Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2018, Az. 1 StR 351/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 13533

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2018:210218U1STR351.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR
351/17

vom
21. Februar 2018
in der Strafsache
gegen

wegen Totschlags

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 21. Februar 2018, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,

[X.] am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Graf,
Prof. Dr. [X.]äger,
[X.]in am Bundesgerichtshof
Cirener
und [X.] am Bundesgerichtshof
Prof. [X.],

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger,
Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Vertreter der Nebenklägerin D.

,
Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Vertreter der Nebenklägerin M.

,

[X.]ustizobersekretärin

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 2. Februar 2017 werden verworfen.

2.
Die Rechtsmittelführer haben die Kosten ihrer Rechtsmit-tel zu tragen. Ferner werden der Staatskasse die durch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten auferlegt.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Frei-heitsstrafe von acht [X.]ahren verurteilt. Dagegen wenden sich der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit ihren jeweils auf den Strafausspruch beschränk-ten Rechtsmitteln. Die [X.] erstreben mit ihren Revisionen die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes.
Sämtliche Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

I.
Nach den Feststellungen
des [X.]s stand die später getötete Ehefrau des Angeklagten ab dem Spätsommer 2015 im Rahmen eines Online-1
2
3
-
4
-
Spiels über das [X.] in Kontakt mit dem Zeugen [X.].

. Es entwickelte sich daraus eine tägliche auch telefonisch und mittels [X.] geführte Kommu-nikation zwischen beiden. Einige Tage vor der verfahrensgegenständlichen [X.] trafen sich die Geschädigte und der Zeuge erstmals persönlich, ver-brachten ein Wochenende miteinander und waren dabei intim. Gegenüber dem Angeklagten hatte die Geschädigte wahrheitswidrig behauptet, einen Teil des Wochenendes mit einer Freundin zu verbringen. Nach der Rückkehr eröffnete die Geschädigte, ohne die Beziehung zu dem Zeugen [X.].

zu offenbaren, dem Angeklagten, nicht mehr mit ihm zusammenleben zu wollen. An den [X.] folgenden Tagen kam es zu einem zweiten, vom [X.] so bezeich-e-äußerten Trennungsabsichten. Am Folgetag regte sie sogar einen gemeinsa-men Urlaub mit der Familie der Schwester des Angeklagten an.
In der Tatnacht verließ die Geschädigte mit der unrichtigen Behauptung, mit einer Freundin telefonieren zu wollen, die gemeinsame Wohnung und führte
ein knapp eineinhalbstündiges
Telefonat mit dem Zeugen [X.].

. Nach ihrer Rückkehr kam es zu einem erneuten Gespräch mit dem Angeklagten über ihre h-n-den Angeklagten nach Intimverkehr mit [X.] bejahte dies die [X.] unter Lachen. Der Angeklagte erkannte nunmehr das täuschende Verhal-ten der Geschädigten an den vorangegangenen Tagen, war aufgrund dessen tief gekränkt und geriet wegen des als hämisch empfundenen Lachens
bei der Beantwortung der Frage nach Intimitäten mit [X.] in erhebliche Wut. Er ging deshalb auf die Geschädigte los. Im Zuge der [X.] mit der sich wehrenden Geschädigten, die mittlerweile rücklings auf dem Bett lag, drückte der Angeklagte mit direktem Tötungsvorsatz über einen Zeit-raum von wenigstens drei Minuten mit [X.] ihren Hals zu. Sie wurde nach 4
-
5
-
rund einer Minute dieser Einwirkung bewusstlos und verstarb an einer zentralen Lähmung als Folge der durch die massive Einwirkung auf den Hals hervorgeru-fenen Sauerstoffunterversorgung des Gehirns.

II.
Die Revisionen der [X.] D.

und M.

bleiben erfolgslos. Das [X.] hat ohne Rechtsfehler das Vorliegen von Mord-merkmalen und damit einen Schuldspruch wegen Mordes verneint.
1.
Beide Rechtsmittel sind zulässig erhoben. Die Revisionsbegründung der Nebenklägerin D.

lässt aufgrund des dort formulierten Antrags und der Sachausführungen unmissverständlich erkennen, dass mit der Verur-teilung des Angeklagten wegen Mordes statt wie geschehen wegen Totschlags ein im Rahmen der durch §
400 Abs.
1 StPO beschränkten Rechtsmittelbefug-nis der Nebenklage statthaftes Rechtsmittelziel verfolgt wird (vgl. [X.], [X.] vom 2. August 2016

2
StR 454/15 Rn.
2 mwN [[X.], 351 nur redaktioneller Leitsatz]). Auch die Revision der Nebenklägerin M.

genügt den aus §
400 Abs.
1 StPO resultierenden Begründungsanforderungen. Zwar verhält sich diese Begründungsschrift vornehmlich zu der als fehlerhaft gewerteten Anwendung von §
213 Alt.
2 StGB seitens des [X.]s, was von der Nebenklage nicht isoliert gerügt werden kann ([X.], Beschluss vom 21.
April 1999

2 [X.], [X.], 40). Die Zulässigkeit des Rechtsmittels wird aber
durch die vollumfängliche
inhaltliche Bezugnahme auf die Begründungschrift der Nebenklägerin D.

herbeigeführt.
2.
Die unterbliebene Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes hält revisionsrechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
5
6
7
-
6
-
a)
Heimtücke hat das [X.] ohne durchgreifenden Rechtsfehler wegen fehlender Arglosigkeit der Geschädigten verneint. Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung erweist sich unter Berücksichtigung des dafür [X.] eingeschränkten revisionsgerichtlichen [X.] (siehe nur [X.], Urteil vom 5. Dezember 2017

1 [X.] Rn.
17 mwN) als tragfähig. Der aus einer Äußerung der Geschädigten gegenüber ihrer Mutter, sie [X.] einen Messerangriff des Angeklagten, sollte dieser von ihrer (der Geschädig-ten) Beziehung zu dem Zeugen [X.].

erfahren, gezogene Schluss auf Arg-wohn gegenüber dem Angeklagten erweist sich als möglich und ist deshalb re-visionsrechtlich hinzunehmen. Der Senat besorgt nicht, dass das [X.] dieser Beweiswürdigung ein zu enges rechtliches Verständnis der Heimtücke, insbesondere des Elements der Arglosigkeit, zugrunde gelegt hat. Die Beweis-würdigung zu der bereits emotional aufgeladenen Gesprächssituation und der gten [X.] bezüglich der Arglosigkeit darauf abgestellt hat, ob das Opfer bei [X.] der (ersten) vom Tötungsvorsatz getragenen Tathandlung mit einem Angriff auf sein Leben gerechnet hat (dazu nur [X.], Beschluss vom 15.
November 2017

5 [X.], [X.], 97). Gerade das wird mit tragfähigen Erwä-gungen bejaht.
b)
Auch die Verneinung des Vorliegens niedriger Beweggründe hält unter
Berücksichtigung des dem Tatgericht dabei zustehenden Beurteilungsspiel-raums (st. Rspr.;
[X.], Urteile vom 12.
[X.]uni 2013

5 [X.], [X.], 524, 525 Rn. 7 und vom 29.
[X.]anuar 2015

4 [X.], [X.], 392, 393 sowie Beschluss vom 25.
Oktober 2010

1 StR 57/10, NStZ-RR 2011, 7, 8 jeweils mwN) rechtlicher Prüfung stand.
8
9
-
7
-
Beweggründe sind niedrig im Sinne von §
211 Abs.
2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher beson-ders, d.h. in deutlich weitreichenderem Maße als bei einem Totschlag, verach-tenswert sind. Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren, für die Handlungsantriebe des [X.] maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.;
etwa [X.], Urteile vom 1.
März 2012

3 [X.], [X.], 691, 692 Rn. 14
und vom 12.
[X.]uni 2013

5 [X.], [X.], 524, 525
Rn.
7
mwN). Daran gemessen trägt die Gesamtschau der vom [X.] getroffe-nen Feststellungen zu der handlungsleitenden Wut des Angeklagten über das vorangegangene Verhalten der Geschädigten (UA S.
14 f.) einerseits und dem S.
63) andererseits die Ablehnung niedriger Beweggründe. Es entspricht der Rechtsprechung des [X.], dass die Tötung des Intimpartners, der sich vom Täter abwenden will, nicht zwangsläufig als durch niedrige Be-weggründe motiviert bewertet werden muss (siehe nur [X.], Urteil vom 25.
[X.]uli 2006

5 [X.], [X.], 340, 342; [X.] in [X.] Kommentar zum StGB, 3.
Aufl., §
211 Rn.
105 mwN). Gerade der
Umstand, dass die Tren-nung vom Tatopfer ausgegangen ist, darf als gegen die Niedrigkeit des Beweg-grundes sprechender Umstand beurteilt werden (vgl. [X.] aaO). Gleiches gilt im Ergebnis für die beweiswürdigend belegte spontane affektive Erregung (vgl. [X.], Urteil vom 29.
[X.]anuar 2015

4 [X.], [X.], 392, 393) des Angeklagten, die aus seiner Wut über das täuschende Vorverhalten der [X.] und deren Reaktion in Gestalt von Grinsen und Lachen auf sein Weinen bei [X.] ihres intimen Verhältnisses zum Zeugen [X.].

resul-tierte.
10
-
8
-
3.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob auf die zulässigen, weil die unter-bliebene Verurteilung aus einem zur Nebenklage berechtigenden Delikt

hier §
211 StGB

beanstandenden Revisionen der [X.] der wegen Totschlags ergangene Strafausspruch revisionsrechtlicher Überprüfung [X.]. Der Senat neigt mit dem 3.
Strafsenat des [X.] ([X.], [X.] vom 23.
April 2002

3 [X.], [X.]R StPO §
400 Abs. 1 [X.] 3; siehe zudem [X.], Urteile vom 25.
November 2010

3 [X.], NStZ-RR
2011, 73, 74
und vom 30.
[X.]uli 2015

4 StR 561/14, [X.]R StPO §
400 Abs.
1 Prüfungsumfang 5, aber auch [X.], 26.
Aufl., §
400 Rn.
20) wegen der Beschränkung der Rechtsmittelberechtigung der Nebenkla-ge durch §
400 Abs.
1 Alt.
1 StPO dazu, einen derartigen Prüfungsumfang zu verneinen. Anderenfalls würde der Nebenklage mittelbar die durch die [X.] gesetzliche Beschränkung gerade ausgeschlossene Möglichkeit eröffnet, ohne Schuldspruchänderung eine andere, dem Angeklagten nachteilige Rechtsfolge zu erreichen. Darauf kommt es jedoch nicht entscheidungserheb-lich an. Denn aus den nachfolgenden, die Revision der Staatsanwaltschaft be-treffenden Gründen (unten III.) ergibt sich, dass der Strafausspruch keinen
den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler enthält.
III.
Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft
erzielt keinen Erfolg.
1.
Ausweislich der [X.] vom 2.
Februar 2017 und nach dem Inhalt der Begründungschrift, die sich ausschließlich zu den Voraussetzungen des minder schweren Falls gemäß §
213 Alt. 2 StGB verhält, ist die Revision trotz des umfassenden Aufhebungsantrags auf den Strafausspruch beschränkt. Die Beschränkung ist nach den dafür geltenden Maßstäben
(dazu nur [X.], 11
12
13
-
9
-
Urteil vom 5.
Dezember 2017

1 [X.] Rn.
10) wirksam. Einer vom Schuldspruch unabhängigen Überprüfung des Strafausspruchs entgegenste-hende Gründe sind, auch im Hinblick auf die Anwendung von §
213 Alt.
2 StGB (vgl. [X.], Urteile vom 14.
[X.]uli 1977

4 StR 291/77
Rn. 4 ff. [insoweit nicht ab-gedruckt in
N[X.]W 1977, 2086]
und
vom 21.
März 2017

1 [X.], [X.], 543 f.), nicht ersichtlich.
2.
Der Strafausspruch enthält keine den Angeklagten begünstigenden, revisionsgerichtlicher Kontrolle unterliegenden Rechtsfehler.
Die Annahme oder Nichtannahme eines minderschweren Falls gemäß §
213 Alt.
2 StGB kann als Akt der Strafzumessung lediglich auf dafür maßgeb-liche Rechtsfehler überprüft werden (siehe nur [X.], Urteile vom 26.
Februar 2015

1 StR 574/14, [X.], 582 und vom 9.
Februar 2017

1 StR 415/16, [X.], 168 f. jeweils mwN). Solche liegen jedoch nicht vor. Das Tatgericht hat die Annahme eines allgemeinen minderschweren Falls des Totschlags in der rechtlich gebotenen Weise auf eine Gesamtwürdigung ge-stützt. Die in diese eingestellten Strafzumessungskriterien lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Sie durften sämtlich mit der erfolgten [X.] zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt werden, ohne damit gegen anerkannte [X.] zu verstoßen.
Auch durchgreifende Lücken enthält die Gesamtabwägung nicht. Wie der [X.] ausgeführt hat, war das [X.] rechtlich nicht gehalten, die zur Tatzeit bestehende Blutalkoholkonzentration der Geschädig-ten von 0,86 Promille zu Lasten des Angeklagten zu berücksichtigen.
Soweit die Staatsanwaltschaft eine nähere Aufklärung der Art der von der Geschädigten gegenüber dem Angeklagten eingeräumten Intimität mit dem 14
15
16
17
-
10
-
Zeugen [X.].

vermisst, zeigt sie keinen sachlich-rechtlichen Mangel des [X.] auf. Eine Aufklärungsrüge wurde nicht erhoben.
3.
Der Strafausspruch enthält allerdings auch keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten, was der Senat gemäß §
301 StPO jedenfalls aufgrund der Revision der Staatsanwaltschaft in dem durch diese bestimmten Umfang (siehe [X.], Urteil vom 20. September 2017

1 [X.] Rn.
38 mwN) zu prüfen hat.
a)
Die Ablehnung eines minder schweren Falls des Totschlags gemäß §
213 Alt.
1 StGB, dessen Anwendung zu einer Berücksichtigung der vom [X.] für das Vorliegen eines allgemeinen minder schweren Falls gemäß §
213 Alt.
2 StGB herangezogenen strafmilderden Erwägungen bereits inner-halb des [X.] und damit zu einer geringeren Strafe hätte führen können, hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Prüfung stand.
aa)
Das [X.] hat das dem Tötungsgeschehen vorausgehende Verhalten der Geschädigten als schwere Beleidigung gewertet, wobei es in dem festgestellten Grinsen und Lachen im Kontext der
[X.] von [X.] mit dem Zeugen [X.].

e-sehen hat (UA S.

§
213 Alt. 1 StGB nicht gegeben, weil die Geschädigte den Angeklagten nicht bewusst provoziert habe (UA S.
64 und 65).
bb)
Mit diesen Erwägungen kann sich das [X.] auf ältere Recht-sprechung des [X.] stützen, die als notwendige Bedingung des §
213 Alt.
1 StGB eine vorsätzliche schwere Beleidigung im Sinne der vorge-nannten Vorschrift verlangt ([X.], Urteil vom 8.
April 1986

1 StR 104/86, [X.]St 34, 37 f.), jedenfalls aber für erforderlich hält, dass das provozierende Tatopfer sich des beleidigenden Charakters des eigenen Verhaltens bewusst 18
19
20
21
-
11
-
gewesen sein muss (vgl. [X.], Urteile vom 26.
März 1986

3 StR 49/86 und vom 25.
November 1987

3 [X.], [X.], 216; siehe auch [X.], Urteil vom 1.
September 2011

5 StR 266/11 Rn.

p-

cc)
An der Tragfähigkeit einer vorsätzlich oder zumindest im Bewusst-sein des provozierenden Charakters erfolgten Provokation (in der Gestalt einer Bedingung des §
213 Alt.
1 StGB bestehen aus Sicht des Senats Zweifel. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kommt es für das Eingrei-fen von §
213 Alt.
1 StGB darauf an, ob das provozierende Verhalten des spä-teren Tatopfers nach seinem Gewicht und den Umständen des Einzelfalls [X.] ist, die o-vozierende Verhalten des Opfers der nachfolgenden Tötungstat erscheinen zu lassen ([X.], Urteil vom 26.
Februar 2015

1 StR 574/14, [X.], 582 mwN). Dafür genügen nur solche Provokationen, die bei objektiver Betrachtung

nicht nur aus Sicht des [X.] ([X.], Beschluss vom 8.
September 2016

1 [X.], [X.], 11, 12 mwN)

geeignet sind, den Täter die [X.] als schwere Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit empfinden zu lassen und ihn deswegen in eine heftige Gemütsbewegung zu versetzen ([X.], Urteil vom 1.
September 2011

5 StR 266/11 Rn.
10; vgl. auch
Beschluss vom 21.
Dezember 2010

3 [X.], [X.], 339, 340). Ob diese Voraus-setzungen gegeben sind, ist auf der Grundlage einer Gesamtbewertung vorzu-nehmen, in die alle Umstände einzubeziehen sind, die dem konkreten Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Provokation durch das spätere Tatopfer sein Ge-präge geben (siehe nur [X.], Beschluss vom 21. Dezember 2010

3 StR
454/10, [X.], 339, 340;
Urteile
vom 26.
Februar 2015

1 StR 574/14, [X.], 582, 583 mwN und
vom 21.
März 2017

1 [X.], [X.], 543, 544
Rn. 15).
22
-
12
-
Nach diesen Grundsätzen erschließt sich die Erforderlichkeit einer sub-jektiven Komponente des provozierenden Opferverhaltens als notwendige Be-dingung des §
213 Alt.
1 StGB nicht. Die Begünstigung des [X.] findet ihre Ursache darin, dass bei einem nach sozialethischen Maßstäben [X.] ([X.] aaO, § 213 Rn.
17; vgl. auch [X.] in [X.]/
Schluckebier/[X.], StGB, 3. Aufl., § 213 Rn.
16) bei objektiver Betrach-tung des Gewichts des provozierenden Verhaltens nachvollzogen werden kann, warum sich der Täter zu der Tötungstat hat hinreißen lassen. [X.]e deutlicher das provozierende Verhalten geeignet ist, als schwere Beeinträchtigung der Per-sönlichkeit des [X.] gewertet zu werden, desto eher wird wegen der dadurch typischerweise ausgelösten heftigen Gemütsbewegung §
213 Alt.
1 StGB zur Anwendung gelangen. Eigenständiges Gewicht als notwendige Anwendungsvo-raussetzung kann einem Provokationsvorsatz oder -bewusstsein wegen der erforderlichen Auswirkungen der Provokation auf die Gemütslage des [X.] dabei aber nicht zukommen. Damit wird das Provokationsbewusstsein des spä-teren Opfers im Rahmen von §
213 Alt.
1 StGB nicht bedeutungslos. Vielmehr ist es regelmäßig als Abwägungsfaktor im Rahmen der gebotenen Gesamtwür-digung des Gewichts des der Tötung vorausgehenden Opferverhaltens einzu-stellen. Fehlte dem späteren Opfer des Tötungsdelikts

für den Täter erkenn-bar

das Bewusstsein durch eine Misshandlung oder schwere Beleidigung den Täter zu provozieren, wäre dies typischerweise als das Gewicht der Provokati-on minderndes Kriterium zu berücksichtigen.
dd)
Im Ergebnis hält die Ablehnung von §
213 Alt.
1 StGB durch das [X.] dennoch Stand. Denn auf der Grundlage seiner rechtsfehlerfrei festgestellten, für die Gesamtwürdigung relevanten Umstände kann ausge-schlossen werden, dass das [X.] zur Annahme der Voraussetzungen des §
213 Alt.
1 StGB gelangt wäre, wenn es ein Provokationsbewusstsein nicht als notwendige Bedingung verstanden hätte. Es hat bei der Bewertung 23
24
-
13
-
der Schwere der Beleidigung dem Grinsen und Lachen der Geschädigten als Reaktion auf das Weinen des Angeklagten bei Offenbaren von Intimitäten mit dem Zeugen [X.].

entscheidendes Gewicht beigemessen (UA S.
63 f.).
Das ist im rechtlichen Ausgangspunkt nicht zu beanstanden. Denn weder die Auf-nahme eines ehewidrigen intimen Verhältnisses als solches (vgl. [X.], Urteil vom 22.
September 1981

1 [X.], [X.], 27) noch dessen Einge-ständnis gegenüber dem Ehepartner [X.], StGB, 65.
Aufl., §
213 Rn.
6) vermögen in aller Regel die Voraussetzungen der Provokationsalternative zu begründen. Es bedurfte daher weiterer auf den Einzelfall bezogener Umstände, zu können. Solche hat das [X.] zwar vor allem in dem Verhalten der Geschädigten bei dem Einräumen des intimen Kontakts zum Zeugen [X.].

gesehen. Im Rahmen der erfolgten Gesamtwürdigung war das [X.] aber berechtigt, das rechtsfehlerfrei festgestellte Fehlen eines Beleidigungsbe-wusstseins der Geschädigten als ausschlaggebendes Kriterium gegen die An-wendung von §
213 Alt.
1 StGB zu gewichten. Dass es dabei eine derartige Komponente offenbar als notwendige Bedingung erachtet hat, steht nicht ent-gegen. Denn das [X.] durfte im Rahmen der ihm zustehenden Wertung diesen Aspekt als tragend gegen das Eingreifen der Provokationsalternative beurteilen.
b)
Die Annahme eines unbenannten minder schweren Falls gemäß §
213 Alt.
2 StGB wirkt sich nicht zu Lasten des Angeklagten aus.
c)
Die konkrete Strafzumessung des [X.]s innerhalb des [X.] aus §
213 StGB weist unter Berücksichtigung der begrenzten revisionsgerichtlichen Überprüfung (siehe nur [X.], Urteil vom 24. Oktober 2017

1 [X.] Rn. 9 mwN [in NStZ-RR 2018, 56 nur redaktioneller
Leit-satz]) keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler auf.
25
26
-
14
-
aa)
Soweit die Revision des Angeklagten befürchtet, das [X.] habe den rechtsfehlerfrei festgestellten direkten Tötungsvorsatz des Angeklag-ten unter Verstoß gegen §
46 Abs.
3 StGB zu dessen Lasten berücksichtigt, findet dies im Urteil keine Stütze. Die tatrichterlichen Strafzumessungserwä-gungen haben die Vorsatzform nicht zum Gegenstand. Es kommt daher nicht darauf an, ob eine solche Berücksichtigung überhaupt rechtsfehlerhaft wäre (vgl. dazu die Anfrage in [X.], Beschluss vom 1.
[X.]uni 2016

2 [X.], [X.], 216 ff.).
bb)
Die Höhe der innerhalb des [X.] aus §
213 StGB gefundenen Strafe ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar kann es im Einzelfall rechtsfehlerhaft sein, wenn das Tatgericht bei einer Vielzahl von fest-gestellten Schuldminderungsgründen und ausdrücklich festgestellten Fehlens von Schulderhöhungsgründen ohne nähere Begründung eine deutlich oberhalb des Mindestmaßes liegende Strafe verhängt ([X.], Beschluss vom 10. Mai 2016

1 [X.], [X.], 241 f. mwN). Allerdings kann aus dem Fehlen expliziter Benennung von die [X.] erhöhenden Gründen nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, solche lägen nach Wertung des
Tatrichters nicht vor. Denn in den Urteilsgründen muss er lediglich die nach seiner Beurteilung für die Strafe bestimmenden Umstände angeben (§
267 Abs.
3 Satz
1 StPO); eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumes-sungsgesichtspunkte ist weder gesetzlich vorgeschrieben noch möglich (st. Rspr.;
[X.], Urteil vom 24.
Oktober 2017

1 [X.] Rn. 14 mwN).
Bei der konkreten Zumessung der Strafe hat das [X.] ausge-führt, den bereits für die Annahme des [X.] aus §
213 StGB herangezogenen Strafmilderungsgrundes deshalb lediglich noch mit ge-ringerem
Gewicht berücksichtigt zu haben. Das lässt Rechtsfehler nicht erken-nen. Die Verhängung einer Strafe im oberen Bereich des Strafrahmens aus 27
28
29
-
15
-
§
213 StGB ist dann nicht zu beanstanden. Bei dem Eingreifen eines

wie hier

[X.]
kann das Gewicht von zu dessen Begründung herangezogenen Strafmilderungsgründen so weit relativiert sein, dass sie in-nerhalb dieses Rahmens kaum noch mildernde Wirkung zu entfalten vermögen und deshalb gegen den Täter sprechende Umstände, insbesondere die Schwe-re der Tat, eine Strafe im oberen Bereich des gemilderten Strafrahmens [X.] ([X.], Urteil vom 21.
April 1987

1 [X.], [X.]St 34, 355, 360). Die getroffenen Feststellungen zum Tötungsgeschehen belegen den Schwere-grad der Tat.

IV.
Die ebenfalls wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten dringt aus den vorstehend zu [X.]) dargelegten Gründen nicht durch.

30
-
16
-
V.
Für die vorliegende Konstellation ist im Revisionsverfahren eine Ent-scheidung über die notwendigen Auslagen der Beteiligten nur insofern veran-lasst, als diese das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und die hierdurch ver-ursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten betrifft ([X.], Urteil vom 4.
September 2014 -
4 StR 473/13 Rn.
96 [insoweit in [X.]St 59, 292 ff. nicht abgedruckt]).
Raum Graf [X.]äger

Cirener Radtke
31

Meta

1 StR 351/17

21.02.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.02.2018, Az. 1 StR 351/17 (REWIS RS 2018, 13533)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13533

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 351/17 (Bundesgerichtshof)

Totschlag: Minder schwerer Fall bei Provokation des Täters durch ehewidriges intimes Verhältnis


5 StR 432/22 (Bundesgerichtshof)


1 StR 372/16 (Bundesgerichtshof)

Totschlag: Vorliegen eines minderschweren Falls bei vorhergehender Beleidigung durch das Tatopfer


4 StR 575/09 (Bundesgerichtshof)

Gefährliche Körperverletzung: Stiche mit einem Schraubendreher als Leben gefährdende Behandlung; Täter-Opfer-Ausgleich


1 StR 393/17 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.