Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2011, Az. I ZB 96/10

I. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4468

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I [X.]/10
vom

21. Juli 2011

in der Zwangsvollstreckungssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 133 Abs. 1 Satz 1, § 900 Abs. 1
Der Gerichtsvollzieher hat dem Schuldner mit der Ladung zum Termin zur Ab-gabe der
eidesstattlichen Versicherung eine Abschrift des [X.] zuzustellen. Er kann den Gläubiger auffordern, eine solche Abschrift ein-zureichen, ist aber nicht berechtigt, das Zwangsvollstreckungsverfahren einzu-stellen, wenn der Gläubiger dieser
Aufforderung nicht nachkommt.
[X.], Beschluss vom 21. Juli 2011 -
I [X.]/10 -
[X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 21.
Juli 2011 durch [X.] Dr.
Bornkamm und [X.], Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff und Dr.
Löffler

beschlossen:

Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden der Beschluss des [X.]

1.
Zivilkammer

vom 30.
November 2010 und der Beschluss des [X.]
Voll-streckungsgericht
om 19.
Oktober 2010 aufgehoben.

Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des [X.] vom 16.
Juni 2010
Az.: 1041778
fortzusetzen und nicht da-von abhängig zu machen, dass der Gläubiger ihm zuvor eine Ab-schrift des Vollstreckungsauftrags zur Verfügung stellt.

Die Kosten der Erinnerung und der Rechtsmittelverfahren hat der Schuldner zu tragen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 391,54

-
3
-
Gründe:

[X.] Der Gläubiger betreibt aus einem Vollstreckungsbescheid des [X.] vom 16.
Juni 2010 die Zwangsvollstreckung gegen den Schuld-ner.

Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 14.
Juli 2010 er-teilte der Gläubiger dem Gerichtsvollzieher über die Verteilungsstelle für Ge-richtsvollzieheraufträge des [X.] den Auftrag, gegen den Schuldner wegen der titulierten Forderung die Zwangsvollstreckung durch-zuführen. Der schriftliche Vollstreckungsauftrag wurde ohne Abschriften einge-reicht. Mit [X.] vom 16.
Juli 2010 bat der Gerichtsvollzieher den Verfahrensbevollmächtigten des Gläubigers, für die Zustellung an den Schuld-ner eine Abschrift des Vollstreckungsauftrags zu übersenden. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass er die Bearbeitung des Vollstreckungsauftrags kostenpflich-tig zurückweisen werde, wenn die Abschrift nicht binnen 14
Tagen eingegangen sei. Da bis zum Ablauf der Frist keine Abschrift eingegangen war, stellte der Gerichtsvollzieher das Zwangsvollstreckungsverfahren ein.

Die hiergegen eingelegte Vollstreckungserinnerung des Gläubigers hat das Amtsgericht

Vollstreckungsgericht
zurückgewiesen. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde des Gläubigers zurückgewiesen ([X.], [X.] 2011, 89). Gegen diese Entscheidung hat der Gläubiger die vom Be-schwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er weiterhin das Ziel verfolgt, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, das Zwangsvollstre-ckungsverfahren fortzusetzen, ohne die Fortsetzung davon abhängig zu ma-chen, dass der Gläubiger ihm zuvor eine Abschrift des Vollstreckungsauftrags zur Verfügung stellt.
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4
-

I[X.] Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, Abs.
3 Satz
2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§
575 ZPO) Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Die Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher ([X.]) sehe in §
185b Nr.
3 Satz
2 zwar vor, dass der Auftrag zur Abnahme der eidesstattlichen Versi-cherung dem Schuldner zugestellt werden müsse. Dabei handele es sich [X.] nur um eine für den Gläubiger unverbindliche Verwaltungsvorschrift. Der in §
185b Nr.
3 Satz
2 [X.] zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke ergebe sich jedoch aus den allgemeinen Grundsätzen des Anspruchs auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren. Der Schuldner habe ein berechtigtes Inte-resse, durch eine Abschrift des Vollstreckungsauftrags Kenntnis von dessen Inhalt zu erlangen. Der Gläubiger sei daher gemäß §
133 ZPO, der [X.] auch im Zwangsvollstreckungsverfahren zur Anwendung komme, verpflich-tet, dem Vollstreckungsauftrag eine Abschrift des Auftrags für den Schuldner beizufügen. Komme er dem nach einer Aufforderung durch den [X.] nicht innerhalb einer ihm dafür gesetzten Frist nach, sei der [X.] berechtigt, die Zwangsvollstreckung einzustellen, weil es ihm nicht zugemu-tet werden könne, auf eigene Kosten Abschriften zu fertigen und das Risiko zu tragen, die entstandenen Auslagen später nicht erstattet zu erhalten. Die Ab-wägung der Interessen des Gläubigers und des Gerichtsvollziehers führe dazu, dass es dem Gläubiger zuzumuten sei, seinem Vollstreckungsauftrag eine Ab-schrift für den Schuldner beizufügen.

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5
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2. Entgegen der Ansicht des [X.] war der [X.] nicht berechtigt, das Zwangsvollstreckungsverfahren einzustellen, weil der Gläubiger seiner Aufforderung zur Übersendung einer Abschrift des [X.]s nicht fristgerecht nachgekommen ist.

a) Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass so-wohl der Auftrag zur Zwangsvollstreckung (§
754 ZPO) als auch der damit ver-bundene Auftrag zur Bestimmung eines Termins zur Abgabe der [X.] nicht der Schriftform bedürfen, sondern auch mündlich ge-stellt werden können. Das ergibt sich zum einen aus §
754 ZPO (für den [X.]) und zum anderen aus §
4 Nr.
1 Satz
1 [X.], in dem be-stimmt ist, dass Aufträge an den Gerichtsvollzieher keiner Form bedürfen. [X.] §
4 Nr.
1 Satz
2 [X.] genügt eine mündliche Erklärung des [X.], seines Bevollmächtigten oder der Geschäftsstelle, die den Auftrag vermit-telt.

b) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Annahme des [X.], wenn ein Vollstreckungsauftrag und der Auftrag zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung schriftlich gestellt würden, komme im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich §
133 ZPO zur Anwendung, da der Auftrag gemäß §
900 Abs.
1 ZPO dem Schuldner zuzustellen sei.

Eine Verpflichtung, der Ladung des Schuldners zur Abgabe der eides-stattlichen Versicherung eine Abschrift des Vollstreckungsauftrags beizufügen, ist allerdings

worauf
das Beschwerdegericht mit Recht hingewiesen hat
nicht ausdrücklich gesetzlich normiert. Die Regelung in §
185b Nr.
3 Satz
2 [X.], wonach der Gerichtsvollzieher der Ladung an den Schuldner ein [X.] des Vollstreckungsauftrags beizufügen hat, ist für den Gläubiger nicht verbindlich, 7
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6
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da es sich bei den Bestimmungen der Geschäftsanweisung für [X.] um bloße Verwaltungsvorschriften handelt. Der Anspruch des Schuldners auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) und auf ein faires Verfahren (Art.
3 Abs.
1 GG) gebieten es jedoch, ihm mit der Ladung zur Abgabe der [X.] eine Abschrift des Vollstreckungsauftrags zu übermitteln
([X.] in [X.]/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5.
Aufl., §
900 ZPO Rn.
6; [X.]ZPO/[X.], 3.
Aufl., §
900 Rn.
11; [X.], [X.] 2005, 77; Musielak/[X.], ZPO, 8.
Aufl., §
900 Rn.
12; [X.]/[X.], ZPO, 28.
Aufl., §
900 Rn.
8). Der Schuldner hat ein berechtigtes Interesse, durch eine Abschrift des Auftrags Kenntnis von dessen Inhalt zu er-langen. Auf diese Weise wird er in die Lage versetzt, seine Interessen im Zwangsvollstreckungsverfahren wahrzunehmen. Dementsprechend ist grund-sätzlich auch §
133 ZPO im Vollstreckungsverfahren anwendbar, wie das Be-schwerdegericht mit Recht angenommen hat.

Die Rechtsbeschwerde hält dem ohne Erfolg entgegen, sowohl der Wort-laut als auch die systematische Einordnung des §
133 ZPO stünden einer An-wendung der Vorschrift im Zwangsvollstreckungsverfahren entgegen. Das Zwangsvollstreckungsverfahren ist nach der Gesetzessystematik einem [X.]-prozess im Sinne von §
79 ZPO zuzuordnen. Für das Zwangsvollstreckungsver-fahren nach §§
704
ff. ZPO gelten neben den spezifischen Verfahrensvorschrif-ten auch die allgemeinen prozessualen Regelungen in den §§
1 bis 252 ZPO sinngemäß, soweit sich aus den Bestimmungen im zweiten Abschnitt des [X.] der Zivilprozessordnung nicht etwas anderes ergibt (vgl. Musielak/[X.] aaO Vor §
704 Rn.
19; [X.] in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3.
Aufl., Vor §§
704
ff. Rn.
4; [X.]/[X.] aaO Vor §
704 Rn.
5). Auf den [X.], dass der Begriff "[X.]" im vierten Abschnitt des [X.] der [X.] nicht verwendet wird, kommt es in Anbetracht der Gesetzes-11
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systematik nicht entscheidend an (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Januar 2011

I
ZR
122/09, [X.], 352 Rn.
21 = NJW 2011, 929

Makler als Vertreter im Zwangsversteigerungsverfahren).

c) Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde aber, dass sich aus der Vor-schrift des §
133 ZPO keine Rechtfertigung für eine Einstellung des Zwangs-vollstreckungsverfahrens ergibt, wenn der Gläubiger einer Aufforderung des Gerichtsvollziehers zur Einreichung einer Abschrift des Vollstreckungsauftrags nicht fristgerecht nachkommt.

aa) Gemäß §
133 Abs.
1 Satz
1 ZPO sollen die [X.]en den Schriftsät-zen, die sie bei Gericht einreichen, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften der Schriftsätze und deren Anlagen beifügen.
Da es sich bei der genannten Bestimmung um eine Sollvorschrift handelt, führt eine Nichtbeach-tung
selbst nach einer erfolglosen Aufforderung
des Gerichts, Abschriften ein-zureichen
zu keinen sachlichen Nachteilen für die der Aufforderung nicht nachkommende [X.]. Insbesondere finden die Präklusionsvorschriften (§
282 Abs.
2, §
296 Abs.
2 ZPO) keine Anwendung ([X.]ZPO/Wagner
aaO §
133 Rn.
5; [X.]/Greger
aaO §
133 Rn.
3; [X.] aaO §
133 Rn.
4; Musielak/Stadler
aaO
§
133 Rn.
1). Fehlende Abschriften hat das Gericht bei der einzureichenden [X.] anzufordern oder
wenn dies nicht zum Erfolg führt
selbst auf deren Kosten anzufertigen (§
28 Abs.
1 Satz
2 GKG i.V. mit
KV Nr.
9000). Ein "[X.]" des Verfahrens durch das Gericht ist da-gegen nicht zulässig.

Für die entsprechende Anwendung des §
133 Abs.
1 Satz
1 ZPO im Zwangsvollstreckungsverfahren bedeutet dies, dass der Gerichtsvollzieher die erforderlichen Abschriften selbst auf Kosten des Gläubigers (§
[X.]V.
12
13
14
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8
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mit
KV Nr.
700 Ziff.
1b) herzustellen hat, wenn der Gläubiger sich weigert, diese einzureichen. Eine Zurückstellung der Erledigung des Vollstreckungsauftrags bis zur Einreichung der erforderlichen Abschriften durch den Gläubiger darf nicht erfolgen (aA
AG [X.], [X.] 2000, 124; [X.] in [X.]/Walker aaO §
900 ZPO Rn.
6).

bb) Dies ist dem Gerichtsvollzieher entgegen der Ansicht des Beschwer-degerichts auch zumutbar. Die Erwägung des [X.], es bestehe bei einer Fertigung von Abschriften durch den Gerichtsvollzieher selbst grund-sätzlich die Gefahr, dass ihm Kosten entstünden, die er möglicherweise nicht beitreiben könne, steht dem nicht entgegen. Die Rechtsbeschwerde weist mit Recht darauf hin, dass das "[X.]" des Gerichtsvollziehers nur gering ist, weil durch die Herstellung der für den Schuldner bestimmten Abschriften keine hohen Kosten entstehen (s. KV Nr.
700 Ziff.
1b). Zudem ist der [X.] gemäß §
4 Abs.
1 Satz
1 GvKostG berechtigt, den Auftraggeber zur Zahlung eines Vorschusses aufzufordern, der die voraussichtlich entstehenden Kosten deckt. Die Durchführung des Auftrags kann nach §
4 Abs.
1 Satz
2 GvKostG von der Zahlung des Vorschusses abhängig gemacht werden. [X.] ein Vorschuss nicht aus, um die zur Aufrechterhaltung einer Vollstreckungs-maßnahme voraussichtlich erforderlichen Auslagen zu decken, besteht gemäß §
4 Abs.
2 Satz
1 GvKostG die Möglichkeit einer Nachforderung. Erfüllt der [X.] diese nicht fristgerecht, ist der Gerichtsvollzieher nach §
4 Abs.
2 Satz
3 GvKostG grundsätzlich berechtigt, die Vollstreckungsmaßnahme aufzu-heben.

3. Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, entscheidet der Senat als Rechtsbeschwerdegericht in der Sache selbst (§
577 Abs.
5 ZPO).

15
16
-
9
-
II[X.] Die Kostenentscheidung beruht auf §
91 Abs.
1 ZPO (vgl. [X.], [X.] vom 19.
Mai 2004
IXa
ZB
297/03, NJW 2004, 2979, 2981; Beschluss vom 16.
Juli 2009
I
ZB
80/05, [X.] 2009, 1384 Rn.
13
mwN).

Bornkamm
Pokrant
Schaffert

Kirchhoff
Löffler
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.10.2010 -
1 M 1628/10 -

[X.], Entscheidung vom 30.11.2010 -
11 [X.]/10 -

17

Meta

I ZB 96/10

21.07.2011

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2011, Az. I ZB 96/10 (REWIS RS 2011, 4468)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4468

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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