Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.08.2015, Az. I ZR 123/13

I. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 6841

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BUNDESGERICHTSHOF

IM N[X.]MEN DES VOLKES

URTEIL
I
[X.]
Verkündet am:

8. Januar 2015

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.]bgabe ohne Rezept
UWG § 4 Nr. 11; [X.] § 48 [X.]bs. 1; [X.] § 4 [X.]bs. 1
a)
Das in §
48 [X.] geregelte Verbot der [X.]bgabe verschreibungspflichtiger [X.]rzneimittel ohne Verschreibung ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von §
4 Nr.
11 UWG.
b)
Die Vorschrift des §
4 [X.]bs.
1 [X.] erfordert eine eigene Therapieentscheidung des behan-delnden [X.]rztes auf der Grundlage einer vorherigen, regelgerechten eigenen Diagnose, die der Verschreibung vorausgeht. Daran fehlt es, wenn ein [X.]potheker einen [X.]rzt, der den Pati-enten nicht kennt und insbesondere zuvor nicht untersucht hat, um Zustimmung zur [X.]bgabe eines Medikaments bittet.
c)
Falls auf andere [X.]rt und Weise eine erhebliche, akute Gesundheitsgefährdung des Patien-ten nicht abzuwenden ist, kann die [X.]bgabe eines verschreibungspflichtigen Medikaments durch den [X.]potheker im Einzelfall in analoger [X.]nwendung von §
34 StGB in Betracht kom-men, obwohl ihm weder ein Rezept vorgelegt wird noch die Voraussetzungen des §
4 [X.]bs.
1 [X.] erfüllt sind.
[X.], Urteil vom 8. Januar 2015 -
I [X.] -
OLG Stuttgart

[X.]

Berichtigt durch Beschluss
vom 11. [X.]ugust 2015
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 8.
Januar 2015 durch [X.] Dr.
Büscher, [X.], [X.], [X.] und die Richterin
Dr.
Schwonke

für Recht erkannt:
[X.]uf die Revision des [X.] wird das Urteil des 2.
Zivilsenats des [X.] vom 13.
Juni 2013 unter Zurückwei-sung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und in-soweit aufgehoben, als die Klage mit [X.]usnahme der
[X.]nträge auf [X.]uskunft über Vor-
und Nachnamen der Kunden und auf Zahlung eines Betrags von mehr als 1.099

worden ist.
[X.]uf die Berufung der [X.] und die [X.]nschlussberufung des [X.] wird das Urteil der 7.
Kammer für Handelssachen des [X.] vom 15.
November 2012 unter Zurück-weisung der weitergehenden Rechtsmittel
teilweise abgeändert (Urteilsformel zu
2 und 4) und insoweit wie folgt neu gefasst:
2.
Die [X.] wird verurteilt, dem Kläger [X.]uskunft dar-über zu erteilen, seit wann und in welchem Umfang Handlungen gemäß Ziffer
1 begangen wurden unter genauer [X.]ngabe der Bezeichnung und Menge des [X.]rzneimittels aufgeschlüsselt nach Monaten.
4.
Die [X.] wird verurteilt, an
den Kläger 1.099

nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über -
3
-
dem Basiszinssatz hieraus seit dem 27.
[X.]ugust 2011 zu zahlen.
Die [X.] trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien betreiben jeweils eine [X.]potheke in [X.].

.
Die Kundin E.

, der das verschreibungspflichtige, blutdrucksen-
kende Medikament Tri Normin
25 bereits seit Jahren ärztlich verordnet wurde, pflegte die Rezepte beim Kläger einzulösen. [X.]uch am Samstag, dem 26.
Fe-bruar 2011, erschien sie zunächst in der [X.]potheke des [X.], um das [X.]rz-neimittel zu erwerben. Ihr war das Medikament ausgegangen und sie hatte es versäumt, sich bei ihrem [X.]rzt eine neue Verordnung ausstellen zu lassen. Eine Mitarbeiterin des [X.] lehnte die [X.]bgabe des Medikaments ohne Verord-nung ab und verwies die Kundin auf den 15
Kilometer entfernten ärztlichen Notdienst in [X.].

. Die Kundin E.

suchte daraufhin die [X.]pothe-
ke der [X.] auf und erhielt dort eine Packung des Mittels mit 100
Ta-bletten ohne ärztliche Verordnung.
Der Kläger sieht in dem Verhalten der [X.] einen Verstoß gegen das Verbot der [X.]bgabe verschreibungspflichtiger [X.]rzneimittel ohne Rezept. Er hat die [X.] auf Unterlassung, [X.]uskunftserteilung und Zahlung von [X.]b-mahnkosten in [X.]nspruch genommen und die Feststellung der Schadensersatz-verpflichtung der [X.] begehrt.
1
2
3
-
4
-
Die [X.] macht geltend, die Zeugin sei dringend auf das von ihr re-gelmäßig eingenommene Medikament angewiesen gewesen, das nach [X.]us-kunft einer mit der [X.] befreundeten Ärztin habe unbedenklich an die Zeugin abgegeben werden können.
Das [X.] hat die [X.] unter [X.]ndrohung von [X.] verurteilt,
es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr verschreibungspflichtige [X.]rznei-mittel an Verbraucher ohne ärztliche Verschreibung abzugeben, wenn dies ge-schieht wie im Fall Frau H.

E.

, der am 26.
Februar 2011 von der
[X.] das [X.]rzneimittel Tri Normin in einer Verpackungsgröße von 100
Stück ohne Vorliegen einer ärztlichen Verordnung verkauft
wurde.
[X.]ußerdem hat das [X.] die [X.] zur [X.]uskunft verurteilt
und ihre
Verpflichtung
zum
Schadenersatz festgestellt.
[X.]bmahnkosten hat
es
dem Kläger unter [X.]bweisung seines insoweit weitergehenden [X.]ntrags in Höhe von 507,50

[X.]uf die Berufung der [X.] hat das Berufungsgericht unter Zurück-weisung der [X.]nschlussberufung des [X.] die Klage abgewiesen (OLG
Stutt-gart, Urteil vom 13.
Juni 2013
2
U
193/12, juris).
Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils des [X.]s sowie die Verurteilung der [X.] zur Zahlung weiterer [X.]bmahnkosten in Höhe von 872,30

Zinsen.
4
5
6
7
8
-
5
-
Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stünden
gegen die [X.] weder ein Unterlassungsanspruch gemäß §
8 [X.]bs.
1 und 3 Nr.
1, §§
3, 4 Nr.
11 UWG in Verbindung mit §
48 [X.]
noch die
darauf bezogenen Folgeansprüche und [X.]bmahnkosten zu. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die [X.] habe zwar gegen die Bestimmung des §
48 [X.]
versto-ßen, die
eine Marktverhaltensregelung im Sinne von §
4 Nr.
11 UWG sei. Die [X.]bgabe des [X.]rzneimittels ohne Rezept
sei nicht nach §
4 [X.]bs.
1 der [X.]rzneimit-telverschreibungsverordnung zulässig gewesen. Die [X.] habe gewusst, dass die Kundin E.

über keine Verschreibung eines behandelnden
[X.]rztes
verfügt habe. Nachdem die [X.] zunächst erfolglos versucht habe, den behandelnden [X.]rzt über seine Privatnummer zu erreichen, habe sie die ihr bekannte Ärztin Dr.
F.

angerufen, die ihr
nach Schilderung des Sachver-
halts erklärt habe, sie könne das Medikament an die Patientin abgeben. Damit seien die Voraussetzungen des §
4 [X.]bs.
1 [X.] nicht erfüllt. Eine keinen [X.]uf-schub duldende Gesundheitsgefährdung der Kundin habe nicht bestanden. Diese habe beim Besuch der [X.]potheke der [X.] unter keinen [X.]usfaller-scheinungen gelitten. [X.]uch die [X.] sei davon ausgegangen, dass das Medikament noch fortwirke. Wie der [X.] bewusst gewesen sei, hätte die Patientin ohne weiteres den ärztlichen Notdienst im 15
Kilometer entfernten [X.].

aufsuchen können, um ein Rezept zu erhalten.
Trotz des Verstoßes der [X.] gegen §
48 [X.] sei die Klage [X.] unbegründet, weil es unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falls an der erforderlichen Spürbarkeit der Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher und der Mitbewerber im Sinne von §
3 [X.]bs.
1 UWG fehle. Die [X.]
habe sich in einem
außergewöhnlichen Entscheidungskonflikt
befun-9
10
11
-
6
-
den. Sie habe gewusst, dass die Patientin
wegen
ihrer gravierenden Krank-heitsgeschichte
auf das Medikament
angewiesen
gewesen sei. Nachdem die [X.]
vergeblich
versucht
habe,
den behandelnden [X.]rzt zu erreichen, habe
sie
die Erklärung der Ärztin Dr.
F.

, sie könne das Medikament an die Pati-
entin abgeben, aus juristischer Laiensicht als Verschreibung durch diese Ärztin verstehen können.
Mangels
Spürbarkeit des Wettbewerbsverstoßes seien auch die weiteren vom Kläger geltend gemachten [X.]nsprüche unbegründet.
I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten [X.]ngriffe der Revision haben
weitgehend
Erfolg. Sie führen zur [X.]ufhebung des Berufungsurteils
und zur Zu-rückweisung der Berufung der [X.]
mit [X.]usnahme des
[X.]ntrags
des [X.] auf [X.]uskunft über Vor-
und Nachnamen der Kunden sowie auf die [X.]n-schlussberufung
des [X.]
zur
[X.]bänderung
des landgerichtlichen Urteils und zur Verurteilung
der [X.]
zur Zahlung weiterer [X.]bmahnkosten in Höhe von 591,50

nebst Zinsen.
Das Berufungsgericht hat zu Unrecht die [X.] des Wettbewerbsverstoßes der [X.] verneint. Die Verurteilung der [X.] erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. [X.]bmahn-kosten stehen dem Kläger aus einem höheren als dem vom [X.] ange-nommenen Wert zu.
1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, der von ihm bejahte Verstoß der [X.] gegen §
48 [X.] sei aufgrund der Umstände des Streitfalls nicht spürbar im Sinne von §
3 [X.]bs.
1 UWG.
a) Das
in §
48 [X.] geregelte
Verbot der [X.]bgabe verschreibungspflichti-ger [X.]rzneimittel ohne Verschreibung ist eine Marktverhaltensregelung
im Sinne von §
4 Nr.
11 UWG. Es wirkt sich unmittelbar auf den Wettbewerb zwischen [X.]potheken aus (MünchKomm.UWG/Schaffert, 2.
[X.]ufl., §
4 Nr.
11 Rn.
295; von [X.] in Harte/[X.], UWG, 3.
[X.]ufl., §
4 Nr.
11 Rn.
50;
Groß-komm.UWG/Metzger, 2.
[X.]ufl., §
4 Nr.
11 Rn.
100;
vgl. [X.], [X.], 295)
und dient dem Schutz der Patienten vor gefährlichen Fehlmedikatio-12
13
14
-
7
-
nen (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]rzneimittelgesetz, §
48 Rn.
6
f.; [X.] in Spickhoff, Medizinrecht, 2.
[X.]ufl., §
48 [X.] Rn.
1; [X.], [X.] 2009, 499).
Der [X.]nwendung des §
4 Nr.
11 UWG steht im Streitfall nicht entgegen, dass die Richtlinie 2005/29/[X.] über unlautere Geschäftspraktiken keinen die-ser Vorschrift vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt. Die Richtlinie 2005/29/[X.] bezweckt gemäß ihrem [X.]rt.
4 allerdings die vollständige Harmoni-sierung der Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken, soweit sie die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen. [X.] ihrem [X.]rt.
3 [X.]bs.
3 sowie ihrem Erwägungsgrund
9 bleiben die Rechtsvor-schriften
der Union und der Mitgliedstaaten
in Bezug auf die
Gesundheits-
und Sicherheitsaspekte
von Produkten
jedoch unberührt.
Dabei kommt im
Streitfall hinzu, dass durch §
48 [X.]
der
Titel VI und insbesondere [X.]rt.
71 der Richtlinie 2001/83/[X.] zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in das [X.] Recht umgesetzt wird (vgl. [X.], [X.]rzneimittelgesetz, 4.
[X.]ufl., §
48 Rn.
1).
Die [X.]nwendung des §
4 Nr.
11 UWG steht daher mit der Richtlinie 2005/29/[X.] im Einklang, soweit [X.] -
wie hier
-
dem Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Verbrauchern dienen (vgl. nur [X.], Urteil vom
9.
September 2010

I
ZR
193/07, [X.], 1136 Rn.
13 = [X.], 1482 -
UNSER D[X.]NKESCHÖN FÜR SIE; Urteil vom 13.
Dezember 2012

I
ZR
161/11, [X.], 857 Rn.
11 = [X.], 1024 -
Voltaren).
b) Nach der
Rechtsprechung des [X.]
sind
Verstöße ge-gen [X.], die den Schutz der Gesundheit der Verbrau-cher bezwecken, ohne weiteres geeignet, die Interessen der Verbraucher im Sinne von §
3 [X.]bs.
1 UWG spürbar zu beeinträchtigen ([X.], Urteil vom 26.
März 2009
I
ZR
213/06, [X.]Z 180, 355 Rn.
34
Festbetragsfestsetzung; Urteil vom 4.
November 2010
I
ZR
139/09, GRUR 2011, 633 Rn.
36 = WRP 15
16
-
8
-
2011, 858
BIO T[X.]B[X.]K). Diese Beurteilung wird, soweit ersichtlich, in der Lite-ratur einhellig geteilt (vgl. nur [X.] in [X.]/Bornkamm, UWG, 32.
[X.]ufl.,
§
3 Rn.
149;
Podszun
in Harte/[X.] aaO §
3 Rn.
149; [X.] in [X.],
jurisPK-UWG, 3.
[X.]ufl., §
3 Rn.
76; [X.]/[X.]/[X.], [X.] Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3.
[X.]ufl., §
3 UWG Rn.
55).
c) Danach sind Verstöße gegen die in §
48 [X.] geregelte Verschrei-bungspflicht stets spürbar. Entgegen der [X.]nsicht des Berufungsgerichts lässt die Rechtsprechung des [X.] für einzelfallbezogene [X.]bwägun-gen, aufgrund derer die Spürbarkeit verneint werden kann, in diesem Zusam-menhang keinen Raum. [X.]nders als die
Revisionserwiderung
meint,
kommt es
nicht darauf an, ob die bisherige Senatsrechtsprechung zu dieser Frage durch-weg zu Fällen einer an das allgemeine Publikum gerichteten Werbung oder zu Fallgestaltungen ergangen ist, in denen der in [X.]nspruch Genommene als [X.]rz-neimittelhersteller aufgetreten war und seine beanstandete geschäftliche [X.]ktivi-tät von vornherein auf eine Vielzahl von Fällen ausgerichtet hat. Das hohe Schutzgut der menschlichen Gesundheit und die großen Gefahren, die
mit
einer Fehlmedikation verschreibungspflichtiger Medikamente verbunden sind, [X.] es vielmehr, Verstöße gegen die Verschreibungspflicht grundsätzlich als unlauter anzusehen.
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus an-deren Gründen als richtig dar

561 ZPO). Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler einen Verstoß der [X.] gegen §
48 [X.] bejaht.
a) Nach §
48 [X.]bs.
1 Nr.
1 [X.] dürfen
[X.]rzneimittel, die durch [X.] nach [X.]bsatz
2 bestimmte Stoffe, Zubereitungen aus Stoffen oder [X.] sind oder denen solche Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu-gesetzt sind, nur bei Vorliegen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztli-chen Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden. [X.]uf der Grundlage des §
48 [X.]bs.
2 [X.] ist die Verordnung über die Verschreibungspflicht von 17
18
19
-
9
-
[X.]rzneimitteln vom 21.
Dezember 2005 ([X.]
I S.
3632) ergangen. Nach §
1 [X.] dürfen [X.]rzneimittel, die die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllen, nur bei Vorliegen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Verschrei-bung abgegeben werden, wenn in der [X.]rzneimittelverschreibungsverordnung nichts anderes bestimmt ist. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das [X.]rz-neimittel Tri Normin
25 der Verschreibungspflicht unterfällt. Die Voraussetzun-gen eines [X.]usnahmetatbestands nach der [X.]rzneimittelverschreibungsverord-nung sind im Streitfall nicht erfüllt. In Betracht kommt allein §
4 [X.]bs.
1 [X.]. Diese Bestimmung greift vorliegend nicht ein.
aa) Nach §
4
[X.]bs.
1
[X.] kann die verschreibende Person den [X.]pothe-ker in geeigneter Weise, insbesondere fernmündlich, über die Verschreibung und deren Inhalt unterrichten, wenn die [X.]nwendung eines verschreibungspflich-tigen [X.]rzneimittels keinen [X.]ufschub erlaubt. Der [X.]potheker hat sich über die Identität der verschreibenden Person Gewissheit zu verschaffen. Die verschrei-bende Person hat dem [X.]potheker die Verschreibung in schriftlicher oder elek-tronischer Form unverzüglich nachzureichen.
Die Darlegungs-
und Beweislast für diesen [X.]usnahmetatbestand trifft die [X.] (vgl. allgemein [X.], Urteil vom 19.
November 2009
I
ZR
186/07, [X.], 160 Rn.
15 = [X.], 250
Quizalofop).
bb)
Wie das Berufungsgericht zu
Recht angenommen hat, setzt §
4 [X.]bs.
1 [X.] eine eigene Therapieentscheidung des behandelnden [X.]rztes auf der Grundlage einer vorherigen, regelgerechten eigenen Diagnose voraus, die der Verschreibung vorausgeht. Die Bestimmung des §
4 [X.]bs.
1 [X.] sieht keinen Verzicht auf die ärztliche Verschreibung vor. Vielmehr gestattet sie
ledig-lich, dass der [X.]potheker über die
bereits erfolgte
Verschreibung in geeigneter Weise, insbesondere fernmündlich, unterrichtet werden kann
(vgl. [X.], [X.]pothekenbetriebsordnung, § 17 Rn. 712
(Stand September 2012)). Dabei ist es nach dem vom Gesetz vorausgesetzten Regelfall der [X.]rzt, der von sich aus 20
21
22
-
10
-
den [X.]potheker unterrichtet. [X.]llerdings wird es zu Recht als ausreichend ange-sehen, wenn der [X.]potheker den behandelnden [X.]rzt anruft, um festzustellen, ob eine entsprechende Verschreibung vorliegt (vgl. [X.], [X.] 1997, 309; We-ber, BtMG, 4.
[X.]ufl., §
48 [X.] Rn.
22). Demgegenüber fehlt es an der [X.] Therapieentscheidung des [X.]rztes, wenn ein [X.]potheker einen [X.]rzt, der den
Patienten nicht kennt und deshalb zuvor nicht untersucht hat
und nicht [X.] [X.]rzt des Patienten ist, um Zustimmung zur [X.]bgabe eines [X.] bittet. §
4 [X.]bs.
1 [X.] lässt es nicht zu, dass der [X.]potheker einen [X.]rzt erst zu einer Verschreibung für
einen ihm unbekannten Patienten veranlasst.
So liegt es indes im Streitfall. Die [X.] hat von sich aus die mit ihr befreundete Ärztin Dr. F.

angerufen, um von ihr zu erfahren, ob die der
Ärztin unbekannte und von ihr zu keinem Zeitpunkt untersuchte Kundin E.

das Medikament erhalten dürfe. [X.]uch wenn Frau Dr. F.

daraufhin
das Medikament verschrieben haben sollte, könnte dies den Tatbestand des §
4 [X.]bs.
1 [X.] nicht erfüllen.
b) Die [X.]bgabe des Medikaments
durch die [X.]
ist auch nicht unter dem [X.]spekt eines rechtfertigenden Notstands
analog §
34 StGB gerechtfertigt.
aa) Falls auf andere [X.]rt und Weise eine erhebliche, akute
Gesundheits-gefährdung
des Patienten
(vgl. Weber
aaO §
48 [X.] Rn.
19)
nicht abzuwen-den ist, kann
die [X.]bgabe eines verschreibungspflichtigen Medikaments durch den [X.]potheker
in engen Grenzen
im Einzelfall
analog § 34 StGB
in Betracht kommen, obwohl ihm weder ein Rezept vorgelegt wird noch die Voraussetzun-gen des §
4 [X.]bs.
1 [X.]
erfüllt sind
(vgl. [X.] aaO § 17 Rn. 707, 718; Pfeil/[X.]/Blume, [X.]pothekenbetriebsordnung, § 17 Rn. 45 (Stand 2014)). Um festzustellen, ob ein solcher Sachverhalt vorliegt, kann der [X.]potheker [X.]uskünfte anderer Ärzte einholen, wenn der den
Patienten behandelnde [X.]rzt nicht erreicht werden kann.
23
24
25
-
11
-
bb) Im Streitfall kann sich die [X.] auf diesen Rechtfertigungsgrund indes nicht mit Erfolg berufen.

(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, die [X.] habe nicht [X.], dass die [X.]nwendung des verschreibungspflichtigen [X.]rzneimittels wegen des Gesundheitszustands der Patientin keinen [X.]ufschub mehr erlaubt hätte. Vielmehr habe eine ärztliche Kontrolle und eine darauf aufbauende Verschrei-bung durch den ärztlichen Notdienst im nur 15
Kilometer entfernten [X.].

abgewartet werden können. Die einem Geschäftstermin ihres Ehemanns in der
Schweiz vorgeschaltete [X.]usflugsreise hätte ohne nennenswerte Umwege am Samstag über [X.].

erfolgen können. Die [X.] habe zwar
gel-
tend gemacht, dass
bei der an Bluthochdruck leidenden Patientin
ohne Ein-nahme des schon seit Jahren verordneten Medikaments
noch am Wochenende
ein lebensbedrohlicher Zustand hätte eintreten können. Damit werde aber eine zeitnahe, unmittelbar bevorstehende gesundheitliche Gefährdung nicht darge-legt. Die Patientin habe auch noch keine [X.]usfallerscheinungen gezeigt.
(2) Diese Beurteilung
lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Entgegen der [X.]nsicht der Revisionserwiderung erlaubt die [X.]nwendung eines [X.]rzneimittels nicht schon dann zur [X.]bwendung einer erheblichen, akuten Gesundheitsgefährdung keinen [X.]ufschub, wenn einem Patienten die verordne-te regelmäßige Einnahme eines Medikaments nicht möglich ist, falls ihm das Medikament nicht unverzüglich ausgehändigt wird. Die Frage, ob die [X.]nwen-dung des [X.]rzneimittels keinen [X.]ufschub erlaubt, hängt auch im Fall der Unter-brechung einer regelmäßigen Einnahme davon ab, wann diese Unterbrechung für den Patienten ernsthafte Konsequenzen haben kann. Deshalb ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine zeitna-he, unmittelbar bevorstehende gesundheitliche Gefährdung der Patientin E.

mit der Erwägung verneint hat, die [X.] habe selbst eine Fortwir-
kung des blutdrucksenkenden Mittels nach der letzten Einnahme vorgetragen. 26
27
28
29
-
12
-
Die mit dem [X.]ufsuchen des ärztlichen Notdienstes im nahegelegenen [X.].

verbundene kurzfristige Verzögerung der nächsten Medikamentenein-
nahme konnte unter diesen Umständen von der Patientin
wie das Berufungs-gericht zu Recht angenommen hat
ohne weiteres hingenommen werden.
[X.]nders als die Revisionserwiderung
meint, wird dem [X.]potheker
bei die-ser Beurteilung
nicht zugemutet, mit der [X.] zuzuwarten, bis der Patient kurz vor einer lebensbedrohlichen Situation steht. Entscheidend ist vielmehr, dass die
[X.] nicht dargelegt hat, die Patientin E.

hätte

erhebliche, akute
gesundheitliche
Beeinträchtigungen zu befürchten gehabt, wenn sie den Notdienst in [X.].

aufgesucht hätte.
3.
Das Berufungsgericht hat es deshalb zu Recht als Verstoß gegen §
48 [X.]bs.
1 [X.] angesehen, dass die [X.] der Kundin E.

unter den
näher festgestellten Umständen das Medikament Tri Normin
25 ausgehändigt hat. Es kommt deshalb nicht
mehr
auf den weiteren Vortrag des [X.] an, die [X.] habe auch im
Fall
Fr.

H.

gegen §
48 [X.] verstoßen, weil

dieser
am 6.
November 2012 in ihrer [X.]potheke ein verschreibungspflichtiges [X.]rzneimittel ohne gültiges Rezept erwerben konnte.
II[X.]
Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben. Da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§
563 [X.]bs.
3 ZPO).
1. Der Unterlassungsantrag des [X.] ist zulässig, insbesondere hin-reichend bestimmt im Sinne von §
253 [X.]bs.
2 Nr.
2 ZPO, und nach §§
8, 3, 4 Nr.
11 UWG in Verbindung mit §
48 [X.]bs.
1 [X.] begründet.
2. Die [X.]nträge des [X.] auf [X.]uskunft und Schadensersatzfeststellung sind gemäß §
9 UWG, §
242 BGB ebenfalls weitgehend begründet.
30
31
32
33
34
-
13
-
Wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, fällt der [X.] [X.] Fahrlässigkeit zur Last. Maßgeblich ist im Streitfall der Sorgfaltsmaßstab eines [X.]ngehörigen der Fachkreise der [X.]potheker und nicht
wovon das [X.] rechtsfehlerhaft ausgegangen ist
derjenige eines juristischen Laien. Danach konnte die [X.] als [X.]pothekerin, die mit den einschlägigen Vorschriften über die [X.]bgabe verschreibungspflichtiger [X.]rzneimittel vertraut sein musste, ohne weiteres erkennen, dass der Patientin E.

eine Fahrt
zum ärztlichen Notdienst nach [X.].

zuzumuten war.
Stattdessen hat
sie sich, nachdem der behandelnde [X.]rzt nicht erreichbar war, pflichtwidrig für die [X.]bgabe des Medikaments auf die telefonische [X.]uskunft der ihr bekannten Ärztin Dr.
F.

verlassen, die die Patientin E.

weder untersucht hat-
te noch überhaupt kannte.
Ungeachtet der Beschränkung des Unterlassungsantrags auf die [X.] Verletzungsform steht dem Kläger ein [X.]uskunftsanspruch für kerngleiche Handlungen zu.
[X.]llerdings
ist der
[X.]uskunftsantrag
nur zum Teil begründet. Die [X.]ngabe der Vor-
und Nachnamen der Kunden, an die von der [X.] [X.]rzneimittel ohne Verschreibung abgegeben worden sind, kann der Kläger nicht verlangen. Die Weitergabe dieser
Daten ist der [X.] nach §
203 [X.]bs.
1 Nr.
1 StGB im Hinblick auf das berechtigte Interesse der betroffenen Patienten an der Wah-rung der Vertraulichkeit ihrer persönlichen Daten untersagt. Die Namen der Kunden
sind zur Durchsetzung des für den Kläger in Betracht kommenden Schadenersatzanspruchs nicht erforderlich.
3.
Die [X.]nschlussberufung des [X.] ist
überwiegend
begründet.
Das [X.] hat dem Kläger auf der Grundlage eines Streitwerts von 7.000

zuzüglich Zinsen zugesprochen. [X.]uf die Streitwertbeschwerde des [X.] hat 35
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37
38
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-
14
-
das Berufungsgericht den Streitwert im Berufungsurteil auf 32.000

festge-setzt. Die dem Kläger zustehenden [X.]bmahnkosten berechnen sich auf dieser Grundlage
aus
einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr
gemäß [X.]nlage
2 zu §
13 [X.]bs.
1 RVG aF
von 1.079,00

so dass sie
insgesamt 1.099,00

betragen.

Nachdem das [X.] dem Kläger nur 507,50

ist die [X.] auf die [X.]nschlussberufung zur Zahlung weiterer 591,50

verurteilen.
Im Übrigen ist die [X.]nschlussberufung unbegründet.
[X.] [X.] beruht auf §
91 [X.]bs.
1, §
92 [X.]bs.
2 Nr.
1, §
97 [X.]bs.
1 ZPO.
Büscher
Schaffert
Kirchhoff

Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.11.2012 -
7 [X.]/11 KfH 1 -

OLG Stuttgart, Entscheidung vom 13.06.2013 -
2 [X.] (2 W 2/13) -

40
41

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I [X.]
vom

11. [X.]ugust 2015

in dem Rechtsstreit

Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 11.
[X.]ugust 2015 durch [X.] Dr.
Büscher, [X.], Dr.
Kirchhoff, Dr.
Löffler und die Richterin Dr. Schwonke

beschlossen:
Das Urteil vom 8.
Januar 2015 wird wegen offenbarer Unrichtigkeit gemäß §
319 [X.]bs.
1 ZPO wie folgt berichtigt:
In Rn.
12 viert-
und drittletzte Zeile muss es heißen "Die [X.]bwei-sung der Klage" statt "Die Verurteilung der [X.]".

Büscher
Schaffert
Kirchhoff

Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.11.2012 -
7 [X.]/11 KfH 1 -

OLG Stuttgart,
Entscheidung vom 13.06.2013 -
2 [X.] (2 W 2/13) -

Meta

I ZR 123/13

11.08.2015

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.08.2015, Az. I ZR 123/13 (REWIS RS 2015, 6841)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6841

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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6 U 79/98 (Oberlandesgericht Köln)


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I ZR 123/13

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