Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2013, Az. 3 StR 109/13

3. Strafsenat | REWIS RS 2013, 4700

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
3 StR
109/13
vom
27. Juni 2013
in der Strafsache
gegen

wegen Beleidigung u.a.

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 27. Juni 2013, an der teilgenommen haben:
Präsident des [X.]

Prof. Dr. [X.]

als Vorsitzender,

die [X.] am [X.]
Pfister,
[X.],
[X.],
[X.]in am [X.]
Dr. Spaniol

als beisitzende [X.],

[X.] beim [X.]

-
in der
Verhandlung -
,
Oberstaatsanwalt beim [X.]

-
bei der Verkündung -

als Vertreter der [X.]schaft,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

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3
-
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 12.
November 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagte freigesprochen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Staatsschutzkammer des [X.].

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagte wegen Beleidigung zu einer Geld-strafe verurteilt. Vom Vorwurf, durch eine weitere selbständige Handlung gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (§
20 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 [X.]) verstoßen zu haben, hat es die Angeklagte freigesprochen. Allein gegen den Freispruch richtet sich die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom [X.] vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

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1. Der Angeklagten ist vorgeworfen worden, in einer Gruppe von [X.] einer zuvor beendeten Versammlung eine Fahne mit dem Abbild des Führers der [X.] [X.] hochgehalten und außerdem um die [X.] eine Fahne mit dem Symbol der [X.] ([X.] -
Vereinigte Gemeinschaften [X.]) getragen zu haben in dem Wissen, dass ihre Handlungsweise von einer Vielzahl von Passanten wahrgenommen werden konnte und dies konkret geeignet war, eine für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte Propagandawirkung hervorzurufen (Vergehen, strafbar nach §
18 Satz 2, §
20 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 [X.]).

Das [X.] hat festgestellt, dass die Angeklagte "mutmaßlich" zu dem Kreis zahlreicher Personen gehörte, die am 26.
November 2011 zu einer Demonstration unter dem Motto "Demokratie stärken, [X.]-Verbot aufheben, Freiheit für [X.] und [X.]" nach [X.] gereist waren
und sich, nachdem diese Kundgebung kurzfristig verboten worden war, einem an-deren, "gegen [X.] und Rassismus" gerichteten Umzug angeschlossen hatten. Hierbei kam es zu zahlreichen Sympathiebekundungen für die [X.]. Eine Beteiligung der Angeklagten hieran hat das [X.] nicht festgestellt. Nach Beendigung der Demonstration ging die Angeklagte mit anderen Perso-nen Richtung [X.]. Auf dem Weg dorthin beleidigte sie eine Polizistin. Später befand sie sich mit ca. 100 Personen vor dem [X.],
die "[X.] zum Teil" auf das Eintreffen eines für die Reise nach [X.] gecharterten Busses warteten. Hier hielt sie einen kurzen Augenblick lang eine gelbe Fahne mit dem Portrait [X.]s zwischen den ausgebreiteten Händen über ihrem Kopf in
die Höhe. Das Bildnis war wegen der geringen Körpergröße der Angeklagten kaum zu sehen. Als der die Personengruppe beobachtende Poli-zeibeamte [X.] H.

das Geschehen fotografieren wollte, hatte die An-geklagte die Fahne schon wieder abgesenkt. Dem
Beamten gelang es nur 2
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noch, ein Bild zu machen, während die Angeklagte die Fahne noch weitere, wenige Sekunden lang vor ihrem Körper ausgebreitet hielt. Bei der Festnahme der Angeklagten wurde sodann festgestellt, dass sie eine Fahne mit dem Sym-bol der [X.] als Umhang um die Schulter geschlungen hielt.

Das [X.] hat sich von diesem Geschehen, zu dem die [X.] keine Angaben gemacht hat, durch die Aussagen mehrerer als Zeugen ver-nommener Polizeibeamter sowie durch die Inaugenscheinnahme von Lichtbil-dern und Asservaten überzeugt. Es hat aber nicht festzustellen vermocht, dass die Angeklagte in der Öffentlichkeit für die Belange der [X.] oder der [X.] ein-trat und dadurch deren verbotene inländische Tätigkeit förderte. Hierzu hat die [X.] ausgeführt: Das Ausbreiten der Fahne mit dem Porträt [X.]s sei keine propagandistische Sympathiewerbung der Angeklagten für das [X.] der [X.] gewesen. Dies sei aber Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach §
20 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 [X.], der in Fällen eines vollziehbaren Betäti-gungsverbots für einen Auslandsverein als alleiniger Straftatbestand in Betracht komme. Anders als bei der Demonstration habe vor dem [X.] eine ge-meinsame Aktion nicht mehr stattgefunden. Eine Werbung für die [X.] könne sich allein aus dem Kontext der die Aktion begleitenden Meinungsäußerungen ergeben, zu denen aber nichts habe festgestellt werden können. Das von der Angeklagten gezeigte Bild [X.]s sei kein Symbol; das Hochhalten des Por-traits unterfalle dem Schutz des Grundrechts der freien Meinungsäußerung, wenn es im Zusammenhang mit der Diskussion über die Haftbedingungen [X.]s erfolgt sei, was nicht ausgeschlossen werden könne. In jedem Fall sei das Handeln der Angeklagten von einer lediglich unerheblichen -
zur Erfüllung des Straftatbestands nicht ausreichenden -
Außenwirkung gewesen. Das Tra-gen der Fahne über der Schulter stelle sich nicht als Förderung der [X.] dar, 4
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weil der Symbolcharakter wegen der zusammengefalteten Trageweise nicht zu erkennen gewesen sei.

2. Der
Freispruch hält bereits deshalb rechtlicher Prüfung nicht stand, weil es das [X.] unterlassen hat, den Sachverhalt unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des öffentlichen Verwendens eines Kennzeichens (§
20 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 [X.]) zu würdigen.

a) Das [X.] ist bei seiner Beurteilung -
ebenso wie erkennbar die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage -
von der Rechtsprechung des [X.] ausgegangen, wonach die bloße Verwendung oder Verbreitung von Kennzeichen eines von einem vollziehbaren Betätigungsverbot nach §
18 Satz 2 [X.] betroffenen Vereins nicht nach §
20 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 [X.] strafbar ist, sondern von §
20 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 [X.] erfasst wird, wenn dadurch zugleich gegen das Betätigungsverbot verstoßen wird ([X.], Urteile vom 24.
Januar 1996 -
3 [X.], [X.]St 42, 30, sowie 3 StR 545/95, [X.], 218). Diese Entscheidungen sind indes dadurch überholt, dass der Gesetzgeber als Reaktion auf sie (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S.
76; BT-Drucks. 13/9064 S.
24) mit Wirkung vom 1.
April 1998 auch die Verwendung von [X.] der lediglich mit einem vollziehbaren Betätigungsverbot belegten [X.] unter diese Strafnorm gestellt hat (vgl. KG, Beschluss vom 6.
April 2000
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(4) 1 Ss 34/00 (54/00) -
juris). Unbeschadet dieser Gesetzesänderung kann im Verwenden oder Verbreiten von Kennzeichen auch weiterhin ein Verstoß gegen ein Betätigungsverbot liegen, wenn die weiteren Voraussetzungen des §
20 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 [X.] gegeben sind.

b) Die bisherigen Feststellungen legen nahe, dass die Angeklagte den Tatbestand des §
20 Abs.
1 Satz 1 Nr.
5 [X.] zumindest durch das Hoch-5
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7
-
halten der Fahne verwirklicht hat (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 25.
Oktober 2005 -
1 A 144/05 -
juris Rn. 21 ff.; sowie Beschluss vom 21.
Februar 2011 -
1 A 227/09 -
juris Rn. 10). Soweit das [X.] zum Be-leg seiner Ansicht, [X.] sei dabei nicht als Identifikationsfigur der [X.] dar-gestellt, auf geringfügige Abweichungen des von der Angeklagten gezeigten Portraits zu sonstigen Bildern [X.]s verweist, lässt es außer [X.], dass leich-te Unterschiede in der Darstellung der Strafbarkeit nicht entgegenstehen, da den Kennzeichen solche gleich stehen, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind (§
9 Abs.
2 Satz 2 [X.]). Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, da das [X.] eine ins Einzelne gehende [X.] der verfahrensgegenständlichen Fahne -
sachgerecht ergänzt durch eine Bezugnahme auf Lichtbilder (§
267 Abs.
1 Satz 3 [X.]) -
unterlassen hat.

Für eine Konstellation, bei der das Verwenden im Grundsatz verbotener Kennzeichen ausnahmsweise erlaubt ist (vgl. §
20 Abs.
1 Satz 2, §
9 Abs.
1 Satz 2 [X.]), geben die bisherigen Feststellungen keinen Anhaltspunkt.

3. Es kommt deshalb
nicht mehr darauf an, ob
das [X.] bei der Ablehnung eines Verstoßes gegen ein Betätigungsverbot (§
20 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 [X.]) zu hohe Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt hat. Auch über die Frage, ob die Angeklagte sich einer solchen Zuwiderhand-lung schuldig gemacht hat, wird neu zu verhandeln und zu entscheiden sein.

4. Der Senat verweist die Sache an eine andere als Staatsschutzkam-mer tätige [X.] zurück. Nachdem weiterhin eine Verurteilung der [X.] nach §
20 Abs.
1 Satz 1 Nr.
4 [X.] möglich ist, verbleibt es bei deren Zuständigkeit (§
74a Abs.
1 Nr.
4 GVG).

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8
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5. Der neue Tatrichter wird zu bedenken haben, dass für das Fördern der weiteren Tätigkeit der mit einem Betätigungsverbot belegten Vereinigung (§
20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 [X.]) eine Handlung ausreicht, die lediglich konk-ret geeignet ist, im Inland eine vorteilhafte Wirkung für den Verein zu erzielen, ein tatsächlicher Nutzen für den Verein nicht feststellbar sein muss, dass [X.] die Tätigkeit eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten muss (vgl. MüKoStGB/[X.], 2.
Aufl., §
20 [X.] Rn. 81 f. mwN).

Im Übrigen besteht Anlass zur Prüfung, ob angesichts der Kürze des Vorgangs ein Absehen von Strafe gemäß §
20 Abs.
2 Nr.
1 [X.] in [X.] kommt. Zur Vermeidung einer erneuten Hauptverhandlung könnte auch ein Vorgehen nach §
153b Abs.
2 [X.] bzw. -
im Hinblick auf die rechtskräftige Bestrafung wegen Beleidigung -
nach §
154 Abs.
2 [X.] in Erwägung gezogen werden.

[X.]

Pfister [X.]

[X.] Spaniol
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Meta

3 StR 109/13

27.06.2013

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.06.2013, Az. 3 StR 109/13 (REWIS RS 2013, 4700)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4700

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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