Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.09.2011, Az. 6 B 19/11

6. Senat | REWIS RS 2011, 3106

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Gegenstand

Anspruch auf Zulassung zum Studium; Auslegung von Willenserklärungen


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs [X.] vom 31. März 2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.) und des [X.] im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (3.) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

3

Grundsätzliche [X.]edeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die [X.]ezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, die für die Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die [X.]eschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher revisionsgerichtlich nicht beantworteten Rechtsfrage mit einer über den Einzelfall hinausweisenden [X.]edeutung führen kann. Den Darlegungen des [X.] lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

4

Der Kläger möchte grundsätzlich geklärt wissen, "ob die [X.]ehörde verpflichtet ist, Willenserklärungen eines [X.]eteiligten ihrem Inhalt und Sinn nach durch Auslegung zu ermitteln, dabei das gesamte Verhalten des Erklärenden festzustellen und bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, sowie festzustellen, ob die Willenserklärung des [X.]eteiligten hinreichend bestimmt ist, um von einer Antragstellung im Sinne des § 22 Satz 2 LVwVfG [X.] / § 22 Satz 2 VwVfG ausgehen zu müssen." Der Kläger stellt diese Frage vor dem Hintergrund, dass der Verwaltungsgerichtshof den gegenüber der beklagten [X.] geltend gemachten Anspruch auf Zulassung zum Studium im [X.]achelor-Studiengang Medical Engineering im sechsten Fachsemester zwar nicht wegen eines aus den Vorschriften des § 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG [X.] oder des § 62 Abs. 3 Nr. 2 LHG [X.] abzuleitenden zwingenden Immatrikulationshindernisses, jedoch deshalb verneint hat, weil der Kläger das nach § 60 Abs. 3 Nr. 2 LHG [X.] einzuhaltende Verfahren für die Zulassung in einem höheren Fachsemester eines mit Zulassungsbeschränkungen versehenen Studienganges nicht durchlaufen, insbesondere den gemäß § 14 Abs. 6 der Studienordnung der [X.]eklagten vom 2. Februar 2005 erforderlichen Antrag auf Anerkennung vergleichbarer Studien- und Prüfungsleistungen nicht gestellt habe (UA S. 6 ff.).

5

Der Senat kann offenlassen, ob die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage entfallen ist, nachdem die [X.]eklagte nach Ergehen des angefochtenen Urteils durch § 1 Abs. 9 Satz 2 bis 4 ihrer am 8. Juni 2011 neu erlassenen Zulassungs- und Immatrikulationsordnung eine Satzungsbestimmung über die Gleichwertigkeit von Studiengängen mit im Wesentlichen gleichem Inhalt eingeführt hat, deren Fehlen bisher der Annahme eines Immatrikulationshindernisses aus der landesrechtlichen Vorschrift des § 60 Abs. 2 Nr. 2 LHG [X.] in ihrer Auslegung durch den Verwaltungsgerichtshof entgegenstand (vgl. zur [X.]erücksichtigung von Änderungen des irrevisiblen Rechts in der Revisionsinstanz: Urteil vom 3. November 1994 - [X.]VerwG 3 [X.] 17.92 - [X.]VerwGE 97, 79 <81 f.> = [X.] 418.15 Rettungswesen Nr. 1 S. 2 f.). Ebenfalls nicht eingehen muss der Senat auf die allgemeine Problematik der Revisibilität von Auslegungsregeln (vgl. dazu etwa: Urteil vom 18. Dezember 1987 - [X.]VerwG 4 [X.] 9.86 - [X.]VerwGE 78, 347 <352> = [X.] 310 § 42 VwGO Nr. 151 S. 10). Denn der von dem Kläger bezeichneten Fragestellung kommt eine grundsätzliche [X.]edeutung jedenfalls deshalb nicht zu, weil sie ohne Weiteres anhand der vorhandenen Rechtsprechung des [X.] beantwortet werden kann und aus diesem Grund keiner Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf.

6

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] (Urteile vom 12. Dezember 2001 - [X.]VerwG 8 [X.] 17.01 - [X.]VerwGE 115, 302 <307> = [X.] 310 § 69 VwGO Nr. 7 S. 6, vom 11. November 2004 - [X.]VerwG 3 [X.] 4.04 - [X.]VerwGE 122, 166 <170> = [X.] 428.21 [X.] Nr. 2 S. 13, vom 21. Juni 2006 - [X.]VerwG 6 [X.] 19.06 - [X.]VerwGE 126, 149 = [X.] 11 Art. 12 GG Nr. 264 Rn. 52 und vom 11. Januar 2011 - [X.]VerwG 1 [X.] 1.10 - juris Rn. 15 f.) sind im [X.]ereich des revisiblen Rechts öffentlich-rechtliche Willenserklärungen und damit auch Anträge entsprechend den für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätzen der §§ 133 und 157 [X.]G[X.] auszulegen. Danach kommt es nicht auf den inneren Willen der erklärenden Partei, sondern darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver [X.]etrachtungsweise zu verstehen ist (ebenso für die Auslegung von Verwaltungsakten: Urteile vom 14. Februar 2007 - [X.]VerwG 6 [X.] 28.05 - [X.] 442.066 § 150 TKG Nr. 3 Rn. 24 und vom 18. Dezember 2007 - [X.]VerwG 6 [X.] 47.06 - [X.] 442.066 § 42 TKG Nr. 3 Rn. 29).

7

2. Soweit sich der Kläger darauf beruft, der Verwaltungsgerichtshof sei in einer den Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ausfüllenden Weise von den Grundsätzen der soeben dargestellten Rechtsprechung des [X.] - insbesondere dem Urteil vom 12. Dezember 2001 - [X.]VerwG 8 [X.] 17.01 - (a.a.[X.]) - abgewichen, verhilft auch dies der [X.]eschwerde nicht zum Erfolg.

8

Der Zulassungsgrund der Divergenz ist erfüllt, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz, der in der Rechtsprechung des [X.] oder eines anderen in der Vorschrift genannten Gerichts aufgestellt worden ist, widersprochen hat. Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist die Abweichung in der [X.]eschwerdebegründung darzulegen.

9

Aus dem [X.]eschwerdevortrag des [X.] ergibt sich nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof abstrakt andere Auslegungsmethoden befürwortet hätte als das [X.]. Der Kläger meint vielmehr, das [X.]erufungsgericht hätte bei Anwendung dieser Auslegungsmethoden sein Schreiben vom 11. Juni 2008 inhaltlich als Antrag auf Anerkennung seiner bisher im Diplom-Studiengang Medical Engineering erbrachten Prüfungsleistungen im Sinne des § 14 Abs. 6 der Studienordnung der [X.]eklagten bewerten müssen. In der - vorgeblich - fehlerhaften Anwendung eines höchstrichterlich aufgestellten Rechtssatzes liegt jedoch keine Divergenz im Sinne des Revisionszulassungsrechts. Mit Angriffen gegen die berufungsgerichtliche Tatsachenwürdigung und Rechtsanwendung im Einzelfall kann deshalb eine Abweichungsrüge nicht begründet werden (stRspr, vgl. etwa [X.]eschluss vom 10. Juli 1995 - [X.]VerwG 9 [X.] 18.95 - [X.] 310 § 108 VwGO Nr. 264 S. 14).

3. Schließlich kann der Kläger auch mit seiner Rüge eines [X.] im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht durchdringen. Nach dieser Vorschrift ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Dies ist hier nicht der Fall.

Der Kläger macht geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe es unter Verstoß gegen §§ 86, 113 Abs. 5 VwGO i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG unterlassen, die Sache im Wege einer Herbeiführung der von ihm vermissten Entscheidung über die Anerkennung erbrachter Prüfungsleistungen spruchreif zu machen. Dabei geht er davon aus, dass sein Schreiben vom 11. Juni 2008 entgegen dem Verständnis des Verwaltungsgerichtshofs einen hierauf gerichteten Antrag enthielt. Dieser Vortrag geht ins Leere.

Zum Einen entkräftet der Kläger die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs, in dem Schreiben vom 11. Juni 2008 sei der besagte Antrag nicht enthalten, nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen. Zum Anderen erkennt er im Ergebnis selbst ([X.]eschwerdebegründung S. 6), dass es sich bei dem bislang nicht durchgeführten Anrechnungsverfahren um ein eigenständiges Verwaltungsverfahren handelt, das nicht Gegenstand des hier streitgegenständlichen Studienzulassungsverfahrens und deshalb in dem anhängigen Prozess dem gerichtlichen Zugriff entzogen ist. Entgegen der Ansicht des [X.] kann der ihm vorschwebende gerichtliche Übergriff in den [X.]ereich der Exekutive auch nicht durch Erwägungen des effektiven Rechtsschutzes gerechtfertigt werden.

Im Übrigen könnte eine fehlende vorprozessuale Antragstellung bei der zuständigen [X.]ehörde selbst in der Konstellation eines einheitlichen Verfahrens- bzw. Streitgegenstandes nicht im Wege der Spruchreifmachung überwunden werden. Sie stellt vielmehr wenn nicht eine Klagevoraussetzung, so doch jedenfalls eine Sachurteilsvoraussetzung für eine Verpflichtungsklage dar (vgl. dazu m.w.N.: Urteil vom 16. Dezember 2009 - [X.]VerwG 6 [X.] 40.07 - [X.] 421.0 Prüfungswesen Nr. 409 Rn. 17 und 24).

4. [X.] folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das [X.]eschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

6 B 19/11

22.09.2011

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 31. März 2011, Az: 9 S 2080/10, Urteil

§ 60 Abs 2 Nr 2 HSchulG BW, § 62 Abs 3 Nr 2 HSchulG BW, § 133 BGB, § 157 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 22.09.2011, Az. 6 B 19/11 (REWIS RS 2011, 3106)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3106

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Referenzen
Wird zitiert von

3 C 20/15

W 2 K 18.1268

2 BvE 3/19

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