Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.10.2014, Az. V ZB 57/14

5. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2260

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Gegenstand

Freiheitsentziehungssache: Rechtswidrigkeit der Anordnung des Transitaufenthalts für einen unerlaubt auf dem Luftweg eingereisten Ausländer


Leitsatz

Das Fehlen von Vollzugsvorschriften führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Anordnung des Transitaufenthalts nach § 15 Abs. 6 Satz 2 AufenthG.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des [X.] vom 20. März 2014 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene traf am 23. Dezember 2013 aus [X.] kommend ohne gültigen Pass oder Passersatz auf dem [X.] in [X.] ein und äußerte bei seiner am selben Tag vorgenommenen Befragung durch die beteiligte Behörde, bei der er angab, kamerunischer Staatsangehöriger zu sein, ein Schutzersuchen. Mit Bescheid vom 6. Januar 2014 lehnte das [X.] seinen Asylantrag vom 3. Januar 2014 als offensichtlich unbegründet ab. Die beteiligte Behörde verweigerte dem Betroffenen daraufhin die Einreise und beabsichtigt dessen Zurückweisung nach [X.]. Seit dem 9. Januar 2014 ist er vollziehbar ausreisepflichtig.

2

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 21. Januar 2014 zur Sicherung der Abreise den weiteren Aufenthalt des Betroffenen in der Asylbewerberunterkunft auf dem [X.] bis zum 17. März 2014 angeordnet. Die gegen diese - nach Fristablauf durch einen weiteren Beschluss des Amtsgerichts verlängerte - Anordnung gerichtete Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit hat das [X.] zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.

3

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Aufenthaltsanordnung zur Sicherung der Abreise rechtmäßig.

III.

4

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (vgl. nur Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - [X.], [X.] 2011, 27 Rn. 4; Beschluss vom 30. August 2012 - [X.], [X.] 2012, 37) und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

5

1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt das Fehlen von [X.] nicht zur Rechtswidrigkeit der Anordnung des [X.] nach § 15 Abs. 6 Satz 2 [X.].

6

Der Hinweis der Rechtsbeschwerde, dass nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.] 33, 1) auch die Grundrechte von Strafgefangenen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden können und es daher eines Strafvollzugsgesetzes mit fest umrissenen Eingriffstatbeständen bedarf, ist zwar zutreffend. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass eine Anordnung des [X.] nach § 15 Abs. 6 Satz 2 [X.] mangels Bestehens eines Vollzugsgesetzes rechtswidrig ist. Vielmehr folgt aus der Entscheidung des [X.] nur, dass auch die Grundrechte von [X.] nicht beliebig oder nach Ermessen eingeschränkt werden können, sondern eine Einschränkung nur dann in Betracht kommt, wenn sie zur Erreichung eines von der Wertordnung des Grundgesetzes gedeckten gemeinschaftsbezogenen Zweckes unerlässlich ist und in den dafür verfassungsrechtlich vorgesehenen Formen, also nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes, geschieht (vgl. [X.] 33, 1, 11).

7

Anders als die Verbüßung einer Freiheitsstrafe ist der gemäß § 15 Abs. 6 Satz 2 [X.] angeordnete Aufenthalt eines Ausländers im Transitbereich eines [X.]s oder einer Unterkunft nicht zwangsläufig mit Eingriffen auch in andere Grundrechte als in das Freiheitsgrundrecht - etwa durch [X.], eingeschränkte Möglichkeit zum Telefonieren, Anstaltskleidung - verbunden. Das ergibt sich schon aus der unterschiedlichen Zweckbestimmung von Strafhaft einerseits und der Freiheitsentziehung nach dem [X.] andererseits. Die Anordnung des [X.] eines Ausländers ergeht ausschließlich zur Sicherung seiner Abreise (§ 15 Abs. 6 Satz 3 [X.]); sie dient nicht als zusätzliche Sanktion für die illegale Einreise ([X.], NJW1996, 545, 551). Daher folgt aus dem Fehlen von [X.] für den richterlich angeordneten Transitaufenthalt nur, dass über die Freiheitsentziehung und die mit ihr zwangsläufig verbundenen Einschränkungen in der allgemeinen Lebensführung hinausgehende Grundrechtseingriffe unzulässig sind (vgl. MünchKomm-FamFG/[X.], 2. Aufl., § 422 Rn. 7, 9).

8

Kommt es im Einzelfall während des Vollzugs der Anordnung des [X.] zu einem rechtswidrigen Grundrechtseingriff, berührt dies die Rechtmäßigkeit der richterlichen Aufenthaltsanordnung nicht. Vielmehr muss sich der Betroffene gegen die konkrete Einzelmaßnahme wenden. Hierfür steht ihm der Rechtsweg zu den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit offen (MünchKomm-FamFG/[X.], 2. Aufl., § 422 Rn. 7, 9; [X.],FamFG, 18. Aufl., § 422 Rn. 10).

9

2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Stresemann                       Roth                     Brückner

                    Weinland                  Kazele

Meta

V ZB 57/14

09.10.2014

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Frankfurt, 20. März 2014, Az: 2-29 T 47/14

§ 15 Abs 6 S 2 AufenthG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.10.2014, Az. V ZB 57/14 (REWIS RS 2014, 2260)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2260

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