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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
RiZ(R) 5/12
Verkündet am:
14. Oktober
2013
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
DRiG §§ 83, 66 Abs. 1 Satz 1
Die gem. §§ 83, 66 Abs. 1 Satz 1 DRiG angeordnete sinngemäße Geltung der Vor-schriften der Verwaltungsgerichtsordnung für das Prüfungsverfahren (§ 62 Abs. 1 Nr. 3 und 4 DRiG) erfasst die Bestimmung des § 84 VwGO über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nicht.
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2013
RiZ (R) 5/12
Dienstgericht für Richter bei dem Landgericht Leipzig
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in dem Prüfungsverfahren
des
Richters
am Arbeitsgericht
Antragsteller
und Revisionskläger,
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Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte
-
gegen
Antragsgegner
und Revisionsbeklagter,
wegen Feststellung und Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht
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Der Bundesgerichtshof -
Dienstgericht des Bundes
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hat auf die mündliche Ver-handlung vom 11.
Juli 2013 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesge-richtshof Prof.
Dr.
Bergmann, die Richterin am Bundesgerichtshof Safari
Chabestari, den Richter am Bundesgerichtshof Dr.
Drescher sowie die Richter am Bundesarbeitsgericht Reinfelder und Dr.
Spinner
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Antragstellers wird der Gerichtsbescheid des Dienstgerichts für Richter bei dem Landgericht Leipzig vom 19.
April 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung -
auch über die Kosten der Revision
-
an das Dienstgericht für Richter zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Antragsteller durch den Weih-nachtsbrief des Ministerpräsidenten des Freistaats Sachsen vom Advent 2009
aus dem Dienstverhältnis als Richter entlassen wurde und er in seiner richterli-chen Unabhängigkeit beeinträchtigt ist.
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Der
geborene Antragsteller steht seit dem 1.
August 1991 im rich-terlichen Dienst des Antragsgegners. Seit dem 1.
März 2000 ist
er als Richter am Arbeitsgericht L.
tätig und dort Vorsitzender einer Kammer.
Am 17.
Dezember 2009 wurde dem Antragsteller per E-Mail der sog. t-telt. Dieser Brief lautet:
Ministerpräsident des Freistaates Sachsen
An die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sächsischen Landesverwaltung
Dresden im Advent 2009
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
ich wünsche Ihnen, Ihren Familien und Freunden eine ge-segnete und frohe Weihnachtszeit. Für 2010 wünsche ich Ihnen Gesundheit, Zufriedenheit und uns gemeinsam viel Schaffenskraft für die Gestaltung unseres Freistaates Sachsen.
Ein ereignisreiches Jahr geht zu Ende. Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Leistungen und Ihren Einsatz in der täglichen Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger, Unter-nehmen und Vereine.
Für mich persönlich war es ein besonderes Jahr. Die Wählerinnen und Wähler haben mir nach über einem Jahr im Amt ihr Vertrauen ausgesprochen. Wir haben die Wah-len auch deshalb gewonnen, weil Sie in der Verwaltung unsere politischen Ideen umsetzen und die Menschen spüren, dass ihr Heimatland gut geführt und verwaltet wird. Ich danke Ihnen ganz persönlich für Ihren Anteil am erfolgreichen Wahljahr 2009.
Vor uns liegen schwierige Jahre. Davon lassen wir uns aber nicht beirren. Wir gehen weiter den erfolgreichen sächsischen Weg. Gerade in diesen Wochen blicken wir auf 20
Jahre friedliche Revolution und damit 20
Jahre modernen Freistaat Sachsen zurück. Wir haben vieles 2
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erreicht, viele Herausforderungen bestanden und ein stabiles Fundament für einen neuen Aufbruch im neuen Jahrzehnt gelegt.
Die Staatsregierung hat sich einer umfassenden Verwal-tungsmodernisierung verpflichtet. Bitte gestalten Sie die-sen Prozess offen und fair mit. Lassen Sie uns eine mo-derne, bürger-
und wirtschaftsfreundliche Verwaltung schaffen, die finanzierbar bleibt und die für Sie ein guter Arbeitgeber ist.
Ich wünsche uns und unserem Freistaat Sachsen einen guten Start in die zweite Dekade des 21.
Jahrhunderts.
Mit herzlichen Grüßen, Ihr
Der Antragsteller erhob mit Schreiben vom 29.
Juli 2010 Widerspruch
August 2010 teilte ihm die Sächsische Staatskanzlei mit, es werde kein Handlungsbedarf gesehen. Die Rundmail be-inhalte ersichtlich keinen einem Widerspruch zugänglichen Verwaltungsakt.
Mit seinem am 16.
Dezember 2010 beim Dienstgericht für Richter einge-gangenen Antrag begehrt der Antragsteller die Feststellung, dass er
über den 17.
Dezember 2009 hinaus zum Antragsgegner in einem Amtsverhältnis als Richter stehe sowie die Feststellung der Unzulässigkeit einzelner Formulierun-gen in dem Weihnachtsbrief vom Advent 2009.
Der Antragsteller hat seinen als Statusfeststellungsantrag bezeichneten Antrag im Wesentlichen damit begründet, das E-Mailschreiben sei an ihn in seiner ausdrücklich so bezeichneten Funktion als Mitarbeiter der Sächsischen Landesverwaltung gerichtet gewesen. Angesichts der Anrede und der eindeuti-gen Formulierung sei ihm sein verfassungsrechtlicher Status als unabhängiger Richter durch das Schreiben des Ministerpräsidenten entzogen und ihm eine 4
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r-den. Diese Maßnahme sei mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig und verstoße gegen die Verfassung des Freistaats Sachsen. Sie beseitige die Rechtspre-s-besondere die Richterschaft einschließlich des Antragstellers als nunmehr
wei-sungsgebundene Mitarbeiter in die Exekutive ein. Die dienstgerichtliche Fest-stellung, dass er über den 17.
Dezember 2009 hinaus in einem Richterverhält-nis und nicht in einem Beschäftigungsverhältnis als Mitarbeiter der Landesver-waltung stehe, sei erforderlich. Die angefochtene Verfügung gehe über bloße Weihnachtswünsche hinaus und ziele auf die vollständige Eingliederung der dritten Gewalt in die Exekutive und damit deren Beseitigung als Staatsgewalt. Nach Art.
66 Satz
1 der Verfassung des Freistaats Sachsen sei der Minister-präsident für die Entlassung der Richter und Ernennung der Beamten auch zu-ständig. Der Qualifizierung der E-Mail als Maßnahme der Dienstaufsicht stehe nicht entgegen, dass der Ministerpräsident zur Dienstaufsicht über Richter nicht befugt sei.
Auch sei er nicht bereit, die unzulässigen Eingriffe in seine richterliche Unabhängigkeit durch das E-i-seine Rechtsprechung solle nicht mehr Gesetz und Recht unterworfen sein, sondern vorrangig am Kriterium der Wirtschaftsfreundlichkeit ausgerichtet wer-den. Für einen Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit bedeute dies, dass er den Interessen der Arbeitgeber entgegenzukommen habe.
Der Antragsteller hat beantragt
festzustellen, dass er über den 17.
Dezember 2009 hin-aus zu dem Antragsgegner in einem Amtsverhältnis als Richter auf Lebenszeit (Richter am Arbeitsgericht) steht,
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festzustellen, dass es sich bei den Ausführungen des Ver-
b-hängigkeit handelt, sofern es dort heißt:
1.
weil Sie in der Verwaltung unsere politischen Ideen
2.
3.
s-
Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Das Dienstgericht für Richter hat mit Gerichtsbescheid vom 19.
April 2012 den Statusfeststellungsantrag als unzulässig zurückgewiesen und den Prüfungsantrag für unbegründet gehalten. Soweit es den Statusantrag betreffe, fehle dem Antragsteller das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Es sei nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner oder eine Behörde des Antragsgegners die Rechtsstellung des Antragstellers als Richter am Arbeitsgericht und die Fort-dauer seines Richterverhältnisses zum Freistaat Sachsen in Zweifel gezogen hätten. Der Antragsgegner habe im Rahmen des vorliegenden Prüfungsverfah-rens mehrfach erklärt und zum Ausdruck gebracht, dass das Amtsverhältnis des Antragstellers als Richter durch den angegriffenen Weihnachtsbrief nicht berührt worden sei. Ein Feststellungsinteresse habe der Antragsteller nicht dar-getan. Der zulässige Prüfungsantrag sei unbegründet. Das E-Mailschreiben stelle keine Maßnahme der Dienstaufsicht dar, die in die richterliche Unabhän-gigkeit des Antragstellers eingreifen könnte.
Mit der Revision verfolgt der Antragsteller seine ursprünglichen Anträge weiter und rügt neben der Verletzung materiellen Rechts die nicht ordnungs-9
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gemäße Besetzung des Dienstgerichts für Richter und die Unzulässigkeit der Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Der Antragsgegner begehrt die Zurück-weisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbescheids und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Dienstge-richt für Richter.
I. Das Dienstgericht für Richter hat über die Anträge rechtsfehlerhaft oh-ne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach §
84 VwGO entschie-den. Nach §§
83, 66 Abs.
1 Satz
1 DRiG und §
45 Abs.
1 Satz
1 SächsRiG gel-ten für das Verfahren nach §
34
Nr.
3 und
4 SächsRiG (Prüfungsverfahren) die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung entsprechend. Die angeordnete entsprechende Geltung der Verwaltungsgerichtsordnung erfasst entgegen der Auffassung des Dienstgerichts den Gerichtsbescheid nach §
84 VwGO nicht. Der Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbe-scheids und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Dienstgericht für Richter, §
80 Abs.
1 Satz 1 DRiG i.V.m. §
144 Abs.
3 Satz 1 Nr.
2 VwGO. Auf die von der Revision geltend ge-machten Besetzungs-
und materiell-rechtlichen Rügen kommt es nicht an.
1. Die durch §§
83, 66 Abs.
1 Satz
1 DRiG und §
45 Abs.
1 Satz
1 SächsRiG bestimmte sinngemäße bzw. entsprechende Geltung der Vorschrif-ten der Verwaltungsgerichtsordnung für das Verfahren nach §
34 Nr.
3 und
4 SächsRiG (Prüfungsverfahren) erfasst den Gerichtsbescheid nach §
84 VwGO nicht.
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a) Nach §
83 DRiG sind durch den Landesgesetzgeber Disziplinarverfah-ren, Versetzungsverfahren und Prüfungsverfahren entsprechend §
63 Abs.
2, §
64 Abs.
1, §§
65 bis 68 DRiG zu regeln. Nach §
66 Abs.
1 Satz
1 DRiG gelten für die Prüfungsverfahren die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung sinngemäß. Diese bundesrechtlichen Vorgaben setzt §
45 Abs.
1
SächsRiG um, indem es u.a. für die Prüfungsverfahren nach §
34 Nr.
3 und Nr.
4 Sächs-RiG die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung für entsprechend an-wendbar erklärt, soweit das Sächsische Richtergesetz nichts anderes bestimmt.
Die Vorschriften des II.
Teiles der Verwaltungsgerichtsordnung sind demnach mit Ausnahme des 8.
Abschnitts über die Anfechtungs-
und Verpflichtungskla-ge sinngemäß bzw. entsprechend anwendbar (vgl. für das DRiG: Schmidt-Räntsch, Deutsches Richtergesetz, 6.
Aufl., §
65 Rn.
5), nicht jedoch die Be-stimmung des §
84 VwGO über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid.
b) Zwar lässt der Wortlaut von §
66 Abs.
1 Satz
1 DRiG und §
45 Abs.
1 Satz
1 SächsRiG auch eine Auslegung zu, wonach die Anordnung der sinnge-mäßen bzw. entsprechenden Geltung der Verwaltungsgerichtsordnung die An-wendbarkeit der Vorschrift des §
84 VwGO erfasst. Die rahmenrechtlich gem. §
83 DRiG in Verbindung mit §
66 Abs.
1 Satz
1 DRiG vorgegebene sinngemä-ße Geltung der Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung bedeutet aber deren Anwendbarkeit nur, soweit diese sich mit der Ausgestaltung des Prü-fungsverfahrens im Deutschen Richtergesetz vereinbaren lässt (BGH, Urteil vom 29.
März 2000 -
RiZ(R) 4/99, BGHZ 144, 123, 130). Die Gesetzgebungs-geschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung sprechen dafür, die Bestim-mung über den Gerichtsbescheid als von der entsprechenden bzw. sinngemä-ßen Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung nicht erfasst anzusehen.
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aa) Die Möglichkeit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid wurde durch Art.
2 §
1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs-
und Finanzgerichtsbarkeit vom 31.
März 1978 (BGBl.
I S.
446) geschaffen. Dadurch sollte der akuten Überlastung der Gerich-te der Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie des Bundesdisziplinargerichts, und damit ganz bestimmter Gerichte, durch zeitlich begrenzte Maßnahmen entge-gengewirkt werden. Es sollte insbesondere der langen Verfahrensdauer der dort anhängigen Verfahren begegnet und diesen Gerichten die Möglichkeit ge-geben werden, ihre Rückstände zu erledigen (vgl. BT-Drucks. 8/842 S.
7
f.).
Mit Wirkung ab dem 1.
Januar 1991 wurde der Gerichtsbescheid in §
84 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtli-chen Verfahrens (Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung
-
4.
VwGO-ÄndG -
vom 17.
Dezember 1990, BGBl.
I
S.
2809) als Dauerrecht in die Verwaltungsgerichtsordnung übernommen (vgl. Eyermann/Geiger, VwGO, 13.
Aufl.,
§
84 Rn.
1). Der Gesetzgeber wollte mit der Einfügung des Gerichts-bescheids in die Verwaltungsgerichtsordnung und der gleichzeitig erfolgten Ein-fügung in die Bundesdisziplinarordnung (vgl. §
70a BDO) der besonderen Be-lastungssituation dieser Gerichte dauerhaft begegnen. Der Gerichtsbescheid nach Art.
2 §
1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs-
und Finanzgerichtsbarkeit vom 31.
März 1978 (BGBl.
I S.
446) habe sich be-währt und als besonders wirkungsvolle Entlastungsmaßnahme für die Verwal-tungsgerichte erwiesen (BR-Drucks. 135/90 S.
77
f). Es ist aber nicht ersicht-lich, dass der Gesetzgeber damit zugleich den Dienstgerichten für Richter, für die er ein solches Entlastungsbedürfnis ersichtlich nicht geprüft hat, diese Ent-scheidungsform zur Verfügung stellen wollte.
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bb) Der Gesamtzusammenhang sowie der Sinn und Zweck der Rege-lungen des §
66 Abs.
1 Satz
1 DRiG und des §
45 Abs.
1 SächsRiG sprechen dafür, den Gerichtsbescheid nach §
84 VwGO als von der entsprechenden bzw. sinngemäßen Anwendung nicht erfasst anzusehen. Das dienstgerichtliche Prüfungsverfahren dient der Sicherung der Unabhängigkeit der Richter. Der Gesetzgeber hat diesem in Art.
97 GG verfassungsrechtlich verankerten Prinzip besondere Bedeutung beigemessen und das dienstgerichtliche Verfahren im Deutschen
Richtergesetz gesondert geregelt. Der Besonderheit des Prüfungs-verfahrens als eigenständiges, durch die verfassungsrechtlich garantierte Un-abhängigkeit der Richter (Art.
97 Abs.
1 GG) bestimmtes Verfahren ist bei der Festlegung des Umfangs, in dem die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsord-nung (sinngemäß) anzuwenden sind, Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Urteil vom 31.
Januar 1984 -
RiZ(R) 4/83, BGHZ 90, 34, 36). Dabei ist für die hier maßgebliche Frage, ob im Prüfungsverfahren durch Gerichtsbescheid ent-schieden werden kann, weiter zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber das Prüfungsverfahren wie auch das Versetzungsverfahren dadurch gegenüber den sonstigen dienstgerichtlichen Verfahren hervorgehoben hat, dass nach §
80 Abs.
2 DRiG in Versetzungs-
und Prüfungsverfahren stets eine Zulassung der Revision zum Dienstgericht des Bundes vorgesehen ist. Demgegenüber ist in Disziplinarverfahren nach §
81 DRiG der Zugang zur Revisionsinstanz -
vorbe-haltlich der grundsätzlichen landesrechtlichen Eröffnung der Revision in Diszip-linarsachen (vgl. §
79 Abs.
3 DRiG)
-
auf die Fälle grundsätzlicher Bedeutung und Divergenz begrenzt (§
81 Abs.
1 Nr.
1 und
2 DRiG) und der Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde vorgesehen (§
81 Abs.
2 DRiG). Der stetigen Zulassung der Revision zum Dienstgericht des Bundes lässt sich die Wertung des Gesetzgebers entnehmen, dass die Versetzungs-
und Prüfungsverfahren aus seiner Sicht grundsätzlich sehr bedeutsam sind (vgl. schon Schmidt-19
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-
Räntsch, Deutsches Richtergesetz, 1.
Aufl. 1962, §
80 Rn.
4) und er die Bil-dung einer bundeseinheitlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung außerhalb der jeweiligen Bundesländer für geboten hält (vgl. Schmidt-Räntsch, Deutsches Richtergesetz, 6.
Aufl., Einleitung Rn.
41a). Die Entscheidung durch Gerichts-bescheid
ist dagegen nach §
84 Abs.
1 Satz
1 VwGO nur für Streitfälle vorge-sehen, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfach gelagert sind. Die Bestimmung des §
84 VwGO steht daher schon von ihrem grundsätzlichen An-wendungsbereich her in Widerspruch zur
Besonderheit und Bedeutung des dienstgerichtlichen Prüfungsverfahrens.
cc) Weiter ist zu beachten, dass den Dienstgerichten und -
soweit lan-desrechtlich in Prüfungsverfahren vorgesehen
-
den Dienstgerichtshöfen die tatrichterliche Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts obliegt, die vom Dienstgericht des Bundes als Revisionsgericht nur in einem einge-schränkten Umfang überprüft werden kann (vgl. etwa BGH, Urteil vom 16.
Dezember 2010 -
RiZ(R) 2/10, BGHZ 188, 20 Rn. 32
ff.). Das Dienstgericht des Bundes ist an die vom Tatrichter getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, dass zulässige und begründete Revisionsgründe gegen diese Feststellungen vorgebracht werden, §
82 Abs.
2 DRiG. Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Nichtanwen-dung oder unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm beruht, §
80 Abs.
3 DRiG. Will die Revision beispielsweise beanstanden, wie das Dienstgericht eine Maß-nahme der Dienstaufsicht i.S.v. §
26 Abs.
3 DRiG in tatsächlicher Hinsicht ge-würdigt, etwa eine bestimmte Formulierung in einer dienstlichen Beurteilung oder einem Schreiben einer dienstaufsichtführenden Stelle verstanden hat, muss sie einen Rechtsfehler des Tatrichters aufzeigen und darf nicht aus-schließlich das aus ihrer Sicht zutreffende Verständnis der Maßnahme an die Stelle der Würdigung des Tatrichters setzen (vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 20
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14.
April 1997 -
RiZ(R) 1/96, DRiZ 1997, 467, 469). Auch wegen dieses einge-schränkten Überprüfungsmaßstabs in der Revisionsinstanz ist es geboten, dem Antragsteller eines Prüfungsverfahrens die Möglichkeit einer mündlichen Ver-handlung in der Tatsacheninstanz zu eröffnen, damit er dort durch seinen mündlichen Vortrag und das Rechtsgespräch mit dem Dienstgericht und dem
Antragsgegner seine Sichtweise mündlich erläutern kann. Soweit nach §
84 Abs.
2 Nr.
2, 4 und
5 VwGO die Beteiligten nach einer Entscheidung durch Ge-richtsbescheid unter bestimmten Voraussetzungen mündliche Verhandlung be-antragen können, sind die Voraussetzungen dieser Bestimmungen wegen der uneingeschränkten Eröffnung der Revision in Prüfungsverfahren nicht gegeben.
2. Danach konnte das Dienstgericht für Richter das vorliegende Prü-fungsverfahren nicht durch Gerichtsbescheid nach §
84 VwGO entscheiden. Der Gerichtsbescheid ist von der Verweisung in §§
83,
66 Abs.
1 Satz
1 DRiG bzw. §
45 Abs.
1 Satz
1 SächsRiG nicht erfasst. Das Dienstgericht hat für die angefochtene Entscheidung mit dem Gerichtsbescheid folglich eine Entschei-dungsform gewählt, die das dienstgerichtliche Verfahrensrecht nicht vorsieht. Dieser Verfahrensfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Gerichtsbe-scheids und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, §
80 Abs.
1 Satz
1 DRiG i.V.m. §
144 Abs.
3 Satz 1 Nr.
2 VwGO.
II. Für das weitere Verfahren vor dem Dienstgericht weist der Senat da-rauf hin, dass die Annahme des Dienstgerichts, hinsichtlich des Statusantrags sei das erforderliche Vorverfahren durchgeführt, der Antrag jedoch mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig, nicht fernliegend ist und Rechtsfehler nicht erkennen lässt. Darüber hinaus wird das Dienstgericht ggf. zu prüfen haben, ob 21
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-
der Antragsteller für ein Prüfungsverfahren nach §
34 Nr.
3 Buchst.
c SächsRiG überhaupt antragsbefugt ist (vgl. §
48 SächsRiG).
Soweit es die Prüfungsanträge nach §
34 Nr.
4 SächsRiG betrifft, weist der Senat darauf hin, dass ein Prüfungsantrag nur dann zulässig ist, wenn eine Maßnahme der Dienstaufsicht i.S.v. §
26 Abs.
3 DRiG vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 15.
November 2007 -
RiZ(R) 4/07, NJW 2008, 1448 Rn.
24) und nachvoll-ziehbar dargelegt ist, dass diese Maßnahme die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigt (BGH, Urteil vom 20.
Januar 2011 -
RiZ(R) 1/10, NJW-RR 2011, 700 Rn.
22; Urteil vom 3.
November 2004 -
RiZ(R) 2/03, DRiZ 2005, 83). Nach ständiger Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes genügt dazu die schlichte -
nachvollziehbare
-
Behauptung einer Beeinträchtigung der richterli-chen Unabhängigkeit (vgl. nur BGH, Urteil vom 14.
Februar 2013 -
RiZ 3/12 Rn.
16, juris; Urteil vom 3.
Dezember 2009 -
RiZ(R) 1/09 Rn.
44, juris; Urteil vom 24.
November 1994 -
RiZ(R) 4/94, NJW 1995, 731, 732). Die Frage, ob die beanstandeten Maßnahmen tatsächlich so wie behauptet vorgenommen wor-den sind und die richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen, ist eine Frage der Begründetheit des Prüfungsantrags. Das Dienstgericht für Richter wird deshalb insbesondere zu prüfen haben, ob in dem Weihnachtsbrief des Ministerpräsi-denten an alle Mitarbeiter des Freistaats überhaupt eine Maßnahme der Dienstaufsicht erblickt werden kann und diese einen Bezug zur spruchrichterli-chen Tätigkeit des Antragstellers hat.
III. Das Dienstgericht für Richter wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 78.510,58
Euro festgesetzt. Der Antragsteller hat mit dem Statusantrag ein Ver-fahren über das Bestehen eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Amtsverhält-nisses auf Lebenszeit anhängig gemacht. Für den Streitwert sind insoweit nach 23
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§
52 Abs.
5 Satz
1 Nr.
1 GKG der 13fache Betrag des Endgrundgehalts i.H.v. 5.654,66
Euro und damit 73.510,58
Euro anzusetzen. Für den Antrag zu
2 sind 5.000,00
Euro gemäß §
47 Abs.
1 Satz
1, §
52 Abs.
2 GKG festzusetzen. Die Werte sind nach §
39 Abs.
1 GKG zusammenzurechnen.
Bergmann Safari Chabestari Drescher
Reinfelder Spinner
Vorinstanzen:
Dienstgericht für Richter beim LG Leipzig, Entscheidung vom 19.04.2012
-
66 DG 10/10 -
Meta
14.10.2013
Bundesgerichtshof Dienstgericht des Bundes
Sachgebiet: False
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2013, Az. RiZ (R) 5/12 (REWIS RS 2013, 2026)
Papierfundstellen: REWIS RS 2013, 2026
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
RiZ (R) 5/12 (Bundesgerichtshof)
Prüfungsverfahren wegen Anfechtung einer Maßnahme der richterlichen Dienstaufsicht: Rechtsfehlerhafte Entscheidung durch Gerichtsbescheid
RiZ (R) 6/12 (Bundesgerichtshof)
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Richterliche Dienstaufsicht: Verfahrensfehler bei der Entscheidung über die Anfechtung einer Dienstaufsichtsmaßnahme im Wege des Gerichtsbescheides; …
RiZ (R) 5/13 (Bundesgerichtshof)
RiZ (R) 3/07 (Bundesgerichtshof)
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