Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.03.2018, Az. IX ZB 95/15

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 13066

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:010318BIXZB95.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX
ZB
95/15

vom

1. März 2018

in dem Insolvenzverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 36 Abs. 1 Satz 2; ZPO § 850i Abs. 1
Ein Schuldner, der seinen Lebensunterhalt aus erwirtschafteten [X.]n be-streitet, kann im Insolvenzverfahren Pfändungsschutz für sonstige Einkünfte bean-tragen, auch wenn die [X.] im Zuge einer vereinbarten stillen Zwangsver-waltung an einen Gläubiger abgeführt werden, dem der Schuldner die Mietforderun-gen als Sicherheit
abgetreten und dem er Grundschulden an den Mietobjekten be-stellt hat.

[X.], Beschluss vom 1. März 2018 -
IX [X.]/15 -
LG [X.] (Oder)

AG [X.] (Oder)

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Dr.
Kayser,
[X.] Dr. Gehrlein, Prof. [X.], [X.] und die Richterin Möhring

am
1. März 2018
beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des [X.]s [X.] (Oder) vom 13. No-vember 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 t-gesetzt.

Gründe:

I.

Der Schuldner ist Eigentümer zweier mit Mehrfamilienhäusern bebauter Grundstücke, die mit Darlehen einer Sparkasse finanziert wurden. Zur Siche-rung der Ansprüche auf Rückzahlung der Darlehen trat der Schuldner seine gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche gegen die Mieter und Pächter der 1
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beiden Häuser an die Sparkasse ab. Ferner sind zugunsten der Sparkasse im Grundbuch an beiden Grundstücken Grundschulden im Nennbetrag von jeweils

l-venzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Die Sparkasse Insolvenzverwalterin bestellte weitere Beteiligte zieht im Wege der so [X.] die Miete/Pacht (nachfolgend nur noch zusammenfassend: Miete) führt sie nach Abzug eines Betrags für die Feststellung und Verwertung an die Sparkasse ab.

Der Schuldner hat mit Schreiben vom 6. Februar 2015 beantragt, ab [X.]; nur dann verbleibe ihm unter Berücksichtigung seiner sonstigen Einkünfte und bei Abzug des Krankenversicherungsbeitrags der nach § 850c ZPO pfand-

Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die sofortige Be-schwerde der weiteren Beteiligten hat das [X.] den Antrag zurückge-wiesen. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen Freistellungsantrag weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht im voll-streckungsrechtlichen Rechtszug nach § 567 Abs. 1, § 793 ZPO, § 36 Abs. 4 Satz 1 [X.] die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 2
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Abs. 3 Satz 2 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückver-weisung der Sache an das Beschwerdegericht.

1. [X.] hat gemeint, die Freigabe von Mieteinnahmen nach der über § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.] anwendbaren Norm des § 850i ZPO komme nicht in Betracht. Dem stehe die Sicherungsabtretung der Mieten an die Sparkasse entgegen. Die Unwirksamkeit dieser Abtretung nach § 110 Abs. 1 [X.] solle die Mieterträge für die Insolvenzmasse sichern und nicht einen er-neuten Zugriff des Schuldners auf die Mieten ermöglichen. Maßgeblich sei, wie sich die Situation in einem normalen Zwangsvollstreckungsverfahren darstellte.
Dort scheide eine Freigabe der Mieten nach § 850i ZPO aus, weil die Siche-rungsabtretung einen Zugriff des Schuldners auf die Mieten ausschließe. Das Abtretungsverbot des § 400 BGB für unpfändbare Forderungen greife nicht ein, weil die Sparkasse zugleich Grundpfandrechtsgläubigerin sei. Das Grundpfand-recht eröffne der Gläubigerin nach § 1192 Abs. 1, § 1123 Abs. 1 BGB auch den Zugriff auf die Mietforderungen. Wenn das Gesetz die Mietforderung dem [X.] des Grundpfandrechts zuordne, sei damit die Entscheidung ge-troffen, dass die Pfändung zulässig sein solle. Jedenfalls müsse dies im vorlie-genden Fall gelten, in dem
die Sparkasse die Erzielung von Mieteinnahmen durch die gewährten und noch nicht zurückgeführten Darlehen erst ermöglicht habe. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 850i ZPO gegeben [X.], könne danach offen bleiben.

2. Mit dieser Begründung kann die vom Schuldner beantragte [X.] von Mieteinnahmen nicht verweigert werden.

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a) Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, gehören nach § 36 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht zur Insolvenzmasse. Gemäß Satz 2 dieser Norm gilt unter anderem die Regelung in § 850i ZPO entsprechend. Danach hat das Gericht bei der Pfändung
sonstiger
Einkünfte des Schuldners, die kein Ar-beitseinkommen sind, dem Schuldner auf dessen Antrag so viel zu belassen, als ihm verbleiben würde, wenn sein Einkommen aus laufendem Arbeits-
oder Dienstlohn bestünde. Die durch das Gesetz vom 7. Juli 2009 (BGBl.
I S. 1707) neu gefasste Regelung überträgt den Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen (§§
850, 850a ff ZPO) auf sonstige
vom Schuldner erwirtschaftete
Einkünfte. Zu diesen gehören auch Einkünfte aus Miete
und Pacht ([X.], Beschluss vom 26.
Juni 2014 -
IX [X.], [X.], 1542 Rn. 9, 16; vom 23. April 2015
-
VII ZB 65/12, [X.], 1291 Rn. 9; vom 7. April 2016 -
IX [X.], [X.], 1078 Rn. 23).
Auf diese Weise soll im Insolvenzverfahren wie im Verfah-ren der [X.] gewährleistet werden, dass der Schuldner seinen Lebensunterhalt in angemessenem Umfang mit eigenen Mitteln bestrei-ten kann und hierfür nicht auf staatliche Leistungen angewiesen ist (BT-Drucks. 16/7615 S. 12, 18). Die Regelung in § 851b ZPO bietet dem [X.] einen
ergänzenden, in eine andere Richtung zielenden Schutz ([X.], [X.] vom 26. Juni 2014, aaO Rn. 16).

b) Der Anwendung des § 850i ZPO steht hier nicht entgegen, dass die Mietforderungen an die Sparkasse abgetreten waren und zudem in den [X.] der Grundschulden fielen.
Eine gesicherte Rechtsposition der Sparkasse an den vollen, nicht um einen [X.] gekürzten Miet-forderungen des Schuldners ergibt sich daraus nicht.

aa) Die Vorausabtretung der Mietforderungen des Schuldners war
wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 29. Oktober 2014 gemäß §
110 7
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Abs.
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[X.] nur wirksam, soweit sie sich auf den Zeitraum
bis
zum 30. Novem-ber
2014 bezog.
Zwar dient diese Norm dem Schutz der Masse und nicht dem Schutz des Schuldners. Gleichwohl spricht sie gegen die Auffassung
des Be-schwerdegerichts, dem Schuldner sei die Freistellung
eines Teils seiner [X.] nach § 850i ZPO wegen der
Abtretung dieser Forderungen zu versagen.

bb) Auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens
gewährte die Siche-rungsabtretung der Sparkasse keinen sicheren Zugriff auf die Mietforderungen. Die Abtretung einer Forderung ist nach §§ 134, 400 BGB nichtig, soweit die ab-getretene Forderung nicht der Pfändung unterworfen ist.
Arbeitseinkommen und gleichgestellte Einkünfte können deshalb nur insoweit wirksam abgetreten wer-den, als sie nach den §§ 850a ff ZPO pfändbar sind ([X.], Urteil vom 19.
Mai 2009 -
IX ZR 37/06, [X.], 1475 Rn. 9).
Ergibt sich die Unpfändbarkeit nicht unmittelbar aus dem Gesetz, sondern ist sie wie im Falle des §
850i ZPO von einem Antrag des Schuldners und einer gerichtlichen Entscheidung abhängig, kann über die Pfändbarkeit auch vom Prozessgericht entschieden werden.
Der Pfändungsschutz nach § 850i ZPO kann als zwingende Vorschrift des Schuld-nerschutzes (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl., § 850i Rn. 5) im Zuge einer Forderungsabtretung auch nicht ausgeschlossen werden (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Mai 2003 -
IXa [X.], [X.], 1346; vom 31. Oktober 2003 -
IXa [X.], [X.], 2483, 2484; Urteil vom 19. Mai 2009, aaO Rn. 13).
Eine Einschränkung des in § 400 BGB normierten Abtretungsverbots kommt nur in Betracht, wenn der Zessionar dem Zedenten eine Leistung gewährt, die den Pfändungsschutz entbehrlich macht ([X.], Urteil vom 9. November 1994
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IV ZR 66/94, [X.]Z 127, 354, 356; [X.], NJW 2001, 1443). Dies war hier nicht der Fall. Der Schuldner war danach
nicht gehindert, sich gegenüber der 10
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Sparkasse
darauf zu berufen, dass die abgetretenen Forderungen teilweise nach § 850i ZPO pfändungsfrei zu stellen waren.

cc) Eine uneingeschränkte Zuweisung der Mietforderungen an die [X.] folgt auch nicht daraus, dass diese Forderungen nach § 1192 Abs. 1, §
1123 Abs. 1 BGB in den [X.] der Grundschulden fielen. Die Haf-tung der Mietforderungen realisiert sich mit der Beschlagnahme. Solange eine solche nicht erfolgt ist, kann der Schuldner über die Forderungen frei verfügen
(§ 1124 Abs. 1 BGB). Außerhalb des Insolvenzverfahrens konnte die Sparkasse die Beschlagnahme
nicht nur im Wege der Zwangsverwaltung
(§ 148 Abs.
1 Satz 1, § 21 Abs. 2 [X.]), sondern auch durch eine Pfändung der Mietforderun-gen aufgrund des dinglichen Anspruchs bewirken ([X.], Urteil vom 9. Juni 2005
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IX ZR 160/04, [X.]Z 163, 201, 208; Beschluss vom 13. Juli 2006 -
IX ZB 301/04, [X.]Z 168, 339; Urteil vom 13. März 2008 -
IX ZR 119/06, [X.], 1599 Rn. 9). Einer solchen Pfändung konnte der Schuldner mit einem Antrag nach §
850i ZPO begegnen. Lediglich im Falle einer Anordnung der Zwangs-verwaltung nach § 866 ZPO, §§ 146 ff [X.] gelten nicht die auf die [X.] in Forderungen und andere Vermögensrechte beschränkten Pfän-dungsschutzvorschriften der §§ 850 ff ZPO, sondern die besonderen Bestim-mungen in § 149 [X.].
Diese sehen die Freistellung von Einkünften aus Miet-
und
Pachtverhältnissen bis zur Pfändungsgrenze des § 850c ZPO nicht vor; die Sonderregelung des § 149 Abs. 3 [X.] für die Zwangsverwaltung eines land-wirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder gärtnerischen Grundstücks ist hier nicht einschlägig.

Ob dem Schuldner wegen der
Neufassung des § 850i ZPO durch das Gesetz vom 7. Juli 2009 und der
dadurch bewirkten
Erweiterung des Pfän-dungsschutzes von Arbeitseinkommen auf sonstige Einkünfte auch im Falle der 11
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Zwangsverwaltung ein entsprechender
Schutz zu gewähren
ist, braucht nicht entschieden zu werden, weil im Streitfall eine Zwangsverwaltung weder vor noch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeordnet worden ist. Die vereinbarte stille Zwangsverwaltung (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 14. Juli 2016 -
IX ZB
31/14, [X.], 1543 Rn. 14 ff) begründet kein der Beschlag-nahme entsprechendes Recht der Sparkasse an den Miet-
und Pachtforderun-gen des Schuldners.
Eine zum Verlust des unverzichtbaren Pfändungsschutzes führende Vereinbarung wäre unzulässig.

3. Mangels entgegenstehender Rechte der Sparkasse hat das Insol-venzgericht (§ 36 Abs. 4 Satz 1 [X.]) demnach auf den Antrag des Schuldners zu entscheiden, ob die Miet-
und Pachtforderungen in vollem Umfang
als Neu-erwerb Teil der Insolvenzmasse
sind
(§ 35 Abs. 1
Fall 2
[X.]) oder ob dem Schuldner ein Teil dieser Einkünfte nach § 36 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 850i ZPO als massefrei zu belassen ist.
Die Entscheidung des [X.] ist aufzuheben. Der [X.] kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil die

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erforderlichen Feststellungen nicht getroffen sind. Die Sache ist daher zur er-neuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§
577 Abs.
4 und 5 ZPO).

Kayser
Gehrlein
Pape

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
AG [X.] (Oder), Entscheidung vom 04.06.2015 -
3 IN 229/14 -

LG [X.] (Oder), Entscheidung vom 13.11.2015 -
19 [X.] -

Meta

IX ZB 95/15

01.03.2018

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.03.2018, Az. IX ZB 95/15 (REWIS RS 2018, 13066)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13066

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