Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2017, Az. I ZR 50/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 13108

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:300317UIZR50.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM
NAMEN
[X.]S
VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
I ZR 50/16
Verkündet am:
30. März 2017
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 30.
März 2017
durch [X.]
Dr.
Büscher, [X.]
Kirchhoff, Prof.
Dr.
Koch, die Richterin Dr. [X.] und den Rich-ter Feddersen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des
Landgerichts [X.] vom 5. Februar 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht [X.].
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs-
und Verwer-tungsrechte an den
Computerprogrammen
"H.

", "D.

",
"B.

"
und "T.

". Es handelt sich hierbei um sogenannte Bot-
Programme, die dazu dienen, in anderen Computerspielen (darunter "World of Warcraft")
Spielvorteile zu erlangen.
Die
Klägerin hat geltend gemacht, ihre Computerprogramme seien im September 2013
über die von dem Beklagten betriebene Internetseite "http:

"
zum Herunterladen angeboten
worden.
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3
-
Mit anwaltlichem Schreiben vom 30. September 2013
mahnte die Kläge-rin den
Beklagten
ab und verlangte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlas-sungserklärung.
Mit Mahnbescheid vom 22.
September
2014, der dem
Beklagten am 24.
September
2014
zugestellt worden ist, hat die Klägerin einen
Anspruch auf Zahlung von
Abmahnkosten in Höhe von 1.336,90

zuzüglich Zinsen geltend gemacht.
Nach Abgabe der Sache an das Gericht des Streitverfahrens am 16. Ok-tober 2014
hat die Klägerin beantragt,
den
Beklagten
zu verurteilen, an sie
1.336,90

nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Sep-tember
2014 zu zahlen.
Das Amtsgericht hat den
Beklagten
zur Zahlung von 124

nebst Zinsen verurteilt
und
die weitergehende Klage abgewiesen. Das Landgericht
hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zuge-lassenen Revision
verfolgt die Klägerin den Anspruch auf Erstattung der [X.] in Höhe des verbleibenden Differenzbetrages von 1.212,90

i-ter.
Der
ordnungsgemäß geladene Beklagte war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Die
Klägerin
beantragt, über ihr
Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
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4
-
Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe kein über Anspruch auf Erstattung der [X.] zu. Hierzu hat es ausgeführt:
Der
Beklagte schulde der Klägerin [X.] gemäß § 97a [X.]
aF, weil er
die Computerprogramme
auf der von ihm betriebenen [X.] zum Herunterladen bereitgehalten und damit ohne Zustimmung der Klägerin öffentlich zugänglich gemacht habe. Der Gegenstandswert der Ab-mahnung
richte sich nach dem Wert des mit der Abmahnung verfolgten [X.]. Dieser sei mit dem Doppelten der je Programm 100

e-tragenden Lizenzgebühr und damit für die vier betroffenen Programme insge-samt mit einem Betrag in Höhe von 800

I[X.] Über die Revision der Klägerin ist antragsgemäß durch [X.] zu entscheiden, weil der Beklagte
in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis des Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Versäumnisurteil vom 12. Januar 2017
-
I [X.], [X.], 409 Rn. 10 = [X.], 418 -
Motivkontaktlinsen, mwN).
II[X.] Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
1. Gegen die Zulässigkeit der Berufung, die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. [X.], Urteil vom 19.
November 2014

VIII
ZR
79/14, NJW 2015, 873 Rn. 12 mwN), bestehen mit Blick auf dübersteigenden Wert des [X.] (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO)
keine Bedenken.
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2. Das Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt zutreffend davon [X.], dass die Klägerin gemäß § 97a Abs. 1 [X.] aF von dem
Beklagten die Erstattung von Abmahnkosten verlangen kann.
a) Auf den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten ist § 97a [X.] in der bis zum 8. Oktober 2013 geltenden [X.] anzuwenden. Die durch das Gesetz über unseriöse Geschäftspraktiken vom 1. Oktober 2013 ([X.], [X.]) mit Wirkung ab dem 9. Oktober 2013 eingeführten Neuregelungen zur Wirksamkeit der Abmahnung und zur Begren-zung der erstattungsfähigen Kosten nach § 97a Abs. 2 und 3 Satz 2 und 3 [X.] nF gelten erst für Abmahnungen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes über unseriöse Geschäftspraktiken ausgesprochen worden sind. Für den [X.] von Abmahnkosten kommt es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (vgl. zu § 97a Abs. 1 Satz 2 [X.] aF [X.], Urteil vom 28. September 2011 -
I [X.], ZUM 2012, 34 Rn. 8, mwN; Urteil vom 8. Januar 2014 -
I [X.], [X.]Z 200, 76 Rn. 11 -
BearShare; Urteil vom 11.
Juni 2015 -
I [X.], [X.], 191 Rn. 56 = [X.], 73 -
Tausch-börse III).
b) Nach § 97a Abs. 1 [X.] aF soll der Verletzte den Verletzer vor Einlei-tung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm [X.] geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen [X.] bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Ab-mahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen [X.] werden. Danach besteht ein Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten, wenn die Abmahnung begründet gewesen ist, ihr also ein materieller Unterlas-sungsanspruch zugrunde gelegen hat. Darüber hinaus muss die Abmahnung wirksam und erforderlich sein, um dem [X.] einen Weg zu weisen, den Unterlassungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klag-los zu stellen ([X.], Urteil vom 21. Januar 2010 -
I [X.], [X.], 354 13
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-
Rn. 8 = [X.], 525 -
Kräutertee; Urteil vom 19. Mai 2010 -
I [X.], [X.], 1120 Rn. 16 = [X.], 1495 -
Vollmachtsnachweis; Urteil vom 11.
Juni 2015

I
ZR
7/14,
[X.], 184 Rn. 55 ff.
= [X.], 66

Tauschbörse II; Urteil vom 12. Mai 2016 -
I [X.], [X.], 1275 Rn. 20 = [X.], 1525 -
Tannöd). Diese Voraussetzungen sind gegeben.
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin habe im Zeit-punkt der an den
Beklagten
gerichteten Abmahnung wegen der öffentlichen Zugänglichmachung der Computerprogramme
ein auf Unterlassung gerichteter Anspruch zugestanden (§ 97 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit §§ 19a, 69c Nr. 4 [X.]).
(1) Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist im Streitfall davon auszugehen, dass die betroffenen
Computerprogramme
nach §
2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 69a Abs. 3 [X.] urheberrechtlich geschützt sind. Für die Nachprüfung in der Revisionsinstanz ist ferner davon auszugehen, dass Dateien
mit diesen
Computerprogrammen
ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin ausschließlicher Verwertungsrechte zu den von der Klägerin vorge-tragenen Zeiten über eine von dem
Beklagten
betriebene Internetseite
zum Herunterladen angeboten worden sind und hierdurch widerrechtlich in das der Klägerin zustehende Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§§ 19a, 69c Nr. 4 [X.]) eingegriffen worden ist (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
April 2012

I
ZB
77/11, [X.] 2012, 587 Rn. 32 f.; Versäumnisurteil vom 12. Mai 2016

I ZR 43/15, [X.] 2017, 25 Rn. 16).
(2) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass der
Beklagte für die geltend gemachte Rechtsverletzung gemäß § 97 Abs.
1 Satz
1 [X.] als Täter
haftet. Von dieser Beurteilung ist im Revisionsverfahren auszugehen.
bb) Das Berufungsgericht ist weiter davon ausgegangen, dass Form und Inhalt der Abmahnung den an eine berechtigte Abmahnung zu stellenden An-16
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7
-
forderungen entsprechen. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erken-nen.
3. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Gegenstandswert, aus dem die erstattungsfähigen Kosten der anwaltlichen Abmahnung zu berechnen sind, sei stets mit dem Doppelten des erstattungsfähigen Lizenzschadens anzuset-zen, hält hingegen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Der Gegenstandswert einer Abmahnung wegen Verletzung eines Schutzrechtes ist nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu be-stimmen. Auch die Beurteilung der Angemessenheit des vom Anspruchsteller angesetzten [X.] liegt im pflichtgemäßen Ermessen des [X.]. Seine Entscheidung ist daher durch das Revisionsgericht nur daraufhin zu überprüfen, ob das Ermessen überhaupt und in den ihm gesetzten Grenzen ausgeübt worden ist und alle für seine Ausübung
wesentlichen Umstände [X.] worden sind (vgl. [X.], Urteil vom 26. März 2009 -
I [X.], [X.], 660 Rn. 22 = [X.], 847 -
Resellervertrag; Urteil vom 12. Juli 2012

[X.], [X.], 301 Rn. 56 = [X.], 491 -
Solarinitiative; Urteil vom 13. November 2013 -
X [X.], [X.], 206 Rn. 13 = [X.], 317 -
Einkaufskühltasche; [X.], [X.], 1275 Rn. 30 -
Tannöd; [X.] 2017, 25 Rn. 20). Einer solchen Überprüfung hält das Berufungsurteil nicht stand.
b) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon [X.], dass der Gegenstandswert der Abmahnung dem Wert des mit der Ab-mahnung allein geltend gemachten Unterlassungsanspruchs entspricht.
c) Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, der Wert des von der Klägerin mit der Abmahnung verfolgten [X.] sei mit dem Doppelten einer fiktiven Lizenzgebühr anzusetzen. Dem kann nicht zugestimmt werden.
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aa) Der Wert eines Unterlassungsanspruches bestimmt sich nach dem Interesse des Anspruchstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Ver-stöße. Dieses Interesse ist pauschalierend unter Berücksichtigung der Umstän-de des Einzelfalles zu bewerten und wird maßgeblich durch die Art des Versto-ßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für den Inhaber des verletzten Schutzrechts bestimmt (vgl. [X.], Urteil vom 24.
Januar 2013

I
ZR
174/11, [X.], 1067 Rn. 12 = [X.], 1364 -
Beschwer des [X.]s; [X.], [X.], 206 Rn. 16 -
Einkaufskühltasche; [X.], Beschluss vom 11. November 2015 -
I [X.], juris Rn. 7; [X.], [X.], 1275 Rn. 33 -
Tannöd).
bb)
Anhaltspunkte für die Beurteilung der mit dem Unterlassungsan-spruch abzuwehrenden Gefährdung der Interessen des Inhabers eines nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts sind sowohl der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts als auch die Intensität und der Umfang der Rechts-verletzung (sogenannter Angriffsfaktor; vgl. [X.], [X.], 206 Rn.
16

Einkaufskühltasche;
[X.], 1275 Rn. 34 -
Tannöd). Der Angriffsfaktor wird insbesondere durch die Stellung des Verletzers und des Verletzten, die Qualität der Urheberrechtsverletzung, den drohenden Verletzungsumfang, die Art der Begehung des [X.] und eine hierdurch etwa begründete Gefahr der Nachahmung durch Dritte sowie subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers wie den Verschuldensgrad bestimmt ([X.], Beschluss vom 24.
Februar 2011 -
I [X.], [X.], 216 Rn. 5; [X.], [X.], 1067 Rn.
12 -
Beschwer des [X.]s; [X.], Beschluss vom 11. No-vember 2015 -
I
ZR
151/14, juris Rn.
7; [X.], [X.], 1275 Rn.
34

Tannöd).
cc) Das mit dem Unterlassungsbegehren verfolgte Interesse des [X.] ist darauf gerichtet, in Zukunft weitere oder fortgesetzte Rechts-verletzungen zu unterbinden. Der Gefährlichkeit der bereits begangenen Verlet-24
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zungshandlung kommt bei der Wertbemessung Indizwirkung zu. Allerdings kann auch anderen, von der Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren

etwa dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen -
Rech-nung zu tragen sein ([X.], [X.], 206 Rn.
16 -
Einkaufskühltasche; [X.], 1275 Rn. 35 -
Tannöd).
dd) Diesen Maßstäben wird eine Wertbemessung, die sich allein an der Höhe des Lizenzschadensersatzes orientiert, nicht gerecht.
(1) Eine schematische Bestimmung des Gegenstandswertes eines [X.] auf der Grundlage eines Mehrfachen der für die bereits geschehene Nutzung anzusetzenden fiktiven Lizenzgebühr trägt weder der un-terschiedlichen Funktion von Schadensersatz-
und Unterlassungsanspruch Rechnung, noch ist sie mit dem bei jeder Wertbestimmung nach [X.] Ermessen zu beachtenden Gebot der Abwägung aller Umstände des [X.] in Einklang zu bringen (vgl. [X.], Beschluss vom 22.
Januar 2015

I
ZR
95/14, [X.], 414 Rn.
2
f.; [X.], [X.], 1275 Rn.
38

Tannöd).
Zwar ist das Interesse des Unterlassungsgläubigers an der Unterbindung künftiger Verletzungen eines urheberrechtlich geschützten Rechts auch anhand des wirtschaftlichen Wertes des verletzten Schutzrechts zu bestimmen und die-ser schlägt sich unter anderem in den Lizenzeinnahmen nieder, die ein Rechts-inhaber bei der Auswertung eines Werkes üblicherweise für vergleichbare Nut-zungshandlungen erzielen kann (vgl. hierzu [X.], NJW-RR 2014, 229, 230; [X.], ZUM 2013, 497, 498). Dass die Erteilung einer Lizenz im Falle der widerrechtlichen Zugänglichmachung durch Bereitstellung eines Werks zum Herunterladen auf einer Internetseite
tatsächlich nicht in Betracht kommt, steht dabei der Heranziehung einer sogenannten fiktiven Lizenz nicht entgegen, weil es sich hierbei um einen normativen Maßstab handelt, der nicht voraussetzt, 27
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-
dass es bei korrektem Verhalten des Verletzers tatsächlich zum Abschluss ei-nes Lizenzvertrags gekommen wäre (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 22.
März 1990 -
I [X.], [X.], 1008, 1009 -
Lizenzanalogie; Urteil vom 17. Juni 1992 -
I
ZR
107/90, [X.]Z 119, 20, 26 -
Tchibo/[X.]; [X.], [X.], 184 Rn.
49 ff.
-
Tauschbörse
II; [X.], 1275 Rn.
39

Tannöd).
Der Wert des verletzten Schutzrechtes und dessen drohende Beeinträch-tigung durch künftige Verletzungen wird jedoch nicht allein durch die für eine konkrete Nutzungshandlung zu erzielenden fiktiven Lizenzeinnahmen, sondern auch durch die dem Rechtsinhaber insgesamt zu Gebote stehenden [X.] bestimmt, deren Verwirklichung durch künftige Rechtsver-letzungen beeinträchtigt zu werden droht. Neben der -
je nach Art des verletz-ten Rechts -
in Betracht zu ziehenden Beeinträchtigung verschiedener [X.] können auch
Faktoren wie die Aktualität und Popularität des Wer-kes, dessen künftige Nutzung durch den [X.] unterbunden werden soll, von Bedeutung sein.
Die vom Verletzer auf der Grundlage der Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 Satz 3 [X.]) für eine bereits erfolgte Nutzung als Schadensersatz zu entrich-tende fiktive Lizenzgebühr dient dem Ausgleich der Einbußen, die der Rechts-inhaber durch den widerrechtlichen Eingriff in die ihm zustehenden Verwer-tungsrechte erlitten hat. Bei der Bewertung des Interesses
des Rechtsinhabers an der Abwehr künftiger Verletzungshandlungen muss hingegen nicht nur dem Interesse an der Verhinderung fortgesetzter unlizenzierter Nutzungen Rech-nung getragen werden, sondern es ist auch das einer fortgesetzten Rechtsver-letzung innewohnende Gefährdungspotential für das Schutzrecht und seine wirtschaftliche Auswertung zu berücksichtigen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juni 2015 -
I [X.], [X.], 176 Rn. 80 = [X.], 57 -
Tauschbörse I; [X.], [X.], 184 Rn.
73 -
Tauschbörse
II; [X.], 1275 Rn.
41 29
30
-
11
-

Tannöd). Die Bereitstellung eines Werkes über eine Internetseite
eröffnet ei-ner unbegrenzten Vielzahl von Nutzern
die Möglichkeit, das Werk kostenlos herunterzuladen. Ein solcher Eingriff in die urheberrechtlich geschützten [X.] stellt die kommerzielle Auswertung des Werks insgesamt in Frage (vgl. hierzu auch [X.], Beschluss vom 19. April 2012 -
I [X.], [X.]Z 195, 257 Rn. 23 -
Alles kann besser werden). Demgegenüber tritt das Interesse des Rechtsinhabers an der Verhinderung einer fortgesetzten unlizenzierten Nutzung in den Hintergrund
(vgl. [X.], [X.], 1275 Rn. 41 -
Tannöd).
(2) Das Gefährdungspotential, welches dem Bereitstellen eines Werks über das Internet
innewohnt, ist mit Blick auf das konkrete Streitverhältnis zu bestimmen. Für generalpräventive Erwägungen, mit denen Dritte von Rechts-verletzungen abgeschreckt werden sollen, ist bei der Bewertung eines zivil-rechtlichen Unterlassungsanspruchs kein Raum ([X.], [X.], 1275 Rn.
42 -
Tannöd).
(3) Anhaltspunkte für die Bewertung des Unterlassungsanspruchs lassen sich der Qualität und Intensität der bereits erfolgten Verletzungshandlung ent-nehmen ([X.], [X.], 206 Rn. 16 -
Einkaufskühltasche). Als für die Be-messung des [X.] heranzuziehende Kriterien kommen danach beispielsweise Dauer und Häufigkeit der dem [X.] zuzu-rechnenden Downloadangebote sowie die Anzahl der zum Herunterladen be-reitgehaltenen Werke in Betracht. Darüber hinaus können -
soweit feststellbar -
auch subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers in den Blick zu nehmen sein ([X.], [X.], 1275 Rn. 43 -
Tannöd).
ee) Im Streitfall fehlt es an vom Berufungsgericht festgestellten greifba-ren Anhaltspunkten dafür, dass den in die Bemessung des [X.] einzubeziehenden Faktoren durch eine Verdoppelung der fiktiven Lizenzgebühr hinreichend Rechnung getragen wäre. Die Ausführungen des Berufungsge-31
32
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12
-
richts lassen zudem nicht erkennen, dass es bei der Ausübung seines Ermes-sens die weiteren, im vorliegenden Einzelfall relevanten Kriterien berücksichtigt hat.
4. Eine Bestimmung des Gegenstandswertes der Abmahnung, die den vorgenannten Bemessungskriterien Rechnung trägt, ist im Streitfall auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin gemäß § 97a Abs. 2 [X.] in der bis zum 8. Oktober
2013 geltenden Fassung auf 100

Aufwendungsersatz zugesprochen werden könnte, als ihn das Berufungsgericht der Klägerin bereits zuerkannt hat.
Das Angebot eines urheberrechtlich ge-schützten Werkes zum Herunterladen über das
Internet stellt regelmäßig keine nur unerhebliche Rechtsverletzung im Sinne von § 97a Abs. 2 [X.] aF dar (vgl. [X.], [X.], 1275 Rn. 55 -
Tannöd).
IV. Hiernach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufzu-heben
(§ 562 Abs. 1
ZPO). Da die Ausübung des Ermessens bei der Prüfung der Angemessenheit vom Anspruchsteller angesetzter Abmahnkosten grund-sätzlich dem Tatrichter obliegt und das Berufungsgericht keine abschließenden Feststellungen zu allen in die Würdigung einzubeziehenden Umständen des Einzelfalles getroffen hat, ist der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif (§
563 Abs. 3 ZPO). Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entschei-dung -
auch über die Kosten der Revision -
an das Berufungsgericht zurückzu-verweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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13
-
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt bin-nen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei dem [X.], [X.], durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Büscher
Kirchhoff
Koch

[X.]
Feddersen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.08.2015 -
68 C 72/15 -

LG [X.], Entscheidung vom 05.02.2016 -
I-5 S 134/15 -

Meta

I ZR 50/16

30.03.2017

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.03.2017, Az. I ZR 50/16 (REWIS RS 2017, 13108)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13108

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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