Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.12.2013, Az. 4 C 15/12

4. Senat | REWIS RS 2013, 273

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Gegenstand

Belang des Denkmalschutzes nach Zerstörung des Denkmals durch ungenehmigte bauliche Maßnahmen


Leitsatz

Wird durch ungenehmigte bauliche Maßnahmen die Denkmaleigenschaft eines im Außenbereich belegenen Bauwerks zerstört, kann die Genehmigungsfähigkeit der durchgeführten Maßnahmen jedenfalls nicht mehr am öffentlichen Belang des Denkmalschutzes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 4 BauGB) scheitern.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Eigentümer eines Seeufergrundstücks in der Gemeinde [X.]. Das Grundstück ist mit einem von dem Maler [X.] erbauten Hauptgebäude, das im Verlauf der 1980er Jahre in die Denkmalliste, Teil Baudenkmäler, eingetragen wurde ("eingeschossiges Landhaus im Norwegerstil, mit [X.], erbaut 1900"), sowie mit Nebengebäuden bestanden. In den Jahren 2005 und 2006 erhielt der Kläger Baugenehmigungen zum "Umbau und Sanierung der Kellerräume im bestehenden Wohnhaus und zur Errichtung einer aufgeständerten Terrasse" sowie zur "Sanierung des Daches und zum Einbau von zwei zusätzlichen Dachgauben".

2

Anlässlich einer im Dezember 2006 durchgeführten [X.] stellte die Bauaufsichtsbehörde fest, dass der Kläger bei der Bauausführung erheblich von den genehmigten Bauplänen abgewichen war. Nachdem der Kläger angehört worden war, verpflichtete ihn das Landratsamt mit Bescheid vom 25. September 2007 zur Beseitigung des "Hauptgebäudes" und drohte für den Fall der Nichtbefolgung die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 15 000 € an. Den vom Kläger zwischenzeitlich gestellten Bauantrag lehnte es ab. Gegen die Entscheidungen erhob der Kläger Klage, die jedoch nur in Bezug auf die Beseitigungsanordnung erfolgreich war.

3

Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage auch hinsichtlich der Beseitigungsanordnung abgewiesen. Diese sei rechtmäßig, weil infolge der im Außenbereich ungenehmigt durchgeführten Baumaßnahmen das Wohngebäude seine Eigenschaft als Denkmal verloren habe und deshalb die Belange des Denkmalschutzes (§ 35 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) beeinträchtigt seien.

4

Gegen das Berufungsurteil hat der Kläger die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Der Beklagte verteidigt das Urteil.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision des [X.], über die der [X.] mit Einverständnis der [X.]eteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. §§ 141, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist begründet. Das [X.]erufungsurteil verletzt [X.]undesrecht (1.) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO) dar (2.); es ist aufzuheben. Zur Entscheidung in der Sache bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen. Das Verfahren ist deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

6

1. Das [X.]erufungsgericht hat die verfahrensgegenständliche [X.]eseitigungsanordnung an Art. 82 Satz 1 der [X.] in der Fassung der [X.]ekanntmachung vom 4. August 1997, GV[X.]l S. 588 ([X.]ay[X.]O 1998) gemessen. Danach kann die [X.]auaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige [X.]eseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert worden sind und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Verwaltungsgerichtshof bejaht. Die vom Kläger im Außenbereich abweichend von den ihm erteilten [X.]augenehmigungen durchgeführten baulichen Maßnahmen (§ 29 Abs. 1 [X.]auG[X.]) widersprächen bauplanungsrechtlichen Vorschriften ([X.] Rn. 3). Sie seien schon deshalb nicht genehmigungsfähig, weil sie die [X.]elange des [X.] (§ 35 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.]) beeinträchtigten. Denn die vom Kläger durchgeführten Maßnahmen hätten zum Verlust der [X.] des Gebäudes und damit zur Zerstörung des Denkmals geführt. Die [X.]eeinträchtigung des [X.]elangs des [X.] entfalle nicht etwa deswegen, weil das [X.]audenkmal bereits beseitigt worden sei. [X.]ei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einer bereits ausgeführten [X.]aumaßnahme sei auf den Zeitpunkt unmittelbar vor [X.]eginn dieser Maßnahme abzustellen. Andernfalls würde das gesetzgeberische Anliegen des [X.] weitgehend leerlaufen, weil die eigenmächtige [X.]eseitigung eines [X.]audenkmals stets dazu führen würde, dass dieser öffentliche [X.]elang einem [X.]auvorhaben nicht mehr entgegengehalten werden könne ([X.] Rn. 8).

7

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer [X.]eseitigungsanordnung u.a., dass die bauliche Anlage, deren [X.]eseitigung gefordert wird, nicht genehmigungsfähig ist. Hieran ist der [X.] nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO gebunden, da die Vorinstanz insoweit die landesrechtliche und nicht revisible Vorschrift des Art. 82 Satz 1 [X.]ay[X.]O 1998 ausgelegt und angewandt hat. Nicht dieser Regelung, sondern derjenigen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] hat sie entnommen, dass es für die [X.]eurteilung der Genehmigungsfähigkeit der vom Kläger vorgenommenen [X.]aumaßnahme auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt unmittelbar vor ihrer Durchführung ankommt. Das ist mit [X.]undesrecht nicht vereinbar. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] beantwortet nicht die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die [X.]eurteilung der Genehmigungsfähigkeit einer [X.]aumaßnahme abzustellen ist, durch die eine bauliche Anlage ihre Eigenschaft als [X.]audenkmal verloren hat.

8

Der [X.] hat entschieden, dass es nach allgemeinen Grundsätzen für die [X.]eurteilung der Rechtmäßigkeit einer [X.]eseitigungsanordnung grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung ankommt ([X.]eschluss vom 11. August 1992 - [X.]VerwG 4 [X.] 161.92 - [X.] 406.17 [X.]auordnungsrecht Nr. 40 = NVwZ 1993, 476). Ob dies auch hier gilt oder wegen der Formulierung "wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können" in Art. 82 Satz 1 [X.]ay[X.]O 1998 und mit [X.]lick auf Art. 14 Abs. 1 GG und den verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen und daher zu prüfen ist, ob sich die Sach- und Rechtslage dergestalt verändert hat, dass die bauliche Anlage nunmehr genehmigungsfähig ist, kann offen bleiben. Denn nach den mit zulässigen und begründeten [X.] nicht angegriffenen und den [X.] deshalb nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs war bereits zum insofern frühest möglichen maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der [X.]eseitigungsanordnung die [X.] des klägerischen Wohnhauses infolge seiner nahezu vollständigen Entkernung entfallen. Die Genehmigungsfähigkeit des Umbaus konnte damit nicht mehr am öffentlichen [X.]elang des [X.] in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 4 [X.]auG[X.] scheitern.

9

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Zeitpunkt für die Genehmigungsfähigkeit vorverlegt, um dem Anliegen des [X.] in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] Rechnung zu tragen. Er entnimmt der Vorschrift, dass die eigenmächtige [X.]eseitigung eines [X.]audenkmals nicht ohne Folgen für den [X.]auherrn bleiben dürfe. Das trifft so nicht zu. Das [X.]auplanungsrecht hat nicht die Aufgabe, rechtswidriges Verhalten zu sanktionieren. Dafür gibt es andere rechtliche Instrumentarien. Werden bauliche Maßnahmen unter Verstoß gegen geltendes Recht, insbesondere ohne die hierfür erforderliche [X.]augenehmigung durchgeführt, kann dies auf der Grundlage entsprechender Ordnungswidrigkeitentatbestände in den Ländern (hier: Art. 89 Abs. 1 Nr. 10 [X.]ay[X.]O 1998 bzw. seit 1. Januar 2008 Art. 79 Abs. 1 Nr. 8 [X.]ay[X.]O) mit Geldbuße geahndet werden. Für den Fall der [X.]eeinträchtigung oder Zerstörung eines [X.]audenkmals enthält zudem das [X.] ([X.]) in Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 einen entsprechenden [X.]ußgeldtatbestand. Ferner ermächtigt Art. 15 Abs. 3 [X.] die [X.] u.a. für den Fall, dass die [X.]eseitigung oder Veränderung eines [X.]audenkmals ohne die erforderliche Genehmigung durchgeführt wurde, dazu, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands zu verlangen, soweit dies noch möglich ist. Über Art. 15 Abs. 4 [X.] ist der widerrechtlich Handelnde zudem - und unabhängig von der Verhängung einer Geldbuße - zur Wiedergutmachung des von ihm angerichteten Schadens bis zu dessen vollem Umfang verpflichtet.

Das gesetzgeberische Anliegen, das hinter § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 4 [X.]auG[X.] steht, läuft damit - anders als der Verwaltungsgerichtshof meint - nicht leer. Die Vorschrift verdrängt die landesrechtlichen [X.]estimmungen nicht. Sie gewährleistet nur ein Mindestmaß an bundesrechtlich eigenständigem, von landesrechtlicher Regelung unabhängigem Denkmalschutz; im Verhältnis zu den denkmalrechtlichen Vorschriften, die nach § 29 Abs. 2 [X.]auG[X.] unberührt bleiben, hat sie eine [X.] (Urteil vom 21. April 2009 - [X.]VerwG 4 C 3.08 - [X.]VerwGE 133, 347 Rn. 21 = [X.] 11 Art. 14 GG Nr. 361).

2. Das Urteil des [X.]erufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob das klägerische Vorhaben gegebenenfalls andere öffentliche [X.]elange [X.]. § 35 Abs. 3 [X.]auG[X.] beeinträchtigt, namentlich ob es - wovon das Landratsamt im verfahrensgegenständlichen [X.]escheid ausgegangen ist - den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]auG[X.]), die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.]) oder die Erweiterung (näherliegend wohl die Verfestigung) einer Splittersiedlung befürchten lässt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 [X.]auG[X.]). Das zwingt zur Zurückverweisung der Sache (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

Die möglicherweise beeinträchtigten [X.]elange sind nicht gemäß § 35 Abs. 4 [X.]auG[X.] unbeachtlich, denn - anders als der Kläger meint - liegen die Voraussetzungen der dort genannten [X.]egünstigungstatbestände nicht vor, namentlich ist § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 [X.]auG[X.] nicht einschlägig. Wie der [X.] bereits entschieden hat, ist die erleichterte Zulassung eines Außenbereichsvorhabens nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 [X.]auG[X.] zwar nicht auf unwesentliche Änderungen oder Nutzungsänderungen beschränkt. Ausgeschlossen sind indes Veränderungen, die einer Neuerrichtung oder einer Erweiterung im Sinne des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 3, 5 und 6 [X.]auG[X.] gleichkommen ([X.]eschluss vom 18. Oktober 1993 - [X.]VerwG 4 [X.] 160.93 - [X.] 406.11 § 35 [X.]auG[X.] Nr. 287). Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit für den [X.] bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs (§ 137 Abs. 2 VwGO) kommen die vom Kläger durchgeführten Maßnahmen vorliegend einem Neubau gleich ([X.] Rn. 10).

3. Auf die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehler ist nicht mehr einzugehen. Soweit es sich hierbei nicht ohnehin um in Verfahrensrügen gekleidete materielle [X.] handelt, greifen sie nicht durch. Da sie allesamt nicht unter § 138 VwGO fallen, sieht der [X.] gemäß § 144 Abs. 7 Satz 1 VwGO von einer [X.]egründung ab.

Meta

4 C 15/12

12.12.2013

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 20. September 2011, Az: 1 B 11.1011, Urteil

§ 29 Abs 1 BauGB, § 35 Abs 3 S 1 Nr 5 Alt 4 BauGB, § 35 Abs 4 S 1 Nr 4 BauGB, Art 82 S 1 BauO BY, § 144 Abs 3 S 1 Nr 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.12.2013, Az. 4 C 15/12 (REWIS RS 2013, 273)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 273

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Referenzen
Wird zitiert von

22 ZB 15.1760

M 8 K 14.3265

15 B 13.424

AN 3 K 20.00288

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