Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29.06.2011, Az. 7 ABR 135/09

7. Senat | REWIS RS 2011, 5331

ARBEITSRECHT ARBEITSZEIT BETRIEBSRAT

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Gegenstand

Ab- und Rückmeldepflicht von Betriebsratsmitgliedern bei Ausübung von Betriebsratstätigkeit am Arbeitsplatz


Leitsatz

Ein Betriebsratsmitglied muss sich grundsätzlich bei seinem Arbeitgeber abmelden, bevor es an seinem Arbeitsplatz Betriebsratstätigkeit verrichtet. Das gilt nicht, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls nicht ernsthaft in Betracht kommt, die Arbeitseinteilung vorübergehend umzuorganisieren. Der Arbeitgeber kann dann aber verlangen, dass ihm die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum ausgeübten Betriebsratstätigkeit nachträglich mitgeteilt wird.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 15. Mai 2009 - 18 [X.] wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die [X.]eteiligten streiten darüber, ob die Mitglieder des [X.]etriebsrats verpflichtet sind, sich ab- und zurückzumelden, wenn sie an ihren Arbeitsplätzen [X.]etriebsratstätigkeit versehen.

2

Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin ist ein Unternehmen für automobile Marktforschung mit etwa 220 Arbeitnehmern. Der zu 1. beteiligte Antragsteller ist der in ihrem [X.]etrieb gewählte [X.]etriebsrat. Er besteht aus neun Mitgliedern, die überwiegend im [X.]ereich Informationstechnologie, zum Teil auch in der Datenerfassung und der Telefonzentrale beschäftigt sind.

3

Die Arbeitgeberin teilte dem [X.]etriebsrat mit Schreiben vom 26. Oktober 2007 mit, seine Mitglieder hätten sich bei der Ausübung jeder [X.]etriebsratstätigkeit bei ihrem Vorgesetzten ab- und zurückzumelden.

4

Der [X.]etriebsrat hat in dem von ihm eingeleiteten [X.]eschlussverfahren die Auffassung vertreten, es bestehe keine arbeitsvertragliche Nebenpflicht des [X.]etriebsratsmitglieds, sich beim Arbeitgeber ab- und zurückzumelden, wenn [X.]etriebsratstätigkeit verrichtet werde. Die Rechtsstellung des [X.]etriebsratsmitglieds bestimme sich allein betriebsverfassungsrechtlich. Das [X.] begründe für die [X.]efreiung von der Arbeitspflicht - anders als § 37 Abs. 6 [X.] für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen - keine Ab- und Anmeldepflicht. Dem [X.]etriebsratsmitglied obliege es lediglich nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit des § 2 Abs. 1 [X.], darüber zu entscheiden, ob die betrieblichen [X.]elange es erforderten, den Arbeitgeber über die anstehende [X.]etriebsratstätigkeit zu informieren. Das gelte auch dann, wenn das [X.]etriebsratsmitglied den Arbeitsplatz nicht verlasse. Aus § 37 Abs. 2 [X.] folge nur die Verpflichtung, dem Arbeitgeber nachträglich den zeitlichen Umfang der [X.]etriebsratstätigkeit mitzuteilen. Da nur eine betriebsverfassungsrechtliche Obliegenheit und keine arbeitsvertragliche Nebenpflicht bestehe, könne der Arbeitgeber das [X.]etriebsratsmitglied auch nicht aufgrund von § 106 Satz 1 [X.] anweisen, sich ab- und zurückzumelden.

5

Der [X.]etriebsrat hat vor dem [X.] zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass seine Mitglieder nicht verpflichtet sind, sich bei der Ausführung von [X.]etriebsratstätigkeit am Arbeitsplatz an- und abzumelden;

        

hilfsweise

        

festzustellen, dass seine Mitglieder nicht verpflichtet sind, sich bei der Ausführung von [X.]etriebsratstätigkeit am Arbeitsplatz an- und abzumelden, wenn dem [X.]etriebsratsmitglied im Einzelfall eine Umorganisation der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeit bei gewissenhafter Prüfung nicht erforderlich erscheint.

6

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat gemeint, die [X.]etriebsratsmitglieder müssten sich aufgrund arbeitsvertraglicher Nebenpflicht ab- und zurückmelden, wenn sie [X.]etriebsratstätigkeiten ausübten. Der Arbeitgeber müsse darüber informiert werden, dass die Arbeit beendet werde, um den Arbeitsablauf umorganisieren und auf die [X.]etriebsratstätigkeit Rücksicht nehmen zu können. Das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 [X.] betreffe ausschließlich das betriebsverfassungsrechtliche Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und einzelnem [X.]etriebsratsmitglied, wenn es betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben wahrnehme. Für das Arbeitsverhältnis des [X.]etriebsratsmitglieds mit dem Arbeitgeber gelte § 2 Abs. 1 [X.] nicht. Das [X.]etriebsratsmitglied habe unabhängig vom Verlassen des Arbeitsplatzes und der Dauer der [X.]etriebsratstätigkeit keinen [X.]eurteilungsspielraum in der Frage, ob es sich ab- und zurückmelde.

7

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des [X.]etriebsrats abgewiesen. Das [X.] hat die [X.]eschwerde des [X.]etriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der [X.]etriebsrat seinen Hauptantrag mit der Maßgabe der Ab- und Anmeldung weiter. Als Hilfsantrag hat der [X.]etriebsrat mit der Rechtsbeschwerdebegründung zunächst nicht den im zweiten Rechtszug gestellten Eventualantrag angekündigt. Er hat vielmehr das Ziel verfolgt festzustellen, dass seine Mitglieder nur nach eigenem Ermessen verpflichtet sind, sich bei der Ausführung von [X.]etriebsratstätigkeit am Arbeitsplatz ab- und anzumelden. In der Anhörung vor dem Senat hat der [X.]etriebsrat klargestellt, dass er den Hilfsantrag in der Fassung zweiter Instanz mit der Maßgabe der Ab- und Anmeldung verfolgt. Die Arbeitgeberin hat der aus ihrer Sicht gegebenen Antragsänderung widersprochen. Der [X.]etriebsrat hat höchst hilfsweise den Eventualantrag aus der Rechtsbeschwerdebegründung gestellt.

8

[X.]. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Anträge des [X.]etriebsrats im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

9

I. Der Hauptantrag ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Verfahrensvoraussetzungen sind erfüllt.

a) Wie die gebotene Auslegung ergibt, will der [X.]etriebsrat festgestellt wissen, dass sich das einzelne [X.]etriebsratsmitglied unabhängig von der Art der zu leistenden Arbeit nicht für die Dauer der [X.]etriebsratstätigkeit abmelden und sich danach nicht zurückmelden muss, wenn es seinen Arbeitsplatz nicht verlässt.

b) Mit diesem Verständnis ist der Hauptantrag zulässig.

aa) Der Senat hat im [X.]eschlussverfahren zu entscheiden. Er hat die richtige Verfahrensart nach § 92 Abs. 2 Satz 1, § 73 Abs. 2, § 65 ArbGG nicht zu prüfen, wenn die [X.]eteiligten die Verfahrensart - wie hier - in erster Instanz nicht gerügt haben. Das vom [X.]etriebsrat gewählte [X.]eschlussverfahren ist im Übrigen die richtige Verfahrensart (§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ArbGG). Die begehrte Feststellung ist betriebsverfassungsrechtlicher Art. Der [X.]etriebsrat ist als Gremium berechtigt durchzusetzen, dass seine Mitglieder für erforderliche [X.]etriebsratstätigkeiten von der Arbeitspflicht befreit werden und dabei nur den gesetzlich vorgesehenen [X.]eschränkungen unterliegen (vgl. in dem anderen Zusammenhang der Geltendmachung von Schulungskosten z[X.] [X.] 17. November 2010 - 7 [X.] - Rn. 19 mwN, EzA [X.] 2001 § 37 Nr. 10; ohne Problematisierung vorausgesetzt von [X.] 14. Februar 1990 - 7 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.][X.] 1990, 1625; 23. Juni 1983 - 6 A[X.]R 65/80 - zu II 1 und 2 der Gründe, [X.]E 43, 109; in der [X.]egründung abweichend [X.] 27. Juni 1990 - 7 A[X.]R 43/89 - zu II 1 der Gründe, [X.]E 65, 230, das für die Zulässigkeit des [X.] einen eigenen Anspruch des [X.]etriebsrats(-gremiums) aus § 37 Abs. 2 [X.] unterstellt).

bb) Der Hauptantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem steht nicht entgegen, dass er sich auf verschiedene Fallgestaltungen der Abmeldung von der Arbeit wegen [X.]etriebsratstätigkeit am Arbeitsplatz und der Rückmeldung danach bezieht. Er erfasst alle denkbaren Konstellationen, wenn das [X.]etriebsratsmitglied den Arbeitsplatz nicht verlässt, und lässt deshalb nichts unbestimmt. Die Frage, ob die fehlende Verpflichtung, sich bei der Ausführung von [X.]etriebsratstätigkeit am Arbeitsplatz ab- und zurückzumelden, in allen vom Hauptantrag erfassten Fallgestaltungen festgestellt werden kann, stellt sich erst bei der Prüfung, ob der Antrag begründet ist (vgl. [X.] 17. August 2010 - 9 A[X.]R 83/09 - Rn. 10 mwN, [X.] SG[X.] IX § 95 Nr. 3 = EzA SG[X.] IX § 95 Nr. 3). Ein solcher Globalantrag ist umfassend, aber nicht unbestimmt ([X.] 17. November 2010 - 7 A[X.]R 123/09 - Rn. 15, EzA [X.] 2001 § 99 Eingruppierung Nr. 7).

cc) Der Hauptantrag wird den Anforderungen des § 256 Abs. 1 ZPO gerecht.

(1) [X.] eines [X.]etriebsratsmitglieds bei der Ausübung von [X.]etriebsratstätigkeit am Arbeitsplatz betrifft ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis der [X.]etriebsparteien im Sinne einer durch die Herrschaft von Rechtsnormen - hier § 37 Abs. 2, § 2 Abs. 1 [X.], § 241 Abs. 2 [X.]G[X.] - über einen konkreten Sachverhalt entstandenen rechtlichen [X.]eziehung einer Person zu einer anderen Person (vgl. [X.] 17. November 2010 - 7 A[X.]R 123/09 - Rn. 20, EzA [X.] 2001 § 99 Eingruppierung Nr. 7 ).

(2) Für den Streit über diese Pflicht kommt dem [X.]etriebsrat das erforderliche Feststellungsinteresse gelöst von einem konkreten Ausgangsfall zu. Die Frage der Ab- und Rückmeldepflicht tritt im [X.]etrieb häufiger auf, wie das Schreiben der Arbeitgeberin vom 26. Oktober 2007 zeigt. Das Problem kann sich künftig jederzeit wiederholen (vgl. für die Feststellung eines Mitbeurteilungsrechts [X.] 17. November 2010 - 7 A[X.]R 123/09 - Rn. 22, EzA [X.] 2001 § 99 Eingruppierung Nr. 7).

2. Das [X.] hat den Hauptantrag des [X.]etriebsrats im Ergebnis zu Recht für unbegründet erachtet. Der uneingeschränkt gestellte Hauptantrag erfasst auch Fallgestaltungen, in denen er in der Sache erfolglos ist. Die umstrittenen Pflichten zur Abmeldung für die Dauer der am Arbeitsplatz auszuübenden [X.]etriebsratstätigkeit und zur Rückmeldung nach ihrem Ende lassen sich weder allgemein bejahen noch generell verneinen. Sie hängen von den Umständen des Einzelfalls ab.

a) Nach § 37 Abs. 2 [X.] sind nicht freigestellte Mitglieder des [X.]etriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des [X.]etriebs zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Der Arbeitgeber muss der Arbeitsbefreiung nicht zustimmen (vgl. nur [X.] 15. März 1995 - 7 [X.] - zu I 1 der Gründe mwN, [X.]E 79, 263). Ein [X.]etriebsratsmitglied, das seinen Arbeitsplatz verlässt, um Aufgaben nach dem [X.] wahrzunehmen, hat sich aber nach ständiger Rechtsprechung des [X.]undesarbeitsgerichts aufgrund arbeitsvertraglicher Nebenpflicht beim Arbeitgeber abzumelden. Es ist auch verpflichtet, sich zurückzumelden, sobald es nach [X.]eendigung der [X.]etriebsratstätigkeit seine Arbeit wieder aufnimmt (vgl. [X.] 13. Mai 1997 - 1 A[X.]R 2/97 - zu [X.] II 2 b der Gründe, [X.] [X.] 1972 § 37 Nr. 119 = EzA [X.] 1972 § 37 Nr. 135; 15. März 1995 - 7 [X.] - zu I 1 der Gründe mwN, [X.]E 79, 263; 15. Juli 1992 - 7 [X.] - zu 2 b bb der Gründe, [X.]E 71, 14; 14. Februar 1990 - 7 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe, [X.][X.] 1990, 1625; 23. Juni 1983 - 6 A[X.]R 65/80 - zu II 1 der Gründe, [X.]E 43, 109).

aa) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde treffen [X.]etriebsratsmitglieder nicht nur kollektivrechtliche Obliegenheiten zur Ab- und Rückmeldung aufgrund des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit aus § 2 Abs. 1 [X.]. Die Pflicht, sich beim Arbeitgeber abzumelden, wenn während der Arbeitszeit die geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht wird, trifft alle Arbeitnehmer gleichermaßen. Sie ist - ebenso wie die Rückmeldepflicht - eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht (vgl. nur [X.] 13. Mai 1997 - 1 A[X.]R 2/97 - zu [X.] II 2 b der Gründe, [X.] [X.] 1972 § 37 Nr. 119 = EzA [X.] 1972 § 37 Nr. 135; 15. März 1995 - 7 [X.] - zu I 1 b der Gründe, [X.]E 79, 263; 15. Juli 1992 - 7 [X.] - zu 2 b bb der Gründe, [X.]E 71, 14, das offenlässt, ob sich die Pflichten daneben auch aus dem in § 2 Abs. 1 [X.] normierten kollektivrechtlichen Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit der [X.]etriebsparteien ergeben).

bb) Die Meldepflichten dienen dem Zweck, dem Arbeitgeber die Arbeitseinteilung zu erleichtern, vor allem den Arbeitsausfall des Arbeitnehmers zu überbrücken (vgl. [X.] 13. Mai 1997 - 1 A[X.]R 2/97 - zu [X.] II 2 c der Gründe mwN, [X.] [X.] 1972 § 37 Nr. 119 = EzA [X.] 1972 § 37 Nr. 135). Um diesen Zweck zu erfüllen, genügt es, wenn das [X.]etriebsratsmitglied bei der Abmeldung den Ort und die voraussichtliche Dauer der [X.]etriebsratstätigkeit angibt. Aufgrund dieser Mindestangaben ist der Arbeitgeber imstande, die Arbeitsabläufe in geeigneter Weise zu organisieren und Störungen im [X.]etriebsablauf zu vermeiden. Das [X.]etriebsratsmitglied muss die Art der geplanten [X.]etriebsratstätigkeit deshalb nicht mitteilen (vgl. [X.] 15. März 1995 - 7 [X.] - zu I 1 b der Gründe, [X.]E 79, 263 unter teilweiser Aufgabe von [X.] 14. Februar 1990 - 7 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe, [X.][X.] 1990, 1625). Wie das [X.]etriebsratsmitglied die Meldungen bewirkt, ist seine Sache (vgl. [X.] 13. Mai 1997 - 1 A[X.]R 2/97 - aaO).

cc) Diese vertraglichen Nebenpflichten werden nicht dadurch zu betriebsverfassungsrechtlichen, kollektivrechtlich begründeten Pflichten, weil das [X.]etriebsratsmitglied von der Arbeitspflicht befreit werden soll, um [X.]etriebsratstätigkeit auszuüben. § 37 Abs. 2 [X.] umschreibt nur einen besonderen, betriebsverfassungsrechtlich begründeten Anlass für eine Arbeitsbefreiung ohne Minderung des Anspruchs auf Arbeitsentgelt. Damit werden die Verpflichtungen, sich beim Arbeitgeber ab- und zurückzumelden, keine ausschließlich kollektivrechtlichen Pflichten. Dieselben Verpflichtungen treffen jeden Arbeitnehmer auch in anderen Fällen, in denen er Anspruch darauf hat, unter Fortzahlung der [X.]ezüge von seiner Arbeitspflicht befreit zu sein. Die Ab- und Rückmeldepflichten beruhen ebenso wie der Entgeltanspruch, der dem [X.]etriebsratsmitglied im Fall des § 37 Abs. 2 [X.] erhalten bleibt, nicht auf [X.]etriebsverfassungsrecht, sondern auf Individualrecht, dem Arbeitsvertrag (vgl. [X.] 15. Juli 1992 - 7 [X.] - zu 2 b bb der Gründe, [X.]E 71, 14). Sie sind als [X.] auf die [X.] des Arbeitgebers iSv. § 241 Abs. 2 [X.]G[X.] zu verstehen.

b) Diese Grundsätze sind auf Fallgestaltungen zu übertragen, in denen das [X.]etriebsratsmitglied seinen Arbeitsplatz nicht verlässt, um [X.]etriebsratstätigkeit zu versehen. Grundsätzlich besteht auch in diesen Fällen eine Ab- und Rückmeldepflicht. Aufgrund der Umstände des Einzelfalls - etwa der Art der Arbeitsaufgabe, der wahrzunehmenden [X.]etriebsratstätigkeit oder der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunterbrechung - können die [X.] jedoch entfallen. Der Arbeitgeber kann dann verlangen, dass ihm die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum verrichteten [X.]etriebsratstätigkeit nachträglich mitgeteilt wird. Da der [X.]estand der Ab- und Rückmeldepflichten von den Umständen des Einzelfalls abhängt, kann der Senat die mit dem Hauptantrag erstrebte Feststellung, dass die [X.]etriebsratsmitglieder (generell) nicht verpflichtet sind, sich bei Ausführung von [X.]etriebsratstätigkeit am Arbeitsplatz ab- und anzumelden, nicht treffen.

aa) Grundsätzlich hat sich auch das [X.]etriebsratsmitglied, das am Arbeitsplatz während der Arbeitszeit [X.]etriebsratstätigkeit verrichtet, beim Arbeitgeber abzumelden, die voraussichtliche Dauer der [X.]etriebsratstätigkeit mitzuteilen und sich nach dem Ende der Arbeitsunterbrechung zurückzumelden. Das gebietet der Zweck der Pflichten, der in der Rücksicht auf die [X.] des Arbeitgebers besteht. Dem Arbeitgeber soll insbesondere ermöglicht werden, den Arbeitsausfall zu überbrücken. Er soll darüber entscheiden können, ob und ggf. welche Maßnahmen er ergreifen will, um die aus seiner unternehmerischen Sicht unabdingbaren Arbeitsabläufe sicherzustellen.

bb) Das [X.]etriebsratsmitglied ist nach dem Schutzzweck der [X.] allerdings nicht verpflichtet, sich beim Arbeitgeber abzumelden, bevor es an seinem Arbeitsplatz die [X.]etriebsratstätigkeit aufnimmt, wenn eine vorübergehende Umorganisation der Arbeitseinteilung nicht ernsthaft in [X.]etracht kommt. In solchen Konstellationen besteht auch keine Rückmeldepflicht. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Die Verpflichtung des [X.]etriebsratsmitglieds, sich im Fall der während der Arbeitszeit geleisteten [X.]etriebsratstätigkeit beim Arbeitgeber abzumelden, folgt nicht aus einem Recht des Arbeitgebers, bereits im Voraus zu erfahren, ob das [X.]etriebsratsmitglied seiner Arbeitspflicht nachkommt, die ihm als Arbeitnehmer obliegt. Die Pflicht ist für die Dauer der [X.]etriebsratstätigkeit nach § 37 Abs. 2 [X.] gerade aufgehoben. Die Abmeldepflicht des [X.]etriebsratsmitglieds beruht vielmehr auf dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers daran, auf den Arbeitsausfall des [X.]etriebsratsmitglieds umgehend reagieren und durch organisatorische Maßnahmen für Abhilfe sorgen zu können. Kommen solche organisatorischen Maßnahmen - z[X.] wegen der Art der Tätigkeit, des Zeitpunkts und des Anlasses der Arbeitsunterbrechung sowie ihrer voraussichtlichen Dauer - nicht ernsthaft in [X.]etracht, besteht kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers daran, schon vor der Aufnahme der [X.]etriebsratstätigkeit über sie informiert zu werden. Während der Arbeitgeber den Arbeitsausfall z[X.] eines Fluglotsen oder Callcenterarbeitnehmers stets wird überbrücken müssen, wird es für ihn regelmäßig nicht ernsthaft in [X.]etracht kommen, die Arbeit umzuorganisieren, wenn ein ausschließlich mit einem langfristig angelegten Projekt befasster Entwicklungsingenieur seine Tätigkeit kurzfristig unterbricht, um an seinem Arbeitsplatz [X.]etriebsratsaufgaben wahrzunehmen. Entsprechendes wird gelten, wenn ein angestellter Lehrer während der Korrektur von Klassenarbeiten in seiner Eigenschaft als [X.]etriebsratsmitglied ein Telefongespräch führt. In derartigen Konstellationen begründen die berechtigten organisatorischen Interessen des Arbeitgebers keine Ab- und Rückmeldepflicht des [X.]etriebsratsmitglieds.

cc) Ist ein [X.]etriebsratsmitglied wegen der konkreten Umstände nicht verpflichtet, sich vor und nach der [X.]etriebsratstätigkeit ab- und zurückzumelden, kann der Arbeitgeber allerdings verlangen, dass ihm die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum versehenen [X.]etriebsratstätigkeiten nachträglich mitgeteilt wird. Er hat ein berechtigtes Interesse daran zu erkennen, für welche Zeiten er aufgrund von [X.]etriebsratstätigkeit nach § 611 Abs. 1 [X.]G[X.] iVm. § 37 Abs. 2 [X.] Entgelt leisten muss, obwohl der Arbeitnehmer keine Arbeit geleistet hat. Meldet sich das [X.]etriebsratsmitglied ab und zurück, entfällt demgegenüber die Dokumentationspflicht (vgl. [X.] 14. Februar 1990 - 7 [X.] - zu [X.] 2 der Gründe, [X.][X.] 1990, 1625).

c) Der Hauptantrag konnte deswegen keinen Erfolg haben. Er erfasst jedenfalls auch Fallgestaltungen, in denen die [X.]etriebsratsmitglieder wegen der organisatorischen Interessen der Arbeitgeberin eine Ab- und Rückmeldepflicht trifft.

II. Der durch die Abweisung des [X.] zur Entscheidung des Senats angefallene Hilfsantrag ist zulässig, aber in der Sache erfolglos.

1. Der Eventualantrag ist zulässig.

a) Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn auch auslegungsbedürftig. Dem [X.]etriebsrat geht es mit dem vor dem [X.] zuletzt gestellten Hilfsantrag darum festzustellen, dass eine Ab- und Rückmeldepflicht des [X.]etriebsratsmitglieds nicht besteht, wenn es eine Umorganisation der Arbeit während der [X.]etriebsratstätigkeit am Arbeitsplatz im Einzelfall als nicht erforderlich beurteilt. Zu diesem Hilfsantrag ist der [X.]etriebsrat in der Anhörung vor dem Senat mit einer redaktionellen Umformulierung vorrangig zurückgekehrt. Der ausgelegte, vorrangig gestellte Eventualantrag ist ausreichend konkret. Über ihn kann mit Rechtskraftwirkung zwischen den [X.]eteiligten entschieden werden (§ 322 Abs. 1 ZPO).

b) Der [X.]etriebsrat hat den Hilfsantrag nicht in unzulässiger Weise geändert, indem er in der Anhörung vor dem Senat anstelle des in der Rechtsbeschwerdebegründung angekündigten [X.] vorrangig zu dem in zweiter Instanz zuletzt gestellten Hilfsantrag zurückgekehrt ist.

aa) Nach § 559 Abs. 1 ZPO ist eine Antragsänderung in der Revisions- oder [X.] grundsätzlich ausgeschlossen. Der Schluss der mündlichen Verhandlung oder Anhörung in zweiter Instanz bildet nicht nur hinsichtlich des tatsächlichen Vorbringens, sondern auch im Hinblick auf die Anträge der Parteien oder [X.]eteiligten die Entscheidungsgrundlage für das Revisions- oder Rechtsbeschwerdegericht. Ausnahmen sind insbesondere aus verfahrensökonomischen Gründen möglich, etwa wenn sich der geänderte Sachantrag auf einen in der [X.]eschwerdeinstanz festgestellten oder von den [X.]eteiligten des Revisions- oder Rechtsbeschwerdeverfahrens übereinstimmend vorgetragenen Sachverhalt stützen kann, sich das rechtliche Prüfprogramm nicht wesentlich ändert und die Verfahrensrechte der [X.]eteiligten durch eine Sachentscheidung nicht verkürzt werden (vgl. [X.] 12. Januar 2011 - 7 A[X.]R 15/09 - Rn. 19 mwN, EzA [X.] 2001 § 99 Umgruppierung Nr. 7).

bb) In der Rückkehr zu dem letzten Hilfsantrag zweiter Instanz liegt keine unzulässige Antragsänderung. Der [X.]etriebsrat hat in dritter Instanz denselben Antrag wie im zweiten Rechtszug gestellt. Dieser Antrag ist von der Rechtsbeschwerdebegründung gedeckt. Die beiden Antragsformulierungen unterscheiden sich nach gebotener Auslegung inhaltlich nicht. Der [X.]etriebsrat reklamiert für das einzelne [X.]etriebsratsmitglied einen [X.]eurteilungsspielraum in der Frage, ob die Arbeitsabläufe im Einzelfall umzuorganisieren sind, wenn das [X.]etriebsratsmitglied an seinem Arbeitsplatz [X.]etriebsratstätigkeit versieht. Für den Fall, dass die Arbeitsabläufe nach der [X.]eurteilung des [X.]etriebsratsmitglieds im Einzelfall nicht umzuorganisieren sind, will der [X.]etriebsrat festgestellt wissen, dass keine Ab- und Rückmeldepflicht besteht.

c) Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind aus den für den Hauptantrag genannten Gründen erfüllt.

2. Der Hilfsantrag ist unbegründet. Die Ab- und Rückmeldepflicht eines [X.]etriebsratsmitglieds entfällt nicht schon dann, wenn es ihm bei gewissenhafter Prüfung nicht erforderlich erscheint, die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeit umzuorganisieren. Sie entfällt vielmehr nur, wenn eine Umorganisation durch den Arbeitgeber anlässlich der vom [X.]etriebsratsmitglied versehenen [X.]etriebsratstätigkeit nicht ernsthaft in [X.]etracht kommt.

3. Über den in der Anhörung vor dem Senat höchst hilfsweise gestellten weiteren Hilfsantrag aus der Rechtsbeschwerdebegründung hat der Senat nicht zu befinden. Er ist nicht für den Fall der Abweisung des vorrangig gestellten [X.] in der Fassung zweiter Instanz gestellt, sondern für den Fall, dass der Senat in der Rückkehr zu dem früheren Hilfsantrag eine unzulässige Antragsänderung sieht. Diese [X.]edingung ist nicht eingetreten.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Gallner    

        

        

        

Für den an der Unterschrift gehinderten
ehrenamtlichen Richter Schiller
    Linsenmaier    

        

    Glock    

                 

Meta

7 ABR 135/09

29.06.2011

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Stuttgart, 24. Juli 2008, Az: 25 BV 249/07, Beschluss

§ 37 Abs 2 BetrVG, § 241 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29.06.2011, Az. 7 ABR 135/09 (REWIS RS 2011, 5331)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5331

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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