Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.02.2012, Az. VIII ZR 156/11

8. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9575

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

BUNDESGERICHTSHOF (BGH) MIET- UND WEG-RECHT

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Wohnraummiete: Abrechnung der Heizkosten nach dem im Abrechnungszeitraum verbrauchten Brennstoff; Ausgleich der nach dem Abflussprinzip erfolgten fehlerhaften Abrechnung durch Kürzung der Kostenanteile


Leitsatz

1. Heizkosten können nicht nach dem Abflussprinzip, sondern nur unter Ansatz des im Abrechnungszeitraum verbrauchten Brennstoffs abgerechnet werden (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 20. Februar 2008, VIII ZR 49/07, NJW 2008, 1300).

2. Die auf der Anwendung des Abflussprinzips beruhende Fehlerhaftigkeit einer Heizkostenabrechnung kann nicht durch eine Kürzung der auf die Nutzer entfallenden Kostenanteile nach § 12 Abs. 1 HeizkostenV ausgeglichen werden.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten und die [X.] der Klägerin wird das Urteil der 17. Zivilkammer des [X.] vom 12. April 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über die in die Betriebskostenabrechnungen für die [X.] und 2008 eingestellten Heizkosten und die für das diesbezügliche Zahlungsbegehren der Klägerin angefallenen vorgerichtlichen Anwaltskosten entschieden worden ist.

Im Übrigen werden die Revision der Beklagten und die [X.] der Klägerin als unzulässig verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagten sind seit dem [X.] Mieter einer im Eigentum einer Erbengemeinschaft stehenden Wohnung in K.    .

2

Im Mietvertrag vom 3. Januar 2005 sind einheitliche Vorauszahlungen für Heizkosten und sonstige Betriebskosten festgelegt. Die den Beklagten für das Kalenderjahr 2007 übermittelte Betriebskostenabrechnung vom 17. November 2008 weist Heizkosten in Höhe von 2.421,59 € und einen Abrechnungssaldo zugunsten der Klägerin in Höhe von 1.085,89 € aus. Mit der Betriebskostenabrechnung vom 26. Oktober 2009 für das Kalenderjahr 2008 werden Heizkosten in Höhe von 3.167,57 € berechnet; die Abrechnung weist einen Abrechnungssaldo zugunsten der Klägerin in Höhe von 2.422,39 € aus. Die auf die Beklagten entfallenden Heizkostenanteile wurden von der mit der Verbrauchserfassung beauftragten [X.] auf der Grundlage der von der Klägerin im jeweiligen Kalenderjahr an die [X.] (Gasversorger) geleisteten Zahlungen ermittelt. Dies beanstanden die Beklagten.

3

Die Klägerin macht aus ihr von der Erbengemeinschaft abgetretenem Recht gegen die Beklagten insgesamt 5.484,46 € nebst Zinsen geltend. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus rückständigen Mietforderungen in Höhe von 450 €, Nachzahlungsforderungen aus den Betriebskostenabrechnungen für die [X.] (1.085,89 €) und 2008 (2.422,39 €), Erstattung von Aufwendungen für eine Einwohnermeldeamtsanfrage (8 €) sowie Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 1.464,18 €.

4

Das Amtsgericht hat der Klage, unter deren Abweisung im Übrigen, in Höhe von 3.446,36 € nebst Zinsen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Verurteilung der Beklagten - unter Klageabweisung im Übrigen - auf 3.339,03 € nebst Zinsen ermäßigt; die weitergehende Berufung der Beklagten hat es ebenso zurückgewiesen wie die Anschlussberufung der Klägerin, mit der diese eine weitere Verurteilung der Beklagten in Höhe von 190,38 € nebst Zinsen sowie Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 827,28 € nebst Zinsen erstrebte. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wollen die Beklagten die vollständige Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin verfolgt mit der [X.] ihr Klagebegehren weiter, soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil erkannt hat.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision und die [X.] haben im zugelassenen Umfang Erfolg; im Übrigen sind beide Rechtsmittel unzulässig.

A.

6

Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

7

Die den Beklagten erteilten Heizkostenabrechnungen für die [X.] und 2008 beruhten auf dem sogenannten [X.], da ihnen keine auf den jeweiligen Abrechnungszeitraum der Betriebskosten (Kalenderjahr) bezogenen tatsächlichen Verbrauchskosten zugrunde gelegen hätten, sondern die von dem Vermieter an den Versorger im jeweiligen - vom Kalenderjahr abweichenden - Heizzeitraum bezahlten Gasversorgungskosten. Zwar habe der [X.] entschieden, dass grundsätzlich auch verbrauchsabhängige Betriebskosten nach dem [X.] abgerechnet werden dürften (Urteil vom 20. Februar 2008 - [X.]); dabei habe der [X.] jedoch die Frage offen gelassen, ob dies auch für Kosten gelte, die nach den Vorschriften der Heizkostenverordnung abzurechnen seien (Urteil vom 30. April 2008 - [X.]/07).

8

Nach Auffassung der Kammer sei eine Abrechnung nach dem [X.] auch bei den der Heizkostenverordnung unterfallenden Kosten nicht grundsätzlich unwirksam, denn die beim Vermieter abgeflossenen Gelder stellten durchaus einen gewissen, wenn auch nicht zeitgenauen Anhaltspunkt für den tatsächlichen Verbrauch der Mieter dar. Auch orientierten sich die den Mietern in Rechnung gestellten Kosten an deren Verbrauch im jeweiligen Vorjahr, so dass den Beklagten im Streitfall ihr eigenes Verbrauchsverhalten indirekt zugute komme. Da eine derartige Abrechnung jedoch nicht auf der vom Gesetzgeber geforderten wirklichen Verbrauchserfassung beruhe und ein Ausnahmetatbestand der Heizkostenverordnung nicht vorliege, müsse sich die Klägerin - auf der Grundlage der vom Amtsgericht zutreffend ermittelten, von der Berechnung der Klägerin abweichenden Ausgangswerte von 2.283,83 € (2007) und 3.361,15 € (2008) - gemäß § 12 [X.] Abzüge von jeweils 15% (= 342,57 € für das [X.] und 504,17 € für das [X.]) der jeweils gegenüber den Beklagten abgerechneten Beträge gefallen lassen.

B.

I.

9

Die Revision der Beklagten und die [X.] der Klägerin sind nur insoweit zulässig, als sie sich gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts über die in den Betriebskostenabrechnungen aufgeführten Heizkosten nebst den für das [X.] insoweit angefallenen vorgerichtlichen Anwaltskosten richten. Denn das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision hierauf beschränkt. Das kommt zwar nicht im Tenor des Berufungsurteils, wohl aber - was ausreicht (Senatsurteil vom 12. Mai 2010 - [X.], NJW 2010, 3015 Rn. 18 mwN) - in den Entscheidungsgründen mit der erforderlichen Eindeutigkeit zum Ausdruck. Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, ob Heizkosten ebenso wie Wasserkosten nach dem so genannten [X.] abgerechnet werden können und welche Auswirkungen das auf ihre Geltendmachung hat. Diese Frage ist allein für die zwischen den Parteien umstrittenen Heizkosten und den hierauf entfallenden Anteil der vorgerichtlichen Anwaltskosten von Bedeutung. Die Beschränkung der Revisionszulassung auf diesen Teil des Streitstoffs ist auch wirksam, weil es sich bei dem Anspruch auf Heizkostenerstattung um abtrennbare Teile des [X.] handelt, auf die die Rechtsmittel wirksam hätten beschränkt werden können (Senatsurteil vom 12. Mai 2010 - [X.], aaO Rn. 21 mwN).

II.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung im Umfang der Zulassung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die von der Klägerin den Beklagten formell ordnungsgemäß erteilten Betriebskostenabrechnungen für die [X.] und 2008 hinsichtlich der dort ausgewiesenen Heizkosten inhaltlich unrichtig, da die abgerechneten Heizkosten entgegen § 7 Abs. 2 [X.] nicht auf der Grundlage der Kosten des im jeweiligen Abrechnungszeitraums verbrauchten Brennstoffs, sondern nach den im betreffenden Kalenderjahr von der Klägerin an den Gasversorger geleisteten Zahlungen ermittelt wurden. Eine Kürzung der Heizkosten gemäß § 12 Abs. 1 [X.] ist nicht geeignet, diesen inhaltlichen Abrechnungsmangel auszugleichen.

1. Allerdings hat der Senat entschieden, dass der Vermieter grundsätzlich auch verbrauchsabhängige "kalte" Betriebskosten nach dem [X.] (= Umlage der Kosten, mit denen der Vermieter selbst im Abrechnungszeitraum belastet wird) abrechnen darf, weil ihn die §§ 556 ff. [X.] nicht auf die Abrechnung nach dem Leistungsprinzip (= Umlage der Kosten, die für den jeweiligen Abrechnungszeitraum tatsächlich angefallen sind) festlegen (Senatsurteile vom 20. Februar 2008 - [X.], [X.], 1801 Rn. 15 ff; [X.], [X.], 1300 Rn. 18 ff.). In einer späteren Entscheidung, die eine gegenüber dem abgerechneten Kalenderjahr lediglich zeitlich verschobene, aber dennoch nach dem tatsächlichen Verbrauch im Abrechnungszeitraum ermittelte Heizkostenabrechnung zum Gegenstand hatte, hat der Senat offen gelassen, ob auch Heizkosten nach dem [X.] abgerechnet werden dürfen (Senatsurteil vom 30. April 2008 - [X.]/07, [X.], 2328 Rn. 16). Dies ist zu verneinen.

Im Gegensatz zu den verbrauchsabhängigen "kalten" Betriebskosten gibt es hinsichtlich der Heizkosten eine gesetzliche Regelung, die den Vermieter verpflichtet, diese Kosten nach dem im Abrechnungszeitraum verbrauchten Brennstoff abzurechnen. Gemäß § 7 Abs. 2 [X.] sind Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage einschließlich der Abgasanlage insbesondere "die Kosten der verbrauchten Brennstoffe". Dieser Regelung ist zu entnehmen, dass nur die Kosten des im Abrechnungszeitraum tatsächlich verbrauchten Brennstoffs abgerechnet werden können. Dem wird eine Abrechnung nach dem [X.] nicht gerecht (Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, 10. Aufl., § 6 [X.], Rn. 21; [X.], Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. [X.]; [X.], [X.] 2008, 162, 163).

2. Da die Klägerin die in die Betriebskostenabrechnungen für die Kalenderjahre 2007 und 2008 eingestellten Heizkosten entgegen § 7 Abs. 2 [X.] nicht nach dem tatsächlichen Gasverbrauch im jeweiligen Abrechnungszeitraum, sondern auf der Grundlage der im jeweiligen Kalenderjahr an den Energieversorger geleisteten Zahlungen errechnet hat, sind diese Abrechnungen insoweit inhaltlich unrichtig. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann dieser inhaltliche Mangel der Abrechnungen nicht durch eine Kürzung der geltend gemachten Heizkostenforderungen nach § 12 Abs. 1 [X.] ausgeglichen werden. Denn die Vorschrift setzt voraus, dass die Kosten der im Abrechnungszeitraum verbrauchten Brennstoffe ermittelt und umgelegt werden. Daran fehlt es - wie dargelegt - im Streitfall.

3. Da die Betriebskostenabrechnungen der Klägerin für die [X.] und 2008 nach allem inhaltlich fehlerhaft sind, kann die Klägerin gegen die Beklagten derzeit keine Nachzahlungsansprüche geltend machen, da nach Abzug der für die Heizkosten angesetzten Beträge jeweils kein Saldo zugunsten der Klägerin mehr besteht. Dies schließt auf den Saldo der bisherigen Abrechnungen begrenzte Nachzahlungsansprüche der Klägerin nicht aus, falls es ihr gelingt, für die genannten Abrechnungsjahre - gegebenenfalls aufgrund einer sachgerechten Schätzung - nachträglich eine Abrechnung nach dem Leistungsprinzip vorzulegen, da die den Beklagten jeweils innerhalb der Abrechnungsfrist des § 556 Abs. 3 Satz 2 [X.] mitgeteilten Betriebskostenabrechnungen den formellen Anforderungen an ihre Prüffähigkeit genügen (Senatsurteile vom 17. November 2004 - [X.], NJW 2005, 219 unter [X.]; vom 12. Dezember 2007 - [X.], [X.], 1150 Rn. 13 f.).

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil im Umfang der Zulassung der Revisionen keinen Bestand haben, es ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dort wird die Klägerin Gelegenheit haben, zu einer Abrechnung nach dem Leistungsprinzip vorzutragen.

[X.]                                               Dr. Frellesen                                               Dr. Hessel

                     Dr. Achilles                                                 Dr. [X.]

Meta

VIII ZR 156/11

01.02.2012

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Frankfurt, 12. April 2011, Az: 2-17 S 128/10

§ 556 Abs 3 BGB, § 7 Abs 2 HeizkostenV, § 12 Abs 1 HeizkostenV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.02.2012, Az. VIII ZR 156/11 (REWIS RS 2012, 9575)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9575

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.