Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.04.2016, Az. IV ZR 415/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 12701

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2016:200416UIVZR415.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 415/14

Verkündet am:

20. April 2016

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

AVB Wohngebäudeversicherung, hier § 28 (7) [X.] 2010

Die so genannte strenge [X.] in der Wohngebäudeversiche-rung zielt auch auf eine Begrenzung des subjektiven Risikos des Versicherers. Allein die Erwägung, mit der geforderten [X.] sei keine Bereicherung des Versicherungsnehmers verbunden, macht eine Prüfung der Voraussetzungen der Klausel nicht entbehrlich.

[X.], Urteil vom 20. April 2016 -
IV ZR 415/14 -
OLG Naumburg

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.],
[X.],
[X.], die Richterinnen Dr.
Brockmöller und Dr.
Bußmann auf die mündliche Verhandlung vom 20. April 2016

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4.
Zivilsenats des [X.] vom 2.
Oktober 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, der bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung zum gleitenden Neuwert hält, fordert nach dem Brand seines Hauses am 14. Dezember 2010, den die Beklagte mit einer Zeitwertentschädigung in

Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Bedingungen für die Wohngebäudeversicherung ([X.]) der Beklagten in der Fassung des Jahres 2010 (im Folgenden [X.] 2010) zugrunde. In deren § 28 heißt es auszugsweise:

1
2
-
3
-

"(7) Sie erwerben den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den [X.] übersteigt (Neu-wertanteil), nur, soweit und sobald Sie innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls sicherstellen, dass Sie die Entschädigung verwenden werden, um versi-cherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaf-

Da die Wohnfläche des versicherten Hauses ausweislich eines nach dem Brand eingeholten [X.] mit 171,29 m2
die im Versicherungsvertrag angegebene Wohnfläche von 116 m2 überstieg, kürzte die Beklagte den vom Sachverständigen ermittelten Zeitwertscha-den von 198.

und zahlte diesen Betrag an den Kläger aus.

Dieser
hat noch innerhalb von drei Jahren nach dem Brand auf seinem Grundstück mit dem Neubau eines Wohnhauses begonnen,
wel-ches infolge
einer vergrößerten Wohnfläche und einer angebauten Gara-ge eine um circa
37% größere Grundrissfläche aufweist
als das [X.]. Eine Baugenehmigung ist inzwischen erteilt, der Kläger hat auch einen Bauvertrag nach VOB mit einem Bauunternehmen abge-schlossen, dem das Leistungsverzeichnis aus dem [X.] zugrunde
liegt.

Der Kläger meint, die Voraussetzungen für die Entschädigung des Neuwertanteils zu erfüllen. Unter Zugrundelegung des im Obmanngut-achten ausgewiesenen Neuwertder von der Beklagten ermittelten [X.] (268.408,98 x 116 m2 ./. 171,29 m2) errechnet der Kläger eine [X.] von [X.] 181.

3
4
5
-
4
-

Abzug bringt und mithin eine restliche Klagforderung von 47.268,74

Die Beklagte
meint, der Kläger habe die [X.] nach § 28 (7) [X.] 2010 nicht erfüllt und verweist insbesondere darauf, dass das neu errichtete Gebäude wegen der Grundflächenver-größerung um 37% in Art und Größe wesentlich vom früheren Gebäude abweiche und deshalb nicht von gleicher Art und Zweckbestimmung im Sinne von § 28 (7) [X.] 2010 sei.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das vom Kläger ange-rufene Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zu-rückverweisung der Sache an
das Berufungsgericht.

I. Dieses hat angenommen, die Anforderung an eine Sicherstellung der Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung eines Gebäu-des in etwa derselben Größe sei im Streitfall bereits dadurch erfüllt, dass der Kläger den geforderten Neuwertanteil auf der Grundlage des [X.], welches für die Entschädigungsberechnung nicht auf den Neubau,
sondern das vom Brand zerstörte Haus abstelle, so dass sich die Flächenvergrößerung auf den [X.] von vornherein nicht auswirken könne. Auch eine sonstige Bereicherung 6
7
8
9
-
5
-

des Klägers durch Auszahlung des Neuwertanteils sei wegen dessen Anpassung nach Maßgabe des § 28 (2)
[X.] 2010 nicht zu befürchten. Im Übrigen begründe die Gesamtheit der Umstände die hinreichend si-chere Annahme einer bestimmungsgemäßen Verwendung der Entschä-digung; ernsthafte Anhaltspunkte für eine nur vorgetäuschte Wiederher-stellungsabsicht bestünden nicht.

[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung durfte das Berufungsgericht der Klage nicht stattgeben.

1. § 28 (7) [X.] 2010 enthält eine so genannte strenge Wiederher-stellungsklausel. Sie orientiert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats an dem für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkenn-baren Zweck der Neuwertversicherung, den Schaden auszugleichen, der dem Versicherungsnehmer dadurch entsteht, dass er einen höheren Be-trag als den Zeitwert aufwenden muss, wenn er das zerstörte Gebäude wiederherstellt. Auf diesen tatsächlichen Schaden ist der Umfang des [X.] allerdings beschränkt. Die Neuwertversicherung soll grundsätzlich nicht auch solche Aufwendungen abdecken, die durch we-sentliche Verbesserungen des Gebäudes bei seiner Wiedererrichtung verursacht wurden. Eine derartige Bereicherung des Versicherungsneh-mers aus Anlass des [X.] ist zu vermeiden, auch um das [X.] am Abbrennen des versicherten Gebäudes nicht zu fördern. Zweck der [X.] ist es deshalb
zum einen, die Bereiche-rung durch die [X.] auf den Teil zu beschränken, der das Bedürfnis für die Neuwertversicherung begründet, also auf die unge-planten, dem Versicherungsnehmer erst durch den Versicherungsfall aufgezwungenen Ausgaben (Senatsurteile vom 20. Juli 2011

IV ZR 10
11
-
6
-

148/10, [X.], 433 Rn. 16; vom 21. Februar 1990 -
IV ZR 298/88, [X.], 488 unter 2 m.w.[X.] zu § 7 Abs. 3a [X.] 62; vom 8. Juni 1988 -
IVa [X.], [X.], 925 unter [X.]; jeweils m.w.[X.]).

Für den Versicherungsnehmer ersichtlich zielt die Bestimmung
zum anderen aber auch auf die Begrenzung des subjektiven Risikos des Versicherers, der davor geschützt werden soll, dass der Versicherungs-nehmer

wie bei freier Verwendbarkeit der Versicherungsleistung -
in Versuchung geraten könnte, sich durch Vortäuschen eines Versiche-rungsfalles Vermögensvorteile zu verschaffen (Senatsurteile vom 20. Juli 2011

IV ZR 148/10, [X.], 433 Rn. 16; vom 18. Februar 2004

IV ZR 94/03, [X.], 238 unter [X.] c [juris Rn. 15] m.w.[X.]).
Solche uner-wünschten Vermögensvorteile können auch darin bestehen, dass der Versicherungsnehmer zwar bereit ist, die durch eine Erweiterung oder wesentliche Veränderung des Neubaus gegenüber dem Vorgängerge-bäude entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen, im Übrigen aber auf die [X.] für das abgebrannte Gebäude bei der [X.] des neuen Bauvorhabens zurückgreifen kann. Wollte man dem Versicherungsnehmer diesen Zugriff auf die [X.] für das abgebrannte Haus ungeachtet der Art und Zweckbestimmung des neu errichteten Gebäudes zur freien Verwendung gestatten, wäre auch dadurch das subjektive Risiko erhöht, weil Versicherungsnehmer dann ebenfalls versucht sein könnten, zur Teilfinanzierung eines Neubauvor-habens den Versicherungsfall vorsätzlich herbeizuführen.

2. Mit seiner Erwägung, dem
Erfordernis der Wiederherstellung des Gebäudes in etwa derselben Größe sei im Streitfall schon dadurch genügt, dass der Kläger nur die [X.]pitze für das durch den Brand zerstörte Haus auf der Grundlage der Berechnungen des Obmanngut-12
13
-
7
-

achtens und unter Berücksichtigung der festgestellten
Unterversicherung verlange, konnte das Berufungsgericht allenfalls eine objektive Bereiche-rung des Klägers ausschließen. Darin erschöpft sich der Zweck der strengen [X.] aber nicht, weshalb sich die vom [X.] vorgenommene teleologische Reduktion des Erfordernis-ses der Wiederherstellung einer versicherten Sache gleicher Art und Zweckbestimmung verbietet. Stünde einem Versicherungsnehmer unge-achtet der Art und Zweckbestimmung des neu errichteten Gebäudes die [X.] bis zur Höhe des [X.] des zerstörten [X.] in jedem Falle zu, würde dies das subjektive Risiko erhöhen, dem die [X.] entgegenwirken soll.

3. Die Sicherstellung im Sinne von § 28 (7) [X.] 2010 nach den gegebenen Umständen festzustellen, ist Sache des Tatrichters (vgl. [X.] vom 20. Juli 2011

IV ZR 148/10, [X.], 433 Rn. 13). Inso-fern hat sich das Berufungsgericht bisher den Blick dafür verstellt, dass es anhand der gesamten baulichen Gegebenheiten auch feststellen

14
-
8
-

muss, ob das im Bau befindliche neue Gebäude des Klägers von gleicher Art und Zweckbestimmung ist wie das durch den Brand zerstörte Haus. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung.

[X.] Dr.
Karczewski [X.]

Dr. Brockmöller Dr. Bußmann
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.01.2014 -
5 O 142/13 -

OLG Naumburg, Entscheidung vom 02.10.2014 -
4 U 12/14 -

Meta

IV ZR 415/14

20.04.2016

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.04.2016, Az. IV ZR 415/14 (REWIS RS 2016, 12701)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12701

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 415/14 (Bundesgerichtshof)

Wohngebäudeversicherung: Auslegung der strengen Wiederherstellungsklausel in der Neuwertversicherung


IV ZR 148/10 (Bundesgerichtshof)

Wohngebäudeversicherung: Anspruch des Versicherungsnehmers auf Neuwertentschädigung bei geringeren Wiederherstellungskosten


IV ZR 148/10 (Bundesgerichtshof)


9 U 197/18 (Oberlandesgericht Köln)


14 U 1739/18 (OLG München)

Wohngebäudevesicherung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IV ZR 415/14

IV ZR 148/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.