Bundesfinanzhof, Beschluss vom 28.02.2012, Az. III B 55/10

3. Senat | REWIS RS 2012, 8723

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Gegenstand

Zulassung der Revision wegen fehlerhafter Kostenentscheidung


Leitsatz

1. NV: Die Revision ist nicht zuzulassen, wenn Zulassungsgründe nur im Hinblick auf die vom FG getroffene Kostenentscheidung gegeben sind.

2. NV: Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist dagegen nicht ausgeschlossen bei solchen Verfahren, deren Gegenstand in der Hauptsache Kosten sind, wie etwa Klageverfahren wegen der Erstattung der Vorverfahrenskosten in Kindergeldangelegenheiten.

Tatbestand

1

I. Nach einer Außenprüfung änderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) diverse Steuerfestsetzungen. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) legten rechtzeitig Einspruch ein. Ihren zugleich gestellten Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) entsprach das [X.] jeweils in vollem Umfang. Die [X.] wurden der damaligen Vertreterin der Kläger, einer Steuerberaterin, bekannt gegeben. Durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten ließen die Kläger Einspruch gegen die [X.] einlegen. Diesen Einspruch verwarf das [X.] mit der Begründung als unzulässig, dass die Einspruchsfrist nicht gewahrt und überdies eine Beschwer der Kläger [X.] des § 350 der Abgabenordnung nicht gegeben sei. Das [X.] fügte seiner Einspruchsentscheidung eine Rechtsbehelfsbelehrung bei, in der es heißt, dass gegen diese Entscheidung Klage erhoben werden könne. Im weiteren Text der Belehrung werden Hinweise zu Form, Frist und den sonstigen Modalitäten der Klageerhebung gegeben.

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Die Kläger wandten sich mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 7. Januar 2010 an das [X.] ([X.]). Im Rubrum des Schriftsatzes ist von "neuer Klage" die Rede. Außerdem ist dort die Formulierung enthalten, dass namens und im Auftrag der Kläger Klage erhoben werde. Es folgt sodann "gemäß § 65 I 2 [X.]O" die Stellung verschiedener Anträge.

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Auf Seiten des [X.] wurde die Klage zunächst als AdV-Verfahren registriert, worauf die Kläger schriftlich hingewiesen wurden. Nachdem in der Klagebegründung ausgeführt worden war, dass entsprechend der Rechtsmittelbelehrung in der Einspruchsentscheidung Klage erhoben worden sei, und der Prozessbevollmächtigte in einem Telefonat mit der Berichterstatterin des [X.] die Erfassung des Rechtsbehelfs als Klage ausdrücklich als richtig bestätigt hatte, wurde ein Klageverfahren durchgeführt, das mit dem angegriffenen Prozessurteil beendet wurde. Die ausgesprochene Abweisung der Klage begründete das [X.] damit, dass nach § 69 Abs. 7 der [X.]sordnung ([X.]O) eine Klage wegen AdV unstatthaft sei. Die Kosten legte es den Klägern gemäß § 135 Abs. 1 [X.]O auf. Von der Anwendung des § 137 Satz 2 [X.]O, wonach Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden können, sah das [X.] mit der Begründung ab, dass die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung zwar als ein solches Verschulden zu werten sei. Doch hätten die Kläger trotz des gerichtlichen Hinweises die unzulässige Klage ausdrücklich weiter aufrechterhalten.

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Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O abgesehen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist unzulässig.

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1. Nach § 145 [X.]O ist die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Aus dieser Vorschrift folgt, dass die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage, die sich nur im Hinblick auf die Kostenentscheidung stellt, oder eines der sonstigen Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 [X.]O, der allein die Kostenentscheidung betrifft, nicht zuzulassen ist (Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 18. März 1994 [X.], [X.], 506, [X.] 1994, 473; vom 24. Oktober 1995 [X.], [X.] 1996, 430, m.w.N.). Die Rüge einer fehlerhaften Kostenentscheidung kann damit nicht zur Zulassung der Revision führen, wenn der Nichtzulassungsbeschwerde in der Hauptsache der Erfolg zu versagen ist oder in Bezug auf die Hauptsache gar keine Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 [X.]O geltend gemacht werden ([X.] in [X.], 506, [X.] 1994, 473, und in [X.] 1996, 430). Die Regelung in § 128 Abs. 4 [X.]O, wonach in Streitigkeiten über Kosten zwar die Beschwerde ausgeschlossen ist, nicht jedoch die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision, ändert daran nichts. Denn die genannte Vorschrift hat nur Bedeutung für Verfahren, deren Gegenstand in der Hauptsache Kosten sind ([X.] in [X.] 1996, 430), wie etwa Klageverfahren wegen der Erstattung der [X.] in [X.] gemäß § 77 des Einkommensteuergesetzes (hierzu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], EStG, § 77 Rz 7; zur Klageart vgl. z.B. Urteil des [X.] vom 21. Oktober 2008  7 K 773/2008, Juris).

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2. Nach diesen Grundsätzen muss der Nichtzulassungsbeschwerde der Erfolg versagt bleiben.

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a) Die Kläger machen in Bezug auf die Hauptsache keinen Revisionszulassungsgrund geltend.

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aa) Innerhalb der [X.] Streitfall verlängerten-- Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde haben die Kläger einen Verstoß gegen § 137 Satz 2 [X.]O gerügt und dargelegt, dass das [X.] mit der Nichtanwendung dieser Kostentragungsregelung im Streitfall von bestimmten Entscheidungen anderer [X.] und des [X.] abgewichen sei. In der Beschwerde wird weiter vorgetragen, dass der [X.] im Streitfall durchentscheiden und das angegriffene Urteil dahingehend abändern könne, dass die Kosten vom [X.] zu tragen sind.

Mit diesen Ausführungen haben die Kläger ausschließlich einen Revisionszulassungsgrund in Bezug auf die Kostenentscheidung geltend gemacht. Auch soweit eine rechtsfehlerhafte Umdeutung einer Klage in einen [X.] gerügt und im Übrigen pauschal behauptet wird, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung und dem [X.] seien zudem Verfahrensfehler unterlaufen, stehen diese Ausführungen allein im Zusammenhang mit der beanstandeten Nichtanwendung des § 137 Satz 2 [X.]O.

bb) Selbst wenn das außerhalb der Begründungsfrist beim [X.] eingegangene weitere Beschwerdevorbringen zu berücksichtigen wäre, könnte die Revision nicht zugelassen werden. Denn es fehlt auch dann noch an einem Revisionszulassungsgrund in Bezug auf die Hauptsache.

(1) Das [X.] hat in der Hauptsache die Klage als unzulässig abgewiesen, weil eine Klage wegen AdV nach § 69 Abs. 7 [X.]O nicht statthaft ist. Die Kläger erheben diesbezüglich die Rüge, das [X.] habe "eine klare und eindeutige Klageerhebung gegen allen bisherigen Auslegungsregeln einfach in einen Aussetzungsantrag umgedeutet". Für diese Umdeutung sei kein Raum gewesen, zumal die eindeutige Erklärung von einem Angehörigen der rechtsberatenden Berufe gestammt habe. Das [X.] sei demnach von Entscheidungen des [X.] abgewichen.

(2) Eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative [X.]O ist damit in Bezug auf die Hauptsacheentscheidung des [X.] weder in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügenden Weise dargelegt worden noch liegt eine solche Abweichung tatsächlich vor. Es fehlt offenkundig an der Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage, in der das [X.] von Entscheidungen anderer Gerichte abgewichen sein soll. Denn das [X.] hat die Umdeutung der Klage in einen [X.] zu Beginn des erstinstanzlichen Verfahrens lediglich erwogen. Tatsächlich hat es dann dem eindeutig geäußerten Willen der Kläger entsprechend im Urteil über eine Klage entschieden. Die Frage der Umdeutung wäre ersichtlich nur im umgekehrten Fall entscheidungserheblich gewesen, in dem ein Gericht einen statthaften [X.] entgegen den anerkannten Rechtsgrundsätzen zur Auslegung von [X.] als eine gemäß § 69 Abs. 7 [X.]O unstatthafte Klage behandelt.

(3) Im Streitfall hat das [X.] ausschließlich in Bezug auf die Kostenentscheidung zum Nachteil der Kläger gewürdigt, dass diese gewissermaßen das "Angebot" des [X.], die unstatthafte Klage in einen statthaften [X.] umzudeuten, nicht "angenommen" haben. Nach Auffassung des [X.] war damit die Kausalität des Verschuldens des [X.] --die Erteilung einer fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung-- für die Entstehung der Kosten nicht mehr gegeben und die Anwendung des § 137 Satz 2 [X.]O hatte zu unterbleiben.

b) Die [X.] betreffen im Übrigen ausschließlich die vom [X.] getroffene Kostengrundentscheidung, die auf der Nichtanwendung des § 137 Satz 2 [X.]O beruht. Der Zulassung der Revision wegen einer solchen Nebenentscheidung steht § 145 [X.]O aber entgegen.

Meta

III B 55/10

28.02.2012

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 19. Februar 2010, Az: 12 K 178/10, Urteil

§ 69 Abs 7 FGO, § 128 Abs 4 FGO, § 137 S 2 FGO, § 145 FGO, § 350 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 28.02.2012, Az. III B 55/10 (REWIS RS 2012, 8723)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8723

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