Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.06.2014, Az. 2 StR 658/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 4859

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Gegenstand

Betrug: Notwendige Urteilsfeststellungen zum täuschungsbedingten Irrtum bei der Warenbestellung im Internet unter Verwendung einer fremden Kreditkarte


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 9. September 2013 mit den Feststellungen aufgehoben

a) in den Fällen [X.]) 1. bis 29. der Urteilsgründe,

b) im Gesamtstrafenausspruch.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betrugs in 29 Fällen (Fälle [X.]) 1. bis 29. der Urteilsgründe), in sechs Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, und wegen [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

a) Der Angeklagte zog im September 2011 in die Wohnung von      [X.], die er kurz zuvor über eine Singleplattform im [X.] kennen gelernt hatte. Ihr gegenüber gab er vor, für einen [X.] Konzern im Ölgeschäft tätig und sehr wohlhabend zu sein. Tatsächlich hatte er jedoch - mangels eigener Einkünfte - von vornherein vor, nicht nur deren Wohnung als kostenlose Unterkunft für sich zu nutzen, sondern alle in der Folgezeit anfallenden Ausgaben und Lebenshaltungskosten durch Dritte, insbesondere durch [X.] finanzieren zu lassen.

4

Zu diesem Zweck „verschaffte er sich" die Kreditkartendaten der Firmenkreditkarte der [X.], benutzte diese Daten und ihren Namen und bestellte in insgesamt 29 im Einzelnen dargestellten Fällen jeweils ohne deren Wissen und Erlaubnis Waren bzw. Dienstleistungen, „die er sich mangels eigener Mittel selbst nicht hätte leisten können" ([X.]). In sechs Fällen bestätigte der Angeklagte zusätzlich jeweils den Erhalt der Waren durch Unterzeichnung der [X.] mit dem Namen der Zeugin [X.].

5

In einem weiteren Fall abonnierte der Angeklagte unter dem Namen der Zeugin [X.]  und den Kontodaten einer anderen Person bei der Firma [X.]eine Musik-Flatrate zum Preis von 79,95 €. Mangels ausreichender Deckung des Kontos hat das Unternehmen N.     diesen Betrag nicht einziehen können.

6

b) Nach der Wertung des [X.]s täuschte der Angeklagte die mit der Bearbeitung seiner Bestellung jeweils betrauten Mitarbeiter der betroffenen Unternehmen in allen Fällen über seine Zahlungsbereitschaft. „Soweit eine Bestellung im [X.] ohne Tätigkeit einer Person automatisch verarbeitet wurde, beeinflusste der Angeklagte durch die unbefugte Verwendung der Personen-und Zahlungsdaten den zur Ausführung der Bestellung veranlassten Datenverarbeitungsvorgang" ([X.]).

7

Im Rahmen der Strafzumessung hat das [X.] ausgeführt: „Soweit in den Fällen 1-29 entgegen der Annahme der Kammer in einzelnen Fällen die Bearbeitung der Bestellung nicht durch Zwischenschaltung eines Mitarbeiters, sondern vollautomatisch durch einen Datenverarbeitungsvorgang ausgeführt worden sein sollte, wozu die Kammer keine ... Feststellungen hat treffen können, wäre insofern zwar nicht der Tatbestand des Betrugs nach § 263 Abs. 1 StGB, sondern stattdessen der Tatbestand des [X.] gemäß § 263a Abs. 1 StGB ... erfüllt gewesen, den die Kammer jedoch ... in gleicher Höhe bestraft hätte" ([X.] 16).

8

2. Die Verurteilung wegen vollendeten Betrugs in 29 Fällen begegnet durchgreifenden Bedenken.

9

a) Bereits die Beweiswürdigung, die der Annahme des Tatgerichts zugrunde liegt, in den Fällen [X.]) 1. bis 29. der Urteilsgründe habe der Angeklagte jeweils eine natürliche Person getäuscht und nicht nur im Sinne des § 263a StGB auf einen Datenverarbeitungsvorgang eingewirkt, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Tatgericht stellt insoweit allein darauf ab, dass der Angeklagte in den Fällen [X.]) 3. bis 16. und 19. bis 22. über online Bestellplattformen diverse Speisen bestellt hat, die entsprechend der übermittelten Daten jeweils „persönlich zubereitet" werden mussten. Dieser Umstand stellt indes keine hinreichende Tatsachengrundlage für die Schlussfolgerung dar, dass in den genannten Fällen und in den Fällen [X.]) 1., 2., 17., 18. und 23. bis 29., denen unter anderem Bestellungen von Elektroartikeln und nicht mehr feststellbaren Waren oder Dienstleistungen zugrunde lagen, jeweils natürliche Personen getäuscht wurden.

b) Ungeachtet dessen wird eine Täuschung selbst nicht hinreichend belegt, denn aufgrund der (möglicherweise) bestehenden Garantiefunktion des Kreditkartenausstellers könnte es auch an einer Täuschungshandlung des Angeklagten gegenüber Mitarbeitern der [X.]-Versandanbieter fehlen (vgl. dazu: Trück in [X.]/[X.], Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 49 [X.]. 119).

c) Ebenso wenig hinreichend belegt wird, dass die [X.] einem Irrtum erlegen sind. Die [X.] hat insoweit die Anforderungen an die beweisrechtliche Grundlage der Feststellung eines täuschungsbedingten Irrtums im Sinne von § 263 Abs. 1 StGB verkannt. Die jeweils irrenden Personen hat das [X.] nicht ermittelt, weil es „als selbstverständlich anzusehen ist, dass die Mitarbeiter von [X.]-Versandanbietern eine Bestellung . grundsätzlich im Vertrauen auf die Zahlungswilligkeit des Bestellers und ... im Vertrauen auf die Berechtigung zur Verwendung der Kreditkartendaten ausführen" ([X.] 14).

Den Feststellungen zu den Fällen [X.]) 18., 23. und 24. der Urteilsgründe lässt sich indes schon nicht entnehmen, ob der Angeklagte überhaupt bei [X.]-Versandanbietern bestellt hat, so dass die Argumentation des [X.]s bereits aus diesem Grunde nicht verfängt.

In den Urteilsgründen ist zudem grundsätzlich festzustellen und darzulegen, welche irrigen Vorstellungen die Person hatte, die die Verfügung getroffen hat (vgl. [X.], Urteile vom 5. Dezember 2002 - 3 [X.], [X.]R StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 14, vom 22. November 2013 - 3 [X.], [X.], 215, 216 und vom 22. Mai 2014 - 4 [X.], NJW 2014, 2132, 2133 mwN); regelmäßig ist es deshalb erforderlich, die irrende Person zu ermitteln und in der Hauptverhandlung über die tatrelevante Vorstellung zu vernehmen. Ausnahmsweise kann in Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes des [X.] die Vernehmung weniger Zeugen genügen. Belegen deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums in den sie betreffenden Fällen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen [X.] geschlossen werden (vgl. auch [X.], Urteile vom 22. November 2013 - 3 [X.], [X.], 215, 216; vom 22. Mai 2014 - 4 [X.], NJW 2014, 2132, 2133). Diesen Anforderungen wird das Urteil nicht gerecht. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass in den Fällen [X.]) 3. bis 16. und 19. bis 22. der Urteilsgründe jeweils (mehrfach) nur ein [X.]-Versandanbieter betroffen war, hätte sich gerade hier die Vernehmung von (wenigen) Zeugen aufgedrängt, zumal Feststellungen zum Irrtum von Versandmitarbeitern auch nicht aufgrund des - im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO abgegebenen - Geständnisses des Angeklagten getroffen werden können.

d) Nicht nachvollziehbar dargelegt ist auch, bei wem und gegebenenfalls in welcher Höhe in den Fällen [X.]) 1. bis 22. der Urteilsgründe zum maßgeblichen Zeitpunkt der Verfügung [X.], StGB, 61. Aufl., § 263 [X.]. 111 mwN) ein betrugsrelevanter Schaden eingetreten ist. Nach den landgerichtlichen Feststellungen erlangte der Angeklagte Waren und Dienstleistungen im Gesamtwert von 2.956,87 €. Das Kreditkartenkonto der Zeugin M. wurde in den Fällen [X.]) 1. bis 22. der Urteilsgründe in Höhe von 1.218,78 € belastet. „Diese musste den Schaden aufgrund einer entsprechenden Versicherung jedoch nicht endgültig tragen" ([X.] 12).

Damit ist weder dargetan, dass ein Vermögensschaden bei den (möglicherweise) getäuschten [X.]-Versandanbietern eingetreten ist, noch ob die vorgenommenen Verfügungen [X.], aaO, [X.]. 82 ff.) einem geschädigten [X.] zuzurechnen sind. Die bloße Feststellung einer Tathandlung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB und einer Vermögensschädigung bei - möglicherweise - verschiedenen Beteiligten genügt nicht. [X.] sind vielmehr (nur) diejenigen Vermögensschädigungen, die für sich genommen unmittelbare Folge einer vermögensrelevanten Verfügung sind; diese Vermögensverfügung muss ihrerseits unmittelbar durch die Tathandlung beeinflusst sein.

Die neu zur Entscheidung berufene [X.] wird in diesem Zusammenhang deshalb eingehender als bislang geschehen darzustellen haben, welche spezifische Form der Zahlung durch die Nutzung der Kreditkartendaten durch den (dazu nichtberechtigten) Angeklagten vorliegt (vgl. dazu Trück in [X.]/[X.], aaO, § 49 [X.]. 61, 109 ff., 119 ff.; [X.], StGB, 61. Auf., § 263a [X.]. 12a, 15 f., jeweils mwN). Gegebenenfalls wird zu erwägen sein, ob sich der Angeklagte (tateinheitlich) gemäß §§ 269, 270 StGB strafbar gemacht hat.

e) Die aufgezeigten Mängel führen zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen Betrugs in 29 Fällen, was auch die Aufhebung der - für sich genommen [X.] - tateinheitlichen Verurteilungen wegen Urkundenfälschung in den Fällen [X.]) 23. bis 28. der Urteilsgründe nach sich zieht (vgl. auch [X.] in [X.], 7. Aufl., § 353 [X.]. 12 mwN).

3. Der Schuldspruch wegen [X.] im Fall [X.]) 30. der Urteilsgründe hält hingegen rechtlicher Nachprüfung Stand. Der Vorgang und die Abwicklung erfolgten ausweislich der Urteilsfeststellungen automatisch ohne unmittelbare Prüfung durch eine natürliche Person (vgl. auch [X.], Beschluss vom 12. Februar 2008 - 4 [X.], [X.], 1394, 1395; [X.] in [X.] Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 263a [X.]. 58 mwN). Das Unternehmen N.     hat dadurch auch einen Schaden erlitten.

4. Die Aufhebung des Urteils in den Fällen [X.]) 1. bis 29. der Urteilsgründe entzieht den insoweit verhängten Einzelstrafen die Grundlage und hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge. Die neu zur Entscheidung berufene [X.] wird die Vorschrift des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO zu beachten haben. Im Übrigen sind auch aus materiell-rechtlichen Gründen Ausführungen im Urteil zur Strafaussetzung zur Bewährung jedenfalls dann erforderlich, wenn eine Erörterung dieser Frage als Grundlage für die revisionsgerichtliche Nachprüfung geboten ist ([X.], Beschluss vom 8. Juni 2011 - 4 [X.], [X.], 728 mwN).

Appl                     Krehl                       Eschelbach

               Ott                       Zeng

Meta

2 StR 658/13

17.06.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 9. September 2013, Az: 66 KLs - 902 Js 550/10 - 15/12

§ 263 Abs 1 StGB, § 244 StPO, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.06.2014, Az. 2 StR 658/13 (REWIS RS 2014, 4859)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4859

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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