Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.11.2015, Az. I ZR 149/14

I. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 2057

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:191115UIZR149.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM NAMEN [X.]S VOLKES
URTEIL
I
ZR
149/14
Verkündet am:
19. November 2015
Führinger

Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.]-Langstrumpf-Kostüm II
[X.] § 3
Abs. 1, § 4 Nr. 9, § 9 Satz 1
a)
Bei der Prüfung, ob eine literarische Figur (hier: [X.]) durch Übernahme von äußeren Merkmalen in eine andere Produktart (hier: Karne-valskostüm) gemäß § 4 Nr. 9 [X.] nachgeahmt wird, sind keine geringen Anforderungen zu stellen.
b)
Der Schutz der Verwertbarkeit einer fiktiven Figur außerhalb des [X.] sowie der Schutz der vom Rechteinhaber im Bereich der wirtschaftli-chen Verwertung dieser Figur erbrachten Investitionen ("character merchan-dising") in Form
eines Schutzrechts über die [X.] nach § 3 Abs. 1 [X.] ist angesichts der im Lauterkeits-, Marken-
und Designrecht vorhande-nen Schutzmöglichkeiten nicht geboten.
[X.], Urteil vom 19. November 2015 -
I ZR 149/14 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 2015
durch [X.] Dr. Büscher, die Richter
Prof. Dr. Koch,
[X.], die Richterin Dr. [X.] und [X.] Feddersen

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 20. Juni 2014 wird auf Kosten der Klägerin zu-rückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin
ist
Inhaberin der urheberrechtlichen Nutzungsrechte am künstlerischen Schaffen der verstorbenen Autorin
Astrid
Lindgren.
[X.] war
Verfasserin der
"[X.]"-Romane. Darin beschrieb
sie das äußere Erscheinungsbild der
Hauptfigur der "[X.]"
wie folgt:
Ihr H[X.]r hatte dieselbe Farbe wie eine Möhre und war in zwei feste Zöpfe geflochten, die gerade vom Kopf abstanden. Ihre Nase hatte dieselbe Form wie eine ganz kleine Kartoffel und war völlig von
Sommersprossen übersät. Unter der Nase saß ein wirklich riesig breiter Mund mit gesunden weißen Zähnen. Ihr Kleid war auch ziemlich merkwürdig. [X.] hatte es selbst [X.]. Es war wunderschön gelb; aber weil der Stoff nicht gereicht hatte, war es zu kurz, und so guckte eine blaue Hose mit weißen Punkten darunter hervor. An ihren langen dünnen Beinen hatte sie
ein P[X.]r lange Strümpfe, einen geringelten und einen schwarzen.
Und dann trug sie ein p[X.]r [X.] Schuhe, die genau doppelt so groß waren wie ihre Füße.
1
2
-
3
-
Die Beklagte betreibt die P.

-Supermärkte. Sie warb im Januar 2010

für [X.] mit den
nachfolgend abgebildeten Fotografien:

3
-
4
-
Die A[X.]ildungen waren bundesweit in Verkaufsprospekten mit einer Auf-lage von 16,2 Millionen Exemplaren, auf Vorankündigungsplakaten in den [X.] sowie in
Zeitungsanzeigen
abgedruckt.
Für einen Zeitraum von elf Ta-gen waren sie zudem auf der von der Beklagten betriebenen Internetseite www.

.de abrufbar. Darüber hinaus waren die A[X.]ildungen
den jeweiligen
Kostümsets
beigefügt, von denen die Beklagte insgesamt 15.675 Stück zu s-tüm verkaufte.
Die auf den vorstehenden Einblendungen hervorgehobenen Kostüme mit dem Kleid und der Zopfperücke waren jeweils als "[X.]"
[X.].
Die Klägerin hat behauptet, [X.] habe ihr mit Überlassungs-vertrag vom 26. März 1998 sämtliche urheberrechtlichen Nutzungsrechte an all
ihren Werken, insbesondere an den von ihr geschaffenen [X.]-Romanen, übertragen. Sie hat die
Auffassung
vertreten, die Beklagte habe mit ihrer Werbung die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an
der literarischen Figur "[X.]"
verletzt, die
für sich genommen urheberrechtlichen Schutz
genieße. Die Beklagte habe sich in den
verwendeten A[X.]ildungen an diese [X.] angelehnt. Darin liege eine Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungs-rechte. Ihr stehe daher
Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 50.000

Darüber hinaus hat die Klägerin
ihr Klagebegehren
hilfsweise
auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach §§
3,
4 Nr.
9 [X.]
sowie auf §§
823, 826 BGB
gestützt. Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu vzu zahlen.
Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß
aufgrund Urheberrechts
verurteilt ([X.], ZUM 2011, 871). Die dagegen gerichtete Berufung der Be-klagten
ist erfolglos geblieben (O[X.], [X.] 2012, 256). Auf die [X.] der Beklagten hat der [X.] das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage 4
5
6
-
5
-
abgewiesen, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt war. Im Hinblick auf die von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem
Leistungsschutz gemäß §§
3, 4 Nr. 9, §
9 [X.] sowie aus §§
823, 826 BGB
hat er die Sache an das Berufungsgericht zurückverwie-sen (Urteil
vom 17.
Juli 2013
I
ZR
52/12, [X.], 258 = [X.], 178

[X.]-Langstrumpf-Kostüm
I). Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abge-wiesen (O[X.], [X.], 393). Dagegen richtet sich die vom
[X.] zugelassene
Revision
der Klägerin,
mit der sie
Ansprüche gemäß
§§
3, 4 Nr.
9, §
9 [X.] weiterverfolgt und
die Zurückweisung der Berufung be-gehrt. Die Beklagte
beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe
kein [X.] gemäß §§
3, 4 Nr.
9, §
9 [X.] gegen die Beklagte
auf Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr für die beiden streitgegenständlichen [X.] zu.
Dazu hat es ausgeführt:
Zwar könne Gegenstand des [X.] gemäß §
4 Nr.
9 [X.] auch eine fiktive literarische Gestalt sein. Zudem sei die wettbewerbliche Ei-genart der Romanfigur "[X.]"
überdurchschnittlich bis überragend hoch. Die Beklagte habe auch das [X.][X.]"
nachgeahmt. Es sei eindeutig, dass die auf den streitgegenständlichen Fotos abgebildete Person "[X.]"
darstellen solle. Es fehle jedoch an einem Unlauterkeitstatbestand im Sinne von §
4 Nr.
9 Buchst. a und b
[X.].

7
8
-
6
-
Eine unmittelbare Herkunftstäuschung im Sinne von §
4 Nr.
9 Buchst.
a [X.] liege nicht vor, weil die A[X.]ildung einer fiktiven Romanfigur naturgemäß nicht mehr als eine bloße Assoziation auslösen könne. Der Durchschnittsver-braucher gehe ferner
nicht
davon aus, dass die [X.] als solche vom Inhaber der Rechte an der Romanfigur lizenziert seien. Eine Fehlvorstel-lung werde auch
nicht durch die Bezeichnung der Kostüme als "[X.]"
erweckt. Die Voraussetzungen gemäß §
4 Nr.
9 Buchst.
[X.] seien
ebenfalls nicht erfüllt. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass durch das Bewerben eines qualitativ eher minderwertigen [X.] der gute Ruf der Klägerin im Bereich des Merchandising beeinträchtigt werde. Auch eine Ausbeutung des guten Rufs
der Romanfigur liege
nicht vor. Die Gütevorstellung
der Verbraucher zu
preiswerten
[X.]n
werde nicht durch die hohe literarische Quali-tät der Romanvorlage oder die sorgfältige Vermarktung der Romanfigur [X.]. Es seien auch keine sonstigen Unlauterkeitstatbestände außerhalb der nicht abschließenden Regelung des §
4 Nr.
9 [X.] erfüllt. Dafür genüge es
nicht, dass die Beklagte mit den beiden beanstandeten A[X.]ildungen und der dadurch hervorgerufenen Assoziation zur Figur "[X.]"
bewusst eine fremde schöpferische Leistung
kommerziell ausgenutzt habe, deren Be-nutzung in der Regel nur aufgrund einer Lizenzgewährung gestattet werde. Die Begründung eines neuen Schutzrechts für Romanfiguren, um ihre wirtschaftli-che Verwertbarkeit
außerhalb des urheberrechtlich geschützten Kontextes zu ermöglichen, komme nicht in Betracht.
I[X.] Gegen diese
Beurteilung wendet sich die Revision ohne
Erfolg. Der Klägerin steht
der geltend gemachte Schadensersatzanspruch weder aus §
4 Nr.
9 [X.] (dazu II
1)
noch nach der wettbewerbsrechtlichen [X.] des §
3 Abs.
1 [X.] unter dem Gesichtspunkt des unmittelbaren Leistungs-schutzes
zu (dazu II
2). Auf das [X.] kann sich die
Klägerin eben-falls nicht stützen (dazu II
3).
9
10
-
7
-
1. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis zutreffend davon
ausgegangen, dass die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs
gemäß §
9 Satz
1 [X.]
in Form einer Lizenzanalogie
nach den Grundsätzen des wettbewerbs-rechtlichen [X.] im Sinne von
§
4 Nr.
9 [X.] nicht vorliegen.
a)
Das Anbieten einer Nachahmung kann nach §
4 Nr.
9 [X.] wettbe-werbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände
wie eine vermeidbare Täuschung über die
betriebliche Herkunft (§
4 Nr.
9 Buchst.
a [X.]) oder eine unangemessene Be-einträchtigung oder Ausnutzung der Wertschätzung des nachgeahmten Pro-dukts (§
4 Nr.
9 Buchst. [X.])

hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise und der Intensität der Übernahme
sowie den be-sonderen wettbewerblichen Umständen. Je größer die wettbewerbliche Eigen-art und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachah-mung begründen und
umgekehrt ([X.], Urteil vom 28.
Mai 2009
I
ZR
124/06, [X.], 80 Rn.
21 = [X.], 94
LIKEaBIKE; Urteil vom 24.
Januar 2013
I
ZR
136/11, [X.], 951 Rn.
14 = [X.], 1188
Regal-system; Urteil vom 17.
Juli 2013
I
ZR
21/12, [X.], 1052 Rn.
15 = [X.], 1339
Einkaufswagen
III; Urteil vom 22.
Januar 2015
I
ZR
107/13, [X.], 909
Rn.
9 = [X.], 1090

Exzenterzähne). Liegt nach diesen Grundsätzen eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von §
4 Nr.
9 [X.] vor, kommt
wie von der Klägerin
im Streitfall geltend gemacht

bei schuldhaftem
Verhalten im Sinne von §
9 Satz
1 [X.] ein Anspruch auf [X.] in Betracht, der nach
der
Berechnungsmethode der Lizenzanalogie
ermittelt werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 17.
Juni 1992
I
ZR
107/90, [X.], 55, 57 = [X.], 700

[X.]/Rolex
II,
mwN).
11
12
-
8
-
b)
Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat im Ergebnis mit Recht die Voraussetzungen einer Herkunftstäuschung ge-mäß §
4 Nr.
9 Buchst. a [X.]
sowie einer Rufausbeutung und Rufbeeinträchti-gung im Sinne von §
4 Nr.
9 Buchst. [X.] verneint. Zwar kann die
literarische Figur "[X.]"
gemäß §
4 Nr.
9 [X.] Schutz genießen (dazu II
1 b
[X.]). Im Streitfall fehlt es jedoch
an
einer
Nachahmung im Sinne dieser Be-stimmung (dazu II
1 b
[X.]).
[X.]) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die literari-schen Figur "[X.]"
unter den Schutz
des §
4 Nr.
9 [X.] fällt.
(1) Der Begriff der Waren und Dienstleistungen im Sinne von §
4 Nr.
9 [X.] ist weit auszulegen. Gegenstand des lauterkeitsrechtlichen Nachah-mungsschutzes können Leistungs-
und Arbeitsergebnisse aller Art sein
([X.], Urteil vom 22.
März 2012
I
ZR
21/11, [X.], 1155 Rn.
19 = [X.], 1379

Sandmalkasten; Urteil vom 23.
September 2015

I
ZR
105/14, [X.], 1214
Rn. 73
= [X.], 1477

Goldbären). Dazu können

wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist

grundsätzlich auch fiktive Figu-ren
gehören, die im Wege des
sogenannten "character merchandising"
wirt-schaftlich verwertet werden (vgl.
[X.] in [X.]/[X.], [X.], 6.
Aufl., §
4 Rn.
9/27; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 33.
Aufl., §
4 Rn.
9.22; [X.] in MünchKomm.Lauterkeitsrecht, 2.
Aufl., §
4 Nr.
9 [X.] Rn.
53; Kur, GRUR 1990, 1,
10
f.). Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze. Maßgebend ist, ob dem Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart zukommt, ob also seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Ver-kehrskreise
auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzu-weisen (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 15.
April 2010
I
ZR
145/08, [X.], 1125 Rn.
21 = [X.], 1465
Femur-Teil).
13
14
15
-
9
-
(2) Das Berufungsgericht ist von einer überdurchschnittlich bis überra-gend hohen
wettbewerblichen Eigenart der Romanfigur "[X.]"
ausgegangen. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht Feststellungen dazu getrof-fen, welche Gestaltungsmerkmale die wettbewerbliche Eigenart im Einzelnen begründen. Hierzu hat es
auf die

vom [X.] in der Entscheidung "[X.]-Lang-strumpf-Kostüm
I"
([X.], 258) nicht beanstandeten

Ausführungen
in seinem ersten im Streitfall ergangenen Urteil Bezug genommen, mit denen es die urheberrechtliche Schutzfähigkeit der literarischen Figur "[X.]"
als Sprachwerk im Sinne des §
2 Abs.
1 Nr.
1 UrhG
festgestellt hat. Daraus ergibt sich, dass das Berufungsgericht die wettbewerbliche Eigenart in der im Werk von [X.] detailliert beschriebenen besonderen eigenschöpferi-schen Kombination von
äußeren Merkmalen und ausgeprägten Charakterei-genschaften der Figur "[X.]"
gesehen hat (vgl. [X.], [X.], 258 Rn.
31
[X.]-Langstrumpf-Kostüm
I). Es hat auf dieser Grundlage zutreffend angenommen, der
im Kinderbuch
beschriebene Charakter sei [X.] und unverwechselbar.
[X.]) Die Bestimmung des
§
4 Nr.
9 [X.]
setzt ferner das Angebot einer Nachahmung voraus. Daran fehlt es im Streitfall.
(1) Der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz gemäß §
4 Nr.
9 [X.] bezieht sich immer nur auf ein konkretes Erzeugnis. Das
Angebot einer Nach-ahmung setzt voraus, dass die fremde Leistung ganz oder teilweise als eigene Leistung angeboten wird
([X.] in
[X.]/[X.] [X.]O §
4 Rn.
9.38; [X.] in [X.]/[X.] [X.]O §
4 Rn.
9/45; Großkomm.[X.]/[X.], 2.
Aufl., §
4 Nr.
9 Rn.
139). Wird nicht die Leistung des [X.] vermarktet, sondern eine eigene Leistung angeboten, liegt keine Nachahmung vor ([X.], Urteil vom 17.
Juli 2003 -
I [X.], [X.]Z 156, 1, 18

Paperboy; Urteil vom 30.
April 2009 16
17
18
-
10
-

I
ZR
42/07, [X.]Z 181, 77 Rn.
43
DAX).
Eigenständige Leistungen, die ledig-lich an das Erzeugnis anknüpfen, stellen keine Nachahmung des Erzeugnisses dar (vgl. [X.], Urteil vom 28.
Oktober 2010
I
ZR
60/09, [X.]Z 187, 255 Rn.
16

Hartplatzhelden.de). Für die Annahme einer Nachahmung ist es deshalb nicht
ausreichend,
eine fremde
Leistung
nur als Vorspann für eigene, andersartige Angebote
auszunutzen ([X.] in [X.]/[X.] [X.]O §
4 Rn.
9/45; [X.] in MünchKomm.Lauterkeitsrecht [X.]O
§
4 Nr.
9 [X.] Rn.
79). Vorliegend geht die Klägerin weder gegen die Übernahme der von ihr als Schutzgegenstand gel-tend gemachten literarischen
Figur "[X.]"
in einem literarischen Erzeugnis vor noch hat sie ihre Klage auf den Vorwurf gestützt, die Beklagte habe die Nachahmung eines von der Klägerin selbst oder von einem [X.] hergestellten und vertriebenen Kostüms abgebildet. Sie ist vielmehr der Ansicht, das von der Beklagten abgebildete Kostüm sei eine unlautere Nach-ahmung der literarischen Figur "[X.]"
im Sinne von §
4 Nr.
9 [X.]. An
die Nachahmung einer Romanfigur durch Übernahme von [X.], die wettbewerblich eigenartig sind, in eine andere Produktart sind keine geringen Anforderungen zu stellen. Anderenfalls würde die
im Interesse der Wettbewerbsfreiheit
grundsätzlich bestehende Nachahmungsfreiheit (vgl. [X.], Urteil vom 11. Januar 2007 -
I [X.], [X.], 795 Rn. 51 = [X.], 1076 -
Handtaschen; Urteil vom 26. Juni 2008 -
I [X.], [X.], 1115 Rn. 32
= [X.], 1510
-
ICON; Urteil vom 13. September 2012
-
I [X.], [X.]Z 194, 314 Rn. 68 -
Biomineralwasser; Urteil vom 27. März 2013 -
I [X.], [X.], 1213 Rn. 63 = [X.], 1620 -
SUMO; [X.] in [X.]/[X.] [X.]O § 4 Rn. 9/15; [X.] in jurisPK-[X.], 3. Aufl., § 4 Nr. 9 Rn. 34) unangemessen eingeschränkt.
(2) Nach diesen Maßstäben
fehlt es im Streitfall an einer Nachahmung der Romanfigur "[X.]"
durch die angegriffenen A[X.]ildungen
der
[X.]. Zwischen den Merkmalen, die die Romanfigur der "[X.] 19
-
11
-
Langstrumpf"
ausmachen, und der Gestaltung des Kostüms bestehen nur [X.] Übereinstimmungen. Die von den angegriffenen
A[X.]ildungen
gezeigten kostümierten Personen
weisen
vielmehr eine Vielzahl der für die Annahme ei-ner wettbewerblichen Eigenart
der literarischen Gestalt der "[X.]"
maßgeblichen äußeren Merkmale (kartoffelförmige Nase, riesig breiter Mund, gelbes Kleid, sichtbare blaue Hose mit weißen Punkten, verschieden gestaltete Strümpfe, viel zu große schwarze Schuhe) nicht auf (vgl. bereits [X.], [X.], 258 Rn. 48 -
[X.]-Langstrumpf-Kostüm
I).
(3) Soweit die Revision den
Vorwurf einer wettbewerbswidrigen
Leis-tungsübernahme auch damit
begründet, dass der angesprochene Verkehr auf-grund der Bekanntheit und Beliebtheit der Figur "[X.]"
und der darauf aufbauenden umfangreichen Merchandising-Aktivitäten der Klägerin und ihrer Lizenznehmer solche Merchandising-Artikel,
wie die von der Beklagten abgebildeten Kostüme,
der Klägerin zuordnen würden, liegt eine wettbewerbs-widrige Nachahmung im Sinne von § 4 Nr. 9 [X.] ebenfalls nicht vor.
Gegen-stand des
insoweit geltend gemachten [X.] ist nicht die literari-sche Figur
und damit das Ergebnis des schöpferischen Akts der Autorin [X.]. Die Klägerin begehrt der Sache nach vielmehr Schutz für die an diese
literarische Leistung
anknüpfende eigenständige Leistung.
Diese besteht
darin,
dass sie
durch den umfangreichen Vertrieb und die Lizenzierung von Merchan-disingartikeln mit Bezug auf "[X.]
Langstrumpf", also durch die kommerzielle
Verwertung der literarischen Figur
und deren
Beliebtheit
jenseits des literari-schen Werks [X.]s, eine weitere Leistung
erbracht hat. Dementspre-chend
beeinträchtigen
die
vorliegend von der Klägerin angegriffenen A[X.]ildun-gen
von Kostümen und damit von potentiellen Merchandisingprodukten nicht die Leistung, die bei der Schaffung der literarischen Figur "[X.]"
erbracht wurde, sondern allenfalls Leistungen, die von der Klägerin
im Bereich des Merchandising erbracht worden sein mögen
und die lediglich an die [X.]
-
12
-
sche Figur
und ihre Beliebtheit
anknüpfen. Dass die Beklagte mit den bean-standeten Kostümen nicht nur an konkrete Merchandisingprodukte der Klägerin oder ihrer Lizenznehmer anknüpft, sondern diese nachgeahmt und das [X.] entsprechenden Vortrag hierzu [X.] übergangen hat, zeigt die Revision nicht auf.
2.
Der Klägerin steht auch kein unmittelbar auf §
3 Abs.
1 [X.] in [X.] mit §
9 Satz
1 [X.] gestützter Schadensersatzanspruch zu.
a)
Das Berufungsgericht hat angenommen, es seien im Streitfall keine sonstigen Unlauterkeitstatbestände außerhalb der nicht abschließenden Rege-lung des §
4 Nr.
9 [X.] erfüllt.
Dafür
genüge es
nicht, dass die Beklagte mit den beiden beanstandeten A[X.]ildungen und der dadurch hervorgerufenen [X.] zur Figur "[X.]"
bewusst eine fremde schöpferische Leistung kommerziell ausgenutzt habe, deren Verwendung
in der Regel nur aufgrund einer Lizenzgewährung gestattet werde. Die Begründung eines neuen Schutzrechts für Romanfiguren, um
eine wirtschaftliche Verwertbarkeit solcher Figuren außerhalb des urheberrechtlich geschützten Kontextes möglich zu ma-chen, komme aufgrund der eindeutigen Gesetzessystematik nicht in Betracht.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

b) Allerdings wird im Schrifttum vereinzelt angenommen, dass das "character
merchandising", das heißt die Verwendung bekannter fiktiver Figu-ren, unter bestimmten Voraussetzungen dem wettbewerblichen Leistungs-schutz unterfallen kann (vgl. Kur, GRUR 1990, 1, 10
ff.). Dabei gehe es nicht

wie beim wettbewerblichen Leistungsschutz gemäß §
4 Nr.
9 [X.]

um die Bewertung von [X.], sondern um die Herausbildung eines neuen Schutzrechts, dessen Wurzeln zum einen in den erheblichen Investitionen und zum anderen im Eigenwert der Gestaltungen, d.h.
ihrer Verwertbarkeit auch 21
22
23
-
13
-
außerhalb des engeren, urheberrechtlich geschützten Kontextes,
liegen (Kur, GRUR 1990, 1, 11).
c)
Dieser Auffassung tritt der [X.] nicht bei.
Er hat bislang offengelas-sen, ob ein
unmittelbarer Leistungsschutz auf der Grundlage der Generalklau-sel des §
3 Abs.
1 [X.] gewährt werden kann (vgl. [X.]Z 187, 255 Rn.
19

Hartplatzhelden.de). Diese Frage muss auch im Streitfall nicht abschließend beantwortet werden.
[X.]) Die richterrechtliche Schaffung eines Leistungsschutzrechtes im Rahmen des
§
3 Abs.
1 [X.], welches dem Schutz der Verwertbarkeit einer fiktiven Figur außerhalb des Urheberrechts sowie dem Schutz der vom Rechte-inhaber im Bereich der wirtschaftlichen Verwertung dieser Figur erbrachten In-vestitionen dient, ist nicht bereits deshalb geboten, weil
dies
die gemäß Art.
12
Abs.
1 Satz
2 GG grundrechtlich geschützten Interessen des Inhabers der Rechte an der Figur nahelegen. Eine allein der Klägerin als
Rechteinhaber zu-gewiesene Verwertungsbefugnis würde die Wettbewerbsfreiheit
und damit auch die Interessen der Allgemeinheit
sowie
die ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen der Beklagten (Art.
12
Abs.
1 Satz
2 GG) einschränken und kommt daher nur bei einem überwiegenden Interesse der Klägerin in Betracht (vgl. [X.]Z 187, 255 Rn.
25

Hartplatzhelden.de; [X.] in [X.]/[X.] [X.]O §
4 Rn.
9/79; [X.] in [X.]/[X.] [X.]O §
3 Rn.
90).

[X.]) Ein solches
überwiegendes Interesse der Klägerin kann nicht ange-nommen werden. Insbesondere ist der von der Klägerin begehrte Rechtsschutz nicht erforderlich, um für sie ein Leistungsergebnis zu schützen, für das sie er-hebliche
Investitionen getätigt hätte und dessen Erbringung und Bestand ohne diesen Rechtsschutz ernstlich in Gefahr geriete.
24
25
26
-
14
-
Es ist nicht ersichtlich, dass ohne die
Anwendung der [X.] gemäß §
3 Abs.
1 [X.] eine Schutzlücke entsteht, die geschlossen werden müsste, um die Klägerin in der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Leistung nicht rechtlos zu stellen. Die von der Klägerin oder ihren Lizenznehmern vertriebenen konkreten Merchandisingartikel sind gegen Nachahmungen unter den Voraus-setzungen des §
4 Nr.
9 [X.] geschützt. Der
Klägerin steht es zudem frei, das
Erscheinungsbild solcher Produkte als Marke und Design schützen zu lassen sowie Geschmacksmusterschutz in Anspruch zu nehmen. Darüber hinausge-hend ist es weder wettbewerbsrechtlich noch zum Schutz des Rechts am einge-richteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geboten, denjenigen, der eine Leis-tung erbringt, grundsätzlich auch an allen späteren Auswertungsarten seiner Leistung zu beteiligen ([X.]Z 187, 255 Rn.
28
Hartplatzhelden.de; [X.] in [X.]/[X.] [X.]O §
4 Rn.
9/79).
Das grundgesetzlich geschützte Recht der Klägerin auf wirtschaftliche Verwertung der Figur "[X.]"
begründet keinen Schutz für jede wirtschaftliche Nutzung, die auf diese Figur Bezug nimmt (vgl. [X.], Urteil vom 12.
November 2009
I
ZR
83/07, [X.], 642 Rn.
60 = [X.], 764

WM-Marken). Das Angebot gewerblicher Leistungen, die auf [X.] von Mitbewerbern aufbauen, ist vielmehr, wie beispielsweise die [X.] des Vertriebs von Ersatzteilen und Zubehör zu den Waren eines anderen zeigt, rechtlich grundsätzlich nicht zu
beanstanden ([X.]Z 187, 255 Rn.
28

Hartplatzhelden.de). Dass im Streitfall die Gefahr eines Marktversagens, das heißt die Gefahr besteht, dass aufgrund der Umstände weder der [X.] noch Konkurrenten in den
Markt
mit Merchandisingprodukten
investieren (vgl. [X.], [X.], 316, 320; [X.] in [X.]/[X.] [X.]O §
4 Rn.
9/79), ist weder vorgetragen
worden
noch sonst ersichtlich.
27
28
-
15
-

3. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist schließlich auch nicht wegen des Verstoßes gegen das [X.] gerechtfertigt.
Ohne Erfolg macht die Revision geltend, aufgrund der Bezeichnung der abgebildeten Kostüme als "[X.]"
werde der Verkehr von wirtschaftlichen oder vertraglichen Verbindungen zwischen den Parteien ausgehen und unterliege damit einer Verwechslung gemäß §
5 Abs.
2 [X.].
Es kann offenbleiben, ob
das Hervorrufen einer Verwechslungsgefahr im Sinne von §
5 Abs.
2 [X.] einen vorliegend geltend gemachten [X.] in Form der Lizenzanalogie rechtfertigen kann. Im Streitfall hat
das Berufungsgericht entgegen der Ansicht der Revision eine Verwechslungs-gefahr
gemäß §
5 Abs.
2 [X.] rechtsfehlerfrei verneint. Es
hat angenommen, der Verkehr werde in der
Bezeichnung des Kostüms als "[X.]"
zwar eine un-missverständliche
Anspielung auf "[X.]"
sehen.
Diese werde der Verbraucher jedoch als eine offensichtliche Umgehung der [X.] verstehen.
Er werde
deshalb zu dem Schluss kommen, dass gerade keine vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien bestünden. Diese auf tatrichterlichem Ge-biet liegende Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
29
30
31
-
16
-
II[X.] Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.

Büscher
Koch
Löffler

[X.]
Feddersen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.08.2011 -
28 O 117/11 -

O[X.], Entscheidung vom 20.06.2014 -
6 [X.] -

32

Meta

I ZR 149/14

19.11.2015

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.11.2015, Az. I ZR 149/14 (REWIS RS 2015, 2057)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2057

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZR 149/14

I ZR 230/11

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