Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.05.2011, Az. IX ZB 181/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6702

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[X.]BESCHLUSS [X.] 181/10 vom 12. Mai 2011 in dem Insolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: jaInsO § 36; ZPO § 850f Abs. 1 Buchst. b, § 851c Der mit dem Gesetz zum Pfändungsschutz der privaten Altersvorsorge eingeführte Schutz bestimmter privater, zur Altersvorsorge abgeschlossener Versicherungen er-streckt sich nur auf das vom Versicherungsnehmer aufgebaute Deckungskapital und die nach Eintritt des Versicherungsfalls zu erbringenden Leistungen, nicht jedoch auf die für die Einzahlung erforderlichen Mittel des Schuldners. [X.], Beschluss vom 12. Mai 2011 - [X.] 181/10 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], den Richter [X.], die Richterin [X.], [X.] [X.] und die Richterin [X.] am 12. Mai 2011 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 16. Juli 2010 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen. Der Wert des [X.] wird auf 7.200 • festge-setzt. Gründe: [X.] In dem auf seinen Antrag am 28. September 2009 eröffneten [X.], in dem die weitere Beteiligte als Treuhänderin bestellt ist, begehrt der im Jahre 1952 geborene Schuldner, der von 1991 bis 2007 selbständig tätig war und nunmehr mit einem Bruttoeinkommen von ca. 3.700 • monatlich ab-hängig beschäftigt ist, einen Betrag von zusätzlich 600 • pro Monat pfändungs-frei zu stellen. Der Schuldner hatte mit Vertragsbeginn 1. Dezember 2008 eine Versicherung mit der [X.] abgeschlossen, die ei-nen monatlichen Regelbeitrag von 600 • vorsieht. Er ist der Auffassung, nicht 1 - 3 - nur das eingezahlte [X.]ital und die späteren Rentenleistungen, sondern auch der für die monatlichen Beitragszahlungen zum Aufbau einer privaten Altersver-sicherung benötigte Teil seines Einkommens müsste pfändungsfrei sein. Das Insolvenzgericht hat den Antrag des Schuldners zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuld-ner sein Begehren weiter, beginnend ab 1. Dezember 2009 monatlich einen Betrag von weiteren 600 • für pfändungsfrei zu erklären, damit er diesen in eine pfändungsgeschützte Altersvorsorge einzahlen könne. 2 I[X.] Die aufgrund der Zulassung des [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. 3 1. Das Beschwerdegericht meint, mit dem Wortlaut des § 851c Abs. 2 ZPO, in dem von "Ansammeln" eines Betrags zum Aufbau einer privaten [X.] die Rede sei, könne zwar auch gemeint sein, dass der Vorgang des Ansparens von der Regelung umfasst werde. Sinn und Zweck der [X.], die vor allem Selbständigen den Aufbau einer nicht dem Zugriff der Gläubiger unterliegenden Altersversorgung ermöglichen wolle, stehe aber einer entsprechenden Auslegung entgegen. Nach der Begründung des [X.] (BT-Drucks. 16/886 [X.] f) sei der Gesetzgeber von einem zweifachen Pfändungsschutz ausgegangen, der sich auf das beim Versicherer schon ange-sparte Vorsorgekapital und die nach Eintritt des Versicherungsfalls zu zahlen-den Renten beziehe. Der Schutz des Ansparvorgangs sei nicht erwähnt. [X.] - 4 - tematisch hätte ein solcher Schutz auch nicht in § 851c Abs. 2 ZPO angesiedelt werden können. Richtiger Standort wäre vielmehr § 850f ZPO gewesen. Eine entsprechende Anwendung des § 850f Abs. 1 Buchst. b ZPO komme nicht in Betracht, Beiträge zu Lebensversicherungen fielen nicht unter diese Vorschrift. 2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand. 5 § 851c Abs. 2 ZPO schützt in dem dort genannten Umfang nur das für eine private Altersvorsorge im Sinne des § 851c Abs. 1 ZPO angesparte [X.] und die nach Eintritt des Versicherungsfalls zu zahlenden [X.] vor einer Pfändung. Ein Pfändungsschutz der zum Aufbau des [X.]s erforderlichen Beträge ist mit der Vorschrift nicht verbunden. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus § 850f Abs. 1 Buchst. b ZPO. 6 a) Nach § 851c Abs. 2 Satz 1 ZPO kann der Schuldner nach seinem Le-bensalter gestaffelt jährlich einen bestimmten Betrag auf der Grundlage eines nach § 851c Abs. 1 ZPO abgeschlossenen privaten [X.] pfän-dungsfrei ansammeln. Gemäß § 851c Abs. 2 Satz 2 ZPO beträgt der pfän-dungsfreie Jahresbetrag vom 54. bis zum vollendeten 59. Lebensjahr 8.000 •. Vom Schutz dieser Vorschriften umfasst wird nur der jährlich angesparte [X.]. Ein weitergehender Schutz, der auch das Einkommen des Schuldners [X.], das zum Aufbau der privaten Altersversorgung eingesetzt wird, ist der Regelung nicht zu entnehmen (vgl. auch [X.] [X.] 2009, 214, 215; [X.], Beschluss vom 4. März 2009 - 6 [X.]; [X.], Urteil vom 19. August 2010 - 4 [X.]/09, juris Rn. 35 ff; [X.], NJW 2008, 3259 ff). 7 - 5 - [X.]) Zwar könnte der Wortlaut des § 851c Abs. 2 ZPO, nach dem der Schuldner abhängig von seinem Lebensalter einen bestimmten Betrag pro Jahr "unpfändbar ansammeln" kann, dafür sprechen, dass auch die Einkünfte des Schuldners, die dieser einsetzt, um eine geschützte Altersvorsorge im Sinne des § 851c Abs. 1 ZPO aufzubauen, pfändungsfrei bleiben müssen. Nach der Entstehungsgeschichte des § 851c ZPO kommt jedoch eine entsprechende Auslegung der Vorschrift nicht in Betracht. In der Begründung zu der Regelung führt der Gesetzgeber an mehreren Stellen aus, mit der Vorschrift solle ein "zweistufiger Pfändungsschutz" geschaffen werden (BT-Drucks. 16/886, [X.], 10; vgl. auch [X.], [X.]O S. 3262; [X.], [X.] 2007, 161, 163). Von einem dreistufigen Pfändungsschutz, der auch die zum Aufbau der Altersvorsorge er-forderlichen Beträge erfasst, ist dort keine Rede. Geschützt werden sollen nur das angesammelte Deckungskapital und die laufenden Bezüge aus der privaten Altersvorsorge. Ein weitergehender Pfändungsschutz wäre systematisch auch nicht in § 851c Abs. 2 ZPO anzusiedeln gewesen. Er gehörte vielmehr in eine der Regelungen der §§ 850 ff ZPO, etwa in § 850f Abs. 1 ZPO. Hätte der Ge-setzgeber einen entsprechenden Schutz gewollt, hätte es nahe gelegen, eine solche Ergänzung vorzunehmen oder auf einen der Tatbestände des § 850f Abs. 1 ZPO zu verweisen. Tatsächlich wird in § 851c Abs. 3 ZPO aber nur auf § 850e Nr. 2 und Nr. 2a ZPO Bezug genommen. Dies hat zur Folge, dass bei Leistungen aus mehreren Lebensversicherungsverträgen oder einer privaten Lebensversicherung und gesetzlichen Rentenanwartschaften gegebenenfalls mehrere unpfändbare Beträge zusammengerechnet werden können (vgl. [X.], [X.]O [X.]; Schwarz/[X.], [X.] 2009, 188, 189; [X.] in [X.]/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz 4. Aufl. § 851c Rn. 5). Für einen Schutz der zum Aufbau des [X.]italstocks erforderlichen Mittel folgt hieraus nichts. 8 - 6 - bb) Sinn und Zweck der Vorschrift, bestehende Regelungslücken bei dem Vollstreckungszugriff gegen selbständige Personen zu schließen und die-sen einen ähnlichen Pfändungsschutz ihrer Altersvorsorge zu verschaffen, wie sie abhängig Beschäftigte im Hinblick auf ihre Sozialversicherungsbezüge ge-nießen (vgl. [X.], [X.] 2007, 113 f; [X.], [X.], 281; [X.]/ [X.]/Voigt-Salus, Insolvenzrecht, 2. Aufl., [X.]. 8 Rn. 21), gebieten einen entsprechenden Schutz ohne eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung nicht. Der Aufbau des für eine Altersvorsorge erforderlichen [X.]italstocks kann bei Selbständigen auf ganz unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Er muss nicht notwendig - anders als bei Arbeitnehmern in der gesetzlichen Rentenversiche-rung - durch Abführung bestimmter Beträge aus dem Einkommen gebildet wer-den. Denkbar sind auch Zahlungen aus dem Vermögen, aus [X.]italeinkünften, Mieteinkünften, anderen laufenden Einnahmen. Eine vollständige Anpassung der Voraussetzungen für die Bildung einer Altersvorsorge bei Arbeitnehmern und selbständig Tätigen konnte deshalb auch mit dem [X.] nicht erfolgen. Dass der Gesetzgeber ungeachtet der unterschiedlichen Herkunft der Mittel, die zum Aufbau einer gesetzlichen Ren-tenversicherung und zur Bildung einer privaten Altersvorsorge eingesetzt wer-den, die Einkünfte eines (ehemals) Selbständigen jedenfalls dann pfändungsfrei stellen wollte, wenn diese zum Aufbau einer privaten Altersvorsorge eingesetzt werden, ist weder dem Gesetz noch der Begründung des Gesetzgebers zu [X.]. 9 cc) Nach den §§ 850 ff ZPO sind Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ohnehin nur in ganz beschränktem Umfang den [X.] (vgl. § 850 Abs. 2, § 850i ZPO). Dass der Gesetzgeber über diese [X.] hinaus Beträge, die zum Aufbau einer privaten Altersvorsorge einge-setzt werden, pfändungsfrei stellen wollte, ist nicht erkennbar. Eine solche [X.] - 7 - sätzliche Freistellung wäre auch im Hinblick auf die Interessen der Gläubiger nicht angemessen. Das vorgebliche Ziel, eine private Alterversorgung aufzu-bauen, könnte missbraucht werden, um sich weitgehend unpfändbar zu ma-chen. Das hat der Gesetzgeber ausdrücklich ausschließen wollen (vgl. BT-Drucks. [X.]O [X.] ff). Insoweit zeigt etwa der vorliegende Fall, dass bei ehemals [X.], die inzwischen abhängig beschäftigt sind, eine entsprechende Unpfänd-barerklärung dazu führen könnte, dass einerseits bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens gemäß § 850e Abs. 1 Nr. 1 ZPO die vom Schuldner aufgrund sozialrechtlicher Vorschriften abzuführenden Versicherungsbeiträge einschließlich der Rentenversicherungsbeiträge nicht mitzurechnen sind, ande-rerseits dem Schuldner zu Lasten der Gläubiger ein weiterer erheblicher Betrag pfändungsfrei belassen werden müsste, mit dem er zusätzlich eine private [X.] aufbauen kann. Die Folge wäre eine deutliche Verringerung des pfändbaren monatlichen Betrages um 600 •. Für die Gläubiger stünde trotz ei-nes hohen laufenden Einkommens nur noch ein geringer Betrag von wenigen Euro zur Verfügung. 11 b) Eine entsprechende Anwendung des § 850f Abs. 1 Buchst. b ZPO kommt nicht in Betracht (anders wohl Zimmermann, Informationsdienst Schuld-nerberatung 1/2008, 8, 13; [X.]/[X.], [X.] 2009, 188, 192). Nach den vorstehenden Ausführungen hat der Gesetzgeber keinen An-lass gesehen, einen besonderen Schutz der zum Aufbau einer privaten Alters-vorsorge einzusetzenden Mittel einzuführen. Eine Regelungslücke besteht nicht. Damit scheidet eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift, die im Übrigen auf Beitragszahlungen zu einer Lebensversicherung auch nicht [X.] ist (vgl. [X.]/Stöber, ZPO, 28. Aufl. § 850f Rn. 4), aus. Aus der auf 12 - 8 - § 850e Nr. 2 und 2a ZPO beschränkten Verweisung in § 851c Abs. 3 ZPO folgt, dass die weiteren Bestimmungen der §§ 850a ff ZPO - insbesondere §§ 850d, 850f, 850g ZPO - nicht herangezogen werden können ([X.] in [X.]/Walker, [X.]O). 3. Die Annahme eines dreistufigen Pfändungsschutzes ist - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - auch von [X.] wegen nicht gebo-ten. Art. 3 GG verlangt keine Gleichstellung der Voraussetzungen für die Bil-dung einer Altersvorsorge für Arbeitnehmer und für selbständig Tätige. Schon die unterschiedliche Herkunft der Mittel, die für den Aufbau der Altersvorsorge eingesetzt werden können, rechtfertigt eine differenzierte Behandlung. Während ein selbständig Tätiger - wie bereits ausgeführt - ganz unterschiedliche Quellen haben kann, aus denen er die Einzahlungen in eine private Altersvorsorge speist, stehen dem Arbeitnehmer regelmäßig nur die Arbeitsbezüge, die er zwingend auch für den Aufbau seiner Altersvorsorge einsetzen muss, zur [X.]. Das Schutzbedürfnis des abhängig beschäftigten Arbeitnehmers ist größer, als das des selbständig Tätigen, dessen Möglichkeiten zum Aufbau ei-ner privaten Altersvorsorge wesentlich vielfältiger sind. Soweit in der Vergan-genheit bei dem Schutz der Altersvorsorge Selbständiger im Vergleich zur [X.] abhängig Beschäftigter eine Gesetzeslücke gesehen worden ist (vgl. [X.]/[X.]/Voigt-Salus, [X.]O), hat der Gesetzgeber diese Lücke im Hinblick auf den Schutz des aufgebauten [X.]itals und der auszuzahlenden Versicherungsleistungen durch das "Gesetz zum Pfändungsschutz der Alters- 13 - 9 - vorsorge" von 26. März 2007 ([X.] I S. 368) geschlossen. Ein weitergehender Schutz ist von [X.] wegen nicht geboten. [X.] [X.] [X.]
[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 28.05.2010 - 601 [X.] 334/09 - [X.], Entscheidung vom 16.07.2010 - 4 T 2077/10 -

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IX ZB 181/10

12.05.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.05.2011, Az. IX ZB 181/10 (REWIS RS 2011, 6702)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6702

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