Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2012, Az. 4 AZR 29/11

4. Senat | REWIS RS 2012, 1192

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Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. November 2010 - 10 [X.] 929/10 - aufgehoben.

2. Die [X.]che wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über tarifliche Entgeltansprüche.

2

Die Klägerin ist Mitglied der [X.] und seit Jan[X.]r 1992 als Verkäuferin bei der [X.] beschäftigt. Die Beklagte betreibt ca. 200 Einzelhandelsgeschäfte mit über 7.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

3

Die Beklagte ist seit langer Zeit Mitglied im Einzelhandelsverband [X.] ([X.]), der als Regionalverband Mitglied im Einzelhandelsverband [X.] ([X.]) ist. Im November 1999 wurde die Satzung des [X.] neu gefasst und als weitere Form der Mitgliedschaft eine ohne Tarifgebundenheit ([X.]) vorgesehen. Die am 26. November 1999 in das Vereinsregister eingetragene Fassung der Satzung sieht [X.]. vor:

        

„§ 2   

Zweck und Ziel des Verbandes

        

…       

        
        

2.    

Aufgaben des Verbandes sind insbesondere

        

        

…       

        
                 

i)    

Herbeiführung von Tarifverträgen, Beteiligung am Abschluss von Tarifverträgen in den Gremien des Landesverbandes

                 

j)    

Mitarbeit in den Organen und Gremien der Einzelhandelsorganisation

        

…       

        
                          
        

§ 3     

Mitgliedschaft

        

…       

        
        

2.    

Die Mitgliedschaft nach Abs. 1 kann als Mitgliedschaft mit Tarifbindung ([X.]) oder als Mitgliedschaft ohne Tarifbindung ([X.]) begründet werden.

        

3.    

[X.] von einer [X.] in eine [X.] und umgekehrt kann nur schriftlich unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats erklärt werden. Neu eintretende Mitglieder bestimmen mit ihrer Beitrittserklärung, ob sie eine [X.] oder [X.] eingehen möchten.

        

…       

        
                          
        

§ 4     

Beitritt

        

…       

        
        

2.    

Über die Aufnahme in den [X.] oder [X.] und über den Wechsel von einer [X.] in eine [X.] und umgekehrt entscheidet der Vorstand. Die Entscheidung ist dem Antragsteller schriftlich mitzuteilen.

        

…       

        
                          
        

§ 6     

Rechte und Pflichten der Mitglieder

        

1.    

Alle Mitglieder gem. § 3.1. und 3.2 haben gleiche Rechte und Pflichten. In [X.] bestehen Rechte und Pflichten allerdings nur für [X.]. [X.]er haben in diesen Angelegenheiten kein Stimmrecht. Sie unterliegen auch nicht den vom Einzelhandelsverband Münsterland e.V. oder dem Einzelhandelsverband [X.] e.V. ausgehandelten Tarifverträgen (Ausnahme: Allgemeinverbindlichkeit nach § 5 [X.]). Im Übrigen haben alle Mitglieder im Rahmen der gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften Anspruch darauf, vom Verband in allen Einzelhandelsfragen vertreten, beraten und unterstützt zu werden.

        

…       

        
                          
        

§ 7     

Organe des Verbandes

        

Organe des Verbandes sind:

        

1.    

Der Vorstand

        

2.    

Der Beirat als Mitgliederversammlung

                          
        

§ 8     

Vorstand

        

…       

        
        

9.    

Der Vorstand ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Vorstandsmitglieder anwesend ist. Er entscheidet mit einfacher Mehrheit. Die Abstimmungen können auch schriftlich erfolgen, wenn alle Vorstandsmitglieder dem Verfahren zustimmen. In [X.] haben nur die Vorstandsmitglieder ein Stimmrecht, die [X.] des Verbandes sind.

                          
        

§ 9     

Beirat

        

…       

        
        

6.    

Beschlüsse - ausgenommen Beschlüsse über die Abberufung des Vorstandes und über Satzungsänderungen sowie über die Auflösung des Verbandes - werden mit einfacher Mehrheit der Stimmen der erschienenen Mitglieder gefasst. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als abgelehnt. Stimmenthaltungen werden nicht mitgezählt. In [X.] haben nur die Beiratsmitglieder ein Stimmrecht, die [X.] sind. Die Beiratssitzung wird vom Vorsitzenden oder einem seiner Stellvertreter geleitet.“

4

Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 14. Juni 2002 beim [X.] ihren Wechsel in eine [X.]. Mit Schreiben vom 18. Juni 2002 bestätigte der [X.], sie ab dem 1. August 2002 als [X.] zu führen.

5

Ab April 2002 liefen Lohn- und Gehaltstarifverhandlungen, die [X.]. mit Abschluss des [X.] vom 8. August 2002 endeten, der am 1. April 2002 in [X.] trat ([X.] 2002). Die Klägerin erhielt seit 2002 - wie alle anderen Beschäftigten - von der [X.] die Gehaltserhöhungen, die auch in den jeweiligen Tarifverträgen für den Einzelhandel in [X.] vorgesehen waren. Die Beklagte zahlte auch die [X.] und das Urlaubsgeld, jedoch nicht immer in der entsprechenden tarifvertraglichen Höhe und teilweise erst nach Aufforderung durch die [X.]. Seit dem Jahre 2005 enthielten die Gehaltsabrechnungen teilweise einen Freiwilligkeitsvorbehalt.

6

Im Jahre 2007/2008 fand für den Einzelhandel in [X.] eine längere Tarifauseinandersetzung statt. Am 25. Juli 2008 erzielten die Tarifvertragsparteien des Einzelhandels auf [X.] Landesebene, der [X.], der Handelsverband [X.] und die [X.] - [X.], eine Einigung und schlossen mit Datum vom gleichen Tag den Gehaltstarifvertrag ([X.] 2008), der unter anderem eine Anhebung der Gehälter ab 1. Mai 2008 um [X.] sowie eine Einmalzahlung für den Zeitraum vom 1. Mai 2007 bis zum 30. April 2008 iHv. 400,00 Euro vorsah. Ebenfalls am 25. Juli 2008 gab die Beklagte den Beschäftigten durch Aushang im Betrieb sowohl das Verhandlungsergebnis als auch ihren Wechsel in die [X.] vom August 2002 bekannt.

7

Die Beklagte gab die Tariferhöhung aus dem [X.] 2008 ab Mai 2008 nicht an ihre Beschäftigten weiter und zahlte auch nicht die tarifvertraglich vereinbarte Einmalzahlung. Erst mit Wirkung ab August 2008 leistete sie die Gehälter in der Höhe, die der [X.] 2008 vorsah.

8

Nach erfolgloser Geltendmachung hat die Klägerin mit ihrer Klage die Zahlung der Differenz zwischen der geleisteten Vergütung und des ab Mai 2008 geltenden [X.] für die Monate Mai bis Juli 2008 entsprechend ihrer Teilzeittätigkeit in Höhe von monatlich 57,04 Euro brutto, [X.] für die Monate August 2008 bis Juli 2009 von monatlich 1,27 Euro brutto, eine Entgeltdifferenz für den Monat November 2008 in Höhe von 76,80 Euro brutto sowie die anteilige Einmalzahlung, Erhöhung der tariflichen Jahressonderzahlung für das Jahr 2008 und restliches Urlaubsgeld begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei an den [X.] 2008 gebunden. Diese habe nicht wirksam in eine [X.] wechseln können. Die Satzung des [X.] sehe keine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von tarifgebundenen und tarifungebundenen Mitgliedern in [X.] vor. Die Beklagte sei weiter an den [X.] 2008 gebunden, da sie ihren Wechsel in eine [X.] erst nach dem Zeitpunkt dieses Tarifabschlusses bekannt gemacht habe. Die Beklagte verhalte sich treuwidrig, wenn sie nunmehr nach Ablauf der Tarifverhandlungen auf ihren ohne entsprechende Hinweise vollzogenen Statuswechsel verweise. Ein Zahlungsanspruch ergebe sich zudem aus betrieblicher Übung. Die Beklagte habe seit 2002 sämtliche Tariferhöhungen nachvollzogen.

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

        

1.    

an sie einen Betrag in Höhe von 186,36 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. August 2008 zu zahlen;

        

2.    

ihr 167,94 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2008 zu zahlen;

        

3.    

ihr 372,02 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2008 zu zahlen;

        

4.    

ihr 49,85 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2008 zu zahlen;

        

5.    

ihr 76,80 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages ausgeführt, eine Anspruchsgrundlage sei für die begehrte Zahlung nicht erkennbar. Als [X.] im [X.] sei sie nicht an den [X.] 2008 gebunden. Sie sei nicht während laufender Tarifverhandlungen in eine [X.] gewechselt, weshalb sie auch nicht verpflichtet gewesen sei, hierüber zu informieren. Die Satzung des [X.] sehe eine hinreichend klare Trennung der Befugnisse von [X.] und [X.]ern vor.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat auf die Berufung der Klägerin der Klage stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet. Mit der Begründung des [X.] konnte der Klage nicht stattgegeben werden. Ob der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche aus anderen Gründen zustehen, kann der [X.] nicht abschließend entscheiden. Hierzu bedarf es noch weiterer tatsächlicher Feststellungen. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur neuen Verhandlung und Entscheidung (§ 563 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO).

I. Entgegen der Auffassung des [X.] hat die Klägerin keine Ansprüche aus dem [X.] 2008 nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.]. Es fehlt an der erforderlichen beiderseitigen [X.]. Die Beklagte ist mit Wirkung zum 1. August 2002 innerhalb des [X.] wirksam in eine [X.] gewechselt. Dies hat zur Beendigung ihrer [X.] geführt. Die Satzung des [X.] genügt den Anforderungen an eine Verbandssatzung, mit der ein entsprechender Mitgliedsstatus wirksam begründet werden kann.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist die Begründung einer Mitgliedschaft ohne [X.] innerhalb eines Arbeitgeberverbandes grundsätzlich möglich. Nicht jedes Mitglied eines tarifvertragschließenden Verbandes ist notwendig tarifgebunden iSv. § 3 Abs. 1 [X.] ([X.] 19. Juni 2012 - 1 [X.] - Rn. 16, [X.] 2012, 1372; 22. April 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 27 [X.], [X.]E 130, 264). Die Satzung eines Verbandes kann selbst definieren, auf welche Weise eine Mitgliedschaft iSd. § 3 Abs. 1 [X.] begründet werden kann. Wegen der an die [X.] anknüpfenden Rechtswirkungen gegenüber [X.] ist es aber erforderlich, dass eine Verbandsmitgliedschaft mit [X.] iSv. § 3 Abs. 1 [X.] von einer solchen ohne [X.] eindeutig abgrenzbar ist. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie erfordert im Hinblick auf den Abschluss von Tarifverträgen und deren normative Wirkung für hiervon betroffene Dritte grundsätzlich den Gleichlauf von Verantwortung und Betroffenheit hinsichtlich der tariflichen Vereinbarungen. Dies legitimiert die Unterwerfung der Mitglieder der Tarifvertragsparteien unter die Normen des [X.] und ist die Grundlage der Angemessenheitsvermutung der in Tarifverträgen ausgehandelten Mindestarbeitsbedingungen ([X.] 19. Juni 2012 - 1 [X.] - Rn. 16, aaO; 22. April 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 28 [X.], aaO). Notwendige Voraussetzung einer wirksamen [X.] in einem Arbeitgeberverband ist, dass die Verbandssatzung für die Mitglieder ohne [X.] nicht lediglich die Rechtsfolge des § 3 Abs. 1 [X.] [X.]. Sie muss eine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und solchen ohne [X.] vorsehen. Eine unmittelbare Einflussnahme von [X.] auf tarifpolitische Entscheidungen ist unzulässig. Dies ist satzungsrechtlich abzusichern, indem bspw. die Satzung Verbote für die Entsendung von [X.] in die Tarifkommissionen, für eine tarifpolitische Vertretung des [X.] und über die Verfügungsgewalt über einen Streik- bzw. Aussperrungsfonds vorsieht. Ferner ist ihnen kein Stimmrecht bei Abstimmungen über die Festlegung von tarifpolitischen Zielen oder über Ergebnisse von Tarifverhandlungen zu gewähren. Die Mitwirkung von [X.] bei tarifpolitischen Fragen mit nur beratender Stimme ist hingegen unbedenklich (vgl. ua. ausf. [X.] 19. Juni 2012 - 1 [X.] - Rn. 17, aaO; 15. Dezember 2010 - 4 [X.] - Rn. 23 bis 27, [X.] [X.] § 3 Nr. 50; 20. Mai 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 70 ff. [X.], [X.] [X.] § 3 Nr. 42 = EzA [X.] § 4 Nachwirkung Nr. 45; 22. April 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 29, aaO; 4. Juni 2008 - 4 [X.] - Rn. 38 f., [X.]E 127, 27; 18. Juli 2006 - 1 [X.] - [X.]E 119, 103).

2. Auf der Grundlage der wirksamen und in das Vereinsregister am 26. November 1999 eingetragenen (zum Erfordernis der erfolgten Eintragung einer entsprechenden Satzungsänderung in das Vereinsregister vgl. [X.] 26. August 2009 - 4 [X.] - Rn. 32 ff., [X.] [X.] § 3 [X.] Nr. 28 = EzA [X.] § 3 Nr. 33) Verbandssatzung ist die Beklagte tarifrechtlich wirksam in eine [X.] gewechselt. Auf ihren Antrag vom 14. Juni 2002 hat der [X.] ihr schriftlich nach § 4 Abs. 2 der Satzung bestätigt, dass sie - unter Einhaltung der in § 3 Abs. 3 der Satzung vorgesehenen einmonatigen Frist zum Ende eines Kalendermonats, also mit Wirkung vom 1. August 2002 und damit vor dem Abschluss des [X.] 2008 als [X.] des [X.] geführt wird. Entgegen der Auffassung des [X.] erfüllt die Satzung des [X.] noch die genannten Anforderungen. Dies hat das [X.] unzutreffend beurteilt.

a) § 3 Abs. 2 der Satzung sieht sowohl eine „Mitgliedschaft mit Tarifbindung“ als auch eine „ohne Tarifbindung“ vor. § 3 Abs. 3 der Satzung regelt den Wechsel von einer dieser Formen zur anderen. Er kann schriftlich unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zum Ende eines Kalendermonats erklärt werden. Über den Wechsel entscheidet nach § 4 Abs. 2 der Satzung der Vorstand und teilt seine Entscheidung dem Antragsteller schriftlich mit.

§ 6 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 der Satzung regelt weiter, dass in [X.] Rechte und Pflichten nur für „[X.]“ bestehen und „[X.]er“ in diesen Angelegenheiten kein Stimmrecht haben. Dies wird für den Vorstand ausdrücklich in § 8 Abs. 9 Satz 4 der Satzung und für den Beirat in § 9 Abs. 6 Satz 4 der Satzung wiederholt.

b) Aus dem Gesamtgefüge der Satzungsregelungen des Verbandes wird vor allem durch die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 der Satzung die erforderliche Kongruenz von Mitentscheidungsrecht und Bindung an die Tarifabschlüsse hinreichend klar und deutlich hergestellt (vgl. zu einer ähnlichen Satzung [X.] 20. Mai 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 74, [X.] [X.] § 3 Nr. 42 = EzA [X.] § 4 Nachwirkung Nr. 45). Die Geschäftsführung und jegliches Handeln des [X.] müssen den Vorgaben in § 6 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 der Satzung genügen. Wegen dieser Satzungsbestimmungen ist es gerade nicht erforderlich, dass der Ausschluss der Rechte von [X.] in [X.] in jeder einzelnen Norm der Satzung ausdrücklich wiederholt wird. § 6 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 der Satzung gilt [X.] und damit für alle in der Satzung geregelten Bereiche und Befugnisse (vgl. auch [X.] 20. Mai 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 80, aaO).

Die Einschränkung der Befugnisse von [X.] in [X.] unterstreichen die Regelungen in § 8 Abs. 9 Satz 4 und § 9 Abs. 6 Satz 4 der Satzung. Sie verdeutlichen für die [X.] Vorstand und Beirat den Ausschluss von [X.] bei der Willensbildung des Verbandes in [X.]. Aus beiden Satzungsbestimmungen lässt sich im Übrigen nicht der Schluss ziehen, es bedürfe jeweils ausdrücklicher Regelungen für alle in der Satzung geregelten Befugnisse. Eine solche Annahme würde der allgemeinen Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 der Satzung den Wirkungsbereich nehmen.

aa) Durch den Ausschluss des Stimmrechts wird verhindert, dass [X.]er, die einem der beiden satzungsmäßig vorgesehenen Organe angehören - nach § 7 der Satzung der Vorstand und der Beirat als Mitgliederversammlung -, an Abstimmungen tarifpolitischer Art teilnehmen. Der Ausschluss des Stimmrechts in § 6 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 bezieht sich darüber hinaus auf unselbständige Ortsvereinigungen nach § 10 der Satzung.

bb) Da in der Satzung die Einrichtung einer Tarifkommission, eines sonstigen tarifpolitischen Organs oder die Einrichtung oder Verwaltung eines Streik- oder Unterstützungsfonds nicht vorgesehen ist, bedurfte es hierzu keiner ausdrücklichen Regelung für die [X.]er des Verbandes. Entgegen der Auffassung des [X.] war es bereits mangels solcher Gremien nicht notwendig, einen „Verlust von Funktionen …, welche im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Sozialpolitik, Tarifpolitik oder des Arbeitskampfes stehen“, ausdrücklich zu regeln.

cc) Soweit nach § 2 Nr. 2 Buchst. i der Satzung die Möglichkeit besteht, dass Mitglieder des [X.] durch Mitwirkung in den Gremien des [X.] durch Beteiligung am Abschluss von Tarifverträgen in den Gremien des [X.] - einen unmittelbaren Einfluss auf tarifpolitische Entscheidungen gewinnen können, wird durch § 6 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 der Satzung hinreichend sichergestellt, dass [X.]er hiervon ausgeschlossen sind.

dd) Gleiches gilt für die in § 2 Nr. 2 Buchst. i der Satzung genannte [X.] einer „Herbeiführung von Tarifverträgen“. Selbst wenn diese Aufgabe vom [X.] eigenständig - wie die Klägerin meint - und nicht durch den [X.] wahrgenommen werden sollte, schließt wiederum bereits § 6 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 der Satzung aus, dass [X.]er auf solche tarifpolitische Entscheidungen einen unmittelbaren Einfluss erlangen. Die Satzung muss darüber hinaus keine detailliertere Regelung vorsehen.

ee) Auch der in § 2 Nr. 2 Buchst. j der Satzung geregelte Satzungszweck der Mitarbeit in den Organen und Gremien der [X.] wird für [X.]er durch § 6 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 der Satzung eingeschränkt.

ff) Rechtsfehlerhaft ist die weitere Annahme des [X.], die Wirksamkeit eines Status als [X.] im [X.] scheitere an einer fehlenden ausdrücklichen Regelung zur Vertretungsbefugnis nach außen iSv. § 26 BGB für den - hypothetischen - Fall, dass alle Vorstandsmitglieder [X.]er seien. Auch für diesen Fall bedarf es keiner ausdrücklichen Satzungsbestimmung. Aus § 6 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 der Satzung ergeben sich hierfür ausreichende Handlungsvorgaben. Während der Amtszeit eines ausschließlich aus [X.] bestehenden Vorstandes scheidet ein eigenes „Herbeiführen von Tarifverträgen“ - falls § 2 Nr. 2 Buchst. i der Satzung dies überhaupt eröffnet - durch den Vorstand und eine darauf bezogene tarifpolitische Außenvertretung durch diese Vorstandsmitglieder aus. Ein solcher Vorstand ist durch die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 der Satzung gehindert, die tarifpolitische Richtung vorzugeben und zu gestalten, sei es innerhalb des Verbandes oder nach außen. Inwieweit und in welchen Grenzen eine rein vollziehende Außenvertretung von eventuellen tarifpolitischen Vorgaben des Beirats ohne Gefährdung der tarifrechtlichen Wirksamkeit des [X.]sstatus erfolgen kann, kann im [X.] dahingestellt bleiben.

gg) Eine fehlende Trennung der Verantwortlichkeiten ergibt sich schließlich nicht aus dem Umstand, dass in der Satzung kein förmliches Verfahren festgelegt ist, wie die Stimmberechtigung einzelner Verbandsmitglieder festgestellt und überprüft werden kann, ob bei tarifpolitischen Entscheidungen tatsächlich nur [X.] oder auch [X.]er abgestimmt haben. Einer solchen Satzungsregelung bedarf es angesichts des § 6 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 der Satzung nicht.

II. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Da aber noch nicht feststeht, dass die Klägerin auf die begehrten [X.] auch keinen Anspruch aus einer betrieblichen Übung hat, war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

1. Die [X.] der [X.] besteht nicht aufgrund einer Störung der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie wegen einer unterlassenen oder nicht rechtzeitigen Information der [X.] über den Wechsel der [X.] in eine [X.] vorübergehend fort.

Nach der Rechtsprechung des [X.]s muss ein Statuswechsel während laufender Tarifverhandlungen transparent sein. Ist dies nicht der Fall, kann ein - im Grundsatz rechtmäßiger und auf Dauer angelegter - Wechsel von einer [X.] in eine [X.] in einem Arbeitgeberverband unter besonderen Umständen gegen das Verbot des Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG verstoßen (vgl. ausf. [X.] 26. August 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 25 ff., [X.]E 132, 10; 4. Juni 2008 - 4 [X.] - Rn. 57 ff., [X.]E 127, 27; 20. Februar 2008 - 4 [X.] - Rn. 41 ff., [X.]E 126, 75) mit der Folge einer tarifrechtlichen Unwirksamkeit des Wechsels bezogen auf den im Verhandlungsprozess befindlichen Tarifvertrag. Wer im Zeitraum ab Beginn der Tarifverhandlungen über die Verhandlungen und das Verhandlungsergebnis bis zum endgültigen Abschluss des [X.] (dazu bereits [X.] 4. Juni 2008 - 4 [X.] - Rn. 65, aaO) voll verantwortlich mitentscheiden kann, sich jedoch - womöglich sogar ganz kurz - vor dem endgültigen Tarifabschluss durch einen Wechsel der Mitgliedschaftsform den Folgen dieser Verhandlungen entzieht, ohne dies den an der Verhandlung beteiligten [X.] rechtzeitig offenzulegen, kann gleichwohl nach § 3 Abs. 1 [X.] an den Tarifvertrag gebunden sein, der Gegenstand der Tarifverhandlungen war ([X.] 18. Mai 2011 - 4 [X.] -, Rn. 31, [X.] [X.] § 3 Verbandsaustritt Nr. 15 = EzA [X.] § 3 Verbandsaustritt Nr. 4; zu den Anforderungen an eine hinreichend klare Mitteilung vgl. [X.] 19. Juni 2012 - 1 [X.] - Rn. 35, [X.] 2012, 1372).

2. Der Wechsel der [X.] von der [X.] in eine [X.] nach der Satzung des [X.] im Jahr 2002 verstößt danach nicht gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG. Deshalb scheidet auch ein Anspruch der Klägerin auf die geltend gemachten [X.] aus dem [X.] 2008 iVm. § 3 Abs. 1 [X.] unter dem Gesichtspunkt der tarifrechtlichen Unwirksamkeit eines [X.] aus.

a) Im [X.] war die Beklagte oder der [X.] nicht verpflichtet, über den im Jahr 2002 erfolgten Wechsel der [X.] in eine [X.] während der laufenden Tarifverhandlungen der Tarifrunde 2007/2008 zu unterrichten. Der vor Jahren erfolgte Statuswechsel konnte allenfalls für die damaligen Tarifverhandlungen von Bedeutung sein. Die wegen unterlassener oder nicht rechtzeitiger Information der [X.] über den Wechsel in eine [X.] nach § 3 Abs. 1 [X.] fortbestehende [X.] bezieht sich nicht auf spätere Tarifverträge. Sie besteht lediglich vorübergehend für den Tarifvertrag fort, der Gegenstand der Verhandlungen zur Zeit des [X.] war (vgl. insbesondere [X.] 18. Mai 2011 - 4 [X.] - Rn. 31 [X.], [X.] [X.] § 3 Verbandsaustritt Nr. 15 = EzA [X.] § 3 Verbandsaustritt Nr. 4; 26. August 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 26, [X.]E 132, 10).

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt dem Erfordernis der Transparenz eines [X.] während der besonderen Situation laufender Tarifverhandlungen nicht eine weitergehende allgemeine Verpflichtung auf Offenlegung eines Wechsels von einer [X.] in eine [X.] zugrunde. Für ein weitergehendes Transparenzgebot im Sinne einer Mitteilungspflicht des Mitgliedes oder des Verbandes ist keine Anspruchsgrundlage gegeben. Ob ein allgemeiner Anspruch der [X.] auf Mitteilung besteht, welche Unternehmen Mitglieder des Verbandes sind, muss der [X.] deshalb auch hier nicht entscheiden (vgl. bereits [X.] 4. Juni 2008 - 4 [X.] - Rn. 66, [X.]E 127, 27; 18. Juli 2006 - 1 [X.] - Rn. 60, [X.]E 119, 103).

3. Ein Anspruch der Klägerin ist auch nicht deshalb gegeben, weil die [X.] der [X.] infolge einer fehlenden individuellen Mitteilung an die Klägerin über den Wechsel in eine [X.] fortbesteht ([X.] 20. Mai 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 34, [X.] [X.] § 3 [X.] Nr. 27 = EzA [X.] § 3 Nr. 31). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 Ziff. 10 [X.] (vgl. [X.] 20. Mai 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 37 ff., aaO).

4. Die Klägerin kann die begehrten [X.] ggf. aufgrund einer dynamischen Tarifanwendung und -anpassung aus betrieblicher Übung beanspruchen. Die Klärung der Frage, ob aus einem, im Einzelnen festzustellenden, tatsächlichen Verhalten eines Arbeitgebers eine betriebliche Übung und damit ein Anspruch des Arbeitnehmers auf die Gewährung der begehrten Leistung erwächst, ist in erster Linie eine tatrichterliche Aufgabe (st. Rspr., etwa [X.] 7. November 2002 - 2 [X.] (1) der Gründe, [X.]E 103, 265; 28. März 2000 - 1 [X.] - zu I 1 der Gründe, [X.]E 94, 179; 16. September 1998 - 5 [X.] - zu I 3 b der Gründe, [X.] BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 54 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 41). Das [X.] hat die hierzu notwendigen Feststellungen bisher nicht getroffen. Dies wird es nachzuholen haben, da das Vorliegen einer - von der Klägerin geltend gemachten - betrieblichen Übung nicht ausgeschlossen erscheint. Denn die Beklagte war aufgrund fehlender [X.] weder durch einen Tarifvertrag zur - mehrfachen - Anpassung der Gehälter nach dem Jahr 2002 verpflichtet noch konnte sie irrtümlich annehmen, hierzu verpflichtet zu sein. Darüber hinaus wird das [X.] in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Fünften [X.]s des [X.] (insbesondere [X.] 26. August 2009 - 5 [X.] - Rn. 26, [X.]E 132, 36; 9. Februar 2005 - 5 [X.] - zu III 3 b der Gründe, jeweils [X.]; vgl. dazu auch [X.] 23. März 2011 - 4 [X.]/09 - Rn. 61, [X.] BetrVG 1972 § 77 Nr. 101) ggf. festzustellen haben, ob sich aufgrund der unterbliebenen Informationen zum Statuswechsel und eventuell noch näher festzustellender weiterer Umstände aus dem Verhalten der [X.] deutliche Anhaltspunkte dafür ergeben, auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tarifverträge und Tarifentgelterhöhungen zu übernehmen.

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Winter    

        

        

        

    Pust    

        

    Lippok    

                 

Meta

4 AZR 29/11

21.11.2012

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Rheine, 12. Mai 2010, Az: 1 Ca 1505/09, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.11.2012, Az. 4 AZR 29/11 (REWIS RS 2012, 1192)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1192


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 10 Sa 929/10

Landesarbeitsgericht Hamm, 10 Sa 929/10, 12.11.2010.


Az. 4 AZR 29/11

Bundesarbeitsgericht, 4 AZR 29/11, 21.11.2012.


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