Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.05.2010, Az. 1 StR 148/10

1. Strafsenat | REWIS RS 2010, 6548

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Gegenstand

Störung des öffentlichen Friedens; Vortäuschen einer Straftat


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. November 2009 aufgehoben:

a) im Schuldspruch wegen zweier Fälle der Störung des öffentlichen Friedens (Fälle [X.] Ziff. 6 und [X.] Ziff. 7 der Urteilsgründe);

b) im Ausspruch über die Einzelstrafen bezüglich der Fälle [X.] Ziff. 6 und [X.] Ziff. 7 sowie über die Gesamtfreiheitsstrafe und die angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus mit den zugehörigen Feststellungen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen sechs tatmehrheitlichen Fällen der Bedrohung, davon drei Fälle in Tateinheit mit Beleidigung, wegen zweier Fälle der [X.]törung des öffentlichen Friedens, davon ein Fall in Tateinheit mit Bedrohung, sowie wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

2

[X.]eine auf die [X.]achrüge gestützte Revision hat hinsichtlich des [X.]chuldspruchs wegen der beiden Fälle der [X.]törung des öffentlichen Friedens, der dafür festgesetzten Einzelstrafen von fünf Monaten und drei Monaten sowie der Gesamtfreiheitsstrafe und der angeordneten Unterbringung Erfolg. Im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet.

I.

3

1. Den [X.]chuldsprüchen wegen [X.]törung des öffentlichen Friedens (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 [X.]tGB) liegen im Wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde:

4

a) [X.] Ziff. 6: Anfang 2008 war der Vater des Angeklagten verstorben. Am 4. Februar 2009 erschien der Angeklagte im [X.] gegen 12.20 Uhr bei der für Nachlassangelegenheiten zuständigen Rechtspflegerin, welche ihn aber zunächst vertröstete und einen Termin auf 13.00 Uhr festsetzte, um zu ihrem [X.]chutz einen Wachtmeister vorher herbeirufen zu können. In dem dann - im Beisein des [X.] - mit der Rechtspflegerin geführten Gespräch äußerte der Angeklagte, dass er wisse, wo Waffen seien und seine Leute überall seien. Weiter sagte er, dass er den Nachlasspfleger in [X.]achen [X.]., Rechtsanwalt M. aus [X.], umbringen werde. Das Gleiche passiere Frau [X.]c. von der [X.] [X.]chließlich bedrohte er die Rechtspflegerin selbst mit den Worten, dass er sie umbringen werde. Nach den Feststellungen des [X.]s beabsichtigte er dabei, diese in Angst um ihr Leben zu versetzen, wobei die Rechtspflegerin diese Drohungen auch ernst nahm.

5

b) [X.] Ziff. 7: Am 11. März 2009 rief der Angeklagte morgens bei der [X.] an und telefonierte mit [X.].  . In dem Telefonat äußerte er dann, dass er nun gezwungen sei, einen Bank- oder einen Tankstellenüberfall zu begehen, da er kein Geld mehr habe. Darüber hinaus sagte er, dass er jetzt zur [X.] nach D. fahren werde, um dort „ein paar über den Haufen zu schlagen“. Aufgrund früherer Äußerungen des Angeklagten, welche [X.]. bekannt waren, maß nach den Feststellungen des [X.]s dieser der Aussage die Bedeutung bei, dass sich der Angeklagte zur Durchführung eines Amoklaufes zur [X.] nach D. begeben wollte. Ob und was [X.]. nach diesem Telefonat unternahm, hat das [X.] nicht festgestellt.

6

2. a) Den Tatbestand der [X.]törung des öffentlichen Friedens erfüllt, wer eine der im [X.]traftatenkatalog des § 126 Abs. 1 [X.]tGB aufgeführten [X.]traftaten androht und dabei zum Ausdruck bringt, dass die Verwirklichung der angedrohten Tat in seinem [X.]chtbereich liegt ([X.]/[X.] § 126 Rdn. 11; [X.]/[X.]-Lenckner/[X.]ternberg-Lieben § 126 Rdn. 5). Insoweit hat die [X.]trafkammer zutreffend die Voraussetzungen nach Abs. 1 Nr. 2 in beiden Fällen angenommen. [X.]ofern im [X.] Ziff. 7 Bedenken bestünden, wäre auch die [X.] nach Abs. 1 Nr. 5 erfüllt.

7

b) Allerdings muss das [X.] jeweils zusätzlich in einer Weise erfolgen, die zur [X.]törung des öffentlichen Friedens geeignet ist. Dies hat das [X.] in beiden Fällen nicht ausreichend dargetan.

8

Gestört ist der öffentliche Frieden, wenn das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert wird oder wenn potentielle Täter durch [X.]chaffung [X.]', in dem Taten wie die angedrohten begangen werden können, aufgehetzt werden ([X.], 58, 59; [X.][X.]t 34, 329, 331). Allerdings muss eine solche [X.]törung noch nicht eingetreten sein; jedoch muss die Handlung zumindest konkret zur [X.]törung des öffentlichen Friedens geeignet gewesen sein ([X.][X.]t 34, 329, 331 f.). Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn die entsprechende Ankündigung in der Öffentlichkeit erfolgt ([X.]/[X.] § 126 Rdn. 31), woran es vorliegend allerdings in beiden Fällen fehlt. Eine Ankündigung gegenüber einem Einzelnen kann dann genügen, wenn nach den konkreten Umständen damit zu rechnen ist, dass der angekündigte Angriff einer breiten Öffentlichkeit bekannt werden wird, entweder bei einer Zusendung an die Medien oder an einen nicht näher eingegrenzten Kreis von Personen, von deren Diskretion nicht auszugehen ist ([X.][X.]t 34, 329, 332); bei einer Mitteilung an Betroffene könnte dies gelten, wenn man davon ausgehen könnte, dass diese aus [X.]orge um Opfer oder aus Empörung über die Drohung sich an die Öffentlichkeit wenden könnten ([X.] aaO). [X.]olches hat die [X.]trafkammer nicht festgestellt.

9

c) [X.]ind, wie in den hier maßgeblichen Fällen, Adressaten der Drohungen staatliche Organe, wird regelmäßig damit zu rechnen sein, dass diese zwar [X.]ßnahmen zur Vermeidung der angedrohten Taten ergreifen oder veranlassen, jedoch regelmäßig im Übrigen mit Diskretion vorgehen, einerseits um die Präventivmaßnahmen nicht zu gefährden ([X.][X.]t aaO), andererseits um auch die Öffentlichkeit nicht ohne Weiteres zu beunruhigen.

Wie in [X.] Ziff. 6 die Äußerungen des Angeklagten gegenüber der für Nachlassangelegenheiten zuständigen Rechtspflegerin des Amtsgerichts und im [X.] Ziff. 7 gegenüber dem Polizeibeamten zu [X.]ßnahmen hätten führen können, die ihrerseits eine Beunruhigung in der Bevölkerung als Folge hätten haben können, hat das Tatgericht nicht ausgeführt. Damit fehlt es jeweils an hinreichenden Feststellungen zum Tatbestand des § 126 Abs. 1 [X.]tGB.

Allerdings kann eine mit der Drohung vorgenommene Vortäuschung gegenüber einer Behörde nach § 145d Abs. 1 Nr. 2 [X.]tGB strafbar sein, was das [X.] von seinem [X.]tandpunkt aus zutreffend nicht erörtert hat.

d) Die beiden [X.]chuldsprüche wegen [X.]törung des öffentlichen Friedens, in einem Fall in Tateinheit wegen Bedrohung, waren demgemäß aufzuheben. Die Prüfung der weiteren [X.]chuldsprüche auf die [X.]achrüge hin hat keine durchgreifenden Rechtsfehler ergeben.

II.

1. Die Aufhebung der [X.]chuldsprüche wegen [X.]törung des öffentlichen Friedens führt zur Aufhebung der deswegen verhängten Einzelstrafen und der Gesamtfreiheitsstrafe. Die für die anderen Taten verhängten [X.]trafen können dagegen bestehen bleiben. Die Urteilsgründe enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie von den aufgehobenen [X.]trafen beeinflusst sein könnten.

2. Die neu berufene [X.]trafkammer wird jedoch Gelegenheit haben zu prüfen, inwieweit die neu zu bestimmende Gesamtstrafe nach § 56 [X.]tGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Dabei kann nicht außer [X.] bleiben, dass die vom [X.] zur Begründung einer Versagung der Bewährung mit herangezogenen zwei Vorstrafen nur eine im Oktober 2007 begangene Nachstellung (15 Tagessätze zu je 20,-- Euro) und das Verbreiten pornografischer [X.]chriften in zwei Fällen (Tatzeit: Dezember 2007 - 30 Tagessätze zu je 20,-- Euro) betreffen.

3. Auch die angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus war schon deswegen aufzuheben, weil der neue Tatrichter die Aussetzung der festzulegenden Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung möglicherweise anders beurteilen und dann auch eine Unterbringungsanordnung nach § 67b [X.]tGB ausgesetzt werden könnte. Im Übrigen könnte die Gefährlichkeitsprognose auch eine andere Beurteilung erfahren, falls der neue Tatrichter den Tatbestand des § 126 [X.]tGB in den beiden Fällen aufgrund der neu getroffenen Feststellungen nicht als gegeben ansieht.

[X.]chließlich ist darauf hinzuweisen, dass die vom [X.] sich zu eigen gemachte Äußerung des [X.]achverständigen, wonach „Verhaltensauffälligkeiten des Angeklagten in ihrer Eskalation nicht vorhersehbar“ seien, er aber gerade deswegen „mit einem sehr hohen Grad der Wahrscheinlichkeit für die Allgemeinheit gefährlich“ sei (UA [X.]. 26), durchaus widersprüchlich ist und daher einer Prognose in dieser Weise nicht zugrunde gelegt werden kann.

III.

Nachdem der Angeklagte seit 12. März 2009 in Untersuchungshaft bzw. seit 19. [X.]i 2009 im [X.] vorläufig untergebracht ist, wird die neue Hauptverhandlung mit der gebotenen Beschleunigung durchzuführen sein.

[X.]                           Wahl                                 Graf

                Jäger                             [X.]ander

Meta

1 StR 148/10

19.05.2010

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Augsburg, 26. November 2009, Az: 3 KLs 101 Js 108701/09, Urteil

§ 126 Abs 1 StGB, § 145d Abs 1 Nr 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.05.2010, Az. 1 StR 148/10 (REWIS RS 2010, 6548)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6548

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 395/10

AK 42/17

4 StR 395/10

1 StR 148/10

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