fehlern.
1. Das [X.] hat einen möglichen Rücktritt des Angeklagten nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
a)
[X.] ist zunächst von einem zutreffenden Maßstab für die
An-nahme eines beendeten Versuchs des Totschlags ausgegangen. Maßgeblich ist das Vorstellungsbild (Rücktrittshorizont)
des [X.] nach der letzten Ausfüh-rungshandlung (Senat, Beschluss vom 14.
Juni 2017
2
StR 140/17, [X.], 303, 304; Urteil vom 29.
Juni 2016
2
StR 588/15, [X.], 664, 665; 7
8
9
10
-
5
-
B[X.]H, Beschluss vom 27.
November 2014
3
StR 458/14, [X.], 331). Dabei liegt ein beendeter Versuch bereits dann vor, wenn der Täter die nahe-liegende Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt, selbst wenn
er den Erfolg we-der will noch billigt.
Die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die einen [X.] nahelegen, reicht aus (Senat, Beschluss vom 14.
Juni 2017
2
StR 140/17, aaO; B[X.]H, Urteil vom 25.
November 2004
4 [X.], [X.], 263, 264).
b) Die diesen Maßstäben genügende Feststellung des [X.], der Angeklagte habe nach dem Wurf mit dem Minibackofen und damit der letzten Ausführungshandlung nach seiner Vorstellung alles getan, was nötig gewesen sei, um den [X.]eschädigten zu töten
und es für möglich gehalten, dass dieser ohne medizinische Versorgung auf [X.]rund der erlittenen Verletzungen
sterben könnte (UA S.
17),
wird
durch die von der [X.] vorgenommene Be-weiswürdigung jedoch nicht getragen.
aa) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm obliegt es, sich aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder [X.] des Angeklagten zu bilden (§
261 StPO). Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Vielmehr hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Über-zeugungsbildung selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung nä-her gelegen hätte oder überzeugender gewesen wäre (vgl. B[X.]H, Urteil vom 24.
März 2015
5
StR 521/14, [X.], 178, 179). Die Schlussfolgerun-gen des Tatgerichts brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie mög-lich sind (st. Rspr.; vgl. B[X.]H, Urteil vom 12.
Februar 2015
4 [X.], [X.], 148 mwN). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht insbesondere der Fall, wenn die Beweiswürdigung wider-11
12
-
6
-
sprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte
Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 26.
Oktober 2016
2
StR 275/16, juris Rn.
12). Zudem muss die tatrichterliche Beweiswürdigung auf einer nachvollziehbaren und tragfähigen [X.]rundlage beruhen (B[X.]H, Urteil vom 13.
Juli 2016
1
StR 94/16,
juris Rn.
9).
[X.]) Diesen Anforderungen wird
die Beweiswürdigung hier nicht
in jeder Hinsicht gerecht. Sie bleibt in Teilen lückenhaft. Die [X.] unterlegt ihre Feststellungen
zum Rücktrittshorizont des Angeklagten lediglich mit dem objek-tiven Befund des rechtsmedizinischen Sachverständigen, wonach der erhebli-che Blutverlust des [X.]eschädigten ohne ärztliche Versorgung zu dessen Tod
hätte führen können. Warum dieser objektive und nachträglich
erhobene
Be-fund einen Rückschluss auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten zulassen soll, bleibt
im Urteil offen. Es
ist weder
festgestellt, dass der Angeklagte den hohen Blutverlust des [X.]eschädigten nach dem Wurf mit der Tischplatte und dem Minibackofen wahrgenommen, noch
dass er die diagnostizierten erhebli-chen Verletzungen erkannt hat.
Dass der Angeklagte allein aufgrund seiner [X.] Tathandlungen bereits davon ausging, der [X.]eschädigte werde an den erlittenen Verletzungen versterben, hat die [X.] ebenfalls nicht festgestellt.
Auch dem
[X.]esamtzusammenhang der Urteilsgründe ist ein
Schluss auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten nicht zu entnehmen. Nach
den knappen
Feststellungen
zur objektiven [X.] nach der letzten Ausfüh-rungshandlung lag der [X.]eschädigte mit Kopf und Rumpf unter der Tischplatte, so dass nur seine Beine erkennbar waren. Der Kopf des stark blutenden [X.]e-schädigten wurde
erst sichtbar, nachdem der Zeuge Z.
die auf dem [X.]eschä-
digten liegende Tischplatte hochgehoben hatte. Die Urteilsfeststellungen bieten keine Anhaltspunkte, dass der erhebliche Blutverlust des [X.]eschädigten bereits 13
14
-
7
-
sichtbar war, als dieser noch unter der Tischplatte lag.
Sonstige Umstände, die den Schluss zuließen, der Angeklagte habe die schweren Verletzungen des [X.]eschädigten bereits unmittelbar
nach seiner letzten Ausführungshandlung wahrgenommen, sind den Urteilsgründen ebenfalls nicht zu entnehmen.
c) Die Urteilsgründe
schließen auch einen Rücktritt des Angeklagten von
einem eventuell unbeendeten Versuch des Totschlags nicht rechtsfehlerfrei aus.
Die Feststellungen
belegen nicht die fehlende Freiwilligkeit einer nicht aus-zuschließenden Tataufgabe.
aa) Der Annahme von Freiwilligkeit im Sinne des §
24 Abs.
1 St[X.]B steht es nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen
kommt oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines [X.] erfolgt. Entscheidend ist vielmehr, dass der Täter die Tatvollendung aus
n ist (B[X.]H, Beschlüsse
vom 7.
März 2018
1
StR 83/18, juris Rn.
9;
vom 24.
Oktober 2017
1
StR 393/17, juris Rn.
12; Senat, Beschluss vom 3.
April 2014
2
StR 643/13,
NStZ-RR 2014, 241 mwN).
[X.]) Daran gemessen bleiben die Urteilsfeststellungen auch zur [X.] Freiwilligkeit lückenhaft. Sie lassen offen, ob der Angeklagte, bevor er den Zeugen Z.
die Tür öffnete,
nach seinem Vorstellungsbild noch weitere Aus-
führungshandlungen ohne Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfort-gangs hätte vornehmen können. Weshalb das Klopfen des Zeugen Z.
einer
freiwilligen Tataufgabe entgegenstehen soll, erschließt sich aus den
Urteils-gründen
nicht, denn der
Angeklagte
war allein durch ein Klopfen an der Woh-nungstür objektiv
nicht gehindert, die Tatausführung fortzusetzen und weiterhin auf sein Opfer einzuwirken. Der Ausschluss einer
möglichen Tataufgabe aus selbstgesetzten Motiven
ist damit nicht belegt.
15
16
17
-
8
-
2. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen ver-suchten Totschlags. Dies entzieht
ohne Weiteres dem Strafausspruch und der angeordneten Maßregel die [X.]rundlage.
Die Sache bedarf daher neuer [X.] und Entscheidung.
[X.]Eschelbach
Bartel Schmidt
18
Meta
30.05.2018
Bundesgerichtshof 2. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.05.2018, Az. 2 StR 141/18 (REWIS RS 2018, 8476)
Papierfundstellen: REWIS RS 2018, 8476
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
2 StR 141/18 (Bundesgerichtshof)
Rücktritt von unbeendetem Versuch bei freiwilliger Abstandnahme von Tat
2 StR 54/14 (Bundesgerichtshof)
1 StR 393/17 (Bundesgerichtshof)
1 StR 393/17 (Bundesgerichtshof)
Rücktritt vom Versuch eines Tötungsdelikts: Abgrenzung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch; fehlgeschlagener Versuch; Annahme von …
2 StR 551/17 (Bundesgerichtshof)