Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.03.2005, Az. III ZR 273/03

III. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 4683

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Entscheidungstext


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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/03
Verkündet am: 3. März 2005 [X.] als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

BGB § 839 ([X.], [X.]); [X.] §§ 76, 253, 327

a) Zum Adressaten der Bekanntgabepflicht nach § 327 Satz 3 [X.].
b) Durch die Bekanntgabepflicht wird der Eigentümer von Waren, die der [X.] nach § 76 [X.] unterliegen, auch dann geschützt, wenn er nicht selbst Vollstreckungsschuldner und damit Adressat ist.
[X.], Urteil vom 3. März 2005 - [X.]/03 - OLG Koblenz

LG [X.] - 2 -

[X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. März 2005 durch [X.] und [X.] [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 27. August 2003 aufgeho-ben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin, eine Handelsgesellschaft [X.] Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, war Eigentümerin einer Position Starkbier (898,56 hl mit einem Alkoholgehalt von 9 %), das für den Export bestimmt war. Das Bier la-gerte unverzollt im [X.] der M. -K.

GmbH in [X.], bevor es zum endgültigen Bestimmungsort nach [X.] weiterverladen werden sollte. Am 11. Mai 2000 beschlagnahmte das - inzwischen aufgelöste - Hauptzollamt [X.], eine Behörde der beklagten [X.], - 3 -

das gesamte Warenlager der Kellerei. Am 23. Mai 2000 widerrief das [X.] die der M. -K.

GmbH erteilte Erlaubnis, das Bier unter Steueraussetzung zu lagern, und setzte gegen sie für die gesamte eingelagerte Biermenge die Biersteuer fest. Davon entfielen auf das Bier der Klägerin laut Schreiben des [X.] vom 21. Juni 2000 29.213,18 DM. Das Hauptzollamt wurde in der folgenden Korrespondenz durch den [X.] der Klägerin und durch den Geschäftsführer der M. -K. GmbH auf das Eigentum der Klägerin hingewiesen. Am 7. Juli 2000 veräußerte es das Bier zur Deckung der Biersteuer freihändig zu etwa 5 v.H. seines Einkaufspreises.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Verwertungsabsicht hätte ihr oder der M. -K. GmbH zuvor rechtzeitig bekanntgegeben wer-den müssen. Infolge dieses Unterlassens sei sie daran gehindert worden, die Biersteuer rechtzeitig zu begleichen. Durch den freihändigen Verkauf des [X.] habe sie einen Schaden in Höhe von (umgerechnet) 97.434,34 • erlitten. Sie nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung auf Ersatz dieses Schadens in Anspruch. Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewie-sen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Forde-rung weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 4 -

1. Nach § 76 Abs. 1 [X.] dienen verbrauchsteuerpflichtige Waren - hier: das eingelagerte Bier - ohne Rücksicht auf die Rechte Dritter als Sicherheit für die darauf ruhenden Steuern - hier: Biersteuer - ([X.]). Nach § 327 Satz 3 [X.] darf die Verwertung einer derartigen Sicherheit erst erfolgen, wenn dem Vollstreckungsschuldner die Verwertungsabsicht bekanntgegeben worden und seit der Bekanntgabe mindestens eine Woche verstrichen ist. Diese [X.] ist hier unstreitig unterblieben. Durch dieses Unterlassen haben die zu-ständigen Amtsträger eine Amtspflichtverletzung begangen, die geeignet ist, Schadensersatzansprüche des betroffenen "Dritten" nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 [X.] zu begründen.

2. Beide Vorinstanzen lassen den Amtshaftungsanspruch daran scheitern, daß die unstreitig verletzte Amtspflicht, die Verwertung des beschlagnahmten Bieres erst nach einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe durchzuführen, nicht zugunsten der Klägerin als eines geschützten "Dritten" bestanden habe. Darin kann ihnen nicht gefolgt werden.

3. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß nicht die Klägerin als die Eigentümerin des Bieres, sondern die M. -K. GmbH als Lagerhalterin Vollstreckungsschuldnerin und damit Adressatin der Benachrichtigungspflicht nach § 327 Satz 3 [X.] gewesen ist.

a) Zwar wird im steuerrechtlichen Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten, Adressat der Bekanntgabepflicht sei der Eigentümer der haftenden Sache (Tipke/[X.], [X.] Stand Oktober 2001, § 76 Rn. 17; [X.]/Wöhner, [X.] Stand Mai 1997, § 76 Rn. 18; [X.]/[X.]/[X.], [X.] Stand Ok-tober 2004, § 76 Rn. 9; [X.], [X.], 397, 401). Nähere [X.] 5 -

gen hierfür werden indessen nicht gegeben; insbesondere wird die Möglichkeit eines Auseinanderfallens von Vollstreckungsschuldner und Eigentümer nicht in Betracht gezogen.

b) Demgegenüber ist daran festzuhalten, daß Vollstreckungsschuldner (nur) derjenige ist, gegen den sich ein - tatsächliches - Vollstreckungsverfahren nach § 249 [X.] richtet (§ 253 [X.]), d.h. derjenige, gegen den ein Verwaltungs-akt im [X.] vollstreckt wird (§ 251 Abs. 1 [X.]; [X.]NV 1995, 558, 559 f, vgl. zum Begriff des Vollstreckungsschuldners insbesondere auch Nr. 3 der [X.] über die Durchführung der [X.] nach der Abgabenordnung - VollStrA - vom 13. März 1980, BStBl. [X.]). Der Eigentümer einer beim Vollstreckungsschuldner gepfändeten Sa-che ist als solcher nicht Vollstreckungsschuldner [X.]/[X.]/[X.], [X.] 5. Aufl. 1996 § 253 Rn. 3). Im vorliegenden Fall diente - wie bereits dargelegt - das beschlagnahmte Bier ohne Rücksicht auf die Rechte der Klägerin als Si-cherheit für die darauf ruhenden Verbrauchsteuern ([X.]; § 76 Abs. 1 [X.]). Ein - zur Verwertung im übrigen nicht erforderlicher (Boeker in [X.]/ [X.], [X.] Stand März 2003 § 76 Rn. 47) - besonderer Haftungs- oder [X.] ist insoweit nicht ergangen. Neben dem eigentlichen [X.] kann aber nur derjenige Vollstreckungsschuldner im Sinne des § 253 [X.] sein, der aufgrund eines Haftungs- oder Duldungsbescheids in Anspruch genommen wird ([X.]/Dißars [X.] Stand März 1999 § 253 Rn. 4 f, Tipke/ [X.] aaO Stand Oktober 1998 § 253 Rn. 2 f; Nr. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Halb-satz 1 VollStrA).
- 6 -

c) Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß nach den einschlägigen Bestimmungen des Biersteuergesetzes und der Biersteuer-verordnung Steuerschuldnerin für die Biersteuer nach dem Widerruf der Bier-lagererlaubnis unter Steueraussetzung die M. -K. GmbH als Inhaberin des Steuerlagers gewesen war. Sie war daher auch Vollstreckungsschuldnerin. Deshalb hatte die Bekanntgabe nach § 327 Satz 3 [X.] (nur) ihr gegenüber zu erfolgen. Die Frage, ob im Einzelfall eine weitergehende Unterrichtungspflicht auch gegenüber dem Eigentümer der Sache bestehen kann, braucht nicht vertieft zu werden. Denn das Eigentum der Klägerin war - worauf das Berufungsgericht abgestellt hat - nicht ausreichend nachgewiesen worden. Zum anderen ergibt sich aus dem mit dem Hauptzollamt geführten Schriftwechsel, daß der Geschäftsführer der M.

-K. GmbH als Ansprechpartner (auch) des Eigentümers aufgetreten ist.
4. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, daß eine [X.]pflicht gegenüber der Inhaberin des [X.]s, in dem das Bier verwahrt wurde, mit diesem Inhalt und Adressaten mittelbar auch die Eigentümer der der [X.] unterliegenden Waren schützte.

a) Der Lagerhalter als Steuerschuldner hätte es in der Hand gehabt, den Eigentümer zu informieren und diesem die Möglichkeit zu geben, die Verwer-tung durch Begleichung der Steuerschuld abzuwenden. Darauf hatte die Kläge-rin insbesondere in der Berufungsbegründung auch ausdrücklich hingewiesen. Wie das Berufungsgericht selbst nicht verkennt, ist eine unmittelbare Beteili-gung an dem Amtsgeschäft nicht notwendige Voraussetzung für die Annahme einer drittgerichteten Amtspflicht (Senatsurteil [X.] 137, 11, 15). Im übrigen war - worauf die Beschwerde zu Recht hinweist - für die Amtsträger der Beklag-- 7 -

ten von vornherein klar erkennbar, daß das beschlagnahmte Bier im Eigentum eines Dritten stand und stehen mußte, mochte dessen Identität auch nicht hin-reichend geklärt sein. Dies ergab sich bereits daraus, daß es in dem [X.] eingelagert war. Die Inhaberin des [X.]s war somit Lagerhalterin im Sinne des § 467 Abs. 1 HGB. Als solche war sie durch den [X.] verpflichtet, das im Eigentum Dritter stehende Gut zu lagern und aufzubewahren. Das Ei-gentum Dritter ist für den [X.] und die Tätigkeit des Lagerhalters cha-rakteristisch. Das gilt auch für den Lagerhalter im Falle der Sammellagerung (§ 469 HGB). Der - als solcher rechtmäßige - Zugriff auf die der [X.] unterliegenden Waren tangierte damit notwendig und bestimmungsgemäß das Eigentum Dritter. Schon daraus ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, daß die Benachrichtigungspflicht, die den Zweck hat, die Auslösung der beschlag-nahmten Waren und die Abwehr des Vollstreckungszugriffs zu ermöglichen, zugleich auch in individualisierter und qualifizierter Weise das Interesse des jeweiligen Eigentümers schützt und diesem damit die Stellung eines "Dritten" im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB verleiht.

b) In ähnlichem Sinne war bereits in der Rechtsprechung des Reichsge-richts anerkannt, daß die Amtspflicht des Gerichtsvollziehers, Zeit und Ort der Versteigerung unter allgemeiner Bezeichnung der zu versteigernden Sachen öffentlich bekanntzumachen (§ 816 Abs. 3 ZPO), nicht nur gegenüber dem Gläubiger und dem Schuldner, sondern auch gegenüber dritten Personen [X.], deren Interessen nach der besonderen Natur des [X.] durch die Amtshandlung berührt werden können und in deren Rechtskreis durch sie eingegriffen wird, namentlich gegenüber dem Eigentümer des [X.] ([X.] 1931, 2427).
- 8 -

5. Die Klägerin lastet den Amtsträgern des [X.] als weitere Amts-pflichtverletzung an, sie hätten das Bier weit unter dessen Wert verschleudert und damit sowohl gegen § 305 i.V.m. § 300 [X.] als auch gegen die in Nr. 56 Abs. 1 Satz 1 der [X.] für Vollziehungsbeamte der Finanzverwaltung ([X.]) vom 29. April 1980 (BStBl. [X.]) normierte Verpflichtung verstoßen, beim freihändigen Verkauf von Sachen darauf be-dacht zu sein, daß ein möglichst hoher Preis erzielt werde. [X.] hat das Berufungsgericht in [X.] tatrichterlicher Würdigung festgestellt, daß ein Verstoß gegen diese Bestimmungen bereits tatbestandsmäßig nicht vorgelegen hat.

6. Der aus der Verletzung der Bekanntgabepflicht hergeleitete Amtshaf-tungsanspruch kann hier - entgegen einer eher beiläufigen Bemerkung im Be-rufungsurteil - nicht bereits daran scheitern, daß die Klägerin selbst oder die Vollstreckungsschuldnerin in einer der Klägerin zuzurechnenden Weise es schuldhaft unterlassen hätte, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmit-tels abzuwenden (§ 839 Abs. 3 BGB). Zwar ist die Bekanntgabe der Verwer-tungsabsicht ein Verwaltungsakt [X.]/Rüsken, [X.] 8. Aufl. 2003 § 76 Rn. 1). Da diese Bekanntgabe hier indessen unterblieben war, kommt insoweit eine Schadensabwendung durch Einlegung von Rechtsmitteln von vornherein nicht in Betracht. Der Vollstreckungszugriff selbst und die Art der Verwertung waren rechtmäßig und hätten deshalb nicht mit Aussicht auf Erfolg angegriffen wer-den können.

7. Das Berufungsurteil kann nach alledem keinen Bestand haben. Die [X.] gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, die noch offene Frage zu klären, ob eine ordnungsgemäße Information der Vollstreckungsschuldnerin - 9 -

tatsächlich zu einer rechtzeitigen Begleichung der Steuerschuld durch die Klä-gerin geführt hätte. Des weiteren ist gegebenenfalls zu prüfen, ob die Klägerin nicht der Vorwurf eines mitwirkenden Verschuldens trifft, weil sie es unterlas-sen hat, von sich aus die beschlagnahmte Ware auszulösen. Endlich ist noch offen,
- 10 -

ob eine Inanspruchnahme der [X.]-K.

GmbH durch die Klä-gerin als anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht gekommen wäre.

[X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

Meta

III ZR 273/03

03.03.2005

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.03.2005, Az. III ZR 273/03 (REWIS RS 2005, 4683)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4683

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