Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.10.2014, Az. 20 F 6/14

Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO | REWIS RS 2014, 1853

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Gegenstand

Schwärzung nicht geheimhaltungsbedürftiger Teile eines Dokuments


Tenor

Die [X.] vom 10. Juli 2014 ist rechtswidrig.

Gründe

I

1

Das [X.] führte 1998 und 2002 auf Veranlassung des [X.] zwei Sicherheitsüberprüfungen zur Person des [X.] durch. Auf Anfrage des [X.] teilte das [X.] ihm mit Bescheid vom 26. September 2011 mit, die Daten zu seiner Person seien im „Nachrichtendienstlichen Informationssystem" ([X.]) gespeichert. Ferner seien jeweils eine Ausfertigung der seinerzeit von ihm ausgefüllten Sicherheitserklärungen zu der zu ihm geführten Sicherheitsüberprüfungsakte genommen worden. Darüber hinaus seien über ihn keine weiteren Daten gespeichert. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger Klage erhoben. Sein Antrag, ein Verfahren nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO durchzuführen, wurde vom Senat mit Beschluss vom 17. Februar 2014 - BVerwG 20 F 1.14 - als unzulässig abgelehnt. Daraufhin erließ das Verwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache einen (nunmehr) begründeten Beweisbeschluss und forderte die Beklagte auf, den [X.]-Ausdruck betreffend den Kläger vorzulegen, soweit er nicht bereits vorgelegt worden sei. Zur Aufforderung, die Aktenstücke bzw. Dokumente mit personenbezogenen Daten des [X.] vollständig vorzulegen, auf die in dem [X.]-Ausdruck verwiesen werde, teilte die Beklagte dem Verwaltungsgericht mit, es seien bereits alle vom [X.] im [X.]-Ausdruck ausgewiesenen Unterlagen vorgelegt worden.

2

Das beigeladene [X.], das mit [X.] vom 1. Juli 2013 einen teilweise geschwärzten Ausdruck des [X.]-Ausdrucks vorgelegt hat, verweigerte mit [X.] vom 10. Juli 2014 erneut die Vorlage des Ausdrucks ohne Schwärzung und nahm zur Begründung Bezug auf die [X.] vom 1. Juli 2013.

II

3

Der Antrag des [X.], festzustellen, dass die Weigerung des beigeladenen [X.] rechtswidrig ist, den [X.]-Ausdruck vollständig ohne Schwärzung vorzulegen, ist zulässig und begründet.

4

Die [X.] ist rechtswidrig. Der [X.] kann nicht feststellen, dass Gründe vorliegen, welche die streitige Schwärzung des [X.]-Ausdrucks rechtfertigen.

5

1. Die oberste Aufsichtsbehörde kann nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente oder die Erteilung von Auskünften verweigern, wenn das Bekanntwerden ihres Inhalts dem Wohl des [X.] oder eines [X.] Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen.

6

Die Tatsache der Einstufung des [X.]-Ausdrucks als Verschlusssache-NfD ist ohne Bedeutung. Denn Unterlagen sind nicht schon deswegen ihrem Wesen nach oder nach einem Gesetz geheim zu halten. Vielmehr kommt es darauf an, ob sich nach den materiellen Maßstäben des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine [X.] ergibt, ob also der Grund für die Einstufung als Verschlusssache noch fortbesteht (Beschlüsse vom 19. April 2010 - BVerwG 20 [X.] - BVerwGE 136, 345 Rn. 21, 23 = [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 58, vom 20. September 2010 - BVerwG 20 F 9.10 - NVwZ-RR 2011, 135 Rn. 7 f., vom 14. Juni 2012 - BVerwG 20 F 10.11 - juris Rn. 7 und vom 7. August 2013 - BVerwG 20 F 9.12 - juris Rn. 14).

7

Ein Nachteil für das Wohl des [X.] oder eines [X.] im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren würde. Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lassen (Beschluss vom 4. März 2010 - BVerwG 20 F 3.09 - juris Rn. 6). Zu solchen Rückschlüssen grundsätzlich geeignet sind beispielsweise [X.], Aktenzeichen, [X.] und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen.

8

Das beigeladene [X.] trägt vor, aus der Schwärzung folge nicht, dass der Auszug - über die zwei offen gelegten Aktenzeichen der Sicherheitsüberprüfungsakten hinaus - weitere Aktenzeichen enthalte. Die Schwärzung sei vielmehr unabhängig davon erforderlich. Denn andernfalls wäre ein „Umkehrschluss" möglich, ob aus operativer Sicht empfindliche Informationen zum Kläger über die Sicherheitsüberprüfungsakten hinaus vorlägen.

9

Mit dieser Begründung lässt sich die Schwärzung des [X.]-Ausdrucks nicht rechtfertigen. Es ist nicht zu erkennen, dass eine vollständige Offenlegung die geheimdienstliche Arbeit erschweren könnte. Der Senat hat den [X.]-Ausdruck im Original in Augenschein genommen und festgestellt, dass die Schwärzung, die sich unterhalb der zwei offen gelegten Aktenzeichen befindet, keine geheimhaltungsbedürftigen Informationen betrifft, sondern lediglich an dieser Stelle ein leeres Blatt verdeckt.

Geschwärzt werden dürfen zwar auch Teile eines Dokuments, die für sich genommen nicht geheimhaltungsbedürftig sind, die aber aus dem konkreten Zusammenhang heraus Rückschlüsse auf geheimhaltungsbedürftige Informationen erlauben. So ist es nicht zu beanstanden, wenn sich - in Einzelfällen - Schwärzungen etwa von Unterstreichungen oder [X.] nicht auf eine Unkenntlichmachung an der konkreten Stelle beschränken, sondern auch darüber hinausgreifen, weil andernfalls Rückschlüsse im Hinblick auf das konkrete Erkenntnisinteresse sowie die Arbeitsmethode einer nachrichtendienstlichen Behörde möglich wären (Beschluss vom 1. Februar 2011 - BVerwG 20 F 17.10 - juris Rn. 5). Entscheidend ist, ob mit einer Offenlegung ein Erkenntnisgewinn in Bezug auf den berechtigten Geheimhaltungsgrund verbunden ist (vgl. auch Beschluss vom 1. August 2011 - BVerwG 20 F 26.10 - juris Rn. 10). Danach können auch Schwärzungen von Leerstellen in einem Dokument gerechtfertigt sein. Zur Begründung genügt es aber nicht, pauschal auf einen möglichen „Umkehrschluss" zu verweisen.

Der Beigeladene bleibt eine Erklärung dafür schuldig, warum der Umstand, dass im [X.]-Ausdruck keine über die erfolgte Offenlegung hinausgehenden Erkenntnisse zur Person des [X.] dokumentiert sind, Rückschlüsse auf „aus operativer Sicht empfindliche Informationen" erlaubt. Bei einer Offenlegung erfährt der Kläger lediglich, dass im [X.]-Ausdruck keine weiteren Verfahren aufgeführt sind. Ein darüber hinausgehender Erkenntnisgewinn ist damit nicht verbunden. Die Hinweise des Beigeladenen auf den Gesichtspunkt der „[X.]" oder der „Verstrickung" gehen am Fall vorbei. Es erscheint deshalb nicht verständlich, warum die Freigabe dieser „Passage" gleichwohl die befürchteten Rückschlüsse auf die Informationszugänge der [X.] zulassen soll.

2. Darüber hinaus sind auch die Ermessenserwägungen nicht tragfähig. Der Beigeladene verkennt die Eigenständigkeit der im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geforderten Ermessensausübung. In der [X.] wird zwar der Maßstab für die Ermessensausübung zutreffend wiedergegeben (vgl. dazu nur Beschluss vom 21. Februar 2008 - BVerwG 20 F 2.07 - BVerwGE 130, 236 - juris Rn. 18). Der Beigeladene beschränkt sich dann aber darauf, lediglich die bereits angeführten Gründe für die behauptete [X.] zu wiederholen. Damit verstellt er sich den Blick dafür, dass der Fall - entgegen seiner Annahme - angesichts des Zeitablaufs Besonderheiten aufweist, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen gewesen wären.

3. Einer eigenständigen Kostenentscheidung bedarf es im Verfahren vor dem [X.] nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht (vgl. dazu Beschluss vom 16. Dezember 2010 - BVerwG 20 F 15.10 - [X.] 310 § 99 VwGO Nr. 62 Rn. 11). Eine Streitwertfestsetzung ist ebenfalls entbehrlich, da Gerichtsgebühren mangels Gebührentatbestand im Verfahren vor dem [X.] nicht anfallen.

Meta

20 F 6/14

27.10.2014

Bundesverwaltungsgericht Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs 2 VwGO

Beschluss

Sachgebiet: F

§ 99 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.10.2014, Az. 20 F 6/14 (REWIS RS 2014, 1853)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1853

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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