Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.10.2011, Az. 1 StR 354/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2011, 2120

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 354/11

vom
20. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen

wegen Betruges
u.a.

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 20. Oktober 2011 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand zur Anbringung weiterer Verfahrensrügen
wird ver-worfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Dezember 2010 mit den [X.] aufgehoben
a) soweit der Angekln-

b) im Ausspruch über die Einzelstrafen sowie im Gesamt-strafenausspruch.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbe-gründet verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]s zurückver-wiesen.

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Gründe:

[X.] mit falschen Angaben in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Bankrott in [X.] mit gewerbsmäßigem Betrug in 14 sachlich zusammentreffenden Fäl-

und sechs Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Es hat ferner hinsichtlich Wertersatz erkannt werde, weil Ansprüche der Verletzten entgegenstehen, und es hat die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten für die Dauer von zwei Jahren keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat im tenorierten Umfang Erfolg (§
349 Abs. 4 StPO), im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Anbringung weiterer Verfahrensrügen, der auf ein zerrüttetes Vertrauens-verhältnis zum Pflichtverteidiger gestützt wird, ist unbegründet. Der Antrag auf
Entpflichtung des Pflichtverteidigers und auf Bestellung eines neuen Pflichtver-teidigers wurde vom dafür zuständigen [X.] abgelehnt. Gründe, die darüber hinaus eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten, sind weder vorge-tragen noch ersichtlich.
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II.
Die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils führt zu dessen Aufhebung, soweit der Angeklagte wegen falscher Angaben verurteilt wurde, sowie im Ausspruch über die Einzelstrafen-
und die
Gesamtstrafe.
1. Die Urteilsfeststellungen sind hinsichtlich der falschen Angaben beim Registergericht über die Einzahlung des Stammkapitals (§§ 82 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 2 GmbHG) unklar und widersprüchlich.
Die [X.] führt aus, der Angeklagte habe sich dahin eingelassen, einen zunächst auf ein Firmenkonto einbezahlten Betrag

von Rechnungen verwendet worden ([X.]). Für das Revisionsgericht ist auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht ersichtlich, ob das [X.] dieser Einlassung des Angeklagten, er habe das taggleich wieder abgehobene Stammkapital bar einbezahlt, Glauben geschenkt hat oder nicht. Das Urteil enthält Formulierungen, die dafür
sprechen könnten, aber auch solche, die dagegen sprechen.
Wenn die Kammer ausführt,
vom Angeklagten seien am gleichen Tag .

GmbH nicht mehr vorhanden war" ([X.], 25, 161 sinngemäß) so könnte dies dafür sprechen, dass sie ihm die Bareinzahlung nicht geglaubt hat, zumal sie feststellt, der Angeklagte habe gewusst, dass seine Angaben (nach §
8
Abs.
2 GmbHG) falsch waren ([X.]). Dies könnte darauf hindeuten, dass die Kammer den bei der Bank einbezahlten und bescheinigten Geldbetrag als reines "[X.]" (vgl. [X.] in BeckOK-GmbHG, §
82 Rn. 102b 4
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mwN) betrachtete. Letztlich fehlt aber eine dahingehende klare Feststellung und eine entsprechende Begründung.
Andererseits könnten die Formulierungen,
der Angeklagte hat "selbst eingeräumt" ([X.]7, 48),
dass er

e-scheinigung durch die Bank wieder abgehoben und den Betrag bar in die [X.] getan habe, "auch wenn er Ziff. 1 eigentlich bestreiten wollte" (UA S.
57),
dafür sprechen, dass die Kammer ihm
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die Bareinzahlung -
ge-glaubt hat.
Tat sie dies aber, wäre eine Verurteilung wegen falscher Angaben i.S.v. § 82 GmbHG rechtsfehlerhaft. Zutreffend weist der [X.] da-deren effektive Einbringung in das Vermögen der in Gründung befindlichen [X.] erforderlich ist. Dementsprechend muss sich die Versicherung ge-mäß § 8 GmbHG darauf erstrecken, dass sich die geleisteten Einlagen endgül-tig in der freien Verfügung der Geschäftsführer
befinden. Dies ist bei Bareinla-gen der Fall, wenn der Geschäftsführer tatsächlich und rechtlich in der Lage ist, die eingezahlten Mittel als Bar-
oder als Buchgeld uneingeschränkt für die [X.] zu verwenden ([X.] in [X.], § 8 Rn. 40 mwN; vgl. auch [X.], Beschluss vom 29. September 2004 -
5 [X.]; [X.], [X.] vom 30. November 1995 -
1 [X.]).
Allerdings ist die [X.] nicht gehalten, Angaben eines Angeklag-ten als unwiderlegt hinzunehmen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunk-te für die Richtigkeit dieser Angaben fehlen (st. Rspr.;
z.B. [X.], Beschluss vom 16.
November 2010 -
1 [X.]). Das ist hier der Fall. Der Angeklagte hat die Notwendigkeit einer solch hohen Summe an Bargeld in keiner Weise begründet. [X.] ist im Geschäftsleben unter Kaufleuten eher fernlie-8
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gend. Eine konkrete Verwendung hat er nicht dargetan, Rechnungen hat er nicht spezifiziert. Seine pauschalen Behauptungen zur Verwendung werden durch nichts belegt.
Die unklaren und widersprüchlichen Feststellungen führen
hinsichtlich der Verurteilung wegen falscher Angaben zur Aufhebung des Schuld-
und des Strafausspruchs mit den zugehörigen Feststellungen (vgl. [X.], Urteil vom 4.
Dezember 2008 -
1 [X.]). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass beim
Zusammentreffen mehrerer falscher Angaben in einer Erklärung nur von einer strafbaren Handlung auszugehen
ist.
2. Die Strafzumessung begegnet rechtlichen Bedenken.
Die Ausführungen in den Urteilsgründen,
zu Lasten des überwiegend bestreitenden Angeklagten sei dessen fehlende "Einsicht
darin, dass er Fehler gemacht hat"
zu berücksichtigen ([X.]), lassen
besorgen, dass [X.] zulässiges Verteidigungsverhalten zu Unrecht strafschärfend berück-sichtigt wurde (vgl. [X.], Beschluss vom 4.
August 2010 -
3 [X.]; [X.], Beschluss vom 9. Mai 2007 -
1 StR 199/07 jew.
mwN). Zwar kann ein Verhalten des [X.] nach der Tat strafschärfend wirken, wenn es trotz der ihm zu-stehenden Verteidigungsfreiheit auf Rechtsfeindschaft, seine Gefährlichkeit oder die Gefahr künftiger Rechtsbrüche hinweist oder andere mit der Tat zu-sammenhängende ungünstige Schlüsse auf seine Persönlichkeit zulässt (vgl. [X.], Urteil vom 25. März 1981 -
3 [X.]; [X.], Urteil vom 24. Juli 1985
-
3 [X.]) oder wenn die Grenzen angemessener Verteidigung eindeutig überschritten sind und das Vorbringen des Angeklagten eine selbständige Rechtsgutsverletzung enthält (vgl. [X.], Urteil vom 8. April 2004 -
4 StR 576/03; zum Ganzen auch [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], 28. Aufl.,
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§
46 Rn. 41 mwN; [X.]/[X.]/[X.], Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl.,
Rn. 378 ff.). Dafür ist hier jedoch nichts dargetan oder ersichtlich.
Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die [X.] auf diesem Rechtsfehler beruhen. Zwar erweisen sich die verhängten Einzelstrafen angesichts des festgestellten [X.] und der festgestellten Tatumstände nicht als unangemessen hoch und es ist auch nicht zu besorgen, dass sie sich nach oben von ihrer Bestimmung gelöst haben, gerechter Schuldausgleich zu sein. Es begegnet insbesondere keinen Bedenken, dass
gegen den
Angeklag-ten für das ihm
zur Last gelegte Vergehen des Bankrotts gemäß § 283 Abs. 1
Nr.
5 und Abs.
6
[X.], der Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vorsieht, lediglich eine Freiheitsstrafe von neun Monaten verhängt wurde. Durch § 283 [X.] sollen
die Interessen der aktuellen Gläubiger an einer voll-ständigen oder möglichst hohen Befriedigung ihrer vermögensrechtlichen [X.] geschützt werden (vgl. [X.], Urteil vom 22. Februar 2001 -
4 [X.], hierzu [X.], Beschluss vom 28. August 2003 -
2 BvR 704/01; zu weitergehenden -
umstrittenen -
Zielen vgl. Tiedemann
in
Leipziger [X.], [X.], 11. Aufl., vor §
283 Rn.
11; [X.]
in
[X.]/[X.], [X.], 28.
Aufl., vor § 283 Rn. 2). Schon dies kann -
wie bei anderen vermögens-schützenden Normen -
die Verhängung von Freiheitsstrafen
rechtfertigen, die nicht notwendig im unteren Bereich angesiedelt sind. Der [X.] kann hier nicht mit Sicherheit
ausschließen, dass die Einzelstrafen ohne die rechtsfehlerhafte Strafzumessungserwägung -
mag dies auch nicht nahe liegen -
niedriger [X.] wären. Diese sind daher mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben.
3. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht auch die Aufhebung des [X.] nach sich.
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III.
Darüber hinaus erweist sich die Revision des Angeklagten als unbegrün-det. Auf die zutreffenden Ausführungen des [X.]s in seiner Antragsschrift vom 9. August 2011, die auch durch das weitere [X.] nicht entkräftet werden, nimmt der [X.] Bezug.
Der weiteren Ausführungen bedarf es lediglich hinsichtlich der [X.] des Angeklagten wegen Bankrotts gemäß
§ 283 Abs. 1 Nr. 5 Abs.
6 [X.] i.V.m.
§
238 HGB. Eine Strafbarkeit nach §
283 Abs. 1 Nr. 5 oder Nr. 7b [X.] entfällt bei rechtlicher oder tatsächlicher Unmöglichkeit zur Buchführung oder Bilanzerstellung.
Eine solche Unmöglichkeit wird etwa dann angenommen, wenn sich der Täter zur Erstellung einer Bilanz oder zu ihrer Vorbereitung der Hilfe eines Steuerberaters bedienen muss und er die erforderlichen Kosten nicht aufbringen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Januar 2003 -
3 [X.]; [X.], Beschluss vom 5.
November 1997 -
2 StR 462/97). Der [X.] muss vorliegend nicht entscheiden, ob an dieser Rechtsprechung uneinge-schränkt festzuhalten ist, oder ob nicht vielmehr -
um den gerade für Fälle ein-

1 Nr. 5 und Nr. 7 [X.] nicht leerlaufen zu lassen -
ein Geschäftsführer, der ein Unternehmen betreibt, so rechtzeitig Vorsorge zu treffen hat, dass das Führen der Bücher und Erstellen der Bilanzen gerade auch in der Krise, bei der dem Führen ord-nungsgemäßer Bücher besondere Bedeutung zukommt, gewährleistet
ist (vgl. zu § 266a [X.] auch [X.], Beschluss vom 11.
August 2011 -
1 [X.]). Denn hier liegt es nach den Feststellungen des [X.]s nahe, dass der -

n-geklagte, selbst in der Lage war, eine den Anforderungen des §
238 HGB ent-sprechende Buchhaltung zu erstellen. Er war
seit vielen Jahren mit unter-16
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-
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-
schiedlichen Unternehmen überwiegend im Immobiliengeschäft tätig ([X.]) und übernahm nunmehr auch die Geschäftsführung der in Rede
stehenden Gesellschaft A.

GmbH (in Gründung).
Deren
Anzahl von
Geschäftsvorfäl-len war für ihn
überschaubar.
Eines
Eingehens auf die zitierte Rechtsprechung bedurfte
es daher nicht.
Überdies bietet derjenige, der
ein Handelsgewerbe betreibt oder als
Organ eine ins Handelsregister einzutragende juristische Per-son leitet und daher gemäß § 238 HGB (gegebenenfalls i.V.m.
§ 241a HGB) buchführungspflichtig ist (vgl.
[X.]/[X.], Handelsgesetzbuch, 34. Aufl., §
238 Rn. 7 ff.), regelmäßig die Gewähr dafür,
zur Führung der Bücher (und Erstellung der Bilanzen) auch selbst in der Lage zu sein.
[X.] Rothfuß Hebenstreit

Elf

Graf

Meta

1 StR 354/11

20.10.2011

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.10.2011, Az. 1 StR 354/11 (REWIS RS 2011, 2120)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2120

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