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PDF anzeigen BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 94/10 vom 1. Juli 2010 in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: jaZVG § 63 Abs. 4; ZPO § 162 Der Verzicht auf Einzelausgebote muss im Protokoll über den Versteigerungstermin festgestellt, aber nicht vorgelesen und genehmigt werden. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2010 - V ZB 94/10 - LG Münster AG Lüdinghausen - 2 - Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Juli 2010 durch den Vorsit-zenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub beschlossen: Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 19. Februar 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kostenent-scheidung entfällt. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt für die Gerichtskosten 177.500 • und 150.000 • für die Vertretung des Beteiligten zu 1. Gründe: I. Die Gläubigerin betreibt die Zwangsversteigerung der im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten, den Schuldnern zu je 1/2 Miteigentumsanteil gehö-renden Grundstücke. In dem Versteigerungstermin am 28. Oktober 2009 bean-tragte sie nach einem Hinweis des Vollstreckungsgerichts auf § 63 Abs. 1 ZVG, auf Einzelausgebote der Miteigentumsanteile und der Grundstücke der Schuld-ner zu verzichten und diese nur gemeinsam auszubieten. Dazu heißt es in dem Versteigerungsprotokoll: 1 "Die anwesenden Beteiligten, deren Rechte bei der Feststel-lung des geringsten Gebots nicht zu berücksichtigen sind, stimmten dem Verzicht auf Einzelausgebote zu". - 3 - 2 Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts hatte das Vollstre-ckungsgericht zuvor mit Blickkontakt zu der Terminsvertreterin der Schuldner gefragt, ob zu dem Antrag der Gläubigerin Einverständnis bestehe. Daraufhin hatte diese genickt. Ihre Erklärung wurde nicht vorgelesen und von ihr nicht ge-nehmigt. In der anschließenden Versteigerung wurden die Miteigentumsanteile und die Grundstücke der Schuldner nur gemeinsam ausgeboten. Die Ersteher blieben mit einem Gebot von 177.500 •, das 59 % des mit 300.000 • festge-setzten Verkehrswerts entspricht, Meistbietende. Mit in dem Versteigerungs-termin verkündetem Beschluss erteilte ihnen das Vollstreckungsgericht den Zu-schlag zu je 1/2 Anteil. Die Zuschlagsbeschwerde des Beteiligten zu 1, mit der dieser die Unwirksamkeit des Verzichts der Terminsvertreterin auf Einzelaus-gebote und weiter geltend macht, mit Rücksicht auf Umschuldungsbemühungen habe ein besonderer Verkündungstermin anberaumt werden müssen, hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt er weiterhin die Versagung des Zuschlags. Ferner beantragt er, die Zwangs-vollstreckung aus dem Zuschlagsbeschluss bis zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde auszusetzen. II. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts ist der Zuschlagsbeschluss nicht zu beanstanden. Es sei zulässig gewesen, die Miteigentumsanteile und die Grundstücke der Schuldner nur gemeinsam auszubieten, weil die anwesen-den Beteiligten, deren Rechte bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht zu berücksichtigen seien, auf Einzelausgebote der Miteigentumsanteile und Grundstücke der Schuldner verzichtet hätten. An der Wirksamkeit des Verzichts ändere es nichts, dass die Terminsvertreterin der Schuldnerin den Verzicht nur durch ein Kopfnicken zum Ausdruck gebracht habe. Diese Geste sei eindeutig und ausreichend gewesen. Die mit ihr zum Ausdruck gebrachte Erklärung habe ihr auch nicht nach Maßgabe von § 162 Abs. 1 ZPO vorgelesen und von ihr 3 - 4 - genehmigt werden müssen. Das sei nur für die in § 162 Abs. 1 ZPO bestimmten Vorgänge vorgeschrieben, gelte aber für den Verzicht auf Einzelausgebote nach § 63 Abs. 4 ZVG nicht. Das Vollstreckungsgericht habe auch keinen be-sonderen Verkündungstermin anberaumen müssen. Die Schuldner hätten zwar einen Aussetzungsantrag gestellt und diesen mit Umschuldungsbemühungen begründet. Aus dem zur Glaubhaftmachung vorgelegten Schreiben der damit befassten Gesellschaft habe sich aber nur eine bloße Absicht ohne konkrete Prognosen oder Zahlen ergeben. III. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung stand. 4 1. Die Zuschlagsbeschwerde kann nach § 100 Abs. 1 ZVG nur darauf gestützt werden, dass eine der Vorschriften der §§ 81, 83 bis 85a ZVG verletzt oder dass der Zuschlag unter anderen als den der Versteigerung zugrunde ge-legten Bedingungen erteilt worden ist. Hier kommt nur ein Verstoß gegen § 83 Nr. 2 ZVG oder gegen § 83 Nr. 6 ZVG in Betracht. Beides hat das Beschwerde-gericht zutreffend verneint. 5 2. Das Vollstreckungsgericht hat bei der Versteigerung nicht gegen § 83 Nr. 2 i.V.m. § 63 Abs. 1 ZVG verstoßen. 6 a) Bei der Versteigerung waren allerdings Einzelausgebote auf die Mitei-gentumsanteile und Grundstücke der Schuldner ausgeschlossen worden. Das ist nur zulässig, wenn die anwesenden Beteiligten, deren Rechte bei der Fest-stellung des geringsten Gebots nicht zu berücksichtigen sind, auf die Einze-lausgebote nach § 63 Abs. 4 ZVG verzichtet haben. Daran ändert es nichts, wenn, was hier nicht festgestellt, aber wahrscheinlich ist, die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 2 ZVG gegeben sind (Senat, Beschl. v. 30. Oktober 2008, 7 - 5 - V ZB 41/08, NJW-RR 2009, 158). Davon sind sowohl das Vollstreckungsgericht als auch das Beschwerdegericht ausgegangen. 8 b) Der erforderliche Verzicht der Schuldner auf Einzelausgebote ihrer Miteigentumsanteile und Grundstücke lag vor. aa) Nach dem Inhalt des Protokolls haben "die anwesenden Beteiligten, deren Rechte bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht zu berücksichti-gen sind," dem Verzicht auf Einzelaufgebote zugestimmt. Nach den Feststel-lungen des Beschwerdegerichts hat die Terminsvertreterin der Schuldner die Zustimmung für diese nicht ausdrücklich erklärt, sondern durch ein Kopfnicken zum Ausdruck gebracht. Das reichte aus. 9 bb) Der Senat hat entschieden, dass die "Erklärung" des Verzichts auf Einzelausgebote nach § 63 Abs. 4 ZVG keine ausdrückliche Willenserklärung, sondern nur ein "positives Tun mit eindeutigem Erklärungsgehalt" verlangt (Be-schl. v. 30. Oktober 2008, V ZB 41/08, NJW-RR 2009, 158, 159). Das Kopfni-cken der Terminsvertreterin der Schuldner war in diesem Sinn eindeutig. Aus dem Nichtabhilfebeschluss des Vollstreckungsgerichts vom 6. November 2009 ergibt sich, dass das Vollstreckungsgericht die Terminsvertreterin bei seiner Frage nach dem Einverständnis mit dem Antrag der Gläubigerin gezielt ange-sehen und diese genickt hat. Mit ihrem Nicken hat die Terminsvertreterin der Schuldner eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie mit dem Absehen von Einzelausgeboten einverstanden war. 10 c) Der Verzicht war bei der Entscheidung über den Zuschlag auch zu be-rücksichtigen. Zu berücksichtigen sind dabei zwar nach § 80 ZVG nur Vorgän-ge, die aus dem Protokoll ersichtlich sind (vgl. Senatsbeschl. v. 30. Oktober 2008, V ZB 41/08, aaO). Die Berücksichtigung des Verzichts scheitert hier ent-gegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht daran, dass der Verzicht in dem Protokoll nur festgestellt, nicht aber auch nach Maßgabe von § 162 Abs. 1 ZPO 11 - 6 - vorgelesen und genehmigt worden ist. Dieses Erfordernis gilt nämlich für den Verzicht nach § 63 Abs. 4 ZVG nicht. 12 aa) Einigkeit besteht allerdings darüber, dass für die Erstellung des Pro-tokolls über den Versteigerungstermin neben § 78 ZVG die Vorschriften der §§ 159 bis 165 ZPO entsprechend anzuwenden sind (Jäckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., § 78 Anm. 2; Hintzen in: Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Reller-meyer, aaO, § 78 Rdn. 1). Das gilt auch für § 162 ZPO (Jäckel/Güthe, aaO, § 78 Anm. 3 bei Buchstabe n). bb) Der Verzicht auf Einzelausgebote nach § 63 Abs. 4 ZVG gehört aber nicht zu den Erklärungen, die nach § 162 Abs. 1 ZPO in der Form des Vorle-sens und Genehmigens zu protokollieren sind. Das trifft nach § 162 Abs. 1 ZPO, soweit hier relevant, nur für das Geständnis, die Erklärung über einen An-trag auf Parteivernehmung und sonstige Erklärungen zu, deren Feststellung vorgeschrieben ist. Zu diesen Erklärungen gehört der Verzicht nicht. Er ist zwar zu protokollieren (Senat, Beschl. v. 30. Oktober 2008, V ZB 41/08, aaO). Das ergibt sich aber, anders als etwa bei der Erklärung über das Zeugnisverweige-rungsrecht gemäß § 389 Abs. 1 ZPO, nicht aus einer Vorschrift, die die Proto-kollierung besonders anordnet. Die Pflicht zur Protokollierung folgt vielmehr daraus, dass der Verzicht nach § 63 Abs. 4 ZVG für die Entscheidung über den Zuschlag bedeutsam und deshalb nach § 78 ZVG ähnlich wie ein wesentlicher Vorgang im Sinne des § 160 Abs. 2 ZPO zu protokollieren ist. Das hat aber wie bei anderen für die Entscheidung über den Zuschlag bedeutsamen Vorgängen nicht zur Folge, dass die Form des § 162 Abs. 1 ZPO einzuhalten wäre. Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, die Erklärung im Protokoll festzustellen. Das ist hier geschehen. 13 3. Das Vollstreckungsgericht hat nicht gegen § 83 Nr. 6 i.V.m. § 87 Abs. 1 ZVG verstoßen, indem es über den Zuschlag sofort im Versteigerungs-14 - 7 - termin entschieden und davon abgesehen hat, einen besonderen Verkündungs-termin zu bestimmen. 15 a) Bei der Ausübung des Ermessens bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Entscheidung über den Zuschlag nach § 87 Abs. 1 ZVG hat das Vollstre-ckungsgericht dem Eigentumsschutz des Grundgesetzes Rechnung zu tragen. Denn dieser erfordert nicht nur eine entsprechende Ausgestaltung des materiel-len Vermögensrechts, sondern auch eine entsprechende Ausgestaltung des Zwangsversteigerungsverfahrens (BGH, Beschl. v. 5. November 2004, IXa ZB 27/04, WM 2005, 136, 138). Das bedeutet aber nicht, dass von einer sofortigen Entscheidung über den Zuschlag im Versteigerungstermin immer dann abzuse-hen wäre, wenn der Schuldner im Termin nicht persönlich anwesend ist (BGH, Beschl. v. 30. Januar 2004, IXa ZB 196/03, MDR 2004, 774, 775; Beschl. v. 5. November 2004, aaO). Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, die eine Verschiebung der Entscheidung über den Zuschlag geboten erscheinen lassen, um dem Eigentumsschutz gerecht zu werden. Solche Umstände liegen hier nicht vor. b) Die Schuldner waren beim Versteigerungstermin nicht persönlich an-wesend. Sie waren aber durch eine Familienangehörige, die mit ihnen zusam-men lebt, nämlich die Mutter des Beteiligten zu 1 und Ehefrau des Beteiligten zu 2, vertreten. Es war deshalb gewährleistet, dass sie unverzüglich über das Ergebnis der Versteigerung unterrichtet wurden. Auch war eine Verschleude-rung nicht zu befürchten. Das Meistgebot blieb zwar hinter dem Verkehrswert zurück. Es überstieg aber die 5/10-Grenze des § 85a ZVG deutlich, so dass eine Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens nach dieser Vorschrift nicht in Betracht kam. Die Schuldner haben auch keine besondere Verwer-tungsmöglichkeit, sondern nur geltend gemacht, sie wollten eine Umschuldung versuchen, um eine Versteigerung zu vermeiden. Hierzu haben sie die Erklä-rung eines Finanzierungsunternehmens vorgelegt, derzufolge das Unterneh-16 - 8 - men kurzfristig mit der Prüfung einer Umschuldung beauftragt worden war und diese Prüfung in der Kürze der bis zum Termin zur Verfügung stehenden Zeit nicht habe abschließen können. Eine nachvollziehbare Begründung dafür, wes-halb sie diese Prüfung erst kurz vor dem Versteigerungstermin veranlasst ha-ben, hatten die Schuldner nicht gegeben. Sie hatten auch keinerlei Angaben dazu gemacht, dass und aus welchen Gründen eine Umschuldung ihnen jetzt gelingen könnte. Es drängte sich für das Vollstreckungsgericht der Eindruck auf, dass es den Schuldnern lediglich darum ging, Zeit zu gewinnen. Eine Ver-schiebung der Entscheidung über den Zuschlag war jedenfalls nicht veranlasst. 4. Unzutreffend ist allerdings die Kostenentscheidung des Beschwerde-gerichts. Eine Kostenentscheidung ist im Verfahren über eine Zuschlagsbe-schwerde nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten hier grundsätzlich nicht als Partei im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (Senat, BGHZ 170, 378, 381). Das gilt auch für das Beschwerdeverfahren (Senat, Beschl. v. 18. März 2010, V ZB 124/09, juris Rn. 29). Sie war deshalb unter Zurückwei-sung der Rechtsbeschwerde im Übrigen aufzuheben. 17 5. Mit der Zurückweisung der Rechtsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. 18 IV. Aus dem vorgenannten Grund ist auch im Rechtsbeschwerdeverfahren eine Kostenentscheidung nicht veranlasst. Der Gegenstandswert des Rechts-beschwerdeverfahrens bestimmt sich für die Gerichtskosten gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Wert des Zuschlags. Dieser wiederum entspricht nach § 54 Abs. 2 Satz 1 GKG dem Meistgebot der Ersteher. Der Wert der anwaltli-chen Tätigkeit der Bevollmächtigten des Beteiligten zu 1 bemisst sich gemäß § 26 Nr. 2 RVG nach dem Wert des Gegenstandes der Zwangsversteigerung. Dieser entspricht hier der Hälfte des festgesetzten Verkehrswerts von 19 - 9 - 300.000 • für die versteigerten Grundstücke, weil nur der Beteiligte zu 1 Rechtsmittel eingelegt hat. Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen: AG Lüdinghausen, Entscheidung vom 28.10.2009 - 2 K 32/08 - LG Münster, Entscheidung vom 19.02.2010 - 5 T 772/09 -
Meta
01.07.2010
Bundesgerichtshof V. Zivilsenat
Sachgebiet: ZB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.07.2010, Az. V ZB 94/10 (REWIS RS 2010, 5262)
Papierfundstellen: REWIS RS 2010, 5262
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
V ZB 94/10 (Bundesgerichtshof)
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