Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2016, Az. GSSt 1/16

Großer Senat für Strafsachen | REWIS RS 2016, 8077

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:150716BGSST1.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
GSSt 1/16

vom
15. Juli
2016

[X.]St:
ja
[X.]R:
ja
Nachschlagewerk:
ja
Veröffentlichung:
ja

-

[X.] §§ 252, 52

Macht ein Zeuge erst in der Hauptverhandlung von seinem [X.] nach §
52 Abs.
1 [X.] Gebrauch, so erfordern die Einführung des Inhalts einer früheren Aussage des Zeugen in die Hauptverhandlung durch Vernehmung des [X.]s, vor dem der Zeuge im Rahmen des die konkrete Tat betreffenden Ermittlungsverfahrens ausgesagt hat, und die Verwertung des dadurch gewonnenen Beweisergebnisses, dass der [X.] den Zeugen gemäß §
52 Abs.
3 Satz
1 [X.] über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt hat; ei-ner weitergehenden Belehrung bedarf es nicht.

[X.], Beschluss vom 15. Juli 2016 -
GSSt 1/16 -
LG Köln

in der Strafsache
gegen

wegen Mordes

-
2
-
Der [X.] für Strafsachen des [X.] hat durch die Präsi-dentin des [X.] [X.], die Vorsitzenden [X.] am Bun-desgerichtshof Dr.
Raum und Prof. Dr.
[X.], die Vorsitzende [X.]in am [X.] Sost-Scheible sowie die [X.] am [X.] Prof. Dr.
Graf, Dr.
Franke, Dr.
Schäfer, Prof.
Dr. König, Dr.
Berger, Prof. Dr.
[X.] und [X.] am 15.
Juli 2016 beschlossen:

Macht ein Zeuge erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach §
52 Abs.
1 [X.] Gebrauch, so erfordern die Einführung des Inhalts einer früheren Aussage des Zeugen in die Hauptverhandlung durch Vernehmung des [X.]s, vor dem der Zeuge im Rahmen des die konkrete Tat betreffenden Ermittlungsverfahrens ausgesagt hat, und die [X.] des dadurch gewonnenen Beweisergebnisses, dass der [X.] den Zeugen gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 [X.] über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt hat; einer weitergehenden Belehrung bedarf es nicht.

Gründe:
Die Vorlage betrifft eine verfahrensrechtliche Frage aus dem Bereich der
§§
252, 52 [X.].
I.
1.
In dem beim 2.
Strafsenat anhängigen Verfahren hat das [X.] den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. 1
2
-
3
-
Nach den von der [X.] getroffenen Feststellungen tötete der [X.] seine Ehefrau durch insgesamt 60
Stiche und Schnitte mit einem Messer. Motiv der Tat waren die Eifersucht des Angeklagten auf einen Nebenbuhler und seine mangelnde Bereitschaft, eine vom Tatopfer angekündigte Trennung hin-zunehmen. Das [X.] hat insoweit angenommen, der Angeklagte habe aus niedrigen Beweggründen im Sinne des §
211 Abs.
2 StGB gehandelt.
Der Angeklagte hat diese Verurteilung mit der Revision umfassend
an-gegriffen. Er hat einen Verstoß gegen die §§
252, 52 Abs.
1 Nr.
3, Abs.
3 [X.] gerügt und die Verletzung materiellen Rechts beanstandet. Zur Begründung der Verfahrensrüge hat er vorgetragen, das [X.] habe seine Überzeugung vom [X.] auch auf
Angaben der Tochter des Angeklagten gestützt, die sie im Ermittlungsverfahren gegenüber einem in der Hauptverhandlung ver-nommenen [X.] gemacht hatte. Dieser habe die Zeugin zwar über ihr [X.] gemäß §
52 [X.] belehrt, nicht aber darüber, dass bei etwaiger späterer Zeugnisverweigerung ihre in der richterlichen Vernehmung gemachten Angaben verwertet werden könnten. Nachdem die Zeugin in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und sich mit einer Verwertung ihrer Angaben im Ermittlungsverfahren nicht ein-verstanden erklärt habe, sei ihre frühere Aussage nicht verwertbar. §
252 [X.] enthalte für derartige Fälle ein umfassendes Verwertungsverbot; die in der Rechtsprechung anerkannte Ausnahme bei einer richterlichen Vernehmung des Zeugen stehe mit dem Schutzzweck der Vorschrift nicht im Einklang. Jedenfalls sei es notwendig, den Zeugen vor einer ermittlungsrichterlichen Befragung auch auf die mögliche Verwertbarkeit von Angaben hinzuweisen.
Der [X.] hat beantragt, die Revision durch Beschluss nach §
349 Abs.
2 [X.] zu verwerfen. Die erhobene Verfahrensrüge sei unter 3
4
-
4
-
Bezugnahme auf die gefestigte Rechtsprechung des [X.] un[X.]; die Sachrüge dringe ebenfalls nicht durch.
Der 2.
Strafsenat beabsichtigt, das landgerichtliche Urteil auf die [X.] des Angeklagten aufzuheben. Er hält sowohl die Verfahrens-
als auch die Sachrüge für erfolgversprechend. Die §§
252, 52 Abs.
1 Nr.
3, Abs.
3 [X.] sei-en verletzt. Nach bisheriger Rechtsprechung sei es zulässig, in den Fällen, in denen ein vor der Hauptverhandlung vernommener Zeuge erst in der [X.] von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch mache, die richterliche [X.] über den Inhalt der Aussage des Zeugen zu vernehmen, die der Zeuge nach Belehrung gemäß §
52 [X.] in einer früheren richterlichen Vernehmung gemacht habe. Abweichend hiervon sei eine solche Beweisaufnahme nur dann noch gerechtfertigt, wenn der Zeuge in der zuvor durchgeführten richterlichen Vernehmung ausdrücklich auch darüber belehrt worden sei, dass eine jetzt gemachte Aussage auch dann verwertbar bleibe, wenn der Zeuge in einer späteren Hauptverhandlung vom Recht der Zeugnis-verweigerung Gebrauch mache. [X.] sei das Urteil fehlerhaft, weil die Feststellungen das Tatbestandsmerkmal der sonstigen niedrigen Beweg-gründe nicht belegten und deshalb den Schuldspruch wegen Mordes nicht trü-gen. Er sieht sich durch die bisherige Rechtsprechung des [X.] gehindert, der Revision auf die Formalrüge hin stattzugeben.
2.
Der 2.
Strafsenat hatte daher die Absicht erklärt, seine eigene Recht-sprechung (vgl. [X.], Urteil vom 29.
Juni 1983 -
2
StR
150/83, [X.]St 32, 25, 31
f.) aufzugeben und gemäß §
132 Abs.
3 Satz
1 [X.] bei den übrigen Straf-senaten des [X.] angefragt, ob diese der beabsichtigten Ände-rung der bisherigen Rechtsprechung zustimmen oder an entgegenstehender 5
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-
5
-
Rechtsprechung festhalten (Beschluss vom 4.
Juni 2014 -
2
StR
656/13, [X.], 596).
Hierauf hatten der 1., 4. und 5.
Strafsenat mitgeteilt, sie hielten an ihrer der neuen Auffassung des 2.
Senats wi[X.]treitenden Rechtsprechung fest (Beschlüsse vom 14.
Januar 2015 -
1
ARs
21/14, juris; vom 16.
Dezember 2014 -
4
ARs
21/14, [X.], 48; vom 27.
Januar 2015 -
5
ARs
64/14,
[X.], 118). Der 3.
Strafsenat hatte geantwortet, seine Rechtspre-chung stehe der beabsichtigten Entscheidung des 2.
Strafsenats nicht entge-gen; er neige allerdings in der Sache dazu, an der bisherigen Rechtsprechung, wie sie bereits seit Jahrzehnten praktiziert werde,
festzuhalten (Beschluss vom 8.
Januar 2015 -
3
ARs
20/14, juris).
Mit Beschluss vom 18.
März 2015 hatte der 2.
Strafsenat die Sache dem [X.] gemäß §
132 Abs.
2 [X.] vorgelegt. Nach einem Hinweis des [X.], die Vorlage sei unzulässig, weil es an der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfrage fehle, hatte der 2.
Strafsenat diese mit Beschluss vom 24.
Februar 2016 zurückgenommen.
3.
Mit Beschluss vom selben Tage hat er die Sache gemäß §
132 Abs.
2 und 4 [X.] erneut dem [X.] zur Entscheidung über folgende Rechtsfrage vorgelegt:
"Ist die Einführung und Verwertung einer früheren Aussage eines [X.], der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, durch Vernehmung der richterlichen [X.] nur dann zulässig, wenn diese den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweige-7
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-
6
-
rungsrecht, sondern auch über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hatte?"
Der 2.
Strafsenat hält an seiner Auffassung betreffend die Verfahrens-rüge nach den §§
252, 52 [X.] und die Erforderlichkeit einer weitergehenden Belehrung des Zeugen fest. Während er in seinem ursprünglichen Anfragebe-schluss dargelegt hatte, die in der Rechtsprechung anerkannte Möglichkeit der Vernehmung einer früheren richterlichen [X.] führe zu einer Austarierung von öffentlichem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung und den die Regelung der §§
52, 252 [X.] tragenden Schutzzwecküberlegun-gen, die auch heute noch -
trotz der hiergegen in der Literatur seit jeher erho-benen Einwendungen
-
gerechtfertigt erscheine und auch nicht zu einer be-denklichen Einschränkung von Zeugenrechten
führe ([X.], Beschluss vom 4.
Juni 2014 -
2
StR
656/13, [X.], 596), hat er demgegenüber in seinem Vorlagebeschluss vom 24.
Februar 2016 die Meinung vertreten, die Bedenken schon gegen die grundsätzliche Zulassung einer Verwertung der bei einem [X.]
getätigten Aussage von aussageverweigerungsberechtigten Zeugen trotz Wi[X.]pruchs in der Hauptverhandlung hätten erhebliches Gewicht. Der 2.
Strafsenat geht davon aus, dass sich der [X.] für Strafsachen mit dieser der Vorlagefrage vorgelagerten Grundsatzfrage werde befassen müssen. Zudem hat er nunmehr ausgeführt, aufgrund der nach seiner Ansicht fehlerhaf-ten Annahme des [X.] der niedrigen Beweggründe durch das [X.] könne zwar der Schuldspruch nicht bestehen bleiben. Da es sich inso-weit aber nur um einen Wertungsfehler handele, könnten auf die Sachrüge die Feststellungen aufrechterhalten werden. Demgegenüber seien auf die Verfah-rensrüge nach der hierzu von ihm vertretenen Auffassung nicht nur der Schuld-spruch der landgerichtlichen Entscheidung, sondern weitergehend auch die diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben. Eines neuen Anfrage-11
-
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-
verfahrens nach §
132 Abs.
3 Satz
1 [X.] bedürfe es nicht. Aufgrund der [X.] der übrigen Senate auf den [X.] vom 4.
Juni 2014 sei als sicher davon auszugehen, dass eine zur Vorlage berechtigende Divergenz im Sinne des §
132 Abs.
2 [X.] fortbestehe. Außerdem sei ein erneutes Anfrage-verfahren wegen der dadurch bedingten Verzögerung des Verfahrens mit dem Beschleunigungsgebot nicht vereinbar. Schließlich sei die vorgelegte Rechts-frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des §
132 Abs.
4 [X.].
Der [X.] erachtet die Vorlage ebenfalls für zulässig und beantragt zu beschließen:
"Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Ge-brauch macht, durch Vernehmung der richterlichen [X.] ist zu-lässig, wenn dieser [X.] den Zeugen über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt hat. Eine qualifizierte Belehrung über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren ist nicht erforderlich."
II.
Die [X.] ist mit Blick auf das hier [X.] zu weit gefasst:
1.
Sie differenziert zunächst nicht zwischen den einzelnen Zeugnisver-weigerungsrechten und betrifft deshalb nicht nur solche aus persönlichen Grün-den nach §
52 [X.], wie sie im vorliegenden Fall allein von Bedeutung sind, sondern darüber hinaus auch diejenigen aus beruflichen Gründen nach den §§
53, 53a und 54 [X.]. Dort ist im Gegensatz zu §
52 Abs.
3 Satz
1 [X.] nicht gesetzlich angeordnet, dass der [X.] vor jeder Vernehmung über sein diesbezügliches Recht zu belehren ist. Demge-12
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-
mäß stellt sich bei dieser Personengruppe im Rahmen der Prüfung der [X.] einer früheren Aussage nach §
252 [X.] die Frage, ob diese
-
unter anderem
-
davon abhängig ist, dass der Zeuge noch weiter als nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden ist, nicht in gleicher Weise wie in den Fällen des §
52 [X.]. Die [X.] ist somit auf die Fälle der Zeugnisverweigerung aus persönlichen Gründen zu beschränken.
2.
Im vorliegenden Fall geht es zudem allein um die Verwertung der Aus-sage eines
[X.]s, der die Zeugin in dem die konkrete Tat betreffenden straf-rechtlichen Ermittlungsverfahren, nicht aber in einem sonstigen Verfahren ver-nommen hat.
3.
Der [X.] für Strafsachen fasst die [X.] deshalb wie folgt neu:
"Ist die Einführung und Verwertung einer früheren Aussage eines [X.], der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach §
52 Abs.
1 [X.] Gebrauch macht, durch Vernehmung des [X.]s, der den Zeugen im Rahmen des die konkrete Tat betreffenden Ermittlungsverfah-rens vernommen hat, nur dann zulässig, wenn dieser den Zeugen nicht nur über sein Zeugnisverweigerungsrecht, sondern auch über die Möglichkeit der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat-te?"
III.
Die Vorlage ist zulässig. Von Bedeutung sind dabei im vorliegenden Verfahren lediglich die folgenden Gesichtspunkte:
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-
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-
1.
Die vorgelegte Rechtsfrage ist entscheidungserheblich in dem im Rahmen des §
132 Abs.
2 und 4 [X.] maßgeblichen Sinne.
a)
Sowohl im
Falle einer Divergenzvorlage nach §
132 Abs.
2 [X.] als auch bei einer Vorlage wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage nach §
132 Abs.
4 [X.] ist es für die Zulässigkeit der Vorlage über den jeweiligen Gesetzeswortlaut hinaus erforderlich, dass die Beantwortung der streitigen Rechtsfrage für die abweichende Vorentscheidung und die beabsichtigte Ent-scheidung ergebnisrelevant und deshalb erheblich ist. Dabei kommt es ent-scheidend darauf an, ob das Ergebnis des konkreten Revisionsverfahrens als solches durch die Beantwortung der Vorlagefrage durch den [X.] beeinflusst wird (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6.
Oktober 1961
-
2
StR
289/61, [X.]St 16, 271, 278; vom 20.
Oktober 1992 -
GSSt
1/92, [X.]St 39, 100, 102; Urteil vom 22.
April 1997 -
1
StR
701/96, [X.]St 43, 53, 58; Beschlüsse vom 17.
Januar 2008 -
GSSt
1/07, [X.]St 52, 124, 128; vom 17.
März 2015 -
GSSt
1/14, NJW 2015, 3800; SSW-[X.]/[X.], 2.
Aufl., §
132 Rn.
2). Dies ist unter anderem dann nicht der Fall, wenn dem [X.] eine das Verfahren betreffende Rechtsfrage vorgelegt wird und der vorlegende Senat das tatgerichtliche Urteil ohnehin aufgrund eines im Rahmen der erhobenen Sachrüge beachtlichen materiellrechtlichen Fehlers aufheben sowie die Sache an ein neues Tatgericht zurückverweisen will.
b)
Hieran gemessen ist die Entscheidungserheblichkeit in dem hiesigen Verfahren gegeben. Der 2.
Strafsenat hat zwar ausgeführt, dass er neben der Verfahrensrüge auch die Sachrüge für erfolgversprechend hält. An[X.] als
in dem ersten Vorlageverfahren in dieser Sache hat er nunmehr jedoch in seinem Vorlagebeschluss ausgeführt, dass unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffas-sung die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils auf die Sachrüge zwar den 20
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10
-
Schuldspruch betreffe, indes die vom [X.] bisher getroffenen Feststel-lungen unberührt lasse. Demgegenüber führe die Verfahrensrüge zu einer voll-ständigen Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung einschließlich der vom [X.] getroffenen Feststellungen. Hieraus folgt,
dass die Revision bei einer Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils auf die Verfahrensbeanstandung vollen Erfolg hätte; dann hätte das neue Tatgericht insgesamt neue [X.] zu treffen. Bei einer Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils auf die Sachrüge wäre die Revision demgegenüber nur teilweise erfolgreich; denn in diesem Fall wäre das neue Tatgericht an die bisherigen Feststellungen gebun-den und könnte selbst allenfalls ergänzende, hierzu nicht in Wi[X.]pruch ste-hende neue Feststellungen treffen.
Das konkrete Ergebnis des derzeit anhängi-gen Revisionsverfahrens und seine Auswirkung auf das weitere Verfahren ste-hen deshalb nicht unabhängig von der Beantwortung der [X.] be-reits fest.
2.
Die Durchführung eines erneuten Anfrageverfahrens nach §
132 Abs.
3 Satz
1 [X.] war nicht notwendig.
Dabei kann offen bleiben, ob dieses Ergebnis bereits daraus folgt, dass ein entsprechendes Verfahren vor dem
ersten Vorlagebeschluss des 2.
Straf-senats durchgeführt worden war. Denn jedenfalls sind die [X.] gemäß §
132 Abs.
4 [X.] gegeben. In den dort geregelten Fällen ist die Durchführung eines Anfrageverfahrens nicht erforderlich; dies gilt selbst dann, wenn gleichzeitig eine Divergenzvorlage in Betracht käme ([X.], [X.] vom 22.
November 1994 -
GSSt
2/94, [X.]St 40, 360, 365
f.; vom 23.
August 2007 -
3
StR
50/07, NJW 2007, 3294, 3298. Im Ergebnis ebenso [X.], Beschlüsse vom 17.
Januar 2008 -
GSSt
1/07, [X.]St 52, 124, 128; vom 13.
Januar 1987 -
4
ARs
22/86, [X.]St 34, 256, 258 zu §
42 [X.]; KK-Hannich, 23
24
-
11
-
[X.], 7.
Aufl., §
132 [X.] Rn.
16; aA [X.], [X.], 26.
Aufl., §
132 [X.] Rn.
39; [X.]/[X.], [X.], 59.
Aufl., §
132 [X.] Rn.
16; SK-[X.]/
[X.], 4.
Aufl., §
132 [X.] Rn.
27; [X.]/[X.]/Rappert, [X.], §
132 [X.] Rn.
19; [X.]/[X.], NJW 2008, 2209, 2211). Die vorgelegte Rechts-frage ist von grundsätzlicher
Bedeutung; denn sie betrifft -
auch in der durch den [X.] präzisierten Fassung
-
eine in Strafverfahren häufig gegebene Fallgestaltung. Die Entscheidung über sie ist deshalb rich-tungsweisend für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle und somit für die [X.]. Sie ist zur Sicherung einer ein-heitlichen Rechtsprechung erforderlich, da zu vermeiden ist, dass in einer derart praxisrelevanten Verfahrensfrage zukünftig unterschiedliche Entscheidungen ergehen.
IV.
Der [X.] für Strafsachen beantwortet die [X.] in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Sinne.
Er hält an den in der jahrzehntelangen, gefestigten Rechtsprechung ent-wickelten Grundsätzen, soweit sie für die Entscheidung des vorliegenden Falles von Bedeutung
sind, fest. §
252 [X.] enthält -
was hier als Vorfrage der [X.] durch den [X.] obliegt (vgl. etwa [X.], [X.] vom 3.
Mai 1994 -
GSSt
2 und 3/93, [X.]St 40, 138, 145; vom 4.
Fe-bruar 2003 -
GSSt
2/02, [X.]St 48, 197, 200)
-
kein umfassendes Verwer-tungsverbot, das die Vernehmung eines [X.]s über den Inhalt der Aussage eines Zeugen ausschließt, den der [X.] in dem die konkrete Tat betreffenden Ermittlungsverfahren vor der Hauptverhandlung vernommen hat (hierzu u. 1.). Die Einführung und Verwertung des Inhalts der Bekundungen des Zeugen [X.], dass der [X.] ihn über sein Zeugnisverweigerungsrecht nach §
52 [X.] belehrt hat; einer weitergehenden Belehrung auch über die Möglichkeit 25
26
-
12
-
der Einführung und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren bedarf es hierfür nicht (hierzu u. 2.). Für den vorliegenden Fall nicht von Relevanz ist demgegenüber, ob §
252 [X.] darüber hinaus insgesamt lediglich das Verbot zu entnehmen ist, die frühere Aussage des Zeugen zu verlesen, mithin ob und gegebenenfalls unter welchen näheren Voraussetzungen die Vorschrift die Ein-führung der früheren Aussage eines nach §
52 [X.] zeugnisverweigerungs-berechtigten Zeugen auch durch Vernehmung sonstiger Personen, etwa [X.], Staatsanwälte oder [X.], die den Zeugen in einem anderen Ver-fahren vernommen haben, gestattet oder dies untersagt. Der [X.] für Strafsachen ist deshalb aus Anlass dieses Verfahrens nicht veranlasst, [X.] zu diesen und den sich im Übrigen im Rahmen des §
252 [X.] stellenden Rechtsfragen zu machen. Zu deren Klärung durch eine in sich stimmige Ge-samtregelung ist vielmehr der Gesetzgeber berufen (hierzu u. 3.). Im Einzelnen:
1.
§
252 [X.] verbietet es nicht, den Ermittlungsrichter in der [X.] zu den Angaben eines Zeugen zu vernehmen, die der Zeuge vor dem [X.] gemacht hat, nachdem er über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden war.
a)
Das bisherige Verständnis des [X.] des §
252 [X.] ist in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich.
aa)
Das [X.] hat dem Wortlaut der Vorschrift entsprechend in zahlreichen Entscheidungen die Norm dahin ausgelegt, sie enthalte lediglich ein [X.], nicht aber ein darüber hinausgehendes Verwertungsverbot (vgl. etwa RG, Urteile vom 1.
November 1881 -
Rep.
2453/81, [X.], 142, 143; vom 26.
Mai 1887 -
Rep.
1002/87, [X.], 119, 120; vom 21.
November 1901 27
28
29
-
13
-
-
Rep.
4486/01, [X.], 5; vom 5.
Mai 1914 -
II
331/14, [X.], 246; vom 23.
Mai 1938 -
2D
188/38, [X.], 221, 222).
Hiervon abgewichen ist sodann der [X.], der entschieden hat, ein Polizeibeamter dürfe über frühere Aussagen eines Zeugen nicht vernommen werden, wenn dieser in der Hauptverhandlung berechtigterweise die Aussage verweigert ([X.], Urteil vom 5.
März 1949
-
StS
131/48, [X.]St 1, 299).
Dem hat sich der [X.] angeschlossen, allerdings
weiter-führend bereits in einer sehr frühen Entscheidung mit ausführlicher Begründung dahin erkannt, dass über den Inhalt einer Aussage, die der Zeuge bei einer früheren richterlichen Vernehmung nach Hinweis auf sein [X.] gemacht hat, durch Vernehmung des [X.]s Beweis erhoben wer-den dürfe ([X.], Urteil vom 15.
Januar 1952 -
1
StR
341/51, [X.]St 2, 99). In der Folgezeit ist diese Rechtsprechung fortgesetzt und für bestimmte Fallgestal-tungen weiterentwickelt worden (vgl. etwa Urteile vom
14.
Oktober 1959 -
2
StR 249/59, [X.]St 13, 394; vom 2.
Mai 1962 -
2
StR
132/62, [X.]St 17, 324). Der [X.] hat an ihr auch festgehalten, nachdem durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19.
Dezember 1964 (BGBl.
I, S.
1067) die Vorschrift des §
163a Abs.
5 [X.] aF eingeführt wurde und auch die Staatsanwaltschaft und die [X.] wurden, die Zeugen über ihr Recht nach §
52 [X.] zu belehren ([X.], Urteil vom 14.
März 1967 -
5
StR
540/66, [X.]St 21, 218; vgl. auch etwa [X.], Urteile vom 16.
März 1977 -
3
StR
327/76, [X.]St 27, 139; vom 29.
Juni 1983 -
2
StR 150/83, [X.]St 32, 25,
29; vom 20.
März 1990 -
1
StR
693/89, [X.]St 36, 384, 385).
30
31
-
14
-
Somit enthält §
252 [X.] nach der bisherigen ständigen Rechtspre-chung des [X.] über seinen Wortlaut hinaus nicht nur ein [X.], sondern auch ein Verwertungsverbot. Dieses schließt in der Regel auch die Feststellung des Inhalts der früheren Aussage durch andere Beweismittel und damit jede Verwertung der bei einer früheren Vernehmung gemachten Aussage eines Zeugen aus, wenn dieser in der Hauptverhandlung nach §
52 [X.] berechtigt das Zeugnis verweigert und nicht ausdrücklich die Verwertung seiner früheren Bekundungen gestattet. Deren Einführung durch Aussage einer früheren [X.] ist danach ebenfalls grundsätzlich unzulässig. Von diesem Verbot sind allerdings solche Bekundungen ausgenommen, die ein Zeuge
nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht im Bewusstsein der Bedeutung und Tragweite dieses Rechts vor einem [X.] gemacht hat. Sie dürfen durch Vernehmung des [X.]s in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der Urteilsfindung verwertet werden (vgl. aus neuerer Zeit etwa [X.], Urteile vom 8.
Dezember 1999 -
5
StR
32/99, [X.]St 45, 342, 345; vom 3.
No-vember 2000 -
2
StR
354/00, [X.]St 46, 189, 195; vom 12.
Februar 2004
-
3
StR
185/03, [X.]St 49, 72, 76
f.; Beschluss vom 13.
Juni 2012 -
2
StR 112/12, [X.]St 57, 254, 256 jeweils mwN).
Die unterschiedliche Behandlung von
richterlichen und nichtrichterlichen Vernehmungen hat der [X.] in älteren Entscheidungen damit [X.], dass der [X.] -
an[X.] als nach damaliger Rechtslage ein Polizei-beamter oder Staatsanwalt
-
verpflichtet sei, Zeugen auf ihr [X.] hinzuweisen ([X.], Urteil vom 15.
Januar 1952 -
1
StR
341/51, [X.]St 2, 99, 106). Seit Inkrafttreten des §
163a Abs.
5 [X.] aF (§
163 Abs.
3 [X.] nF) am 1.
April 1965, der -
gegebenenfalls i.V.m.
§
161a Abs.
1 Satz
2 [X.]
-
auch für Vernehmungen durch die Polizei und die Staatsanwaltschaft eine Belehrung der Zeugen über ihr Zeugnisverweigerungsrecht vorschreibt, 32
33
-
15
-
sieht die Rechtsprechung demgegenüber das tragende Argument für die unter-schiedliche Behandlung darin, dass das Gesetz -
wie §
251
Abs.
1 und Abs.
2
[X.] zu entnehmen sei
-
richterlichen Vernehmungen allgemein [X.] ([X.], Urteile vom 14.
März 1967 -
5
StR
540/66, [X.]St 21, 218, 219; vom 20.
März 1990 -
1
StR
693/89, [X.]St 36, 384, 386). Zusätzlich wird die Zulässigkeit der Vernehmung einer richterlichen Verneh-mungsperson mit der für den Zeugen erkennbar erhöhten Bedeutung der rich-terlichen Vernehmung für das Strafverfahren begründet ([X.], Urteil vom 12.
Februar 2004 -
3
StR
185/03, [X.]St 49, 72, 77). Daneben hat der [X.] wesentlich auf eine Güterabwägung abgestellt. Danach ist im Falle eines nach Belehrung bewusst erklärten Verzichts auf die Ausübung des [X.]s in einer richterlichen Vernehmung das öffentliche Inte-resse an einer effektiven Strafrechtspflege von höherem Gewicht als das Inte-resse des Zeugen, sich die Entscheidungsfreiheit über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts bis zur späteren Hauptverhandlung erhalten zu können (vgl. [X.], Urteile vom 8.
Dezember 1999 -
5
StR
32/99, [X.]St 45, 342, 346; vom 3.
November 2000 -
2
StR
354/00, [X.]St 46, 189, 195
f.; vom 25.
März 1998 -
3
StR
686/97, [X.]R [X.] §
252 Verwertungsverbot
14).
Voraussetzung für eine Ausnahme vom grundsätzlichen [X.] des §
252 [X.] ist eine ordnungsgemäße Belehrung über das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts und die sich daraus ergebende Möglichkeit für den Zeugen, aus diesem Grund keine Angaben zur Sache zu machen. Nicht erforderlich ist es hingegen nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.]s, den aussageverweigerungsberechtigten Zeugen über die Folgen eines Verzichts auf das Auskunftsverweigerungsrecht, insbesondere über die weitere Verwertbarkeit auch im Falle einer späteren Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung, "qualifiziert" zu belehren ([X.], Urteil vom 29.
Juni 1983 34
-
16
-
-
2
StR
150/83, [X.]St 32, 25, 31
f.; Beschluss vom 12.
April 1984 -
4
StR 229/84, [X.], 326; Urteil vom 30.
August 1984 -
4
StR
475/84, [X.], 36). Der 2.
Strafsenat hat dies seinerzeit mit der Erwägung begründet, dass ein Zeuge nicht einmal auf die Möglichkeit des Widerrufs eines erklärten Verzichts auf sein Zeugnisverweigerungsrecht noch während der laufenden Vernehmung hingewiesen werden müsse; umso weniger sei es deshalb geboten, ihn schon vorsorglich für den Fall, dass er in der Hauptverhandlung das Zeugnis verwei-gern sollte, über die Auswirkungen auf die Verwertbarkeit seiner Aussage hin-zuweisen ([X.], Urteil vom 29.
Juni 1983 -
2
StR
150/83, [X.]St 32, 25, 31
f.). Ergänzend hat der
4.
Strafsenat angeführt, für die Annahme einer solchen Be-lehrungs-
oder Hinweispflicht fehle es an einer gesetzlichen
Grundlage ([X.], Urteil vom 30.
August 1984 -
4
StR
475/84, [X.], 36).
bb)
Das [X.] hat diese Rechtsprechung nicht be-anstandet und betont, der Ermittlungsrichter sei in besonderer Weise geeignet
-
und vom Gesetzgeber dafür vorgesehen
-, präventiven Rechtsschutz zu ge-währleisten ([X.], Beschluss vom 23.
Januar 2008 -
2
BvR
2491/07, juris Rn.
4).
cc)
Die Auffassung des [X.] hat im Schrifttum seit jeher zum Teil Zustimmung ([X.]/[X.], [X.], 59.
Aufl., §
252 Rn.
14; [X.], [X.], 7.
Aufl., §
252 Rn.
22
ff.; KMR-Paulus, §
252 Rn.
20
ff.; BeckOK-[X.]/Ganter, [X.], §
252 Rn.
25 ff.; [X.],
[X.], S.
239, 242
f.; [X.], Jura 2012, 33, 35; in der Sache ebenso [X.], [X.], S.
211, 223
f.), überwiegend jedoch Kritik (vgl. etwa LR/[X.]/
Cirener, [X.], 26.
Aufl., §
252 Rn.
10: "kriminalpolitische Zweckmäßigkeitsent-scheidung") erfahren, wobei die diesbezüglichen Meinungen der Literatur nicht einheitlich sind. Zum Teil wird angeführt, die Rechtsprechung habe die von ihr 35
36
-
17
-
im Verhältnis zur Legislative einzuhaltenden Grenzen überschritten (vgl. aus neuerer Zeit etwa [X.], [X.], 343, 344
f.; [X.], ZIS 2016, 121, 122
ff. jeweils mwN). In der Sache wird im Wesentlichen teilweise die Ansicht vertreten, §
252 [X.] statuiere ein umfassendes Verwertungsverbot, das auch die Einführung der früheren Aussage des Zeugen in die Hauptverhandlung durch Vernehmung des [X.]s umfasse, vor dem der Zeuge ausgesagt hat (HK-[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
252 Rn.
2; SK-[X.]/[X.], 4.
Aufl., §
252 Rn.
4; MüKo[X.]/[X.], §
252 Rn.
49; [X.]/[X.]/[X.], [X.], §
252 Rn.
25; [X.], Festschrift v. [X.], S.
147, 154; [X.], [X.], 343, 345
f.; Fezer, [X.], 669, 671; [X.], Jura 1988, 363, 370; [X.], [X.] 1966, 489, 497; [X.], [X.] 1972, 236, 238; Geerds, [X.], 199, 201; [X.]. [X.], [X.] 1959, 369, 373; Welp, [X.] 1996, 76, 78; [X.], [X.], 509, 512). Insbesondere nach der Einführung der [X.] auch bei polizeilichen und staatsanwaltlichen Vernehmungen meint ein anderer Teil des Schrifttums, die Unterscheidung zwischen richterlichen und sonstigen [X.]en sei nicht tragfähig zu begründen, und vertritt unter Be-tonung des Wortlauts der Norm die Auffassung, die frühere Aussage des [X.] könne durch Vernehmung jedweder [X.], die den Zeugen ordnungsgemäß nach §
52 [X.] belehrt hat, in die Hauptverhandlung einge-führt werden ([X.], NJW 1965, 1254, 1255; [X.]., [X.] 1966, 286, 290
f.; [X.], [X.] 1966, 281, 282
f.; [X.], Festschrift [X.], S.
973, 987; [X.], Fest-schrift v. [X.], S.
65, 73
ff.; [X.], [X.] des §
252 [X.], S.
207). Teilweise wird auch mit dem vorlegenden Senat eine Aus-dehnung der Belehrungsformel befürwortet ([X.], Festschrift v. [X.], S.
65, 75 ff.; [X.], ZIS 2016, 121, 127
ff.; im Ergebnis offen etwa LR/[X.]/Cirener, [X.], 26.
Aufl., §
252 Rn.
10; SSW-[X.]/[X.]/Schuhr, 2.
Aufl., §
252 Rn.
20).
-
18
-
b)
Die Auslegung des §
252 [X.] führt zu einem Verständnis der Norm, das der Vernehmung eines Ermittlungsrichters, vor dem der zeugnisverweige-rungsberechtigte, hierüber belehrte Zeuge ausgesagt hat, nicht im Sinne eines umfassenden Verwertungsverbots entgegen steht.
aa)
Ein Verbot, den Inhalt einer früheren Aussage eines Zeugen, der nach §
52 [X.] zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt ist, dadurch in die Hauptverhandlung einzuführen, dass der [X.], der den Zeugen in dem die konkrete Tat betreffenden Ermittlungsverfahren vernommen hat, zum Gehalt der betreffenden Aussage gehört wird, folgt zunächst nicht aus dem -
insoweit eindeutigen
-
Wortlaut der Norm.
Nach diesem ist es vielmehr lediglich [X.], die frühere Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung zu verlesen, mithin sie durch Verlesung des hierüber erstellten Protokolls zu Beweiszwecken in die Hauptverhandlung einzuführen. Dieses Wortverständnis
steht mit dem sonstigen Sprachgebrauch der Strafprozessordnung im Einklang, wie er etwa in §
249 [X.] Eingang gefunden hat und liegt auch in anderem Zusammenhang der Rechtsprechung des [X.] zugrunde (vgl. etwa [X.], Urteile vom 23.
September 1999 -
4
StR
189/99, [X.]St 45, 203, 205; vom 8.
Dezem-ber 1999 -
5
StR
32/99, [X.]St 45, 342, 345; vom 10.
Februar 2000 -
4
StR 616/99, [X.]St 46, 1,
3).
bb)
Die Beachtung der Gesetzessystematik führt zu demselben Er-gebnis.
(1)
§
252 [X.] ist in die Vorschriften zum [X.] (§§
249
ff. [X.]) eingestellt. Deren Regelungsgegenstand ist die Beweiserhebung gerade durch Verlesung von Urkunden in der Hauptverhandlung oder ihrer Einführung im Selbstleseverfahren. In den dadurch begründeten Sachzusammenhang wür-37
38
39
40
-
19
-
de sich §
252 [X.] nicht bruchlos einfügen, wollte man ihm ein [X.] bezüglich der Vernehmung eines [X.]s über eine vor ihm getätigte Aussage eines nach § 52 [X.] zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen entnehmen. Der unter systematischen Gesichtspunkten passende Standort für ein derartiges Verbot läge eher bei den §§
52
ff. [X.], welche die inhaltlichen Regelungen zu den Zeugnisverweigerungsrechten enthalten.
(2)
§
252 [X.] erlangt jedenfalls nach heutiger Rechtslage nicht nur dann eine eigenständige Bedeutung, wenn man ihm ein Verwertungsverbot in dem dargelegten Sinne entnimmt; die Norm geht insbesondere über den Rege-lungsgehalt des §
250 Satz
2 [X.] hinaus. Zwar ist bereits dort bestimmt, dass die Vernehmung eines Zeugen nicht durch Verlesung des über eine frühere Vernehmung aufgenommenen Protokolls oder einer schriftlichen Erklärung er-setzt werden darf. Von diesem Grundsatz macht jedoch §
251 [X.] Ausnah-men. Mit Blick auf die
Verlesungsmöglichkeiten nach §
251 Abs.
1 Nr.
1, Abs.
2 Nr.
3 [X.] dürften somit ohne die Bestimmung des §
252 [X.] Nie[X.]chriften über die vormalige Vernehmung des Zeugen, der in der Hauptverhandlung erstmals von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, bei einem Einverständnis der Verfahrensbeteiligten verlesen werden (vgl. [X.], [X.] vom 4.
April 2007 -
4
StR
345/06, [X.]St 51, 280
ff.; vom 29.
August 2001
-
2
StR
266/01, [X.], 309, jeweils zu §
55 [X.]; s. auch [X.], Urteile vom 15.
Januar 1952 -
1
StR
341/51, [X.]St 2, 99, 102; vom 12.
Juli 1956
-
4
StR
236/56, [X.]St 10, 77, 78
f.).
(3)
Hinzu kommt, dass die Strafprozessordnung der Zeugenvernehmung durch einen [X.] an verschiedenen Stellen eine besondere Bedeutung ein-räumt. Dies zeigt sich etwa in §
251 Abs.
2 [X.], der die Verlesung von Nie-[X.]chriften über eine richterliche Vernehmung auch in Fällen zulässt, in denen 41
42
-
20
-
§
250 Satz
2, §
251 Abs.
1 [X.] dies bei sonstigen Vernehmungsprotokollen nicht erlauben. Gemäß §
168c Abs.
2 [X.] ist bei der richterlichen Verneh-mung eines Zeugen der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem [X.] die Anwesenheit gestattet; hieraus resultieren auch entsprechende Fragerechte. Eine entsprechende Regelung für nichtrichterliche Vernehmungen besteht nicht. Zudem ist nur ein [X.] befugt, eine eidliche Vernehmung vor-zunehmen (§
161a Abs.
1 Satz
3 [X.]). Deshalb kann sich ein Zeuge wegen falscher uneidlicher Aussage (§
153 StGB) oder Meineids (§
154 StGB) nur strafbar machen, wenn er von einem [X.], nicht aber wenn er von einem
Polizeibeamten
oder Staatsanwalt vernommen wird.
cc)
[X.] steht jedenfalls einem Verständnis des §
252 [X.] im Sinne der bisherigen Rechtsprechung, soweit für die vorliegende Fallgestaltung relevant, nicht entgegen.
(1)
Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift enthält keine deutlichen Hinweise darauf, dass der Wille des historischen Gesetzgebers dahin ging,
einen allumfassenden Schutz der Aussagefreiheit des zeugnisverweigerungs-berechtigten Zeugen sicherzustellen. Als Indiz für den gesetzgeberischen Wil-len kommen im Wesentlichen allein Äußerungen von [X.] in der zwei-ten Plenarberatung in Betracht, deren Bedeutung für die vorliegende Fallgestal-tung sich allerdings nicht ohne Weiteres erschließt.
Die Entwürfe zur Reichsstrafprozessordnung enthielten ursprünglich [X.] dem §
252 [X.] entsprechende Vorschrift. Eine Bestimmung dieses Inhalts konnte als praktisch überflüssig angesehen werden, weil die Verlesung der Nie[X.]chrift über eine außerhalb der Hauptverhandlung getätigte Zeugenaus-sage bereits nach dem heutigen §
250 Satz
2 [X.] (§
212 des Entwurfs) unzu-43
44
45
-
21
-
lässig gewesen wäre und ein Fall der -
enger als der heutige §
251 [X.] ge-fassten
-
Ausnahmevorschrift des §
213 des Entwurfs nicht vorlag (vgl. [X.], Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd.
3, Abteilung
1, 2. Aufl., S.
856
f.). Die Aufnahme einer §
252 [X.] entsprechenden Norm (§
213a des [X.]) ging auf Beratungen der Reichsjustizkommission zurück. In deren Verlauf wurde der ergänzende Antrag gestellt, eine Verle-sungsmöglichkeit unter anderem auch für Aussagen von Zeugen zu schaffen, die erst in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Ge-brauch machen (vgl. [X.], aaO, S.
856). Dies stieß auf Wi[X.]pruch und führte zu der gegenläufigen Initiative eines [X.], eine Regelung im Sinne des heutigen §
252 [X.] aufzunehmen. In der Beratung wurde auf die Entbehr-lichkeit einer solchen Bestimmung im Blick auf die ohnehin gegebene Unzuläs-sigkeit der Verlesung bei Annahme des (ursprünglichen)
Entwurfs hingewiesen. Gleichwohl hielt der Abgeordnete an seinem Antrag fest und betonte, dass er auch dann "großes Gewicht darauf lege, diesen Satz im Gesetze auszudrü-cken" (vgl. [X.], aaO, S.
858; vgl. auch [X.]., aaO, Abteilung
2, 2.
Aufl., S.
1621, 1657, 1901
ff.).
Die Frage, ob die Vernehmung einer Verhörsperson zulässig sei, wurde im Gesetzgebungsverfahren [X.] angesprochen. In der zweiten Plenarberatung machte der Abgeordnete L.

geltend, dass die "historisch ge-
wordene Tatsache" der vormaligen Aussage des Zeugen dem weiteren Verfah-ren zur Wahrheitsermittlung zur Verfügung gestellt werden müsse. Weiter trug er das "formelle Bedenken" vor, dass bei Annahme des [X.]santrags eine Vernehmung von [X.] über die Aussage nicht ausgeschlos-sen sei. Außerdem lasse sich nicht verhindern, dass die Aussage in den Schlussvorträgen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung wiedergegeben oder im Beratungszimmer durch "einen Blick in die Akten" festgestellt werde 46
-
22
-
(vgl. [X.], aaO, S.
1901). Der Berichterstatter

S.

wandte daraufhin
ein, dass jede Gesetzgebung aufhöre, wenn durch derartige Manipulationen "der Gedanke und die Vorschrift des Gesetzes illusorisch gemacht werden" könnten und dürften; die Gesetze müssten "von den Beamten in einer Weise gehandhabt werden, dass der Sinn, den der Gesetzgeber damit verbunden hat, respektiert" werde ([X.], aaO, Abteilung
2, S.
1902). Im Einzelnen griff er als "Manipulation" die -
gegen den heutigen §
261 [X.] sowie den Grundsatz
der Unmittelbarkeit verstoßende
-
Einführung und Verwertung des Inhalts der Aus-sage über die Schlussvorträge sowie durch Aktenstudium im Beratungszimmer an und befasste sich nicht weiter mit der Vernehmung der Verhörsperson (vgl. auch [X.], Festschrift [X.], S.
973, 978).
Somit bleibt unklar, inwieweit die Äußerungen des Berichterstatters

S.

als Erwiderung auf den [X.] L.

sich überhaupt auf die
Möglichkeit der Vernehmung einer Verhörsperson beziehen. Dies erhellt sich auch nicht durch den weiteren Verlauf der Beratungen, denn in diesen wurde die betreffende Frage nicht mehr angesprochen. Die dem heutigen §
252 [X.] entsprechende Vorschrift wurde schließlich in der von der [X.] vorgeschlagenen Fassung unverändert angenommen (vgl. [X.], aaO, S.
1903).
(2)
Auch ein -
mit Blick auf den Zeitablauf im Vergleich zu den Intentio-nen des historischen Gesetzgebers ohnehin bedeutsamerer
-
Wille des [X.], §
252 [X.] dahin zu verstehen, dass dieser es verbietet, richterliche [X.]en in der Hauptverhandlung als Zeugen zu hö-ren, ist nicht erkennbar. Der Gesetzgeber hat ersichtlich bislang über mehrere Jahrzehnte keinen Anlass gesehen, die Auslegung der Norm durch die Recht-sprechung zu korrigieren. Auch bei der Einführung des §
255a [X.], der die 47
48
-
23
-
Möglichkeit einräumt, [X.] einer Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung vorzuführen, hat er keinen Anlass gesehen, §
252 [X.] zu modifizieren, obwohl der in §
255a Abs.
1 [X.] enthaltene Verweis auf §
252 [X.] dazu führt, dass die Videoaufzeichnung und damit das qualitativ höherwertige Beweismittel nicht verwertet werden darf, während nach der von der Rechtsprechung zu §
252 [X.] vertretenen Auffassung der Rückgriff auf die Aussage des [X.]s über den Vernehmungsinhalt gestattet ist. Der Ge-setzgeber hat sogar nicht reagiert, nachdem die Rechtsprechung ausdrücklich auf diesen Wertungswi[X.]pruch hingewiesen hat (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Februar 2004 -
3
StR
185/03, [X.]St 49, 72, 76
f.). Der derzeit vorliegende, auf der Grundlage des Berichts einer vom [X.] eingesetzten [X.] erarbeitete Referentenentwurf eines Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 27.
Mai 2016 sieht ebenfalls keine Veränderung des §
252 [X.] vor. Dieses langjährige Schweigen des Gesetzgebers kann zwar nicht ohne Weiteres als Zustimmung zu dem Normverständnis der Rechtsprechung gewertet werden
(vgl. [X.], Beschluss vom 9.
Februar 1988 -
1
BvL
23/86, [X.]E 78, 20, 25). Seinem Verhalten ist bei einer Gesamtwürdigung jedoch zu entnehmen, dass er die derzeitige Normanwendungspraxis, wie sie sich ins-besondere nach der Rechtsprechung des [X.] darstellt, [X.] nicht beanstandet.
dd)
Sinn und Zweck der §§
52, 252 [X.] sprechen im Ergebnis ebenfalls nicht dagegen, in den Fällen des §
252 [X.] die Vernehmung des [X.]s in der Hauptverhandlung über die vor ihm getätigte Zeugenaussage zuzulassen.
(1)
§
52 [X.] trägt der besonderen Lage eines Zeugen Rechnung, der als Angehöriger des Beschuldigten der Zwangslage ausgesetzt sein kann, sei-49
50
-
24
-
nen Angehörigen zu belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen. Die Norm soll folglich in erster Linie den Zeugen vor Konflikten schützen, die aus den [X.] der Vernehmungssituation entstehen, insbesondere einerseits durch die Wahrheitspflicht bei der Zeugenvernehmung und andererseits durch die [X.] Pflichten, die aus der persönlichen Bindung gegenüber dem [X.] bzw. Angeklagten erwachsen (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 8.
Dezember 1958 -
GSSt
3/58, [X.]St 12, 235, 239; Urteil vom 23.
Sep-tember 1999 -
4
StR
189/99, [X.]St 45, 203, 207 mwN). Dieser Gesichtspunkt wird allerdings bei der Einvernahme eines [X.]s über den Inhalt einer früher vor ihm getätigten Zeugenaussage weitaus weniger berührt, als in den Fällen, in denen der Zeuge selbst aussagen soll. Nach verbreiteter Ansicht erweitert §
252 [X.] allerdings den durch §
52 [X.] gewährten Schutz des Zeugen dadurch, dass die Norm diesem die Möglichkeit sichert, eine einmal gemachte Aussage bis zur Hauptverhandlung folgenlos wieder rückgängig machen zu können, ohne sie durch eine neue Aussage ersetzen zu müssen, bei deren Ab-gabe der Zeuge wiederum dem Spannungsfeld zwischen Wahrheitspflicht und [X.] ausgesetzt wäre (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 25.
Sep-tember 2003 -
2
BvR
1337/03, [X.], 18, 19).
(2)
Diesem Schutz des Zeugen steht jedenfalls
die Wahrheitsfindung
als zentrales Anliegen des Strafprozesses und deshalb als Gesichtspunkt, der auch bei der an Sinn und Zweck der Norm orientierten Auslegung des §
252 [X.] nicht außer Betracht bleiben darf,
gegenüber.
Die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten -
zu denen auch
die hier vorliegende zählt
-
stellt einen we-sentlichen Auftrag des rechtsstaatlichen Gemeinwesens dar (vgl. [X.], [X.] vom 3.
März 2004 -
1
BvR
2378/98, 1084/99, [X.]E 109, 279, 336; vom 19.
März 2013 -
2
BvR
2628, 2883/10, 2155/11, [X.]E 133, 168, 199, jew.
mwN). Bei angemessener Beachtung dieses Spannungsverhältnisses und [X.]
-
25
-
wägung der gegenläufigen Belange (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 23.
Januar 2008 -
2
BvR
2491/07, juris Rn.
4; [X.], Urteile vom 15.
Januar 1952 -
1
StR
341/51, [X.]St 2, 99, 105; vom 8.
Dezember 1999 -
5
StR
32/99, [X.]St 45, 342, 345; vom 3.
November 2000 -
2
StR
354/00, [X.]St 46, 189, 195) gebietet §
252 [X.] es jedenfalls nicht, dem Schutz des Zeugen einen quasi absoluten Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Strafverfolgung einzuräumen.
ee)
Mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen trägt das dargelegte [X.] des §
252 [X.] schließlich den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung (vgl. [X.], Beschluss vom 23.
Januar 2008 -
2
BvR
2491/07, juris Rn.
4).
2.
Die Verwertung der Erkenntnisse aus der früheren ermittlungsrichter-lichen Vernehmung des Zeugen setzt eine
über den Regelungsgehalt des §
52 Abs.
3 Satz
1 [X.] hinausgehende Belehrung nicht voraus; der Zeuge muss insbesondere nicht darauf hingewiesen werden, dass die Möglichkeit besteht, den [X.] [X.] im weiteren Verfahren zu der Aussage des Zeugen zu hören.
a)
Die
Strafprozessordnung sieht in §
52 Abs.
3 Satz
1 [X.], gegebe-nenfalls i.V.m.
§
163 Abs.
3 Satz
1, §
161a Abs.
1 Satz
2 [X.], lediglich vor, dass der zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigte Zeuge über dieses Recht zu belehren ist. Dabei ist dem Zeugen eine genügende Vorstellung von der Bedeutung seines Weigerungsrechts zu vermitteln, ohne dass auf seine Entschließungsfreiheit eingewirkt wird (vgl. [X.]/[X.], [X.], 59.
Aufl., §
52 Rn.
26 mwN). Weitere, im vorliegenden Zusammenhang relevan-te [X.]en enthält das Gesetz nicht. Nach seiner -
etwa auch bei 52
53
54
-
26
-
§
55 Abs.
2 [X.] deutlich werdenden
-
Konzeption gehört es insbesondere nicht zu einer ordnungsgemäßen Unterrichtung des Zeugen, dass dieser auch darüber informiert wird, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn er zunächst [X.], später jedoch von seinem Weigerungsrecht Gebrauch macht.
b)
Es besteht kein Anlass, über die geltende Gesetzeslage hinaus die Vernehmung eines [X.]s zum Inhalt einer vor ihm getätigten Zeugenaussage von einer weiteren Belehrung des Zeugen abhängig zu machen.
aa)
[X.] Belehrungen über die Möglichkeit, Angaben
von [X.] im weiteren Verfahren zu verwerten, sind dem [X.] Strafprozessrecht auch in anderen Konstellationen fremd.
(1)
Dies zeigt zunächst die Regelung des §
52 Abs.
3 Satz
2 [X.]. Die Vorschrift ermöglicht es dem Zeugen, einen Verzicht auf das [X.] auch noch während der Vernehmung zu widerrufen. Die Verneh-mung darf in diesem Fall nicht durch-
bzw. fortgeführt werden. Was der Zeuge vor dem Widerruf ausgesagt hat, kann allerdings verwertet werden ([X.], Urteil vom 15.
Januar 1952 -
1
StR
341/51, [X.]St 2, 99, 107; Beschluss vom 12.
April 1984 -
4
StR
229/84, [X.], 326; Urteile vom 9.
September 1987
-
3
StR
307/87, NJW 1988, 716; vom 28.
Januar 2004 -
2
StR
452/03, NJW 2004, 1466, 1467). Die Norm dient somit ersichtlich dem Zeugenschutz und regelt eine den Fällen des §
252 [X.] ähnliche Konstellation, ohne allerdings eine über den Inhalt des §
52 Abs.
3 Satz
1 [X.] hinausgehende Belehrung vorzusehen. Der wesentliche Unterschied zu Fällen der vorliegenden Art be-steht lediglich in dem Zeitpunkt des Sinneswandels des Zeugen. Während [X.]r bei §
52 Abs.
3 Satz
2 [X.] in der laufenden Vernehmung eintreten muss, erfasst §
252 [X.] diejenigen Fälle, in denen sich der zuvor vernommene Zeu-55
56
57
-
27
-
ge erst in der Hauptverhandlung
auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft. Es erscheint nicht sachgerecht, allein wegen dieses Umstands die Frage des [X.] der erforderlichen Belehrung unterschiedlich zu beurteilen.
(2)
Gegen die Notwendigkeit einer im Sinne des vorlegenden Senats er-weiterten Belehrung streitet auch der Vergleich mit der Rechtslage bei einem Beschuldigten. Dessen Aussagefreiheit und das Verbot des Zwangs zur Selbst-belastung sind in der Verfassung verankert. Der Grundsatz der Selbstbelas-tungsfreiheit umfasst das Recht auf Aussage-
und Entschließungsfreiheit inner-halb des Strafverfahrens. Dazu gehört, dass im Rahmen des Strafverfahrens niemand gezwungen werden darf, sich durch seine eigene Aussage einer Straf-tat zu bezichtigen oder zu seiner Überführung aktiv beizutragen. Der Beschul-digte muss frei von Zwang eigenverantwortlich entscheiden können, ob und gegebenenfalls inwieweit er im Strafverfahren mitwirkt (vgl. [X.], Urteil vom 19.
März 2013 -
2
BvR
2628, 2883/10, 2155/11, [X.]E 133, 168, 201 mwN; [X.], Beschluss vom 13.
Mai 1996 -
GSSt
1/96, [X.]St 42, 139, 151
f.). [X.] folgt allerdings nur, dass er über seine Aussagefreiheit als solche in [X.] gesetzt werden muss (vgl. [X.],
aaO). Dementsprechend regelt §
136 Abs.
1 Satz
2
ff. [X.] -
soweit hier von Bedeutung
-, dass der Beschuldigte darauf hinzuweisen ist, es stehe ihm frei, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Lässt er sich daraufhin zur Sache ein, kön-nen seine Angaben später jedenfalls durch Zeugnis der [X.] in das weitere Verfahren eingeführt und verwertet werden, auch wenn er sich in der Zwischenzeit entschlossen hat, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine polizeiliche, [X.] oder richterliche [X.] handelt. Trotz des hohen Ran-ges und des großen Gewichts des Grundsatzes der [X.] ist eine ausdrückliche Belehrung über diesen Umstand nicht erforderlich. Es würde 58
-
28
-
zu einem Wertungswi[X.]pruch führen, wollte man für einen zeugnisverweige-rungsberechtigten Zeugen, dessen Schutz zwar ebenfalls von großer, [X.] aber höherer Bedeutung ist als derjenige des Beschuldigten, eine entspre-chende Belehrung verlangen.
(3)
Die Fälle, in denen die Rechtsprechung eine über den Gesetzeswort-laut des §
136 Abs.
1 Satz
2
ff. [X.] hinausgehende sog. qualifizierte Beleh-rung verlangt, unterscheiden sich grundlegend von der Konstellation bei einem sich erst in der Hauptverhandlung zum Gebrauch des Zeugnisverweigerungs-rechts entschließenden Zeugen. Sie betreffen Sachverhalte, bei denen [X.] ein Verstoß gegen die [X.] gegeben ist, der Beschuldigte aber später erneut vernommen wird. Dann ist der Beschuldigte über den Rege-lungsgehalt des §
136 Abs.
1 Satz
2
ff. [X.] hinaus auch darauf hinzuweisen, dass wegen der bisher fehlerhaften bzw. unterbliebenen Belehrung die voran-gehenden Angaben unverwertbar sind (vgl. [X.], Urteil vom 18.
Dezember 2008 -
4
StR
455/08, [X.]St 53, 112, 115). In diesen Fällen dient die sog. quali-fizierte Belehrung somit dazu, einen anlässlich einer früheren Vernehmung zu Tage getretenen Verfahrensfehler zu korrigieren, mithin die Möglichkeit seiner Fortwirkung zu beseitigen und so den Einfluss des früheren Fehlers auf die neuen Angaben möglichst auszuschließen. Demgegenüber geht es hier darum, ob ein Zeuge über die Möglichkeit der künftigen Verwertung seiner -
als solchen ordnungsgemäß zustande gekommenen
-
Aussage zu informieren ist.
(4)
Soweit der [X.] im Übrigen [X.]en auch ohne eine ausdrückliche diesbezügliche gesetzliche Regelung anerkannt hat, betrifft dies insbesondere Fälle gesetzlich nicht bzw. nicht näher geregelter Be-fragungen, z.[X.] vor der Exploration einer Aussageperson durch einen Sachver-ständigen (vgl. [X.], Urteile vom 29.
Juni 1989 -
4
StR
201/89, [X.]St 36, 217, 59
60
-
29
-
220; vom 23.
September 1999 -
4
StR
189/99, [X.]St 45, 203, 208
f.). Auch diese Fälle weisen zu der hiesigen Konstellation wesentliche Unterschiede auf.
bb)
Es ist nicht davon auszugehen, dass die in der bisherigen Recht-sprechung vertretene Ansicht zum notwendigen Belehrungsinhalt dem Willen des Gesetzgebers wi[X.]pricht. Dieser hatte auch insoweit in Kenntnis der jahr-zehntelangen Rechtspraxis ausreichend -
z.[X.] bei der Einführung der Beleh-rungspflicht
bei polizeilichen Vernehmungen oder des §
255a [X.]
-
Gelegen-heit, die Belehrungsregelungen etwa im Sinne des Anliegens des anfragenden Senats zu modifizieren. Dies hat er bislang jedoch unterlassen.
cc)
Art.
6 Abs.
1 und Abs.
3 Buchst.
d EMRK erfordern eine über §
52 Abs.
3 Satz
1 [X.] hinausgehende Belehrung ebenfalls nicht. Diese Regelun-gen stehen auch nach der Rechtsprechung des [X.] von im Ermittlungsverfahren erlangten [X.]aussagen, wenn die
Zeugen in der Hauptverhandlung berechtigterweise schweigen, nicht entgegen, sofern der Beschuldigte bzw. Angeklagte ausrei-chend Gelegenheit hatte, die Bekundungen in Zweifel zu ziehen. Eine besonde-re Belehrung des Zeugen hat der [X.] eines insgesamt fairen Verfahrens nicht für geboten erachtet (vgl. [X.], Urteil vom 19.
Juli 2012 -
26171/07, [X.], 3225, 3226).
dd)
Weiter ist für den hier vorliegenden Fall der richterlichen Verneh-mung in dem konkreten
Ermittlungsverfahren von Belang, dass dem Zeugen wegen deren für ihn erkennbaren und regelmäßig von ihm empfundenen erhöh-ten Bedeutung für das Verfahren nach der Belehrung gemäß §
52 Abs.
3 Satz
1 [X.] deutlicher als bei einer polizeilichen Vernehmung vor
Augen steht, dass er sich zwar aus dem ihn treffenden Interessenwi[X.]treit, eine nahestehende 61
62
63
-
30
-
Person belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen, durch Gebrauch-machen von dem Zeugnisverweigerungsrecht befreien, aber, falls er aussagt, diese Angaben vor
einem [X.] nicht ohne Weiteres wieder beseitigen kann (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Februar 2004 -
3
StR
185/03, [X.]St 49, 72, 77). Um ihm die Tragweite und Endgültigkeit seiner Angaben zu verdeutlichen, bedarf es deshalb jedenfalls bei einer Vernehmung durch den Ermittlungsrichter keines Hinweises zur Verwertbarkeit der Aussage. Seinen von §
252 [X.] wie darge-legt nicht absolut geschützten Interessen wird somit in Fällen der hier vorlie-genden Art bereits durch die Belehrung nach §
52 Abs.
3 Satz
1 [X.] in aus-reichender Weise Rechnung getragen. [X.] ist auf der Grundlage des geltenden Rechts zur sachgerechten Ausübung des [X.]s nicht erforderlich.
3.
Der [X.] für Strafsachen weist abschließend darauf hin, dass mit dieser Entscheidung nur ein Teil der sich bei der Anwendung des §
252 [X.] ergebenden Fragen geklärt ist. Wie dargelegt bestehen über die Vorlage-frage hinaus in dem derzeitigen Normengefüge Wertungswi[X.]prüche, etwa zwischen §
252 [X.] und §
255a [X.]. Strafverfahren, bei denen der [X.] der §§
52, 252 [X.] betroffen ist, gehören -
z.[X.]
wenn sie Fälle des innerfamiliären sexuellen Missbrauchs betreffen
-
häufig zu denjenigen, bei denen einerseits die Beweissituation typischerweise beson[X.] schwierig ist und andererseits die persönlichen Interessen der Beteiligten in besonderer Weise berührt werden. Hinzu kommt, dass der verstärkte Einsatz technischer Vernehmungshilfen im Ermittlungsverfahren und der Transfer der so gewonne-nen Beweisergebnisse in die Hauptverhandlung derzeit im Fokus von die Straf-prozessordnung betreffenden Änderungsvorschlägen stehen. Mit Blick auf [X.] Umstände und vor dem Hintergrund der außerordentlich hohen Praxisrele-vanz des hier bedeutsamen Regelungskomplexes erscheint dem [X.] 64
-
31
-
für Strafsachen ein Tätigwerden des Gesetzgebers mit dem Ziel, ein in sich stimmiges Gesamtgefüge zu entwickeln, unabdingbar.
[X.]
Raum
[X.]
Sost-Scheible
Graf
Franke
Schäfer
König

Berger
[X.]
[X.]

Meta

GSSt 1/16

15.07.2016

Bundesgerichtshof Großer Senat für Strafsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2016, Az. GSSt 1/16 (REWIS RS 2016, 8077)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8077

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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