Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.03.2012, Az. 28 W (pat) 511/12

28. Senat | REWIS RS 2012, 7571

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren - "Happy Pet/Lucky-Pet" – keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist – Angabe der falschen Faxnummer - keine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle - Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2009 054 172

(hier: Wiedereinsetzung)

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] am 29. März 2012 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und [X.] am Amtsgericht Jacobi

beschlossen:

1. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss des [X.] - Markenstelle für Klasse 31 - vom 14. November 2011 wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

1

Die am 10. September 2009 angemeldete Wort-/Bildmarke

Abbildung

2

ist am 29. September 2009 unter der Nummer 30 2009 054 172 für die Waren der

3

Klasse 31: „Futter für Haustiere“

4

in das beim [X.] ([X.]) geführte Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 30. Oktober 2009.

5

Gegen die Eintragung haben die Widersprechenden am 29. Januar 2010 Widerspruch erhoben aus der am 24. März 2005 eingetragenen Wort-/Bildmarke 304 59 861

Abbildung

6

Das [X.] hat die angegriffene Marke auf den Widerspruch mit Beschluss vom 14. November 2011 gelöscht.

7

Gegen diesen, den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 18. November 2011 zugestellten Beschluss, richtet sich die mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2011 eingelegte und am 20. Dezember 2011 beim [X.] eingegangene Beschwerde.

8

Mit Schriftsatz vom 4. Januar 2012 hat die Beschwerdeführerin wegen der Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

9

,

ihr wegen der Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und den Beschluss des [X.]es - Markenstelle für Klasse 31 - vom 14. November 2011 aufzuheben.

Zur Begründung ihres Antrags führt sie aus, sie sei ohne ihr Verschulden verhindert gewesen, die Beschwerdefrist einzuhalten. Ein Verschulden ihrer Bevollmächtigten liege nicht vor, da deren zuverlässiges Büropersonal ein Versehen treffe und sich der Fehler trotz ausreichender Anleitung, Überwachung und Organisation ereignet habe. Die Versäumung beruhe daher nicht auf einem Verschulden der Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin, § 91 Abs. 1 [X.]. Frau Rechtsanwältin C…, die Verfasserin des [X.]es, habe die Rechtsanwaltsfachangestellte D… am 19. Dezember 2011 angewiesen, die Beschwerdeschrift noch am 19. Dezember 2011, dem [X.] der Beschwerdefrist, vorab per Fax an das [X.] zu senden. Die Rechtsanwaltsfachangestellte habe ihre Ausbildung im Jahr 2008 beendet und sei seit dem [X.] in der Kanzlei der Bevollmächtigten beschäftigt. Bei dieser erfahrenen und als zuverlässig erprobten Mitarbeiterin gingen die Anwälte davon aus, dass die generellen und individuellen Anweisungen sorgfältig befolgt würden. Dies werde stichprobenartig oder aus besonderem Anlass kontrolliert. Die Rechtsanwaltsfachangestellte werde von allen Anwälten als ausgesprochen zuverlässig und sorgfältig arbeitend beschrieben. Ein Fehler in der [X.] oder in der Ausführung anderer Anweisungen sei bis zum 19. Dezember 2011 nicht vorgekommen. Bei der Übersendung des [X.]es per Telefax sei der Rechtsanwaltsfachangestellten das Versehen unterlaufen, „die falsche Faxnummer einzutragen“. Der Fehler sei trotz ausdrücklicher Anweisung geschehen, die richtige Telefaxnummer in das Faxgerät einzugeben. Wie die Eingabe der falschen Faxnummer in das Faxgerät habe passieren können, könne nicht mehr nachvollzogen werden. Das Versehen sei am 20. Dezember 2011 bemerkt worden, als das erste Blatt der Beschwerdeschrift als Telefax in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten eingegangen sei; auf diesem habe sich der Stempel des [X.] mit dem Vermerk „Irrläufer" befunden.

Zur Glaubhaftmachung ist der vorgetragene Sachverhalt anwaltlich versichert und eine Versicherung an Eides statt von [X.] vom 4. Januar 2012vorgelegt worden. Ein Telefax des [X.] vom 20. Dezember 2011 mit dem Stempel „Irrläufer“ ist nicht vorgelegt worden.

Auf dem [X.] vom 19. Dezember 2011 ist als Telefaxnummer des [X.]s die Nummer 089-2195-4143 vermerkt.

Die Verfahrensbevollmächtigten der Widersprechenden und Beschwerdegegner haben hierzu keine Stellungnahme abgegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nach §§ 66 Abs. 2, 70 Abs. 2 [X.] als unzulässig zu verwerfen, da die Beschwerdefrist nicht eingehalten ist und Wiedereinsetzung nicht gewährt werden kann.

Nach § 66 Abs. 2 [X.] ist die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses beim [X.] einzulegen. Diese Frist hat die Beschwerdeführerin nicht gewahrt.

Der angefochtene Beschluss ist den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 18. November 2011 gemäß § 5 Abs. 4 [X.] zugestellt worden. Die einmonatige Beschwerdefrist begann deshalb am 19. November 2011 zu laufen und endete mit Ablauf des 19. Dezember 2011, einem Montag (§§ 82 Abs. 1 Satz 1 [X.], 222 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB).

Wiedereinsetzung kann nicht gewährt werden.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Beschwerdefrist ist statthaft und zulässig (§ 91 Abs. 1 bis 3 [X.]). In der Sache selbst hat der Wiedereinsetzungsantrag jedoch keinen Erfolg, da das Fristversäumnis nicht ohne Verschulden erfolgt ist.

Ohne Verschulden ist eine Frist versäumt, wenn die übliche Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall zumutbar war (vgl. [X.], in [X.]/[X.], [X.], 10. Auflage, 2012, § 91 Rdn. 10 m. w. N.). Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der [X.] gleich (§ 85 Abs. 2 ZPO). Dabei werden an die Sorgfalt eines Anwalts von der Rechtsprechung strenge Maßstäbe angelegt.

Die Büroorganisation muss gewährleisten, dass eine wirksame Kontrolle der Fristen und der Absendung fristgebundener Schriftsätze erfolgt (vgl. [X.]/[X.], a. a. O., § 91 Rdn. 13, 14). Verletzt der anwaltliche Vertreter die bei der üblichen Bearbeitung von [X.] bestehenden Sorgfaltspflichten, so ist von einem verschuldeten Fristversäumnis auszugehen.

Soweit Hilfskräfte mit Tätigkeiten betraut werden, muss es sich um für die jeweilige Aufgabe konkret bestimmtes, geschultes, zuverlässiges, erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal handeln ([X.], 1453). Außerdem muss im Rahmen der Büroorganisation durch entsprechende Arbeitsanweisungen und Maßnahmen Vorsorge dafür getroffen werden, dass bei normalem Verlauf der Dinge die Frist - trotz des Versehens - mit Sicherheit gewahrt worden wäre. So muss bei der Übertragung von Tätigkeiten zur Wahrung von Fristen gewährleistet werden, dass eine wirksame Kontrolle der Fristen und der Absendung fristgebundener Schriftsätze mittels eines [X.]s erfolgt. Hinsichtlich der insoweit erforderlichen Einzelmaßnahmen stellt die Rechtsprechung sehr hohe Anforderungen (vgl. [X.], Die Rechtsprechung des [X.] zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, NJW 2009, 2179).

Der Anwalt muss dabei nicht jeden Arbeitsschritt persönlich ausführen, sondern ist grundsätzlich befugt, einfachere Verrichtungen auf sein Büropersonal zu übertragen. Er ist jedoch verpflichtet, durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht ([X.] NJW-RR 2008, 1160; NJW-RR 2008, 576; NJW-RR 2008, 76/77).

Zur [X.] bei der Telefaxübermittlung gehört, dass in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und dieser auf die Richtigkeit der verwendeten [X.] überprüft wird ([X.] NJW 2008, 2508, NJW-RR 2008, 1518; NJW-RR 2007, 1429). Ein Vergleich der Faxnummer im Sendebericht und im Schriftsatz ist nicht ausreichend. Notwendig ist die nochmalige selbstständige Prüfung ([X.] FamRZ 2007, 1095). Eine diesen Anforderungen genügende [X.] muss sich entweder aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben ([X.] NJW 2008, 2508; NJW 2007, 2778). So ersetzt etwa die Einzelweisung des Anwalts, einen Schriftsatz per Telefax an das Gericht zu senden, nicht die ordnungsgemäße [X.] ([X.] FamRZ 2008, 1924).

In Anwendung dieser Grundsätze ist eine ordnungsgemäße [X.] durch das Büro der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin nicht dargetan worden. Auch ist die von ihr zitierte Rechtsprechung des [X.] durch die vorgenannte neuere Rechtsprechung des [X.] überholt.

Dass durch allgemeine Kanzleianweisungen vorgeschrieben wäre, bei der Übermittlung einer Rechtsmittelschrift per Telefax nach dem Übersendungsvorgang anhand des [X.] zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist, ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht. Ebenfalls ist eine den genannten Anforderungen genügende konkrete Einzelanweisung nicht dargetan. Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin geht nicht hervor, dass der Rechtsanwaltsfachangestellten im vorliegenden Fall der Auftrag erteilt worden wäre, nach Übersendung der Beschwerdeschrift per Telefax an das [X.] einen Sendebericht ausdrucken zu lassen und diesen sodann auch auf die Vollständigkeit der Übermittlung und die Richtigkeit der [X.] zu prüfen und die Frist im [X.] erst danach zu streichen.

Letztlich ergibt sich aus der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung auch nicht, dass sich die Rechtsanwaltsangestellte aus eigener Erkenntnis heraus dieser Obliegenheiten bewusst gewesen wäre. Ihre eidesstattliche Versicherung belegt vielmehr das Gegenteil: „Dabei habe ich die falsche Faxnummer angegeben. Wie das passiert ist, kann ich nicht mehr nachvollziehen.“ Die Rechtsanwaltsangestellte war sich offenkundig nicht über die Obliegenheiten bei der [X.] per Telefax im Klaren und hätte von den Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin entsprechend angewiesen werden müssen.

Von einer unverschuldeten Fristversäumung kann also nicht ausgegangen werden. Die Beschwerde war mithin als unzulässig zu verwerfen.

Meta

28 W (pat) 511/12

29.03.2012

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.03.2012, Az. 28 W (pat) 511/12 (REWIS RS 2012, 7571)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7571

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