Bundessozialgericht, Beschluss vom 20.02.2019, Az. GS 1/18

Großer Senat | REWIS RS 2019, 10105

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Rentenzahlung aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Tod des Berechtigten - Rücküberweisungspflicht des Geldinstituts nach Kontoauflösung


Leitsatz

Der Anspruch eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung gegen das Geldinstitut auf Rücküberweisung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten überwiesen worden sind, erlischt nicht durch die Auflösung des Kontos des Rentenempfängers.

Tenor

Der Anspruch eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung gegen das Geldinstitut nach § 118 Abs 3 S 2 [X.] auf Rücküberweisung von Geldleistungen, die für die [X.] nach dem Tod des Berechtigten überwiesen worden sind, erlischt nicht durch die Auflösung des Kontos des Rentenempfängers.

Gründe

1

I. Die Beteiligten des Ausgangsverfahrens streiten über einen Anspruch auf Rücküberweisung überzahlter Rente.

2

Die klagende [X.] ([X.]) [X.] überwies der [X.] monatlich Witwenrente auf deren bei der beklagten Bank bestehendes Girokonto (im Folgenden: Empfängerkonto). [X.] verstarb am 19.11.2009. Die [X.] erhielt am 24.11.2009 hiervon Kenntnis. Die Klägerin überwies jeweils 363,54 [X.] für Dezember 2009 (30.11.2009) und für Januar 2010 (30.12.2009) auf das Empfängerkonto. Am [X.] zahlte die [X.] den positiven Saldo dieses Kontos von 1138,52 Euro den Erbinnen der [X.] aus und löschte das Konto. Die [X.] lehnte die am 26.3.2010 erhobene Forderung der Klägerin ab, 727,08 Euro [X.], da das Empfängerkonto bereits aufgelöst worden sei. Das [X.] hat die [X.] verurteilt, der Klägerin 727,08 Euro zu zahlen (Urteil vom 4.4.2011). Das L[X.] hat dieses Urteil auf die Berufung der [X.]n aufgehoben und die Klage abgewiesen: Bei Eingang der Rückforderung sei durch Auszahlung des Guthabens bereits anderweitig verfügt worden. Der [X.]punkt, zu dem das Geldinstitut anderweitig Kenntnis von dem Tod eines Kontoinhabers erlangt habe, sei für den Anspruch auf Rücküberweisung ohne Bedeutung (Urteil vom 1.7.2014).

3

Die Klägerin begehrt mit ihrer Revision die Wiederherstellung des [X.]-Urteils. Der 5. Senat des B[X.] beabsichtigt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen: Zwar hätten die Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch aus § 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI zunächst vorgelegen, weil sich das Geldinstitut nicht auf den anspruchsvernichtenden Einwand der Vornahme anderweitiger Verfügungen noch vor Eingang des Rückforderungsverlangens berufen könne, wenn es bei deren Ausführung Kenntnis vom Tod des [X.] habe. Die Erfüllung des Anspruchs aus § 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI sei aber - wie ua aus dem Urteil des Senats vom [X.] - B 5 R 120/07 R (B[X.]E 103, 206 = [X.] 4-2600 § 118 [X.]) folge - durch Auflösung des Empfängerkontos "unmöglich geworden". Der 5. Senat sieht sich jedoch durch das Urteil des 13. Senats des B[X.] vom 24.2.2016 - [X.] R 22/15 R (B[X.]E 121, 18 = [X.] 4-2600 § 118 [X.]) an einer Zurückweisung der Revision gehindert. Diesem Urteil zufolge erlösche der Anspruch aus § 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI nicht durch Auflösung des Empfängerkontos. Auf Anfrage (Beschluss vom [X.] - B 5 R 26/14 R) hat der 13. Senat an seiner Rechtsauffassung festgehalten (Beschluss vom 14.12.2016 - [X.] R 20/16 S). Der 5. Senat hat deshalb dem Großen Senat die Rechtsfrage vorgelegt (Beschluss vom 17.8.2017),

        

ob ein Anspruch des Rentenversicherungsträgers gegen das Geldinstitut nach § 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI auf Rücküberweisung von Geldleistungen, die für die [X.] nach dem Tod des Berechtigten überwiesen worden sind, die weitere Existenz des Kontos des Rentenempfängers voraussetzt.

4

II. Die zulässige Vorlage des 5. Senats (dazu 1.) beantwortet der [X.] im Sinne des Tenors (dazu 2.).

5

1. Die Vorlage ist zulässig 41 Abs 2 und 3 [X.]G); insbesondere umschreibt die vom 5. Senat aufgeworfene Frage die entscheidungserhebliche Divergenz.

6

Der 5. Senat ist übereinstimmend mit dem 13. Senat allerdings der Rechtsansicht, dass sich das Geldinstitut auf den anspruchsvernichtenden Einwand der Vornahme anderweitiger Verfügungen noch vor Eingang des [X.] nach § 118 Abs 3 S 3 Halbs 1 [X.]B VI dann nicht berufen kann, wenn es bei deren Ausführung bereits Kenntnis vom Tod des [X.] (vgl B[X.] Beschluss vom 17.8.2017 - B 5 R 26/14 R - Rd[X.]4; <13. Senat> B[X.]E 121, 18 = [X.] 4-2600 § 118 [X.], RdNr 18 mwN). Insoweit besteht keine Divergenz. Der [X.] beantwortet die Vorlagefrage lediglich für Konstellationen der Kenntnis des angegangenen Geldinstituts vom Tod des Kontoinhabers zum genannten [X.]punkt. Hierbei zielt die Frage darauf ab zu klären, ob der Anspruch eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]) gegen das Geldinstitut nach § 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI auf Rücküberweisung von Geldleistungen, die für die [X.] nach dem Tod des Berechtigten überwiesen wurden, durch die Auflösung des Kontos des Rentenempfängers erlischt.

7

Es besteht eine entscheidungserhebliche Divergenz in den tragenden Rechtssätzen zweier Senate des BS[X.] Wäre der Entscheidung des 13. Senats zu folgen, so müsste die Revision der Klägerin im Sinne der Aufhebung des L[X.]-Urteils und der Zurückweisung der Berufung gegen das der Klage stattgebende [X.]-Urteil erfolgreich sein. Wäre die Rechtsfrage dagegen im Sinne der Anfrage zu entscheiden, müsste der 5. Senat die Revision der Klägerin zurückweisen. Die Abweichung betrifft eine Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 162 [X.]G), nämlich vornehmlich die Auslegung des Begriffs "[X.]" in der bundesrechtlichen Vorschrift des § 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI (in der seit dem 1.1.2002 unverändert geltenden Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des [X.]B VI vom [X.], [X.] 754).

8

2. Der [X.] beantwortet die Vorlagefrage dahin, dass der Anspruch eines Trägers der [X.] gegen das Geldinstitut nach § 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI auf Rücküberweisung von Geldleistungen, die für die [X.] nach dem Tod des Berechtigten überwiesen worden sind, nicht durch die Auflösung des Kontos des Rentenempfängers erlischt.

9

§ 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI begründet bei seiner Auslegung nach Wortlaut, Systematik, Regelungszweck sowie Entstehungsgeschichte einen eigenständigen öffentlich-rechtlichen Anspruch des Trägers der [X.] gegen Geldinstitute auf Rücküberweisung von Geldleistungen, die für die [X.] nach dem Tod des Berechtigten überwiesen worden sind (dazu a bis d). Dieser Anspruch überlagert die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen den Kontoinhabern bzw deren Erben einerseits und den Geldinstituten andererseits. Er begründet insoweit iS von § 675o Abs 2 [X.] das Recht von Geldinstituten als Zahlungsdienstleister, die Ausführung eines ihnen erteilten autorisierten Zahlungsauftrags abzulehnen. Der Anspruch ist dahin einzuhegen, dass Geldinstituten als Zahlungsdienstleister bei der Ausführung autorisierter Zahlungsaufträge im Rahmen des § 675o Abs 2 [X.] ein auf Rentenzahlungen begrenztes Zurückbehaltungsrecht bei Verfügungen über das Konto bereits vor Eingang von [X.], insbesondere bei einer Auflösung des betroffenen Kontos eingeräumt ist (dazu e).

a) Der Wortlaut des § 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI lässt die Antwort des Großen Senats zu. Die Gesamtregelung des § 118 Abs 3 [X.]B VI lautete in der hier maßgebenden Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des [X.]B VI und anderer Gesetze vom 27.12.2003 ([X.] 3019) wie folgt:

        

"1Geldleistungen, die für die [X.] nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, gelten als unter Vorbehalt erbracht.

        

 2Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern.

        

 3Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann.

        

 4Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden."

Die Verpflichtung eines Geldinstituts, Geldleistungen "[X.]", die auf ein Konto eines Empfängers bei ihm überwiesen wurden, setzt mit diesem Begriff und dem Wortlaut "Rücküberweisung" nicht zwingend den Fortbestand des [X.] beim Geldinstitut voraus. Der Gesetzestext ermöglicht rein sprachlich vielmehr auch (nur) die Annahme, dass im Wege der "Zurück"-Überweisung eine Zuleitung wieder an denjenigen zu erfolgen hat, der die Überweisung ursprünglich veranlasste. Der Wortlaut lautet nicht, es sei "zulasten des in § 118 Abs 3 S 1 [X.]B VI genannten Kontos" [X.] und enthält - anders als § 118 Abs 5 [X.]B VI ("Sind laufende Geldleistungen ... auf das bisherige Empfängerkonto ... überwiesen worden, ...") keine explizite Hervorhebung eines ganz bestimmten Kontos. Auch nach allgemeinem Sprachgebrauch ist es für eine "Zurücküberweisung" letztlich nur entscheidend, dass dem Gläubiger ein zu Unrecht von ihm überwiesener Geldbetrag überhaupt wieder per Überweisung zurückfließt (vgl auch Escher-Weingart, [X.], 1577, 1584).

b) Das Regelungssystem des § 118 Abs 3 [X.]B VI verdeutlicht, dass der Anspruch auf Rücküberweisung gegen das Geldinstitut (§ 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI) nicht durch die Auflösung des Kontos des Rentenempfängers erlischt.

Der Anspruch auf Rücküberweisung gründet abschließend und eigenständig im [X.]B VI, ohne sich bürgerlich-rechtlicher Normen im Sinne einer Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung zu bedienen. Das "Geldinstitut" hat als Schuldner Geldleistungen iS von § 118 Abs 3 [X.] iVm S 1 [X.]B VI ("sie") "der überweisenden Stelle" oder dem "Träger der Rentenversicherung" "[X.]", wenn diese "sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern" als Gläubiger des Anspruchs. Die Regelung geht insoweit dem bürgerlich-rechtlichen Grundsatz vor, dass Rückabwicklungen von [X.] erfolgten Geldflüssen (ungerechtfertigte Bereicherung) grundsätzlich im Leistungsverhältnis zu erfolgen haben (Vorrang von § 812 Abs 1 S 1 Fall 1 [X.] gegenüber § 812 Abs 1 S 1 Fall 2 [X.] ; stRspr, vgl dazu allgemein zB [X.] Urteil vom 31.1.2018 - VIII ZR 39/17 - Juris RdNr 16 ff mwN = NJW 2018, 1079 RdNr 16 ff). Mit anderen Worten: Der Anspruch aus § 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI richtet sich nicht gegen den Rechtsnachfolger des verstorbenen Berechtigten als Leistungsempfänger, sondern unmittelbar gegen den [X.] "Geldinstitut".

Der Gesetzgeber wollte mit der Begründung dieses Anspruchs - soweit hier rechtssystematisch von Interesse - bei Schaffung des § 118 Abs 3 [X.]B VI Fallgestaltungen, in denen das Geldinstitut positive Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers hat, nicht nur dem Risikobereich der Rentenversicherungsträger zuweisen, sondern ua auch jenem des kontoführenden Geldinstituts. Er wollte nicht allein den Rentenversicherungsträgern das Risiko dafür auferlegen, dass die Geldinstitute "Rentenzahlungen stets auch zugunsten der Erben gutschreiben, und zwar auch dann, wenn sie von dem Tod des Rentners positiv Kenntnis haben" (vgl Bericht des [X.] <11. Ausschuss> zum Gesetzentwurf des [X.] 1992, BT-Drucks 11/5530 [X.] - zu § 119 Abs 3 iVm [X.] 11/1303 [X.], s ferner dort [X.] und 67).

Diese Form der Indienstnahme von Geldinstituten durch das Gesetz soll deren Zugriffs- und Sicherungsmöglichkeiten bei Geldeingängen auf Konten, die sie verwalten, Rechnung tragen. Die Geldinstitute dürfen nämlich die Empfängerkonten bei Rückforderung der betroffenen Geldleistungen durch Rentenversicherungsträger mit den [X.] belasten und bis zur Rückforderung ein Zurückbehaltungsrecht in entsprechender Höhe gegenüber den [X.] geltend machen. Auf diesem Wege kann sich das Geldinstitut auch nach Buchung des Überweisungsbetrags des Rentenversicherungsträgers auf dem Empfängerkonto und auch nach dessen Saldierung auf einfachem Wege davor schützen, den Anspruch auf Rückforderung zu Unrecht gezahlter Geldleistungen befriedigen zu müssen, ohne dass ihm der Rückgriff auf eine realisierbare Sicherheit offensteht. Die Sicherungsmöglichkeiten der Geldinstitute bestehen unabhängig davon, in welcher [X.]phase der Geldüberweisung vom Rentenversicherungsträger sie Kenntnis vom Tod des Empfängers erlangen. Das Geldinstitut kann diese Kenntnis vor oder bei Eingang der Überweisung bei ihm, nach Gutschrift der Überweisung auf dem Empfängerkonto oder nach Saldierung der Einzelposten des Kontos erlangen. Das Geldinstitut hat in all diesen Fällen Möglichkeiten, sich entweder mittels eines Guthabens auf dem Empfängerkonto oder - falls das Konto im Soll ist - mittels Verweigerung einer Verringerung des Solls zu sichern. § 118 Abs 3 S 1 [X.]B VI regelt dies mit dem [X.], dass Geldleistungen, die für die [X.] nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, als "unter Vorbehalt erbracht" gelten. Das Geldinstitut kann die Sicherung mittels Zurückbehaltungsrechts und Kontobelastung den ihm erteilten Anweisungen der [X.], insbesondere der Kontoauflösung entgegenhalten. Insoweit ist das Geldinstitut berechtigt, die Ausführung des ([X.] abzulehnen (vgl § 675o Abs 2 [X.]).

Die rechtlichen Möglichkeiten der Geldinstitute, sich vor [X.] in Folge der Erfüllung der [X.] in Konstellationen der vorliegenden Art zu schützen, bestimmen auch den weiteren Regelungskanon des § 118 Abs 3 [X.]B VI. So besteht keine Verpflichtung des Geldinstituts zur Rücküberweisung, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung des Rentenversicherungsträgers - in Unkenntnis des Todes des Rentenempfängers (vgl oben) - bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann (vgl § 118 Abs 3 S 3 [X.]B VI).

Diese Grundsätze, die die Reichweite des Anspruchs auf Rücküberweisung eines Rentenversicherungsträgers bestimmen, sind nicht auf die Fälle der Existenz bzw des [X.] des [X.] beschränkt, sondern gelten gleichermaßen im Falle seiner Auflösung. Das Geldinstitut, welches das Empfängerkonto führt, darf vom Kontoinhaber (bzw seinem Rechtsnachfolger), der die Auskehrung eines Restguthabens zu seinen Gunsten und die Auflösung des Kontos begehrt, für den Fall des Eingangs der Rückforderung von Leistungen durch den Rentenversicherungsträger vielmehr eine vergleichbare Sicherung verlangen, wie sie dem bisher bestehenden Zurückbehaltungsrecht der Bank entspricht. Alternativ kann das Geldinstitut sein Zurückbehaltungsrecht dem Anspruch auf Auskehrung des Guthabens entgegensetzen. Der Anspruch des Rentenversicherungsträgers auf Rücküberweisung (§ 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI) erlischt aber auch nicht, wenn das Geldinstitut das Konto auflöst, ohne von seinen Sicherungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen. Die Rücküberweisung erfolgt vielmehr in diesen Fällen zB über ein Eigenkonto der Bank. Das Geldinstitut trifft insoweit das wirtschaftliche Risiko, nach einer Rücküberweisung keinen Rückgriff bei den Begünstigten mehr nehmen zu können. Die im Vorlagebeschluss des 5. Senats angesprochene Problematik der Unmöglichkeit der Rücküberweisung von Geldleistungen wegen der Auflösung des Kontos stellt sich nicht, wenn die Existenz des Kontos des verstorbenen [X.] keine Voraussetzung des Rückforderungsanspruchs ist.

c) Es entspricht auch dem - bereits unter b) mit angesprochenen - Regelungszweck des Gesetzes, dass der Anspruch auf Rücküberweisung gegen das Geldinstitut (§ 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI) nicht durch die Auflösung des Kontos des Rentenempfängers erlischt. Der Anspruch dient auf der Grundlage des gesetzlich normierten Vorbehalts (§ 118 Abs 3 S 1 [X.]B VI) dazu, nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht weitergezahlte Geldleistungen schnell, effektiv und vollständig dem Rentenversicherungsträger zurückzuerstatten, um die Solidargemeinschaft der Versicherten vor finanziellen Verlusten zu bewahren (B[X.]E 103, 206 = [X.] 4-2600 § 118 [X.], RdNr 34; B[X.] [X.] 3-2600 § 118 [X.] S 69). Zu diesem Zweck sollte eine effektive Rückführung überzahlter Leistungen gewährleistet werden. Dieses Ziel würde verfehlt, könnte das Geldinstitut als in § 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI ausdrücklich benannter Schuldner den Anspruch des Rentenversicherungsträgers auf Rücküberweisung zum Erlöschen bringen, indem es das Konto etwa im Auftrag des Berechtigten auflöst. Könnte sich ein Geldinstitut seiner Pflicht, den Rücküberweisungsanspruch eines Rentenversicherungsträgers aus § 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI zu erfüllen, dadurch entziehen, dass es in Kenntnis des Todes des Berechtigten dessen Konto auflöst und das Guthaben an die Erben auszahlt, läge darin eine von der Rechtsordnung - auch im Bereich des Sozialrechts - nicht gebilligte unzulässige Rechtsausübung iS des § 242 [X.] (Fallgruppe des [X.]; vgl dazu allgemein nur zB [X.] in [X.], [X.], 78. Aufl 2019, § 242 RdNr 55 mwN). Für das Eingreifen dieses [X.] reicht es regelmäßig aus, dass objektiv - verschuldensunabhängig - das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens vorliegt, weil nach den Umständen ein früheres Verhalten (hier: Kontoauflösung durch das beklagte Geldinstitut) als mit einem späteren Verhalten (hier: Berufen der [X.]n auf die fehlende Fortexistenz des [X.] gegenüber dem Verlangen der klagenden [X.] [X.] auf Zurücküberweisung) unvereinbar anzusehen ist und die Interessen des [X.] (hier: der Klägerin bzw deren Versichertengemeinschaft) im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig sind ([X.], ebenda; zur unzulässigen Rechtsausübung allgemein vgl zB [X.]Z 211, 123 = NJW 2016, 3512, RdNr 42 ff).

d) Die Gesetzesmaterialien zu § 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI stehen dem aufgezeigten Auslegungsergebnis des [X.]s nicht entgegen. Sie unterstreichen vielmehr den vorstehend dargelegten Regelungszweck einer vereinfachten Rücküberweisung von Rentenleistungen, die für die [X.] nach dem Tod des Rentners überwiesen worden sind (vgl Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen [X.]estags, [X.] 11/1303, Anl 10 [X.]). Die Materialien verdeutlichen, dass es um einen gesetzlichen Eingriff in schuldrechtliche Ansprüche ging (vgl ebenda, [X.] 11/1303, [X.]). Nach den Materialien ist klar, dass das Gesetz einerseits eine neue, die bis dahin maßgebende rechtliche Konstruktion modifizierende Rechtsgrundlage schuf, die insgesamt zu mehr Transparenz für die Erben des [X.], andererseits aber auch zu vergleichbaren Ergebnissen wie nach der vorangegangenen Regelungstechnik führen sollte. An die Stelle von zwischen Geldinstituten und [X.] geschlossenen Individualvereinbarungen, die - formularmäßig - in die Rücküberweisung zulasten ihres [X.] von nach ihrem Tod überwiesenen Renten einwilligten (vgl ebenda, [X.] 11/1303, [X.]), trat ein gesetzlich angeordneter Vorbehalt der Rückforderung überwiesener Geldbeträge durch den Rentenversicherungsträger (vgl ebenda, [X.] 11/1303, [X.]). Die Materialien geben aber nichts dafür her, dass die Neuregelung konkret zur Folge haben sollte, die Geldinstitute von ihrer Pflicht zur Rücküberweisung vom Rentenversicherungsträger zu Unrecht gezahlter Geldleistungen durch Auflösung der Empfängerkonten zu befreien.

e) Der Anspruch aus § 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI überlagert nach alledem die zivilrechtlichen Beziehungen zwischen den Kontoinhabern bzw deren Erben oder anderen Verfügungsberechtigten einerseits und den Geldinstituten andererseits insoweit, als er iS von § 675o Abs 2 [X.] das Recht von Geldinstituten als Zahlungsdienstleister begründet, die Ausführung eines autorisierten Zahlungsauftrags abzulehnen (vgl bereits zum alten Recht - zB B[X.] E 82, 239, 248 = [X.] 3-2600 § 118 Nr 3 [X.]4 und [X.] 4-2600 § 118 [X.] RdNr 16; ferner Vorlagebeschluss des 5. Senats vom 17.8.2017 - B 5 R 26/14 - RdNr 56; [X.] in jurisPK-[X.]B VI, 2. Aufl 2013, § 118 RdNr 67 f, [X.]; [X.] in GK-[X.]B VI, § 118 Rd[X.]4, Stand September 2013).

Das geltende Zahlungsdiensterecht der §§ 675c bis 676c [X.] geht ursprünglich auf die Umsetzung von [X.] zurück, namentlich das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht vom [X.] ([X.] 2355), und steht der dargestellten rechtlichen Würdigung des [X.]s nicht entgegen. Der in § 118 Abs 3 S 1 [X.]B VI geregelte Vorbehalt ist mit den Regelungen des [X.] vereinbar. § 675o Abs 2 [X.] bestimmt, dass der Zahlungsdienstleister des Zahlers nicht berechtigt ist, die Ausführung eines autorisierten Zahlungsauftrags abzulehnen, wenn die im Zahlungsdiensterahmenvertrag festgelegten Ausführungsbedingungen erfüllt sind und die Ausführung nicht gegen sonstige Rechtsvorschriften verstößt (zu Letzteren beispielhaft [X.] in Erman, [X.], [X.], 15. Aufl 2017, § 675o RdNr 8, in Rd[X.] aber auch hinweisend auf § 118 Abs 3 S 1 [X.]B VI). Daraus folgt, dass der Zahlungsdienstleister des Zahlers (= Geldinstitut des Zahlungsempfängers, hier: die [X.]) berechtigt ist, die Ausführung eines autorisierten Zahlungsauftrags (zB Kontoauflösung durch Erben und Auszahlung des [X.]) abzulehnen, wenn und soweit gesetzlich begründete [X.] einer hinreichenden Deckung des Auftrags entgegenstehen.

Bestätigt wird dies durch Art 228 Abs 3 EG[X.], wonach inländische Überweisungen der Rentenversicherungsträger im Rahmen des [X.] von der Anwendung der allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen der §§ 676a ff [X.] generell ausgenommen waren, da diese vom Regelfall üblicher Überweisungen so stark abweichen, dass die Vorschriften des allgemeinen Überweisungsverkehrs hierfür nicht passen (vgl Gesetzentwurf der [X.]esregierung eines Überweisungsgesetzes, BT-Drucks 14/745 [X.]8 - Zu Art 228 Abs 3 EG[X.]; vgl dazu B[X.] Beschluss vom 14.12.2016 - [X.] R 20/16 S - Juris Rd[X.]2). Diese Regelung ist Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, dass öffentlich-rechtliche Verpflichtungen eines Geldinstituts im Verhältnis zB zum Rentenversicherungsträger durch die Regelungen des Verbraucherschutzes im Zahlungsdiensterecht im Verhältnis der Geldinstitute zu seinen Kunden nicht ausgeschlossen werden. Damit das Geldinstitut seinen öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen aus § 118 Abs 3 [X.] [X.]B VI nachkommen kann, ohne eigenes Vermögen einsetzen zu müssen, haben Geldinstitute als Zahlungsdienstleister ab Kenntnis vom Tod des Empfängers (Versicherter/Rentner) bei der Ausführung autorisierter Zahlungsaufträge der Rechtsnachfolger des Empfängers im Rahmen des § 675o Abs 2 [X.] ein auf Rentenzahlungen für die [X.] nach dem Tod des Empfängers begrenztes Zurückbehaltungsrecht bei Verfügungen über das Konto.

Meta

GS 1/18

20.02.2019

Bundessozialgericht Großer Senat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend SG Oldenburg (Oldenburg), 4. April 2011, Az: S 5 R 132/10, Urteil

§ 118 Abs 3 S 1 SGB 6, § 118 Abs 3 S 2 SGB 6, § 118 Abs 3 S 3 Halbs 1 SGB 6, § 41 Abs 1 SGG, § 41 Abs 3 SGG, § 242 BGB, § 675a BGB, §§ 675aff BGB, § 675o Abs 2 BGB, § 812 Abs 1 S 1 BGB, Art 228 Abs 3 BGBEG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 20.02.2019, Az. GS 1/18 (REWIS RS 2019, 10105)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 10105

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