Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.09.2014, Az. IV ZR 352/13

4. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 3046

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Gegenstand

Lebensversicherung: Wirksamkeit der formularmäßig vereinbarten Unabhängigkeit einer Kostenausgleichsvereinbarung von einer Auflösung oder Aufhebung des Versicherungsvertrages und der Unkündbarkeit einer Kostenausgleichsvereinbarung


Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das am 26. September 2013 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des [X.] aufgehoben, auf die Berufung der Beklagten das am 28. März 2013 verkündete Urteil des [X.] unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und insgesamt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.171,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Juni 2012 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 382,59 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Juni 2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 55% und die Beklagte 45%.

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 4.830,24 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die [X.]eklagte, einen liechtensteinischen Lebensversicherer, auf Rückzahlung einbehaltener [X.]eträge aus einer [X.] in Anspruch. Am 2. März 2010 stellte der Kläger bei der [X.]eklagten einen "Antrag auf [X.]/Antrag auf [X.]". Als monatlicher [X.]eitrag für die Rentenversicherung waren 230 [X.] vorgesehen. In Abschnitt [X.] ist hierzu unter der Rubrik "Vertragsdaten/[X.]eitrag" geregelt:

"In den ersten 48 Monaten wird der Monatsbeitrag um die Teilzahlungen für die [X.] reduziert. Versicherungsdauer = Zeitraum bis zur ersten Rentenzahlung."

2

In dem die [X.] betreffenden Abschnitt [X.] findet sich der fettgedruckte Hinweis:

"Die Auflösung des Versicherungsvertrages führt grundsätzlich nicht zur [X.]eendigung dieser [X.]."

3

Weiter ist bestimmt, dass die Tilgung der Abschluss- und [X.]inrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag und nicht in Form einer Verrechnung der Kosten mit den Versicherungsbeiträgen erfolgt. Die Abschluss- und [X.]inrichtungskosten sind mit einem Gesamtpreis von 5.466 [X.] angegeben, zahlbar in 48 monatlichen Raten von 113,88 [X.]. Als nominaler und effektiver [X.] sind 0% angegeben.

4

In Abschnitt [X.] zur [X.]eratungsdokumentation heißt es unter anderem:

"Ich habe verstanden, dass die Abschluss- und [X.]inrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag getilgt werden. Diese Kosten sind auch im Falle einer [X.]eitragsfreistellung oder Kündigung des Versicherungsvertrages zu tilgen."

5

Unmittelbar über dem [X.] für die [X.] findet sich die vorformulierte [X.]rklärung (der letzte Satz in Fettdruck):

"Ich beantrage die unkündbare [X.] gemäß dieses Antrages. ... Ich habe die Sicherungsabtretung meiner Leistungsansprüche an die P.     zur Kenntnis genommen.

[X.] ist ebenfalls bekannt, dass ich die [X.] nicht kündigen kann."

6

Ferner heißt es zum "Widerrufsrecht im Rahmen des Versicherungsvertrages":

"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 30 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.[X.]. [X.]rief, Telefax, [X.]-Mail) gegenüber der P.                 in [X.]                    , widerrufen. Die Frist beginnt nach [X.]rhalt der Versicherungspolice, der Vertragsbestimmungen einschließlich der Versicherungsbedingungen, der weiteren Informationen nach § 7 Abs. 1 und 2 des [X.]es in Verbindung mit den §§ 1 bis 4 der [X.] und dieser [X.]elehrung jeweils in Textform. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Widerrufsfolgen: Im Falle eines wirksamen Widerrufs endet der ggf. bereits bestehende Versicherungsschutz, und wir erstatten Ihnen unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Zugang des Widerrufs, den Rückkaufswert nach § 169 [X.], mindestens jedoch die bisher gezahlten [X.]eiträge. Die Abschluss- und [X.]inrichtungskosten des Versicherungsvertrages bezahlen Sie durch die ebenfalls mit uns geschlossene [X.]. Die beiden Verträge bilden damit eine wirtschaftliche [X.]inheit. Widerrufen Sie den Versicherungsvertrag wirksam, sind Sie daher auch an die [X.] nicht mehr gebunden, die damit auch endet. Wenn Sie im Zeitpunkt des Widerrufs die Forderung aus der [X.] bereits ganz oder teilweise beglichen haben, erstatten wir Ihnen den gezahlten [X.]etrag."

7

Schließlich ist zum Widerrufsrecht im Rahmen der [X.] bestimmt:

"Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 30 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.[X.]. [X.]rief, Telefax, [X.]-Mail) gegenüber der P.                       in [X.]                     widerrufen. Die Frist beginnt nach [X.]rhalt der Vertragsurkunde der [X.], der Durchschrift des Antrages und dieser [X.]elehrung in Textform. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Widerrufsfolgen: Mit der [X.] bezahlen Sie die Abschluss- und [X.]inrichtungskosten des ebenfalls mit uns geschlossenen Versicherungsvertrages. Die beiden Verträge bilden damit eine wirtschaftliche [X.]inheit. Daher, und weil Ihnen in [X.]ezug auf den Versicherungsvertrag ein Widerrufsrecht zusteht, ist dieser zu widerrufen, wobei ein wirksamer Widerruf neben dem Versicherungsschutz auch die [X.] beendet. Widerrufen Sie dennoch die [X.], so gilt dies als Widerruf des Versicherungsvertrages, wobei ein wirksamer Widerruf neben dem Versicherungsschutz auch die [X.] beendet. [X.]ezüglich der weiteren Rechtsfolgen verweisen wir auf die oben stehenden Widerrufsfolgen in der [X.]elehrung zum Widerrufsrecht im Rahmen des Versicherungsvertrages, die Sie bitte erneut zur Kenntnis nehmen."

8

Die [X.]eklagte nahm den Antrag an, wobei für die [X.] nur noch ein Gesamtpreis von 4.830,24 [X.] bei 48 monatlichen Teilzahlungen von 100,63 [X.] ohne Verzinsung vereinbart wurde. Der Kläger leistete seit Vertragsschluss ab dem 1. April 2010 zunächst die Prämien für den Versicherungsvertrag und die [X.]. Mit Schreiben vom 15. März 2012 focht er den gesamten Vertrag einschließlich der Kostenpauschale an, erklärte hilfsweise die Kündigung mit sofortiger Wirkung und forderte Rückzahlung der gezahlten [X.]eiträge. Die [X.]eklagte bestätigte mit Schreiben vom 4. April 2012 die Wirksamkeit der Kündigung und teilte dem Kläger den Rückkaufswert der gekündigten Versicherung mit 2.913,53 [X.] mit. Ferner wies sie darauf hin, dass dieser mit der offenen [X.] verrechnet werde, woraus sich ein Auszahlungsbetrag für den Kläger von 742,33 [X.] ergab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17. Mai 2012 forderten die Prozessbevollmächtigten des [X.] die [X.]eklagte auf, die auf die [X.] erfolgten Zahlungen zurückzuzahlen, und widerriefen vorsorglich die Vertragserklärung des [X.].

9

Das Amtsgericht hat der auf Zahlung von 4.830,24 [X.] nebst Zinsen und Rechtsanwaltskosten gerichteten Klage stattgegeben. Auf das Rechtsmittel der [X.]eklagten hat das [X.] das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des [X.], der eine Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise begründet.

I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist eine gesonderte [X.] zulässig und wirksam. Insbesondere verstoße sie nicht gegen § 169 Abs. 5 [X.] und stelle keine unzulässige Umgehung dar. Eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers liege ebenfalls nicht vor. Auch das Transparenzgebot sei gewahrt. Einen Widerruf des Versicherungsvertrages oder der [X.] habe der Kläger nicht erklärt. Es liege ohnehin kein entgeltlicher Zahlungsaufschub i.S. von § 506 BGB vor. § 8 [X.] finde auf [X.]en ferner keine Anwendung. Von einer [X.] der Beklagten sei ebenfalls nicht auszugehen. Auch eine unzulässige Verflechtung der Beklagten mit dem Versicherungsvermittler, der [X.], liege nicht vor.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

1. Wie der Senat bereits in seinen - vergleichbare Sachverhalte betreffenden - Urteilen vom 12. März 2014 entschieden und im Einzelnen begründet hat, verstößt die [X.] nicht gegen § 169 Abs. 5 Satz 2, § 171 Satz 1 [X.] ([X.], [X.], 567 Rn. 14-22; [X.]/13 juris Rn. 12-20). Auch eine Unwirksamkeit wegen fehlender Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kommt nicht in Betracht. Dem Versicherungsnehmer wird unmissverständlich vor Augen geführt, dass er die [X.] nicht kündigen kann und nur der Widerruf seiner Vertragserklärung zu deren Beendigung führt, nicht dagegen eine Kündigung des Versicherungsvertrages oder der [X.] selbst (vgl. Senatsurteil vom 12. März 2014 - [X.], aaO Rn. 23-25).

2. Dem Kläger stand allerdings das Recht zu, die [X.] zu kündigen, da die vertraglich festgelegte Unabhängigkeit der [X.] von einer Auflösung oder Aufhebung des Versicherungsvertrages sowie der ausdrückliche Ausschluss des Kündigungsrechts in der vorgedruckten Formulierung im Antragsformular wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam sind (Senatsurteile vom 12. März 2014 - [X.], [X.], 567 Rn. 26-35; [X.]/13 juris Rn. 21-30). Hieran hält der Senat auch in Anbetracht des weiteren Vorbringens der Beklagten fest. Wie im Fall desjenigen Versicherungsnehmers zu entscheiden wäre, der die Abschluss- und Einrichtungskosten - anders als in sämtlichen bisher dem Senat vorliegenden Fallgestaltungen - nicht ratierlich, sondern in einem Betrag sofort bei Vertragsschluss zahlt, muss hier nicht entschieden werden. Es besteht ferner keine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von durch den Versicherungsnehmer widerrufenen oder gekündigten Versicherungsverträgen. Im Falle eines wirksamen Widerrufs seitens des Versicherungsnehmers ist der Vertrag von Anfang an unwirksam. Soweit die vertraglichen und gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, kann in diesen Fällen ein Anspruch auf Wertersatz in Betracht kommen. Die Kündigung führt demgegenüber nur zu einer Beendigung des [X.], so dass der Versicherer bis zu diesem [X.]punkt geleistete Zahlungen des Versicherungsnehmers auf die [X.] ohnehin behalten darf.

Hieraus folgt, dass der Kläger die [X.] mit seinem Schreiben vom 15. März 2012 wirksam gekündigt hat. Die Beklagte kann für die [X.] danach aus ihr keine Zahlungsansprüche mehr geltend machen. Ausweislich ihres Abrechnungsschreibens vom 4. April 2012 bemisst die Beklagte ihre restliche Forderung aus der [X.] mit 2.171,20 € (Rückkaufswert vo n 2.913,53 € abzüglich Auszahlung von 742,33 €). In dieser Höhe kann der Kläger mithin Zahlung von der Beklagten verlangen.

3. Ein weitergehender Anspruch des [X.] wegen des Widerrufs seiner auf den Abschluss des Versicherungsvertrages und der [X.] gerichteten Willenserklärung auf Rückzahlung der auf die [X.] geleisteten Beträge kommt dagegen nicht in Betracht. [X.] nimmt das Berufungsgericht zwar an, dass ein derartiger Widerruf des [X.] nicht vorliegt. Diesen Widerruf hat der Kläger nicht nur mit dem anwaltlichen Schreiben vom 17. Mai 2012 erklärt, sondern diesen nochmals in der Klageschrift vom 9. August 2012 wiederholt. Entgegen der Auffassung des [X.] sind die Widerrufsbelehrungen sowohl zum Versicherungsvertrag als auch zur [X.] aber weder inhaltlich noch formal zu beanstanden. Die Widerrufsbelehrungen im hier zu beurteilenden Fall entsprechen denjenigen, die der Senatsentscheidung vom 14. Mai 2014 ([X.] 5/14, [X.], 824) zugrunde lagen. Insoweit wird auf die dortigen Ausführungen verwiesen (Rn. 12-19).

Der Anspruch des [X.] auf teilweisen Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 2.171,20 € aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß § 280 Abs. 2, § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Mayen                          Harsdorf-Gebhardt                                   Dr. Karczewski

                Lehmann                                      Dr. Brockmöller

Meta

IV ZR 352/13

10.09.2014

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Leipzig, 26. September 2013, Az: 3 S 204/13

§ 307 Abs 2 Nr 2 BGB, § 169 Abs 5 S 2 VVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.09.2014, Az. IV ZR 352/13 (REWIS RS 2014, 3046)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3046

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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