26. Senat | REWIS RS 2018, 3751
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Markenbeschwerdeverfahren – "Landgang" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 30 2017 225 388.2
hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 17. September 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie [X.] und Schödel
beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des [X.] vom 2. Januar 2018 wird aufgehoben.
I.
Das Wortzeichen
Landgang
ist am 15. August 2017 unter der Nummer 30 2017 225 388.2 zur Eintragung in das beim [X.] ([X.]) geführte Register angemeldet worden für Waren und Dienstleistungen der
Klasse 16: Bierdeckel;
Klasse 32: Bier;
Klasse 40: Bierbrauen.
Mit Beschluss vom 2. Januar 2018 hat die Markenstelle für Klasse 32 des [X.] die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, „Landgang“ bedeute „das mehrstündige Verlassen eines Schiffs“. Ursprünglich sei damit die Freizeit oder der Urlaub der Mitglieder der Schiffsbesatzung während des Löschens der Schiffsladung oder des Beladens des Schiffs gemeint gewesen. Heute würden auch Landausflüge von Teilnehmern einer Kreuzfahrt so bezeichnet. Das Anmeldezeichen beschränke sich in werbemäßig anpreisender Form auf eine rein sachbezogene Angabe ohne herkunftshinweisenden Gehalt. Da bei einem Landgang und den damit verbundenen Aktivitäten, wie [X.] dem Besuch von Lokalen, Bier genossen werde, beschreibe es aus der Sicht des [X.] nur den Bestimmungs- und Verwendungszweck der beanspruchten Waren und Dienstleistungen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Ansicht, um einen Zusammenhang zwischen dem Landgang der Schiffsbesatzung oder der Schiffspassagiere einerseits und dem Genuss von Bier andererseits herzustellen, bedürfe es mehrerer gedanklicher Schritte und damit einer unzulässigen analysierenden Betrachtungsweise. Dies gelte erst recht für die Waren „Bierdeckel“ und die Dienstleistung „Bierbrauen“. Das Amt habe sich zudem weder mit den einzelnen angemeldeten Waren noch mit der in Rede stehenden Dienstleistung auseinandergesetzt.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des [X.] vom 2. Januar 2018 aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Landgang“ als Marke stehen hinsichtlich der beanspruchten Waren und der angemeldeten Dienstleistung keine Schutzhindernisse entgegen, insbesondere fehlt es dem Zeichen nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].
1. a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] [X.] 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – [X.]]; [X.], 932 Rdnr. 7 – #darferdas?; [X.] 2018, 301 Rdnr. 11 – [X.]; [X.] 2016, 934 Rdnr. 9 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.] 2010, 228 Rdnr. 33 – [X.]/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.] – #darferdas?; a. a. O. – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] – [X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.] [X.] 2004, 428 Rdnr. 53 – [X.]; [X.] a. a. [X.]. 15 – [X.]).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft zum relevanten Anmeldezeitpunkt ([X.] [X.] 2013, 1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.] 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/[X.]; [X.] [X.] 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen ([X.] [X.] 2004, 674, Rdnr. 86 – Postkantoor; [X.] a. a. [X.]. 8 – #darferdas?; [X.] 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] – #darferdas?; a. a. [X.]. 12 – [X.]; [X.] 2014, 872 Rdnr. 21 – [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die beanspruchte Ware oder Dienstleistung zwar selbst nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreibenden Begriffsinhalt ohne Weiteres erfasst und in der Bezeichnung kein Unterscheidungsmittel für deren Herkunft sieht ([X.] a. a. O. – #darferdas?; a. a. O. – [X.]). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann ([X.] [X.] 2004, 146 Rdnr. 32 – [X.]; [X.] [X.] 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT).
b) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] genügt das Wortzeichen „Landgang“, weil es weder einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt noch einen engen beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren oder zur angemeldeten Dienstleistung aufweist.
aa) Bei den hier angesprochenen breiten Verkehrskreisen handelt es sich sowohl um den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher als auch um den Getränkefachhandel, das Gastronomiegewerbe sowie um Fachleute im Bereich des Brauwesens.
bb) Das Anmeldezeichen besteht aus dem Substantiv „Landgang“. Hierunter versteht man die „Freizeit, die von Seeleuten dazu benutzt wird, an Land zu gehen“ oder den „Steg, der dazu dient, von einem Schiff ans Ufer oder auf ein anderes Schiff zu gelangen“ (www.duden.de). Auch Programmpunkte an Land im Rahmen von Kreuzfahrten werden „Landgang“ genannt (www.wikipedia.org/wiki/Landgang_ (Seefahrt)). Als Landgang bezeichnet man daneben auch die allmähliche Anpassung von aquatischen Lebewesen an eine terrestrische Lebensweise, also den Prozess der Landbesiedelung durch zuvor ausschließlich an ein Leben im Wasser angepasste Organismen (www.wikipedia.org/wiki/Landgang_(Biologie)).
cc) Für die beanspruchten Waren und die in Rede stehende Dienstleistungvermittelt das um Schutz nachsuchende Zeichen den angesprochenen Verkehrskreisen weder eine Sach- noch eine Werbeaussage. Entgegen der Ansicht der Markenstelle gibt es auch nicht deren Bestimmungs- oder Verwendungszweck an.
aaa) Der Senat konnte nicht feststellen, dass die in Klasse 32 angemeldete Ware „
bbb) Es besteht auch kein enger beschreibender Bezug zur Dienstleistung der Klasse 40 „
ccc) Das Anmeldezeichen enthält auch für die in Klasse 16 beanspruchten Waren „
Deshalb kann dem Wortzeichen „Landgang“ nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.
2. Wegen der fehlenden Eignung des Wortzeichens zur unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Produkte und der fraglichen Dienstleistung kann auch ein Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht bejaht werden.
Meta
17.09.2018
Beschluss
Sachgebiet: W (pat)
Zitiervorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 17.09.2018, Az. 26 W (pat) 518/18 (REWIS RS 2018, 3751)
Papierfundstellen: REWIS RS 2018, 3751
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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