Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.03.2016, Az. VII E 9/15

7. Senat | REWIS RS 2016, 14847

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Gegenstand

Gerichtskosten bei Verletzung des Vertretungszwangs


Leitsatz

NV: Legt der Steuerpflichtige eine Nichtzulassungsbeschwerde persönlich ein, obwohl in der Rechtsbehelfsbelehrung ausdrücklich auf den Vertretungszwang hingewiesen worden war, kommt auch bei Rücknahme der Beschwerde keine Nichterhebung der Gerichtskosten gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG wegen unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse in Betracht .

Tenor

Die Erinnerung gegen die Kostenrechnung des [X.] [X.] vom 20. März 2015 [X.] ... ([X.]/15) wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht ([X.]) wies mit Urteil vom 4. Dezember 2014  5 K 2900/14 die Klage des [X.] (Kostenschuldner) auf Feststellung der Zahlungsverjährung bestimmter Steuerforderungen als unzulässig ab. Zur Begründung verwies das [X.] auf die Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Klage gegen einen Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung.

2

Am 16. Januar 2015 legte der Kostenschuldner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein. Der Senat führt diese Beschwerde unter dem Aktenzeichen VII B 11/15. Nachdem die Geschäftsstelle des Senats den Kostenschuldner mit Schreiben vom 22. Januar 2015 auf den [X.] gemäß § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) und den Ablauf der Rechtsmittelfrist hingewiesen hatte, nahm der Kostenschuldner seine Beschwerde zurück. Daraufhin stellte der Senat das Verfahren VII B 11/15 mit Beschluss vom 25. Februar 2015 ein.

3

Mit der streitigen Kostenrechnung vom 20. März 2015 [X.] … stellte die Kostenstelle des [X.] ([X.]) dem Kostenschuldner Gerichtskosten gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Abs. 1 und 2 sowie § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Höhe von 2.641 € in Rechnung. Dies entspricht einer vollen Gebühr auf Grundlage des Streitwerts in Höhe von 343.600 €.

4

Mit seiner Erinnerung macht der Kostenschuldner geltend, er habe die Beschwerde rein vorsorglich aufgrund des [X.] zurückgenommen. Ein juristischer Laie habe nicht wissen können, dass zuvor schon Kosten entstanden seien. Aufgrund der fehlenden Vertretung durch einen Rechtsbeistand und der abgelaufenen Rechtsbehelfsfrist sei die Beschwerde im Übrigen unwirksam. Das Verfahren hätte sich deshalb auch ohne Rücknahme erledigt. In jedem Fall widerspreche die Kostenrechnung in Höhe von 2.641 € dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Grundsatz von [X.] und Glauben.

5

Das Amtsgericht … hob das am … 2013 über das Vermögen des [X.] eröffnete Insolvenzverfahren mit öffentlicher Bekanntmachung vom … 2013 auf. Das [X.] teilte dem Kostenschuldner die Niederschlagung der Kostenforderung in Höhe von 2.641 € mit. Den Erlass der Forderung hatte es zuvor abgelehnt.

Entscheidungsgründe

6

II. [X.] hat keinen Erfolg.

7

1. Die Entscheidung über die Erinnerung ergeht gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 5 GKG durch den Einzelrichter.

8

2. Die von dem Kostenschuldner persönlich eingelegte Erinnerung ist statthaft und zulässig. Anträge und Erklärungen können im Erinnerungsverfahren gemäß § 66 Abs. 5 Satz 1 GKG ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht werden. Dies gilt trotz des [X.]s gemäß § 62 Abs. 4 [X.]O auch für die beim [X.] geführten Erinnerungsverfahren ([X.]-Beschluss vom 20. August 2012 I E 2/12, [X.]/NV 2013, 46).

9

3. [X.] ist jedoch unbegründet. Die Kostenrechnung vom 20. März 2015 ist nicht zu beanstanden.

a) Mit der Erinnerung gegen den Kostenansatz (§ 66 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 19 GKG) können nur Einwendungen erhoben werden, die sich gegen die Kostenrechnung selbst richten, d.h. gegen Ansatz und Höhe einzelner Kosten oder gegen den zugrunde liegenden Streitwert ([X.]-Beschluss vom 18. August 2015 III E 4/15, [X.]/NV 2015, 1598).

Die vom Kostenschuldner persönlich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde war zwar wegen Verletzung des [X.]s gemäß § 62 Abs. 4 [X.]O unwirksam. Entgegen der Auffassung des Kostenschuldners führte dies aber nicht dazu, die Beschwerde als völlig gegenstandslos zu behandeln. Vielmehr war sie im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens zu bearbeiten und hätte ohne die vom Kostenschuldner erklärte Rücknahme als unzulässig zurückgewiesen werden müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 13. März 2002 VII B 7/02, [X.]/NV 2002, 943). Mit Abschluss des Verfahrens fallen somit Gerichtskosten nach Nr. 6500 oder 6501 des in Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG enthaltenen Kostenverzeichnisses an. Im Streitfall sind die Gerichtskosten wegen der Rücknahme zutreffend gemäß Nr. 6501 auf eine volle Gebühr abgesenkt worden.

Auch die Höhe der Gebühr ist nicht zu beanstanden. Sie richtet sich insbesondere nach dem Streitwert, der Art des Verfahrens sowie der Art und Weise des Abschlusses des Verfahrens. Dies sind sachgerechte Kriterien, die im Rahmen einer zulässigen Pauschalisierung u.a. den vom Gericht benötigten Aufwand berücksichtigen. Selbst wenn das Gericht im Einzelfall einen besonders geringen Aufwand gehabt haben sollte, können entgegen der Auffassung des Kostenschuldners weder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch der Grundsatz von Treu und Glauben zu einer Minderung der Gebühren führen, zumal die Nichterhebung der Gerichtskosten nach § 21 GKG sowie die vom Kostenschuldner bereits durchgeführten Verfahren der Niederschlagung und des Erlasses der Gerichtskosten zur Verfügung stehen.

Gegen die Höhe des Streitwerts hat der Kostenschuldner keine Einwände erhoben. Die Kostenrechnung geht hier zutreffend von dem Steuerbetrag aus, über dessen Zahlungsverjährung gestritten worden ist (§ 52 Abs. 1 und 3 GKG).

b) [X.] der Kosten gemäß § 21 GKG kommt im Streitfall nicht in Betracht. Es liegen weder eine unrichtige Sachbehandlung durch das Gericht gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG noch eine unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG vor.

Das [X.] hat in seiner Rechtsmittelbelehrung zutreffend auf den [X.] beim [X.] hingewiesen. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum der Kostenschuldner diese Belehrung nicht beachtet hat. Insbesondere genügt ihr Hinweis auf den "Status" des juristischen Laien nicht, um angesichts dieser Belehrung von einer unverschuldeten Unkenntnis der prozessualen Rechtslage auszugehen. Denn entweder hat er den [X.] zur Kenntnis genommen und ihn bewusst nicht beachtet; dann fehlt es an der Unkenntnis. Oder er hat die unmissverständliche Rechtsbehelfsbelehrung nicht oder nicht vollständig zur Kenntnis genommen, so dass seine Unkenntnis auf Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt beruht und somit nicht unverschuldet ist (vgl. [X.]-Beschluss vom 4. September 2014 VIII E 4/14, nicht veröffentlicht). Im Übrigen wusste der Kostenschuldner spätestens nach Abschluss des [X.]-Verfahrens, dass die Inanspruchnahme der Gerichte mit Gerichtskosten verbunden ist.

4. Das Verfahren über die Erinnerung ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Meta

VII E 9/15

09.03.2016

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

§ 21 Abs 1 S 3 GKG, § 66 Abs 1 S 1 GKG, § 62 Abs 4 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 09.03.2016, Az. VII E 9/15 (REWIS RS 2016, 14847)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14847

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