Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.04.2020, Az. B 13 R 170/18 B

13. Senat | REWIS RS 2020, 2528

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - schuldhafte Fristversäumung - Pflicht des Prozessbevollmächtigten zur eigenverantwortlichen Ermittlung des Fristendes


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 15. Juni 2018 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Das [X.] hat mit Urteil vom 15.6.2018 einen Anspruch des [X.] auf Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

2

Wegen der Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger persönlich am 11.7.2018 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und gleichzeitig Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Der Senat hat ihm mit Beschluss vom [X.] bewilligt und seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Der Beschluss ist dem Kläger am [X.], seinem Prozessbevollmächtigten am 26.8.2019, zugestellt worden. Im Begleitschreiben für den Prozessbevollmächtigten ist darauf hingewiesen worden, dass die Frist zur Einlegung einer formgültigen Nichtzulassungsbeschwerde sowie für die Einreichung der Beschwerdebegründung mit Zustellung des Bewilligungsbeschlusses an den Kläger beginne. Das Datum der Zustellung an den Kläger könne telefonisch auf der Geschäftsstelle erfragt werden. Die vom Prozessbevollmächtigten des [X.] gefertigte Nichtzulassungsbeschwerde ist am [X.] eingegangen. Mit einem am [X.] eingegangenen Fax vom selben Tage beantragte dieser die Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung um einen Monat. Nach Hinweis des Berichterstatters auf den Ablauf der Begründungsfrist bereits am [X.] begründete der Kläger die Beschwerde am [X.] und beantragte die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist. Die in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten tätige, ansonsten stets sorgfältig arbeitende und zuverlässige Bürovorsteherin habe die Frist ausgehend von der Zustellung beim Prozessbevollmächtigten notiert; ein Abgleich mit dem Zustellzeitpunkt beim Kläger sei versehentlich nicht erfolgt, was in der Vergangenheit noch nicht vorgekommen und offensichtlich als "Ausreißer" zu werten sei. Der Fehler sei erst aufgrund des Hinweises des Berichterstatters auf den Ablauf der Begründungsfrist bemerkt worden.

3

II. Die nicht in der gesetzlichen Frist begründete Beschwerde ist unzulässig. Deshalb ist sie durch Beschluss ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.]).

4

Nach § 160a Abs 2 Satz 1 [X.] ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Im Falle der vorausgegangenen Bewilligung von PKH für eine noch nicht formgerecht eingelegte und begründete Beschwerde gilt dies in der Weise entsprechend, dass die [X.] für die Einreichung der Beschwerdebegründung mit der Zustellung des Beschlusses über die Bewilligung der PKH an den Antragsteller beginnt (BSG Beschluss vom 6.10.2016 - B 5 R 45/16 B - juris RdNr 13; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 73a RdNr 5g mwN). Da der Beschluss vom [X.] dem Kläger am [X.] wirksam zugestellt worden ist, begann die Begründungsfrist am 25.8.2019 (§ 64 Abs 1 [X.]) und lief am [X.] (§ 64 Abs 2 Satz 1 [X.]) ab, so dass der Antrag auf Verlängerung der Beschwerdefrist (§ 160a Abs 2 Satz 2 [X.]) und die Beschwerdebegründung am [X.] bzw [X.] verspätetet beim BSG eingingen.

5

Die vom Kläger beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der [X.] ist abzulehnen. Der Kläger war - anders als nach § 67 Abs 1 [X.] erforderlich - nicht ohne Verschulden verhindert, die hierfür geltende gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Der Kläger hat schuldhaft die [X.] versäumt, da er sich das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 73 Abs 4 Satz 1 [X.] iVm § 85 Abs 2 ZPO). Dieser hat schuldhaft das Ende der Frist nicht selbst ermittelt. Der Prozessbevollmächtigte des [X.] durfte sich nicht allein auf die Eintragung der [X.] durch die Bürovorsteherin im [X.] und in der Handakte verlassen, als ihm die Akten zur Beschwerdeeinlegung und entsprechend der für die Beschwerdebegründung eingetragenen Vorfrist am [X.] vorgelegt worden sind. Wird - wie hier - dem Prozessbevollmächtigten die Sache zur Vorfrist einer beabsichtigten Rechtsmittelbegründung vorgelegt, hat er in eigener Verantwortung festzustellen, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten wurde (BSG Beschluss vom 10.3.2008 - B 1 KR 29/07 R - juris RdNr 3 mwN). Darüber hinaus hat ein Rechtsanwalt den Ablauf von [X.] immer dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm - wie vorliegend zur Beschwerdeeinlegung - die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden. In diesem Fall muss er auch alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notierung in den Handakten prüfen (stRspr; zB [X.] Beschluss vom 15.9.2015 - [X.] 37/14 - NJW-RR 2015, 1468 - juris RdNr 7; [X.] Urteil vom 25.9.2014 - III ZR 47/14 - NJW 2014, 3452 - juris RdNr 8 mwN; vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 67 RdNr 9e mwN).

6

Hätte der Prozessbevollmächtigte des [X.] entsprechend diesen Anforderungen bei der Aktenbearbeitung aus Anlass der Beschwerdeeinlegung oder zeitnah nach Vorlage der Akten entsprechend der Vorfrist zur Fertigung der Beschwerdebegründung am [X.] das Fristende selbst und eigenverantwortlich überprüft, hätte er den Fehler noch rechtzeitig entdecken und entweder die Beschwerdebegründung oder einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist (§ 160a Abs 2 Satz 2 [X.]) rechtzeitig am [X.] beim BSG einreichen können. Indem er dies unterließ, hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] die Säumnis verschuldet, was sich der Kläger zurechnen lassen muss.

7

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

Meta

B 13 R 170/18 B

06.04.2020

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Karlsruhe, 26. Juni 2017, Az: S 2 R 770/16, Gerichtsbescheid

§ 64 Abs 1 SGG, § 64 Abs 2 S 1 SGG, § 67 Abs 1 SGG, § 73 Abs 4 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 2 SGG, § 85 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.04.2020, Az. B 13 R 170/18 B (REWIS RS 2020, 2528)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2528

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VI ZB 37/14

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