10. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 9656
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Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 29.05.2013 wird der Beschluss des Amtsgerichts -Nachlassgericht- Bochum vom 22.04.2013 abgeändert.
Die Tatsachen, die zur Erteilung eines Erbscheins gemäß Antrag der Antragstellerin vom 20.10.2011 (UR-Nr. ###/2011 des Notars B in B2) erforderlich sind, werden für festgestellt erachtet.
Die Gerichtskosten in beiden Rechtszügen fallen der Antragstellerin zur Last. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen nicht ausgeglichen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf € 30.000,00 bestimmt.
I.
Die Beteiligten streiten um die Erteilung eines Erbscheins.
Aus der Ehe des Erblassers und der am ####.1920 in C im Kreis C2 in Ostpreußen geborenen (jetzt C3 im C4 in der C5), zuletzt in B2 wohnhaft gewesenen und am ####.2002 ebenda verstorbenen D geb. D2 ging allein die ####.1950 geborene Antragstellerin hervor. Weitere leibliche oder an Kindes Statt angenommene Abkömmlinge des Erblassers sind nicht vorhanden. Der Erblasser hatte jedoch einen vorverstorbenen Bruder D3 und dieser einen Sohn D4, wohnhaft in F im Kreis F2. Aus der Ehe der Antragstellerin sind der ältere Sohn Q und der Antragsgegner hervorgegangen. Die Antragstellerin stellte im Jahr 2002 auf Betreiben des Erblassers ihrem Ehenamen „Q2“ ihren Geburtsnamen „Q3“ voran.
Der Enkelsohn Q und dessen damalige Lebensgefährtin bezogen im Jahr 2003 eine Wohnung im damaligen Mehrfamilienhaus des Erblassers, gaben sie aber im Jahr 2004 nach einem Zerwürfnis zwischen Großvater und Enkelsohn wieder auf. Im Jahr 2005 veräußerte der Erblasser sein Hausgrundstück an einen seiner Mieter für einen Erlös i.H.v. rund € 200.000,00 und mietete nun bis zu seinem Tod seine bisherige Wohnung. Im Jahr 2008 machte der Erblasser die Bekanntschaft der Geladenen G, in deren Wohnung er im Jahr 2009 einzog.
Im Jahr 2005 begab sich der Erblasser in die Behandlung des niedergelassenen Arztes Herrn G3 in B2. Seit dem Jahr 2009 musste sich der Erblasser außerdem mehrfach in die Behandlung von Krankenhäusern aufnehmen lassen, darunter in den Fachbereich der inneren Medizin, aber auch wegen eines Oberschenkelhalsbruchs sowie wegen einer vorübergehenden Hirndurchblutungsstörungen (transitorische ischämische Attacke) sowie wegen zweier Schlaganfälle. Die dabei erhobenen ärztlichen Befunde zeigten bis in das Jahr 2010 keine Einschränkungen des Denkvermögens und keine Verwirrtheit (Desorientierung). Zwei Computertomogramme im November 2010 und Mai 2011 zeigten jedoch einen Hirnschwund (Hirnatrophie) und eine Durchblutungsstörung innerer Gehirnbereiche (Marklagerenzephalopathie) sowie Schädigungen der größten Nervenverbindung (capsula interna) zur und von der Großhinrinde ebenfalls aufgrund früherer Durchblutungsstörungen. Zuletzt wurde der Erblasser am 11.05.2011 -wegen eines Schlaganfalls- in das H-Hospital- und H2-Hospital in B2 eingeliefert, von dort am 31.05.2011 erstmals in eine Langzeitpflege entlassen, am 01.06.2011 jedoch -wegen einer Lungenentzündung- schon wieder in das F-Krankenhaus in B2 eingeliefert. Dort verstarb er am 03.06.2011.
Der Erblasser hinterließ eine eigenhändige letztwillige Verfügung mit folgendem Wortlaut:
B2, d. 1.1.2007
Testament.
Q bekommt 5000 €.
D4 aus F F-Straße bekommt 5000 €.
Alle Q2s haben Haus + Wohnungsverbot und gehen leer aus.
D4
Das Testament wurde am 13.10.2011 vor dem Amtsgericht ‑Nachlassgericht‑ Bochum eröffnet (20a IV 261/11; dort Bl. 9 f. d.A.). Der Neffe D5 hat am 21.11.2011 vor dem Notar I in F zu UR-Nr. ###/2011 die Ausschlagung eines Erbrechts oder Vermächtnisses nach dem Erblasser erklärt. Die Erklärung ist am 24.11.2011 beim Amtsgericht ‑Nachlassgericht‑ Bochum eingegangen (20a VI 473/11; dort Bl. 9 f. d.A.). Der Wert des Nachlasses betrug am Todestag rund € 30.000,00.
Die Antragstellerin ist der Ansicht gewesen, sie sei gesetzliche Erbin nach dem Erblasser geworden. Ein gegen „Alle Q2s“ etwa ausgesprochener Ausschluss von der Erbfolge gelte für sie nicht, da sie ihren Namen auf Verlangen des Erblassers geändert habe.
Hilfsweise hat die Antragstellerin ausgeführt, der Erblasser sei bei Errichtung des Testaments vom 01.01.2007 testierunfähig gewesen. Der Erblasser sei stets eigensinnig, herrschsüchtig und geizig gewesen und als früherer Boxsportler bisweilen auch handgreiflich geworden. Seine Abneigung gegen den Ehemann der Antragstellerin habe der Erblasser immer offen gezeigt. Nach dem Tod seiner Ehefrau habe sich das Verhalten des Erblassers jedoch noch weiter zum Unguten verändert. Der Erblasser habe Streit mit ihr und anderen Verwandten gesucht, habe sie teilweise seines Hauses verwiesen und sei gegen ihren Sohn Q grundlos handgreiflich geworden. Gleichwohl habe er sich bei Dritten beschwert, dass sich seine Angehörigen nicht um ihn kümmerten. Mehrfach habe der Erblasser die Polizei wegen angeblicher Diebstähle aus Haus und Hof gerufen, wobei sich die vermeintlich abhanden gekommenen Gegenstände jeweils wieder beim Erblasser gefunden hätten. Im Straßenverkehr habe der Erblasser bisweilen die Mittelinseln von Kreisverkehranlagen überfahren, weil es einen Kreisverkehr „da noch nie gegeben“ habe. Den Erlös aus der Veräußerung seines Hausgrundstücks habe der Erblasser bis auf € 30.000,00 verschenkt.
Die Antragstellerin hat beantragt,
der Antragstellerin einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin nach dem Erblasser ausweist.
Die übrigen Beteiligten haben
keine bestimmten Anträge gestellt.
Das Amtsgericht ‑Nachlassgericht‑ Bochum hat die Geladene G angehört, deren Sohn und Schwiegertochter G2 und G4 als Zeugen vernommen (Bl. 38 d.A.), den letzten behandelnden Arzt des Erblassers Herrn G3 schriftlich angehört (Bl. 59 d.A.) und die von ihm übersandten Arztberichte gewürdigt, nämlich den der I2-Kranken-Anstalt in B2 vom 27.02.2009 (Bl. 67 d.A.), den des H-Hospitals in B2 vom 02.12.2010 (Bl. 70 d.A.) und den des H-Hospital- und H2-Hospitals in B2 vom 31.05.2011 (Bl. 61 d.A.).
Durch den angefochtenen Beschluss vom 22.04.2013 (Bl. 91 d.A.) hat das Amtsgericht den Erbscheinsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen.
Hierzu hat es ausgeführt, die Antragstellerin sei durch das Testament vom 01.01.2007 nicht als gewillkürte Erbin eingesetzt, sondern vielmehr von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen worden. Dass die Antragstellerin ihren Namen geändert habe, ändere daran nichts, da sie weiterhin auch „Q2“ heiße. Außerdem hätten die vernommenen Zeugen bekundet, dass das Verhältnis zwischen der Antragstellerin und dem Erblasser zerrüttet gewesen sei und dass der Erblasser sein Vermögen bewusst verbrauchen und auch damit der Antragstellerin habe vorenthalten wollen.
Eine Testierunfähigkeit des Erblassers habe nicht festgestellt werden können, da der Arzt Herr G3 den Erblasser für den 23.04.2007 als klar und voll orientiert beschrieben habe und auch die vorgelegten Arztberichte der Krankenhäuser entsprechende Schilderungen enthielten. Ein Verschenken des Vermögens spreche nicht ohne weiteres für eine Testierunfähigkeit, da der Erblasser schon zuvor ein eigenwilliges Verhalten gezeigt habe. Einer weiteren Beweisaufnahme habe es daher nicht bedurft.
Der Beschluss des Amtsgerichts ist der Antragstellerin am 30.04.2013 zugestellt worden (Bl. 102 d.A.). Die Antragstellerin hat am 29.05.2013 Beschwerde beim Amtsgericht eingelegt (Bl. 103 d.A.). Dem hat das Amtsgericht ausweislich seiner Entscheidung vom 31.05.2011 nicht abgeholfen (Bl. 102R d.A.).
Die Antragstellerin wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug.
Sie rügt, dass das Amtsgericht keine Zeugen vernommen habe, die den Erblasser zur Zeit der Errichtung des Testaments gekannt hätten, namentlich den älteren Enkelsohn des Erblassers Q und die Nichte des Erblassers B. Dagegen habe das Amtsgericht die Aussagen der vernommenen Zeugen unrichtig gewürdigt, da die Aussagen widersprüchlich seien. Der Erblasser habe die Antragstellerin immer als Mitglied der Familie Q3 betrachtet und gegenüber Verwandten stets erklärt, dass die Antragstellerin seinen gesamten Nachlass erhalten solle.
Der Senat hat die Akten des Amtsgerichts Bochum 20a IV 261/11 und 20a VI 473/11 beigezogen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Ferner hat der Senat Antragstellerin und Antragsgegner persönlich angehört und Beweis aufgenommen aufgrund Beschlusses vom 01.08.2013 durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen E vom 27.12.2013 (Anlagenband) sowie aufgrund Anordnung vom 21.11.2013 durch Vernehmung der Zeugen Q und B. Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Umstände und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien, die Niederschrift der Verhandlung vor dem Senat nebst Berichterstattervermerk sowie das Gutachten des Sachverständigen E verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. a) Die Beschwerde ist statthaft und in der gesetzlich vorgeschriebenen Form und Frist eingelegt worden. Die Statthaftigkeit folgt aus §. 58 Abs. 1 FamFG, weil der angefochtene Beschluss eine Endentscheidung des Amtsgerichts im ersten Rechtszug darstellt. Die Einlegung geschah schriftlich beim Amtsgericht Bochum, dessen Beschluss angefochten wird, und Beschluss und Rechtsbehelf sind auch ausreichend bezeichnet, §. 64 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 und 3 FamFG. Die einmonatige Beschwerdefrist des §. 63 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 FamFG ist gewahrt.
b) Die Antragstellerin ist beschwerdeberechtigt i.S.d. §. 59 Abs. 1 und 2 FamFG, weil sie den Antrag auf Erteilung des Erbscheins gestellt hat und der angefochtene Beschluss sie in ihrem möglichen Erbrecht beeinträchtigt.
c) Der Beschwerdewert des §. 61 Abs. 1 FamFG i.H.v. € 600,00 ist überschritten. Zur Bemessung des maßgeblichen Werts des Beschwerdegegenstands können regelmäßig die Vorschriften über den Geschäftswert entsprechend angewendet werden, so etwa für das Verfahren nach der Zivilprozessordnung die Vorschriften des Gerichtkostengesetzes i.V.m. den §§. 3 ff. ZPO (MüKoFamFG / Fischer2, §. 61, Rz. 23, m.w.N.). Auf das gegenwärtige Verfahren sind noch die Vorschriften der Kostenordnung vom 26.07.1957 anzuwenden, weil die Beschwerde der Antragstellerin vor Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes am 01.08.2013 eingelegt worden ist, Art. 50 des 2. KostRMoG, §. 136 Abs. 1 Ziff. 2 GNotKG. Da der angefochtene Beschluss die Rechtsnachfolge der Antragstellerin in einen Nachlass i.H.v. rund € 30.000,00 verneint, entspricht der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens diesem Interesse der Antragstellerin, §§. 131 Abs. 3 und 4; 30 Abs. 1 KostO.
d) Antragstellerin und Antragsgegner sind im Rechtssinne am gegenwärtigen Verfahren beteiligt gem. §. 345 Abs. 1 S. 1 bzw. Abs. 1 S. 2 Ziff. 2 FamFG. Die Geladene G dagegen ist am gegenwärtigen Verfahren nicht beteiligt, weil sie keine der in §. 345 FamFG genannten Voraussetzungen erfüllt. Soweit sie im angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts und im Beweisbeschluss des Senats als „Beteiligte“ bezeichnet worden ist, vermag dies auch kein schützenswertes Vertrauen in diese Verfahrensstellung zu begründen.
2. Der Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung des begehrten Erbscheins besteht aus §. 2353 BGB, da die Antragstellerin als einziger Abkömmling gesetzliche Alleinerbin nach dem Erblasser geworden ist, §. 1922 Abs. 1, 1924 Abs. 1 BGB. Dem steht das Testament des Erblassers vom 01.01.2007 nicht entgegen, §§. 2064, 2229 ff. BGB.
a) Das Testament bedarf zunächst der Auslegung, da die dort getroffenen Bestimmungen zugunsten des Antragsgegners und des D4 nicht eindeutig erkennen lassen, ob der Erblasser Erbeinsetzungen i.S.d. §. 1937 BGB verfügen oder Vermächtnisse i.S.d. §§. 1939, 2147 BGB aussetzen wollte, und weil die dort getroffene Bestimmung betreffend „alle Q2s“ nicht erkennen lässt, ob und mit welcher Folge sie sich auch auf die Antragstellerin bezieht. Bei der Auslegung eines Testaments ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen, ohne am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, §. 133 BGB, und es ist im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, nach der das Testament Erfolg haben kann (Gebot der wohlwollenden Auslegung), §. 2084 BGB.
Eine Erbeinsetzung des Antragsgegners oder des D4 ist schon angesichts der Zuwendung eines Betrags von jeweils nur € 5.000,00 bei einem Nachlass von mindestens € 30.000,00 nicht anzunehmen. Zwar ist bei der Unterscheidung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis nicht der Wert einer Zuwendung als solcher entscheidend, sondern ob aus diesem Wert darauf geschlossen werden kann, dass der Erblasser den Bedachten zu seinem Gesamtrechtsnachfolger bestimmen wollte. Daher ist etwa in Rechtsprechung und Lehre anerkannt, dass ein Nachlass durch Vermächtnisse vollständig erschöpft werden kann, ohne dass deshalb ein Vermächtnisnehmer Erbe sein müsste (vgl. Staudinger / Otte2013, §. 2087, Rz. 17, 19 m.w.N.). Mit der Gesamtrechtsnachfolge nach dem Erblasser ist jedoch der unmittelbare Einfluss auf dessen gesamtes Vermögen verbunden, dazu die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten und ggf. auch die Bestattung des Erblassers (vgl. Palandt / Weidlich73, §. 2087, Rz. 4; auch Bayerisches Oberstes Landesgericht, NJW-RR 2003, 656, 657 f.). Dass der Antragsgegner und D4 durch die Zuwendung eines bestimmten Betrags von jeweils € 5.000,00 Einfluss auf das gesamte Vermögen des Erblassers hätten erlangen können oder sollen, ist jedoch nicht ersichtlich. Hilfsweise ergäbe sich dies auch aus der Zweifelsfallregelung des §. 2087 Abs. 2 BGB, und im übrigen hätte D4 eine etwaige Erbschaft auch rechtzeitig ausgeschlagen, §§. 1944 Abs. 1 und 2, 1945 Abs. 1 BGB.
Ob mit der Verfügung, dass „alle Q2s... leer“ ausgehen, die Antragstellerin i.S.d. §. 2303 Abs. 1 S. 1 BGB enterbt werden sollte, bleibt hingegen zweifelhaft. Zwar waren von den Trägern des Namens „Q2“ gem. §. 1924 Abs. 1 und 2 BGB allein die Antragstellerin und danach ihre Abkömmlinge zu gesetzlichen Erben des Erblassers berufen, so dass die Verfügung buchstäblich dahin verstanden werden kann, dass die Antragstellerin und ihr gesamter Stamm von der gesetzlichen Erbfolge nach dem Erblasser ausgeschlossen sind. Für eine Einbeziehung der Antragstellerin spricht dabei auch, dass sich der Erblasser des Erlöses aus seinem Hausgrundstück überwiegend entledigte, denn damit und durch die beiden Vermächtnisse i.H.v. je € 5.000,00 kam er einer Enterbung der Antragstellerin wirtschaftlich bereits nahe. Einen entsprechenden Willen des Erblassers hat auch der Zeuge G2 bestätigt, während die Aussagen der Zeuginnen G und G4 zu dieser Frage unergiebig blieben. Gegen eine Einbeziehung der Antragstellerin spricht hingegen, dass der Erblasser sie von den „Q2s“ gerade abzusondern versuchte, insbesondere indem er sie veranlasste, ihrem langjährigen Ehenamen ihren Geburtsnamen wieder voranzustellen. Außerdem ist die Wendung „alle Q2s“ sprachlich mehrdeutig, weil sie auch den Ehemann und den Sohn Q der Antragstellerin umfasst, obwohl der Ehemann zur gesetzlichen Erbfolge ohnehin nicht berufen wäre und obwohl dem Antragsgegner ein Betrag von € 5.000,00 zugewendet werden sollte.
b) Jedenfalls aber konnte der Erblasser am 01.01.2007 kein wirksames Testament errichten, weil er wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit nicht in der Lage war, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, §. 2229 Abs. 4 BGB. Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats fest. Ausreichend ist dabei ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (Bundesgerichtshof, NJW 1970, 946, 948; Keidel / Zimmermann18, §. 352, Rz. 105).
Die Aussagen der Zeugen Q und B waren ergiebig im Sinne der Antragstellerin, dabei auch glaubhaft, da in sich schlüssig und nachvollziehbar, frei von Widersprüchen und reich an Einzelheiten. Der Zeuge Q konnte sehr lebensnah aus derjenigen Zeit berichten, in der er im Haus des Erblassers wohnte und in der das Verhältnis zwischen Großvater und Enkelsohn durchaus von Nähe und gegenseitigem Vertrauen geprägt gewesen zu sein scheint. Ebenso schilderte der Zeuge aber auch anschaulich, wie Stimmungen und Verhalten des Erblassers ohne Anlass umschlagen konnten, wie sich die Ansichten und Zusagen des Erblassers oft grundlos ins Gegenteil verkehrten, wie der Erblasser Vorwürfe gerade gegen Verwandte aus der Luft griff und durch Gewaltandrohungen und Verbote zu strafen suchte, die er später aber vergaß oder selbst missachtete, und wie der Erblasser seinen Willen bisweilen in nicht mehr nachvollziehbarer Weise über Vernunft und Gesetz stellte. Ähnliches und teilweise übereinstimmend haben sowohl die Antragstellerin als auch die Zeugin B bekundet, die eine Nichte der Ehefrau des Erblassers gewesen war und deren Mutter ebenfalls eine Wohnung im Haus des Erblassers bewohnte. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der beiden Zeugen waren nicht geboten, da beide Zeugen ersichtlich um zurückhaltende und ausgewogene Bekundungen bemüht waren. Soweit der Antragsgegner hingegen bekundet hat, keine Auffälligkeiten im Verhalten des Erblassers festgestellt zu haben, hat er zugleich auch eingeräumt, wesentlich seltener mit dem Erblasser zusammengetroffen zu sein als etwa der Zeuge Q.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen E litt der Erblasser jedenfalls bis kurz vor seinem Tode nicht an Einschränkungen seines Denkvermögens und zeigte auch keine Verwirrtheit (Desorientierung), so dass insbesondere von einer Demenz höchsten in einem frühen Anfangszustand gesprochen werden könne. Allerdings deuteten die Bekundungen der vor dem Senat vernommenen Zeugen und der Antragstellerin auf eine massive Persönlichkeitsveränderung des Erblassers hin, die sich ohne weiteres aus den Durchblutungsstörungen in den inneren Hirnbereichen erklären lasse, während ein Alkoholmissbrauch und die geringen Arzneimitteleinnahmen des Erblassers als mögliche Ursachen nicht ersichtlich seien bzw. ausgeschlossen werden könnten. Die Durchblutungsstörungen müssten das Denkvermögen des Betroffenen überhaupt nicht beeinflussen, sondern könnten sich auch in Veränderungen der Stimmung, der Impulskontrolle, des Sozialverhaltens, des Antriebs, der Motivation, der Konzentration und der gedanklichen Flexibilität erschöpfen, ebenso aber auch das Denkvermögen nur insoweit betreffen, wenn es darum gehe, eigene Handlungen zu planen und ihre wahrscheinlichen persönlichen und sozialen Konsequenzen vorauszusehen. Zwar sei der Umgang mit dem Erblasser stets schwierig gewesen, aber die für dessen letztes Lebensjahrzehnt berichteten Uneinsichtigkeiten, Verdächtigungen und Gewaltausbrüche ließen sich hiermit nicht erklären, zumal etwa das Verschenken großer Geldbeträge gerade im Widerspruch zum bekannten Geiz des Erblassers gestanden habe. Da nach der -unbestrittenen- Bekundung der Antragstellerin der Erblasser bereits gegen seine Ehefrau so gewalttätig geworden sei, dass sie ins Krankenhaus habe eingeliefert werden müssen, und da bereits die Ehefrau von Wahnvorstellungen des Erblassers berichtet habe, sei von einem fortgeschrittenen Zustand der Persönlichkeitsveränderung bereits deutlich vor dem Tod der Ehefrau im Jahr 2002 auszugehen. Dass die behandelnden Ärzte des Erblassers und sonstigen Angehörigen der Heil- und Pflegeberufe die Persönlichkeitsveränderung nicht wahrgenommen hätten, sei nachvollziehbar, da sich eine solche Erkrankung während der gewöhnlich nur kurzen Zusammentreffen der genannten Dritten mit dem Kranken häufig nicht zeigten. Insgesamt sei daher davon auszugehen, dass sich der Erblasser bei Errichtung des Testaments vom 01.01.2007 nicht von seinen lebenslangen Erfahrungen mit der Antragstellerin und seinem eigentlich zugewandten Empfinden ihr gegenüber habe leiten lassen, sondern aufgrund seiner Erkrankung von Abneigung und Misstrauen insbesondere gegenüber der Antragstellerin bestimmt worden sei. Die Feststellungen des Sachverständigen E sind ebenfalls ergiebig im Sinne der Antragstellerin und nachvollziehbar auch für den Laien, außerdem frei von erkennbar fehlerhaften allgemeinen und fachlichen Denkansätzen und Schlussfolgerungen. Der Sachverständige hat zunächst überzeugend ausgeführt, dass die Verhaltensveränderungen im letzten Lebensjahrzehnt des Erblassers auf eine Erkrankung zurückzuführen seien, da sich die Wesenszüge des Erblassers einerseits ins Unvernünftige übersteigert, andererseits aber gerade in ihr Gegenteil verkehrt hätten. Ebenso überzeugend und unter Bezugnahme auf die gegenwärtigen Erkenntnisse der Medizin hat der Sachverständige dargestellt, dass die Erkrankung des Erblassers auf die bildgebend belegten Durchblutungsstörungen des Hirns zurückgeführt werden könnten, von den seinerzeit behandelnden Ärzten aber nicht bemerkt worden sein müssten. Auch den Schluss des Sachverständigen, dass der Erblasser aufgrund seines verzerrten Erlebens und seines verfälschten Empfindens nicht mehr in der Lage war, sein Verhältnis zur Antragstellerin zutreffend zu beurteilen und danach eine unbeeinflusste Entscheidung über seine Erbfolge zu treffen, teilt der Senat. Die Einwendungen der Geladenen G gegen das Gutachten des Sachverständigen E aus dem Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 04.03.2014 waren dagegen mangels Beteiligtenstellung der Geladenen G nicht zu berücksichtigen.
3. Die Entscheidung über die Kostenlast entspricht billigem Ermessen gem. §. 81 Abs. 1 S. 1 und 3 FamFG, da die Antragstellerin insbesondere die Kosten der Beweisaufnahmen verursacht hat, der Antragsgegner aber allein die Kosten seiner eigenen Verfahrensbevollmächtigten. Zum Geschäftswert gilt das oben 1. c) Gesagte. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern, §. 70 Abs. 2 S. 1 FamFG.
Meta
16.05.2014
Oberlandesgericht Hamm 10. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: W
Vorgehend: Amtsgericht Bochum, 20a VI 463/11
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 16.05.2014, Az. 10 W 96/13 (REWIS RS 2014, 9656)
Papierfundstellen: REWIS RS 2014, 9656
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
10 W 89/17 (Oberlandesgericht Hamm)
2 Wx 13/20 (Oberlandesgericht Köln)
2 Wx 219/17 (Oberlandesgericht Köln)
Kostentragung im Erbscheinserteilungsverfahren bei Bestreiten der Urheberschaft des Erblassers für Testament
2 Wx 149/17 2 Wx 169/17 (Oberlandesgericht Köln)
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