Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.05.2001, Az. XII ZR 273/98

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 2423

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]DES VOLKESURTEIL[X.]ZR 273/98Verkündet am:30. Mai 2001Küpferle,[X.]Geschäftsstellein dem RechtsstreitNachschlagewerk:jaBGHZ: neina) [X.]§ 9 Bb, [X.]1 und Abs. 2 Nr. 1Die in einem langfristigen gewerblichen Mietvertrag enthaltene Vereinbarung ei-nes vorzeitigen "Sonder"kündigungsrechts für den Mieter mit der Folge unter-schiedlich langer Bindung der beiden Vertragsparteien an das Mietverhältnis ver-stößt nicht gegen wesentliche Grundgedanken des gesetzlichen Mietrechts.b) ZPO §§ 139, 539Zur Annahme eines Verstoßes gegen die richterliche [X.]als wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne von § 539 ZPO.BGH, Urteil vom 30. Mai 2001 - [X.]- [X.]2 -Der XII. Zivilsenat des [X.]hat auf die mündliche [X.]30. Mai 2001 durch [X.][X.]und dieRichter Dr. Krohn, Sprick, Weber-Monecke und Fuchsfür Recht erkannt:Auf die Revision der Kläger und die Anschlußrevision der [X.]wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.]vom 11. August 1998 aufgehoben.Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der [X.]vom 2. Dezember 1997 abgeän-dert.Die Klage wird abgewiesen.Die weitergehende Revision der Kläger wird zurückgewiesen.Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.Von Rechts wegenTatbestand:Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten aus-gesprochenen Kündigung eines langfristigen [X.]3 -Durch Vertrag vom 17. Dezember 1976/25. März 1977 vermieteten [X.]H. an die Firma [X.] ein noch zu [X.]einen SB-Markt. In § 3 des [X.]wurde folgende Vereinbarung [X.]beginnt mit Übernahme des bezugsfertigen Mietob-jektes, das spätestens fünfzehn Monate nach Erteilung der [X.]fertiggestellt sein muß, und beträgt 20 Jahre. [X.]sich jedesmal nach Ablauf der halben Vertragsdauerum den jeweils abgelaufenen Zeitraum mit der Folge, daß [X.]von diesem Zeitpunkt ab immer wieder über dievolle ursprünglich vereinbarte Mietzeit läuft; diese Verlängerungtritt nicht ein, wenn eine der Vertragsparteien vorher der [X.]schriftlich widerspricht.Der Mieter ist berechtigt, im 20. Mietjahr zu erklären, daß er [X.]um weitere 5 Jahre fortzusetzen wünscht (Option).Eine vom Vermieter ausgesprochene Kündigung verliert für denZeitraum, für den von dem Optionsrecht Gebrauch gemacht [X.]ist, ihre Wirksamkeit.Unabhängig von dieser Regelung ist der Mieter berechtigt, erst-malig nach Ablauf von acht Mietjahren, den Vertrag während [X.]unter Einhaltung einer Frist von zwölf Monaten jeweilszum Quartalsende zu kündigen. Wenn der Mieter von diesemRecht innerhalb der ersten 15 Mietjahre Gebrauch macht, ist erverpflichtet, an den Vermieter eine Ausgleichszahlung zu leisten.Diese beträgt bei Beendigung des Mietverhältnisses innerhalb derersten zehn Mietjahre eine Jahresmiete, ab Beginn des elften biszum Ende des fünfzehnten [X.]eine halbe [X.]dreiseitigen "Übernahmevertrag" vom 10. August 1978 traten [X.]anstelle der [X.]als Vermieter in den Vertrag ein. Am 1. [X.]wurde das Mietobjekt an die Firma [X.]übergeben. Durch [X.]zwischen der Klägerin, der Firma [X.] und der [X.]3. März/17. März 1995 trat die Beklagte mit Wirkung ab 1. Februar 1995- 4 -als Mieter in alle Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis ein; zugleichwurde der Mietzins - auf monatlich 13.648,61 D[X.]- erhöht.Mit Schreiben vom 20. März 1995 kündigte die Beklagte das Mietver-hältnis unter Berufung auf ihr Sonderkündigungsrecht zum 31. März 1996. [X.]widersprachen der Kündigung und machten geltend, die Regelung in§ 3 Abs. 3 des [X.]verstoße gegen § 9 [X.]mit der Folge, daß dieVereinbarung des außerordentlichen Kündigungsrechts unwirksam sei. [X.]hielt die Kündigung aufrecht und leistete seit dem 1. April 1996 kei-nen Mietzins mehr.Mit der Klage haben die Kläger zum einen die Feststellung begehrt, daßdas Mietverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 20. März 1995beendet worden sei, sondern ungekündigt über den 31. März 1996 hinaus fort-bestehe, und zum anderen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von163.783,32 D[X.]nebst gestaffelten Zinsen als Mietzins für die Zeit von [X.]bis März 1997.Das [X.]hat der Klage stattgegeben. Es hat die auf § 3 Abs. 3des [X.]gestützte Kündigung der Beklagten wegen Verstoßes [X.]gegen § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.]für unwirksam ge-halten. Die Regelung in § 3 Abs. 3 des Mietvertrages, die wegen der unter-schiedlich langen Bindung der Vertragsparteien an das Mietverhältnis dem"Kerngehalt" des gesetzlichen Mietrechts widerspreche, sei bei [X.]von der Firma T. als vorformulierte Vertragsbedingung [X.]entgegen der Behauptung der Beklagten nicht individuell ausgehandeltworden. Soweit die Beklagte erstmals nach der mündlichen Verhandlung vom21. Oktober 1997 in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 5. [X.]behauptet habe, bei einem Gespräch der ursprünglichen [X.]-en vom 23. Februar 1977 sei über die Vereinbarung eines Sonderkündigungs-rechts verhandelt worden, sei dieser Vortrag gemäß § 296 a Satz 1 ZPO nichtmehr zu berücksichtigen. Die Klausel in § 3 Abs. 3 des [X.]stelledaher eine vorformulierte Vertragsbedingung im Sinne von § 1 Abs. 1 AGBGdar, die der Inhaltskontrolle nach § 9 [X.]unterliege und ihr nicht standhalte.Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlan-desgericht das landgerichtliche Urteil wegen eines wesentlichen Verfahrens-mangels aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Ent-scheidung an das [X.]zurückverwiesen.Gegen diese Entscheidung wenden sich die Kläger mit der Revision, mitder sie die Aufhebung des Berufungsurteils und die Wiederherstellung deslandgerichtlichen Urteils erstreben. Die Beklagte hat sich der Revision ange-schlossen. Sie verfolgt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die [X.]erhobenen Klage.[X.]a) Das Berufungsgericht hat einen wesentlichen Mangel im [X.]ersten Rechtszugs angenommen und dazu ausgeführt: Das [X.]davon ausgegangen, daß der gesetzesfremde Kerngehalt der Regelung in§ 3 Abs. 3 des [X.]von der Firma [X.] auch nach dem Vor-trag der Beklagten bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung nicht zur [X.]gestellt, d.h. ausgehandelt, worden sei. Bei diesem Verständnis [X.]der Beklagten hätte das Landgericht, auch im Hinblick auf die [X.]-che wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits, seiner Aufklärungspflicht ge-mäß § 139 ZPO nachkommen und darauf hinwirken müssen, daß sich die [X.]vollständig erklärte, insbesondere die ungenügenden Angaben zum In-halt des Gesprächs vom 23. Februar 1977 ergänzte. Aus dem Sachvortrag [X.]habe sich ergeben, daß diese gemeint habe, ihr tatsächliches [X.]zum Aushandeln der streitigen Klausel sei schlüssig, vollständig undnicht ergänzungsbedürftig. Spätestens in der mündlichen Verhandlung vom 21.Oktober 1997 hätte das [X.]den Beklagtenvertreter deshalb daraufhinweisen müssen, daß der bisherige Sachvortrag der Beklagten unzureichendsei. Wäre das [X.]der Aufklärungs- und Hinweispflicht nachgekom-men, dann hätte die Beklagte mit Sicherheit ihren Vortrag zum Ablauf und In-halt des Gesprächs vom 23. Februar 1977 ergänzt und vorgetragen, daß überdas Sonderkündigungsrecht überhaupt bzw. über dessen grundsätzliche [X.]verhandelt worden sei. Der aufgezeigte Verfahrensmangel sei we-sentlich im Sinne von § 539 ZPO, weil er für das landgerichtliche Urteil ursäch-lich und für das Ergebnis - antragsgemäße Verurteilung der Beklagten oderKlageabweisung - erheblich sei.Eine eigene Sachentscheidung des Berufungsgerichts nach § 540 [X.]- trotz der mit der Zurückverweisung verbundenen Verzögerung [X.]des Verfahrens - unter den gegebenen Umständen nicht alssachdienlich, zumal eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich sein [X.]und den Parteien der volle Instanzenzug erhalten bleiben solle.b) Diese Ausführungen des Berufungsgerichts werden sowohl von [X.]als auch von der Anschlußrevision zu Recht angegriffen. Beide [X.]rechtlich zutreffend eine Verletzung der §§ 539, 540 ZPO durch [X.]-aa) Der Verfahrensmangel, den das Berufungsgericht dem Landgericht- durch Verletzung der Aufklärungs- und Hinweispflicht - vorwirft, betrifft dieFrage, ob die Regelung in § 3 Abs. 3 des [X.]im Sinne von § 1Abs. 2 [X.]im einzelnen ausgehandelt wurde, so daß [X.]eineAllgemeine Geschäftsbedingung nicht vorläge und eine Unwirksamkeit desvereinbarten Sonderkündigungsrechts gemäß § 9 [X.]nicht in Betracht kä-me. Der streitige Mietvertrag wurde zwar bereits vor dem Inkrafttreten des [X.]zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen am1. April 1977 geschlossen. Nach § 28 Abs. 2 [X.]gilt jedoch die [X.]§ 9 des Gesetzes auch für solche Fälle, soweit die entsprechenden Ver-träge, wie es hier der Fall ist, bei Inkrafttreten des [X.]noch nicht abgewik-kelt waren (vgl. BGHZ 91, 375, 384). Die Prüfung nach dem Maßstab des § 9[X.]ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.bb) Es stellt indessen keinen Verfahrensfehler im Sinne von § 539 ZPOdar, daß das [X.]die Regelung in § 3 Abs. 3 des [X.]als All-gemeine Geschäftsbedingung beurteilt und den Vortrag der Beklagten überdas behauptete Aushandeln der Vereinbarung als verspätet zurückgewiesenhat, ohne zuvor auf eine Ergänzung des Vorbringens der Beklagten hinzuwir-ken.Zwar ist dem [X.]im Grundsatz darin zuzustimmen, daßVerstöße gegen die richterliche Aufklärungspflicht einen Mangel des Verfah-rens im Sinne von § 539 ZPO darstellen können (vgl. BGH, Urteil vom9. Dezember 1987 - [X.]= BGHR ZPO § 539, Verfahrensmangel 1).Dabei ist jedoch Zurückhaltung geboten. Vor allem ist die Frage, ob dem Ver-fahren des [X.]ein Mangel, etwa durch Unterlassung eines Hinweisesan die Partei, anhaftet, nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung vom- 8 -materiell-rechtlichen Standpunkt des Erstgerichts aus zu beurteilen, auch [X.]Berufungsgericht diesen Standpunkt nicht teilt. Danach begründet es kei-nen Fehler im Verfahren der Vorinstanz, wenn das Berufungsgericht [X.]materiell-rechtlich anders wertet als das Erstgericht, indem es etwageringere Anforderungen an die Schlüssigkeit und die [X.]und infolgedessen eine Beweisaufnahme für erforderlich hält, die das[X.]nicht durchgeführt hat. Ein Verfahrensfehler kann in einem solchenFall auch nicht mit einer Verletzung der richterlichen Hinweis- und Fragepflichtnach § 139 ZPO begründet werden. Vielmehr muß das Berufungsgerichtgrundsätzlich auch insoweit bei der Prüfung der Frage, ob ein Verfahrensman-gel vorliegt, den Standpunkt des Erstgerichts zugrunde legen (st.Rspr., vgl.BGH, Urteil vom 10. Dezember 1996 - [X.]= NJW 1997, 1447, 1448m.w.N.).Das [X.]ist in seinem Urteil davon ausgegangen, daß die [X.]nach ihrem ursprünglichen Vortrag bis zur mündlichen Verhandlungnicht schlüssig behauptet habe, das Sonderkündigungsrecht nach § 3 Abs. 3des [X.]sei als solches inhaltlich zur Disposition gestellt worden;nach dem ursprünglichen Vortrag der Beklagten sei lediglich über den Zeit-punkt für die erstmalige Ausübung des Sonderkündigungsrechts verhandelt,dieser also ausgehandelt worden. Hingegen habe die Firma [X.] nachdem ursprünglichen Vortrag der Beklagten bei dem fraglichen Gespräch vom23. Februar 1977 keine Verhandlungsbereitschaft darüber zum Ausdruck ge-bracht, ob ein Sonderkündigungsrecht überhaupt mit in den Vertrag einbezo-gen werden sollte. Erstmals in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom5. November 1997 habe die Beklagte vorgetragen, daß bei dem Gespräch vom23. Februar 1977 nicht nur über die Aussetzungsdauer des [X.]9 -rechts, sondern auch über dessen grundsätzliche Vereinbarung verhandeltworden sei.Dieser Bewertung des erstinstanzlichen Vorbringens der [X.]das [X.]ist das [X.]- rechtsfehlerfrei - nicht ent-gegengetreten. Von dem danach zugrunde zu legenden Rechtsstandpunkt des[X.]aus bestand für das Gericht aber kein begründeter Anlaß zu ei-nem Aufklärungs- oder [X.]an die Beklagte. Die Kläger hattenin der Klageschrift ausführlich dargetan, daß sie die Vereinbarung in § 3 Abs. 3des [X.]als Allgemeine Geschäftsbedingung ansahen, die wegenVerstoßes gegen § 9 [X.]unwirksam sei und deshalb die von der [X.]nicht rechtfertigen könne. Darauf hatte die- anwaltlich vertretene - Beklagte mit Schriftsätzen vom 26. Mai und vom22. Juli 1997 im einzelnen ausgeführt, § 9 [X.]sei hier nicht [X.]§ 3 Abs. 3 des [X.]sei bei dem Gespräch am 23. Februar 1977individuell ausgehandelt worden; in diesem Gespräch hätten die Brüder H. für die der Mieterin gewährten [X.]die Vorstellung geäu-ßert, daß diese Rechte für einen Zeitraum von zwölf Jahren seit [X.]würden; die Mieterin habe den Wunsch einer Aussetzung vonsechs Jahren gehabt; in den Verhandlungen hätten sich beide Seiten schließ-lich auf die Aussetzung des Sonderkündigungsrechts von acht Jahren seitMietbeginn mit der vereinbarten Ausgleichszahlung geeinigt. Hiermit sei diefragliche Sonderkündigungsregelung im klassischen Sinn zwischen den Ver-tragsparteien ausgehandelt worden.Dieses Vorbringen bot aus der Sicht des Landgerichts, das die Voraus-setzungen für ein Aushandeln des Sonderkündigungsrechts bei dem vorgetra-genen Sachverhalt allerdings aus Rechtsgründen nicht für erfüllt hielt, keinen- 10 -Anhaltspunkt zu einem [X.]an die Beklagte. Diese hatte sichzu der für die Parteien und auch für das Gericht maßgeblich erscheinendenFrage des [X.]der Regelung in § 3 Abs. 3 des [X.]geäu-ßert und dazu in tatsächlicher Hinsicht über die Vorgänge bei den [X.]in einer Weise vorgetragen, die - entgegen der Auffassung [X.]- weder unvollständig bzw. ungenügend noch ergänzungs-bedürftig erschien, sondern im Gegenteil den Eindruck einer aus der Sicht der[X.]umfassenden, abschließenden Sachverhaltsdarstellung vermittelte. [X.]diesen Umständen oblag dem [X.]keine Hinweispflicht nach§§ 139, 278 Abs. 3 ZPO. Ein entsprechender Hinweis hätte sich bei der gege-benen Sachlage vom Rechtsstandpunkt des [X.]aus allenfalls auf dievon diesem beabsichtigte rechtliche Wertung des beiderseitigen [X.]beziehen können. Dazu bestand indessen verfahrensrechtlich keine Ver-pflichtung.Da das Berufungsgericht demnach zu Unrecht einen wesentlichen Man-gel des erstinstanzlichen Verfahrens im Sinne von § 539 ZPO angenommenhat, kann das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben.2. Einer Zurückverweisung an das Berufungsgericht bedarf es jedochnicht. Der Rechtsstreit ist nach dem festgestellten Sachverhalt zur Endent-scheidung reif (§ 565 Abs. 3 ZPO; vgl. [X.]Urteil vom 22. Januar 1997- VII[X.]ZR 339/95 = W[X.]1997, 1713, 1716).Die Klage ist unbegründet. Sie ist daher auf die Anschlußrevision [X.]der Beklagten - unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils - [X.]11 -a) Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann für die zu treffendeEntscheidung dahingestellt bleiben, ob die Regelung in § 3 Abs. 3 des [X.]zwischen den seinerzeitigen Vertragsparteien im Sinne von § 1Abs. 2 [X.]im einzelnen ausgehandelt worden ist. Auch wenn das nicht derFall war und es sich demgemäß um eine Allgemeine Geschäftsbedingung han-delt, ist die Klausel rechtlich nicht zu beanstanden, sondern in gleicher Weisewirksam wie im Fall einer Individualvereinbarung.b) Ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 [X.]liegt nicht vor.Nach § 9 Abs. 1 [X.]sind formularmäßige Vertragsbestimmungen un-wirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Gebo-ten von [X.]und Glauben unangemessen benachteiligen. Das ist nach § 9Abs. 2 Nr. 1 [X.]im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit we-sentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichenwird, nicht zu vereinbaren ist. Von maßgeblicher Bedeutung ist insoweit, ob diedispositive gesetzliche Regelung nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungenberuht, sondern eine Ausprägung des [X.]darstellt. Dabeibrauchen Grundgedanken eines Rechtsbereichs nicht in [X.]zu sein. Es reicht aus, daß sie in allgemeinen, an [X.]ausgerichteten und auf das betreffende Rechtsgebiet anwendbarenGrundsätzen ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. BGHZ 115, 38, 42; 114,238, 240; 96, 103, 109; 89, 206, 211).Das [X.]- und ihm insoweit folgend auch das Oberlandesge-richt - haben den von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungabweichenden, "gesetzesfremden Kerngehalt" der Regelung des § 3 Abs. 3des [X.]darin gesehen, daß der Mieter danach anders als der [X.]nicht an die fest vereinbarte Mietzeit von grundsätzlich 20 Jahren ge-- 12 -bunden ist, sondern das Mietverhältnis vor Ablauf der fest vereinbarten [X.]Wege einer vorzeitigen Kündigung ohne Vorliegen besonderer Gründe kün-digen kann. Diese Regelung widerspricht nach der Auffassung der Vorinstan-zen dem gesetzlichen Leitbild über die Möglichkeit außerordentlicher Kündi-gungen bei befristeten Mietverhältnissen.Dem kann nicht gefolgt werden.Zu den wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Mietrechts, vondenen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht zu Lasten des Vertragsgeg-ners abgewichen werden darf, gehören etwa die Zulässigkeit langfristiger [X.]an ein Mietverhältnis (vgl. § 567 BGB; auch Gerber/Eckert, [X.]und Pachtrecht, 3. Aufl., Rdn. 282; Senatsurteil vom 10. Februar 1993- [X.]ZR 74/91 = NJW 1993, 1133, 1134), die Festlegung der [X.]§ 565 BGB, die wesentlichen Interessen der Vertragspartner dienen unddeshalb nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 [X.]nicht entgegen den [X.]ganz ausgeschlossen und auch nicht zu Lasten des Mieters formular-vertraglich verkürzt werden dürfen (vgl. Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl.,§ 9 Rdn. [X.]45; Grapentin in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohn-raummiete, 3. Aufl. IV Rdn, 136; Sternel, Mietrecht 3. Aufl. [X.]Rdn. 186; [X.]1990, 154), sowie auch das grundsätzliche Recht zur fristlosen(außerordentlichen) Kündigung bei Vorliegen besonders schwerwiegenderGründe (vgl. Bub in NZ[X.]1998, 789, 795; von [X.]in EWiR § 9 AGBG25/91 S. 1041, 1042), das allerdings aus Gründen des Bestandsschutzes vonMietverhältnissen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht über den ge-setzlich geregelten Bereich hinaus erweitert werden darf (vgl.Wolf/Horn/[X.]aaO Rdn. [X.]46).- 13 -Die am Gerechtigkeitsgedanken ausgerichteten wesentlichen Grundsät-ze des gesetzlichen Mietrechts fordern hingegen nicht eine unterschiedslosgleichlange Bindung beider Vertragspartner an das Mietverhältnis (vgl. Ger-ber/[X.]aaO Rdn. 297). Schon das im Mietrecht anerkannte Institut [X.]ist ein Beispiel für unterschiedlich lange Bindung des op-tionsberechtigten (in der Regel) Mieters einerseits und des anderen Vertrag-steils (in der Regel des Vermieters) andererseits, der keinen Einfluß auf dieendgültige Dauer des Mietverhältnisses (mit oder ohne Verlängerung) ausübenkann. Das Gesetz selbst regelt etwa in § 570 BGB eine Reihe von Fällen, indenen befristete Mietverträge aus Gründen aus der Sphäre des Mieters vondiesem unter Einhaltung der gesetzlichen Frist vorzeitig gekündigt werdenkönnen, während der Vermieter an die vertraglich vereinbarte Mietdauer ge-bunden ist. Nach der beschlossenen Mietrechtsreform werden für das [X.]ausdrücklich unterschiedlich lange Kündigungsfristen für [X.](drei Monate) und den Vermieter (maximal neun Monate) gesetzlich vor-gegeben.Vor diesem Hintergrund ist die Vereinbarung unterschiedlich langerKündigungsfristen für beide Vertragsteile auch durch [X.]grund-sätzlich rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Emmerich/Sonnenschein, Miete7. Aufl., § 565 Rdn. 16; MünchKomm/Voelskow, BGB 3. Aufl., § 565 Rdn. 7;von [X.]aaO S. 1042; [X.]ZMR 1988, 386, 387; OLG Ham-burg ZMR 1991, 476, 477 = NJW-RR 1992, 74). Teilweise werden entspre-chende Formularklauseln als "nicht von vorneherein unzulässig" (AGB-Klauselwerk/Drettmann, [X.]Rdn. 175) bezeichnet. Sie werden aber [X.]unter Bezugnahme auf die im vorliegenden Fall auch im Urteil des[X.]behandelten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamm- 14 -(aaO) und [X.](aaO) wegen Einseitigkeit (Wolf/Horn/[X.]aaO § 9Rdn. [X.]44), Störung des [X.](von [X.]aaOS. 1042) oder "bei krassen Abweichungen" ([X.]aaO) nach § 9 Abs. 1AGBG, also wegen allgemeiner gegen [X.]und Glauben verstoßender unan-gemessener Benachteiligung des Vertragspartners, für unwirksam gehalten.Eine solche einseitig unangemessene Benachteiligung des [X.]indessen in der hier zu beurteilenden Regelung des § 3 Abs. 3 des [X.]entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht enthalten. In den zi-tierten Urteilen der Oberlandesgerichte [X.]und [X.]hatte sich der [X.]verwendende Mieter jeweils das Recht vorbehalten, beifester Laufzeit des [X.](OLG Hamm: 30 Jahre, OLG Hamburg: 10Jahre mit Verlängerungsoption für den Mieter) und entsprechender [X.]Vermieters seinerseits das Mietverhältnis "zum Schluß eines jeden Kalen-dervierteljahres" mit halbjähriger Frist (OLG Hamm) bzw. "jederzeit" mit einerFrist von sechs Monaten (OLG Hamburg) zu kündigen, ohne daß die [X.]schützenswerte Interessen der Mieter für diese Ungleichbehand-lung gegenüber dem Vermieter zu erkennen vermochten. Mit derartigen Fall-gestaltungen ist die hier streitige Kündigungsvereinbarung nicht zu verglei-chen. Zwar waren die Kläger als Vermieter durch die Bestimmung des § 3Abs. 3 des [X.]grundsätzlich für 20 Jahre an das Mietverhältnis ge-bunden. Die Beklagte (bzw. ihre Rechtsvorgängerin) konnte den Vertrag aberals Mieterin weder "jederzeit" noch von [X.]an "zum Schluß eines jedenKalendervierteljahres" kündigen. Die ihr eingeräumte vorzeitige Kündigung warvielmehr erstmals nach Ablauf von acht Jahren mit einer zwölfmonatigen Kün-digungsfrist zulässig und zudem bei Ausübung innerhalb der ersten zehnMietjahre an die Zahlung einer vollen "Jahresmiete", bei Ausübung innerhalbder nächsten fünf Mietjahre an die Zahlung einer halben "Jahresmiete" ge-- 15 -knüpft. Den Vermietern war damit jedenfalls für die Dauer von zehn Jahren [X.]auf Beträge in Höhe des vollen Mietzinses gewährleistet. [X.]ihnen ein volles Jahr für die Suche nach einem etwaigen Nachmieter zurVerfügung. Bei Berücksichtigung der unterschiedlichen Risiken, die die Ver-tragsparteien mit dem Mietvertrag eingingen, erscheint die aufgezeigte Rege-lung weder in einer gegen [X.]und Glauben verstoßenden Weise unange-messen noch unzumutbar für die Vermieter. Diese hatten zwar die [X.]den Wünschen und Vorgaben der Mieterin zu erstellen und [X.]bestimmte bauliche Änderungen an dem Mietobjekt zu dulden. Sie [X.]für die Dauer von mindestens zehn Jahren praktisch kein Risiko, dasnicht durch entsprechende Ansprüche gegen die Mieterin gedeckt gewesenwäre. Demgegenüber trug die Beklagte als Mieterin das volle wirtschaftlicheRisiko für die Entwicklung und den geschäftlichen Erfolg des von ihr geführtenSB-Marktes, und sie war nach dem Vertrag ihrerseits jedenfalls für neun [X.]das Mietverhältnis gebunden und für zehn Jahre zur Zahlung verpflichtet,selbst wenn der [X.]von den Kunden nicht in der erwarteten Weise an-genommen werden und der beabsichtigte geschäftliche Erfolg sich aus nichtvorhersehbaren Gründen nicht einstellen oder nicht auf Dauer anhalten sollte.Bei Berücksichtigung dieser Umstände hält die vereinbarte Kündigungs-regelung einer etwa gebotenen Inhaltskontrolle nach dem Maßstab des § 9[X.]stand.Da die Bestimmung des § 3 Abs. 3 des [X.]demnach sowohlals [X.]als auch als Individualvereinbarung keinen rechtlichen Be-denken unterliegt, hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 20. März 1995rechtswirksam unter Berufung auf das Sonderkündigungsrecht das Mietver-hältnis gekündigt. Dieses ist damit zum 31. März 1996 beendet worden. Die auf- 16 -Feststellung seines Fortbestandes und Weiterzahlung des Mietzinses über [X.]April 1996 hinaus gerichtete Klage hat nach alledem keinen Erfolg.[X.] Krohn[X.] Weber-Monecke Fuchs

Meta

XII ZR 273/98

30.05.2001

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.05.2001, Az. XII ZR 273/98 (REWIS RS 2001, 2423)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 2423

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

30 U 82/22 (Oberlandesgericht Hamm)


IX ZR 44/21 (Bundesgerichtshof)

Insolvenz eines Gewerberaummieters: Abgesonderte Befriedigung des Vermieters aus einem ihm verpfändeten Sparguthaben hinsichtlich seines Schadensersatzanspruchs …


12 O 106/17 (Landgericht Darmstadt)

§§ 578, 550 BGB


VIII ZR 25/14 (Bundesgerichtshof)

Wohnraummiete: Kündigung gegenüber den Erben des Mieters


XII ZR 133/98 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.

Öffnen: STRG + Shift | Schließen: ESC