Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.12.2014, Az. 24 W (pat) 33/11

24. Senat | REWIS RS 2014, 302

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – „Kennfadenmarke“ – Unterscheidungskraft – branchenübliche Kennzeichnungsgewohnheit


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 036 838.1

hat der 24. Senat ([X.]) des [X.] am 16. Dezember 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] sowie der Richterin [X.] und des Richters Heimen

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 17 des [X.] vom 18. März 2009 und vom 31. März 2011 insoweit aufgehoben, als die Markenanmeldung 30 2008 036 838.1 hinsichtlich der Waren Klasse 24: „Gewebe und gewirkte Stoffe aus Glasfasern und Glasfasergarnen, speziell zur Verstärkung von Kunststoff, Kautschuk, Metallen, Bitumen, Gips und Papier, alle vorgenannten Waren für textile Zwecke“ zurückgewiesen worden ist.

Gründe

I.

1

In zwei Beschlüssen vom 18. März 2009 und vom 31. März 2011, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 17 des [X.] die Eintragung des nachfolgend abgebildeten, als [X.]marke am 6. Juni 2008 angemeldeten und unter der Nummer 30 2008 036 838.1 geführten Zeichens

A[X.]ildung

2

zurückgewiesen. Diese ursprünglich für Waren der Klassen 17, 24 und 27 eingereichte Markenanmeldung enthält die Zeichenbeschreibung „[X.] haben die [X.] blau, weiß, weiß, blau“ und beansprucht gemäß Schriftsatz der Anmelderin vom 14. Oktober 2014 zuletzt noch Schutz für folgende Waren:

3

(Klasse 24) Gewebe und gewirkte Stoffe aus Glasfasern und Glasfasergarnen, speziell zur Verstärkung von Kunststoff, Kautschuk, Metallen, Bitumen, Gips und Papier, alle vorgenannten Waren für textile Zwecke.

4

Zur Begründung ihrer Entscheidung hat die Markenstelle ausgeführt, dem Zeichen fehle jegliche Unterscheidungskraft i. S. des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. In den hier beanspruchten [X.] sowie in Bezug auf das Material „Glasfaser“ sei keine Branchengewohnheit festzustellen, nach welcher bestimmte fortlaufende Muster oder einfache Gestaltungen als Betriebskennzeichnung verwendet und damit in den angesprochenen Verkehrskreisen im Sinne einer Marke verstanden würden. Die in der Anmeldung genannte [X.] könne zudem nicht nachvollzogen werden.

5

Im Übrigen hat die Markenstelle zur Begründung auf ihren Beschluss im Parallelverfahren [X.]. 30 2008 036 840.3 vom 31. März 2011 verwiesen. Dort ist u. a. ausgeführt, auf der Grundlage der Recherchen der Markenstelle und insbesondere einer Anfrage bei einem Textilfachverband – dem Industrieverband Veredelung Garne Gewebe Technische Textilien e.V. (im Folgenden: [X.]) - sei es mit Abstand wahrscheinlicher zu erachten, dass es in Geweben unterschiedlicher Art zwar üblich sei, darin auch farbige Fäden zu verwenden, dies jedoch nicht in der Absicht geschehe, damit die Herkunft aus einem ganz bestimmten Unternehmen zu belegen. Der befragte, aus Sicht der Markenstelle auf dem hier einschlägigen Warengebiet kompetente Industrieverband habe - im Übrigen nicht ganz schlüssig spezifizierte - Bedenken gegen die Eintragung der vorliegenden Gestaltung als Marke geltend gemacht. Unerheblich sei, dass es auf dem einschlägigen Warengebiet noch andere, internationale Fachverbände gebe. Soweit sich die Anmelderin auf patentgerichtliche Entscheidungen betreffend [X.]marken berufe, beträfen diese anderweitige, nicht vergleichbare Sachverhalte.

6

Garnen keine Kennfäden in seine Gewebe einziehe, daraus keine Aussage für Gewebe aus Glasfasern ziehen, welche vornehmlich beim Bau oder bei elektrischen Produkten wie beispielsweise Heizmatten Anwendung fänden und damit anderen Einsatzzwecken dienten. Wie die Anmelderin bereits im patentamtlichen Verfahren unter Vorlage von Belegen vorgetragen habe, seien auf ihrem Warengebiet Kennzeichnungen durch Kennfäden üblich und dem Fachpublikum als Herkunftshinweis bekannt; das angemeldete Zeichen sein mithin in seiner konkreten Form für die nunmehr noch beanspruchten Waren unterscheidungskräftig.

7

Die Anmelderin beantragt zuletzt sinngemäß,

8

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 17 des [X.] vom 18. März 2009 und 31. März 2011 insoweit aufzuheben, als die Markenanmeldung 30 2008 036 838.1 hinsichtlich der Waren Klasse 24: „Gewebe und gewirkte Stoffe aus Glasfasern und Glasfasergarnen, speziell zur Verstärkung von Kunststoff, Kautschuk, Metallen, Bitumen, Gips und Papier, alle vorgenannten Waren für textile Zwecke“ zurückgewiesen worden ist.

9

Der Senat hat von Amts wegen Auskünfte von Architektenkammern, Materialprüfanstalten, Innungen, Textilforschungsinstituten, der [X.] Nord AG, dem [X.] „APEE European Glas Fibre Producers Association“ und von verschiedenen inländischen Unternehmen zu Kennzeichnungsgewohnheiten für „Gewebe und gewirkte Stoffe aus Glasfasern speziell zur Verstärkung von Kunststoff, Kautschuk, Metallen, Bitumen, Gips und Papier, alle vorgenannten Waren für textile Zwecke“ in Bezug auf die Verwendung und Funktion von [X.] im Inland in Verbindung mit den von der Anmelderin beanspruchten Waren angefordert. Von den diese Waren betreffenden Adressaten sind Antworten von vier glasfaserverarbeitenden Unternehmen mit Sitz im Inland sowie die Antwort des von der Anmelderin benannten [X.], der „[X.]“ mit Sitz in [X.], in Rücklauf gelangt.

Einen auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gerichteten Antrag hat die Anmelderin nicht gestellt. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gem. § 66 Abs. 1 [X.] statthafte Beschwerde ist zulässig und nach Beschränkung des [X.] in der Beschwerdeinstanz auch begründet. Die angemeldete [X.]marke ist für die nunmehr noch beanspruchten Waren Klasse 24: „Gewebe und gewirkte Stoffe aus Glasfasern und Glasfasergarnen, speziell zur Verstärkung von Kunststoff, Kautschuk, Metallen, Bitumen, Gips und Papier, alle vorgenannten Waren für textile Zwecke“ gemäß §§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und [X.], 37 [X.] nicht von der Eintragung ausgeschlossen.

1.

Unterscheidungskraft [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren zu gewährleisten (vgl. u. a. [X.] GRUR 2004, 428, [X.]. 30, 31 - [X.]; [X.], 850, [X.]. 17 - [X.]). Bei der Beurteilung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen zeitigen kann. Hierbei kommt es zum einen auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren an ([X.]/Hacker, [X.], 11. Aufl., § 8 Rn. 42). Zum anderen kann für das Verständnis einer Marke aber auch das Verständnis der im [X.] der beanspruchten Gewebe und gewirkten Stoffe aus Glasfasern und Glasfasergarnen der Klasse 24 angesprochenen, am Handel beteiligten Fachkreise für sich gesehen allein von ausschlaggebender Bedeutung sein (vgl. [X.] GRUR 2006, 411, 413, [X.]. 24 - Matratzen Concord/[X.]; [X.]/Hacker, a. a. [X.], § 8 Rn. 11). Die nunmehr noch beanspruchten „Gewebe und gewirkten Stoffe aus Glasfasern und Glasfasergarnen speziell zur Verstärkung von Kunststoff, Kautschuk, Metallen, Bitumen, Gips und Papier, alle vorgenannten Waren für textile Zwecke“ richten sich ganz überwiegend an diesen konkreten, insoweit für das Verkehrsverständnis der Marke maßgeblichen Fachverkehr.

Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, wobei dieses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (vgl. [X.] GRUR 2003, 604, 608, [X.]. 60 - [X.]). Hierbei wird das Allgemeininteresse nicht nur durch unmittelbare oder tatsächliche Behinderungen, sondern bereits durch eine bloße potentielle Beeinträchtigung der wettbewerblichen Grundfreiheiten tangiert (vgl. [X.], GRUR 2005, 127, 129 - Das Allgemeininteresse in der markenrechtlichen Entscheidungspraxis des [X.] m. w. N.).

[X.]marken unterliegen – wie anderweitige grafische Gestaltungselemente, Ausgestaltungen und Aufmachungen – grundsätzlich den gleichen Maßstäben wie andere Markenformen. Insbesondere fehlt einfachen Gestaltungen in lediglich schmückender oder ornamentaler Form regelmäßig das zu einer Eintragung notwendige Mindestmaß an Unterscheidungskraft (vgl. [X.], 158, [X.]. 8, 11, 12 – [X.]; [X.]/Hacker, a. a. [X.], § 8 Rn. 269 m. w. N.). Gleiches gilt für dreidimensionale Gestaltungen innerhalb eines branchenspezifischen Umfelds, welches bereits eine große Vielfalt von unterschiedlichen Formen, Farben und Mustern aufweist, sofern sich die angemeldete Marke in dieses Umfeld ohne weiteres einfügt (vgl. [X.], 416, 417 – [X.]; [X.], 418, 420 – Montre; [X.] [X.]. 2004, 631, 634, [X.]. 39 – Dreidimensionale Tablettenform I; [X.] [X.]. 2005, 135, 137, [X.]. 31 – [X.]; [X.] GRUR 2006, 233, [X.]. 31 – Standbeutel; [X.] [X.]. 2006, 842, [X.]. 26 – 30 – Form eines Bonbons II; [X.]. 2008 339, [X.]. 81 - Develey/[X.]; [X.], 610, [X.]. 47 – [X.]; [X.], 925, [X.]. 42 – Goldhase; [X.]/Hacker, a. a. [X.], § 8 Rn. 283 m. w. N.) und sich nicht ausnahmsweise feststellen lässt, dass der Verkehr die Produkte der verschiedenen Hersteller anhand der äußeren Aufmachung voneinander unterscheidet.

Es ist jedoch seit langem anerkannt, dass auch einfache farbige Ausgestaltungen wie insbesondere fortlaufende Muster auf Kabeln, Schläuchen, Glasstäben und Röhren sowie farbige Webkantfäden markenrechtliche Unterscheidungskraft aufweisen können. Denn diese können vom Verkehr erfahrungsgemäß als Betriebskennzeichnung und nicht lediglich als Verzierung aufgefasst werden (vgl. [X.], 550, 551 ff. – [X.]; [X.] (pat) 225/03, [X.] v. 21. September 2004 – [X.] mit Kreuzmuster; [X.], 27 W (pat) 169/03, [X.] v. 25. Januar 2005 – [X.]; [X.] 30 W (pat) 177/02, [X.] v. 26. Januar 2004 – Druckschlauch; [X.] (pat) 44/04, [X.] v. 3. Juni 2005 – [X.]; [X.]-BK [X.] 2002, 454 – Webkante; [X.]-BK ABl-[X.] 2002, 766 – [X.]; vgl. [X.]/Hacker, a. a. [X.], § 8 Rn. 269), sofern sich die betreffende Darstellung erheblich von branchenüblichen oder funktionell bedingten [X.] abhebt. Soweit für bestimmte Waren entsprechende Kennzeichnungsgewohnheiten und eine darauf beruhende Verkehrsauffassung festgestellt werden können, darf dies aber nicht verallgemeinernd in Bereichen sonstiger Waren zu Grunde gelegt werden, in denen keine entsprechenden Gepflogenheiten bestehen ([X.]/Hacker, a. a. [X.], § 8 Rn. 269).

Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen und auf der Grundlage der vom Senat durchgeführten Recherchen konnten Kennzeichnungsgewohnheiten und eine darauf beruhende Verkehrsauffassung im einschlägigen [X.] ermittelt werden, welche den Schluss zulassen, dass das angemeldete Zeichen in Bezug auf die zuletzt noch beanspruchten Waren Klasse 24: „Gewebe und gewirkte Stoffe aus Glasfasern und Glasfasergarnen, speziell zur Verstärkung von Kunststoff, Kautschuk, Metallen, Bitumen, Gips und Papier, alle vorgenannten Waren für textile Zwecke“ Unterscheidungskraft aufweist.

a)

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. [X.], 825 - 828, [X.]. 18 - [X.]; [X.] [X.]. 2005, 135, [X.]. 49 - Mag Instrument [[X.]]) können für die Prognose, ob sich das angemeldete Zeichen als Herkunftshinweis eignet, tatsächliche Umstände im Hinblick auf die beabsichtigte Verwendung der beanspruchten Waren sowie für die betreffende Branche bestehende Verkehrsgepflogenheiten, insbesondere die Kennzeichnungsgewohnheiten, wesentlich zu berücksichtigen sein. Dazu können auch Feststellungen zur tatsächlichen Wahrnehmung der angesprochenen Verkehrsteilnehmer gehören, wenn das angemeldete oder ähnliche Zeichen im Verkehr bereits benutzt werden (vgl. [X.] [X.]. 2005, 135 [X.]. 49 - Mag Instrument [[X.]]). Gehört die Verwendung entsprechender Marken danach bereits zu den üblichen Kennzeichnungsgewohnheiten und hat der Verkehr sich daran gewöhnt, kann daraus auf die Unterscheidungskraft auch des angemeldeten Zeichens zu schließen sein (vgl. [X.], 825, [X.]. 19 - [X.]).

aa)

Die Verwendung von [X.] als Hinweis auf den Produzenten und die Art der Ware ist der glasfaserverarbeitenden Industrie aufgrund der Tatsache bekannt, dass das [X.] ([X.]), [X.], ein Textilglasgitterverzeichnis führt, welches anhand einer – vorgegebenen - Farbkennzeichnung von [X.] den Hersteller und das jeweilige Produkt erkennen lässt.  Den Stand des [X.] des [X.] vom 29. Januar 2004 hat die Anmelderin im patentamtlichen Verfahren als Teil der Anlage 1 zum Schriftsatz vom 4. November 2008 zur Akte gereicht. 17 der 36 Registereinträge stammen von [X.] Unternehmen. Dabei betreffen mehrere Eintragungen verschiedener Kennzeichen dieselben Unternehmen. Entgegen der von der Markenstelle geäußerten Ansicht sind die jeweiligen Kennzeichnungen im Textilglasgitterverzeichnis auf der Grundlage der [X.] 3347 und der [X.] 6122 eindeutig definiert und voneinander unterscheidbar, nämlich durch die Angabe der Lage der Registrierung entsprechend einzufärbender, in [X.] mitzuwebender Fäden im Verhältnis zu den nicht einzufärbenden Fäden des Textilglasgitters. Auch wenn es sich um ein in der [X.] geführtes Register handelt, so stellt die Anzahl bzw. der Anteil von in der [X.] ansässigen Unternehmen einen Anknüpfungspunkt dar, der auf eine entsprechende Kennzeichnung der maßgeblichen Waren auch im Inland schließen lässt, zumal keine Gründe ersichtlich sind, diese Waren länderspezifisch herzustellen. Zwar genügt dies allein nicht, um den Schluss auf entsprechende Kennzeichnungsgewohnheiten im Inland und die Eignung des vorliegenden Zeichens als betrieblichen Herkunftshinweis ohne weiteres festzustellen. Gleichwohl haben die vorgenannten Umstände zumindest eine Indizwirkung dahingehend, dass die Hersteller im hier einschlägigen [X.] Kennzeichnungen wie das hier angemeldete Zeichen von sich aus als Herkunftshinweis verwenden bzw. auffassen. An diesen Umständen hat sich nach den Recherchen des Senats bis zur Anmeldung des [X.] am 6. Juni 2008 nichts geändert (vgl. hierzu [X.], 1143, [X.]. 15 – [X.] werden Fakten). Aus dem Jahresbericht des [X.] geht hervor, dass es sich um die ständig aktualisierte Fassung des Verzeichnisses handelt.

[X.])

Ein Indiz für entsprechende Kennzeichnungsgewohnheiten im Inland stellt auch das als Anlage 7 bzw. 8 zum Schriftsatz der Anmelderin vom 10. Dezember 2010 eingereichte Schreiben der [X.] Schwestergesellschaft der Anmelderin, der [X.], a.s. in L…, vom 23. April 2007 an eine [X.] Kun-

[X.])

Zwar ermöglichen diese unter aa) und [X.]) genannten Anknüpfungstatsachen für sich allein genommen noch nicht die Feststellung branchenüblicher Gepflogenheiten der glasfaserverarbeitenden Industrie im Inland in Bezug auf die markenmäßige Verwendung von [X.] als Herkunftshinweis im Zusammenhang mit spezifischen, hier konkret beanspruchten Waren. Ihnen kommt jedoch – wie ausgeführt - eine nicht gering zu erachtende Indizwirkung zu, die dem Senat Anlass zu weiteren Recherchen gegeben hat.

Der Senat hat somit zur Feststellung der Kennzeichnungsgewohnheiten am inländischen Markt der „Gewebe und gewirkten Stoffe aus Glasfasern und Glasfasergarnen, speziell zur Verstärkung von Kunststoff, Kautschuk, Metallen, Bitumen, Gips und Papier, alle vorgenannten Waren für textile Zwecke“ speziell auf diese Waren bezogene Fragen an Architektenkammern, Materialprüfanstalten, Innungen, Textilforschungsinstitute, der [X.] Nord AG, an den [X.] „[X.]“ und an verschiedene Unternehmen gestellt. Zusammengefasst zeigen die in Rücklauf gelangten Antworten folgendes Ergebnis:

(1) Eine Kennzeichnung der nunmehr noch beanspruchten Materialien mit [X.] als Herkunftshinweis entspricht der Erfahrung aller Befragten zufolge branchenüblichen Gepflogenheiten.

(2) Den verwendeten [X.] kommt, so die ebenfalls übereinstimmende Antwort der Befragten, nicht ausschließlich eine technische Funktion zu, weil sie beispielsweise zur Angabe der Materialstärke oder als Markierung für die Verarbeitung dienen könnten, sondern die [X.] dienen zumindest auch als Hinweis auf den Hersteller der gekennzeichneten Produkte. Hierzu wurde u. a. erläutert, dass die Fäden in erster Linie als [X.] dienen und dieser Information beispielsweise im Falle einer Reklamation hohe praktische Bedeutung zukommt. Gleichzeitig besteht, so die Befragten, die Möglichkeit, einem metallisierten Faden Steuerungsfunktion in der Produktion zuzuordnen oder herkunftshinweisende [X.] zugleich zur Vorgabe des seitlichen Randes für den Verarbeiter zu verwenden.

(3) Die Befragten kennen zwischen 10 und 40 Hersteller, die in ihren Glasfasergeweben [X.] als Herkunftshinweis verwenden. Dies betrifft nach Aussagen der Befragten die Gewebe fast aller Vertreiber von Wärmedämmverbundsystemen bzw. fast aller Hersteller technischer Textilien.

(4) Den Befragten sind Hersteller bekannt, die zur Kennzeichnung ihrer Produkte gleichzeitig mehrere [X.]muster verwenden. Eine Kennzeichnung mit mehreren, in eine Gewebestruktur eingearbeiteten [X.] wie bei der vorliegenden Anmeldung entspricht der Erfahrung der Befragten zufolge branchenüblichen Gepflogenheiten, und diese [X.] werden nicht ausschließlich aus technischen Gründen, sondern zugleich auch als [X.] verwendet.

dd)

In ihrer Gesamtheit lassen die unter aa) – [X.]) genannten Anknüpfungstatsachen die Feststellung zu, dass es branchenüblichen Gepflogenheiten im Inland entspricht und bereits bei Anmeldung des [X.] im Juni 2008 entsprochen hat, [X.] in Geweben und gewirkten Stoffen aus Glasfasern und Glasfasergarnen als Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen stammend zu verwenden und sich die konkret beanspruchte Darstellung erheblich von branchenüblichen oder ausschließlich funktionell bedingten [X.] abhebt.

b)

Die Feststellungen der Markenstelle lassen hingegen keinen zwingenden Schluss auf ein Fehlen der Unterscheidungskraft im vorliegenden Fall zu. Die nunmehr noch beanspruchten Waren, „Gewebe und gewirkte Stoffe aus Glasfasern und Glasfasergarnen, speziell zur Verstärkung von Kunststoff, Kautschuk, Metallen, Bitumen, Gips und Papier, alle vorgenannten Waren für textile Zwecke“, können u. a. in [X.] zur Gebäudedämmung, in [X.], als Untergründe für Mosaikfliesen, als Bestandteile von Matten zur elektrischen Fußbodenheizung, zur Verstärkung von Badewannenverkleidungen und Schwimmbadwänden Verwendung finden. Die Waren richten sich also in erster Linie an den Fachverkehr für Baumaterialien und die kunststoffverarbeitende Industrie. Demgegenüber bezieht sich die von der Markenstelle eingeholte Stellungnahme des [X.] vom 27. Mai 2010 auf „[X.] bei Textilien“ allgemein. Die Stellungnahme geht von der Annahme aus, dass „eine [X.]marke“ „nur bei [X.]“ „bekannt“ sei. Dies zeigt, dass sich der [X.] mit der Kennzeichnungspraxis in [X.] weder von sich aus, noch auf der Grundlage der von der Anmelderin zur Akte gereichten, ihm nach Aktenlage allerdings nicht übersandten Belegen zur Kennzeichnungspraxis im speziellen Bereich der hier konkret beanspruchten Waren auseinandergesetzt hat. Diese Belege begründen ebenso wie die durch den Senat nachträglich durchgeführte Befragung erhebliche Zweifel daran, dass sich für „[X.] bei Textilien“ eine allgemeine und übergreifende Kennzeichnungspraxis am Markt ermitteln lässt, bei der eine Differenzierung nach weiteren Branchen nicht mehr angezeigt ist. Vielmehr hätte eine fundierte Stellungnahme die von der Anmelderin zur Akte gereichten Belege zur Kennzeichnungspraxis in [X.] in ihre Bewertung mit einbeziehen oder sich mit den speziellen Kennzeichnungsgewohnheiten dieser Branche auf andere Weise auseinandersetzen müssen. Die Stellungnahme des [X.] vom 27. Mai 2010 steht den o. g. Feststellungen des Senats also nicht entgegen, wonach die hier angemeldete [X.]marke für die noch beanspruchten Waren über das zu einer Eintragung erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft verfügt, weil sie den verkehrsüblichen Gepflogenheiten zufolge zumindest auch als Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren als aus einem bestimmten Unternehmen kommend aufgefasst wird.

c)

Die Annahme, dass die durch das Anmeldezeichen abgebildeten blauen Webfäden als einfache Gestaltungen lediglich im Sinne einer Verzierung bzw. eines Dekors der beanspruchten Waren angesehen werden könnten, ist deshalb nicht naheliegend, weil es sich bei den beanspruchten Waren um Baumaterialien handelt, die nach ihrem Einbau für den Verkehr regelmäßig nicht sichtbar bleiben.

Von branchenüblichen, nach den Feststellungen des Senats regelmäßig nicht mit Mustern oder Dekors versehenen [X.] für Gewebe und gewirkte Stoffe aus Glasfasern und Glasfasergarnen zur Verstärkung von Kunststoff, Kautschuk, Metallen, Bitumen, Gips und Papier hebt sich die konkret beanspruchte Darstellung, wie ausgeführt, erheblich ab.

d)

Die mit der Anmeldung eingereichte Beschreibung „[X.] haben die [X.] blau, weiß, weiß, blau“ beschränkt sich auf eine – insoweit zutreffende – Aussage über die [X.] innerhalb des abgebildeten [X.]musters und enthält keine Merkmale, die in den weiteren Elementen der graphischen [X.] nicht enthalten sind. Es handelt sich um eine nach § 10 Abs. 2 [X.] zulässige Beschreibung der angemeldeten Marke mit Angaben zur Art des [X.]s. Als Beschreibung, ohne die sich bereits der Gegenstand des Markenschutzes hinreichend bestimmen lässt, kommt ihr lediglich erläuternde und beschreibende Funktion zu; sie ist sie lediglich ergänzend heranzuziehen (vgl. [X.]/Hacker, a. a. [X.], § 32, Rn. 70 m. w. N.).

2.

Auch ein Freihaltebedürfnis [X.] § 8 Abs. 2 [X.] [X.] steht einer Eintragung der angemeldeten [X.]marke nicht entgegen. Es handelt sich, wie ausgeführt, nicht um eine die beanspruchten Waren oder deren Merkmale beschreibende Angabe. Mitbewerbern der Anmelderin steht eine Vielzahl anderer Möglichkeiten zur Kennzeichnung ihrer Produkte offen.

Meta

24 W (pat) 33/11

16.12.2014

Bundespatentgericht 24. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.12.2014, Az. 24 W (pat) 33/11 (REWIS RS 2014, 302)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 302

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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