Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2018, Az. IV ZR 248/17

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 11934

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:210318BIVZR248.17.0

Berichtigt durch

Beschluss vom 24.04.2018

Heinekamp, Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV [X.]/17
vom
21. März 2018
in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], den Richter [X.], die Richterinnen [X.] und [X.]

am 21. März 2018

beschlossen:

Auf die Beschwerde des [X.] wird die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des
[X.] in [X.] vom 22. August 2017 zugelassen.

Das vorbezeichnete Urteil wird nach § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

St

Gründe:

[X.] Der Kläger macht Ansprüche aus einem mit der Beklagten ge-schlossenen [X.] geltend.

Der Versicherungsvertrag umfasste unter anderem eine Vollkasko-versicherung für das vom Kläger am 31. Januar 2014 für brutto 103.900

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C

a-denfall. Dem Vertrag lagen die Versicherungsbedingungen der Beklagten (im Folgenden: [X.]) zugrunde. Der Kläger übernahm das Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 8.211 km am 6. März 2014. Der Kaufpreis soll-te finanziert werden.

Am 14. April 2014 brannte das Fahrzeug vollständig aus, nachdem der Kläger
mit dem PKW bei nächtlicher Fahrt von B.

nach Br.

in einem Waldstück gegen 3.30 Uhr morgens von der Straße abgekom-men
war.

Die [X.]en streiten um die Leistungspflicht der Beklagten und

soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse -
insbesondere dar-über, ob die Beklagte leistungsfrei ist, weil der Kläger arglistig seine [X.] verletzt hat.

Nach der [X.], die ein Polizeibeamter vor Ort aufgenommen hatte, schilderte der Kläger den Unfallhergang [X.], dass die Temperaturanzeige seines PKWs
plötzlich eine Überhit-zung angezeigt habe und es in der Folge zum Brandausbruch im Bereich des [X.] gekommen sei. Dadurch sei er von der [X.] und erst ca. 30 m im Wald an
einer Baumgruppe zum Stehen gekommen. Der die Unfallanzeige aufnehmende Polizeibeamte hat als Zeuge vor dem [X.] bestätigt, dass ihm diese Erklärung von dem vor Ort anwesenden Feuerwehrmann, der dort auch als Dolmetscher fungiert habe, aus dem [X.] so übersetzt worden sei. In seiner Schadenanzeige vom 20. April 2014 hat der Kläger den Unfallhergang abweichend davon auszugsweise wie folgt geschildert:

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Ich fuhr am 14.04.2014 mit meinem Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit, als ein Reh von rechts auf die [X.] lief. Ich habe versucht dem Reh nach links
auszuwei-chen und geriet dabei ins Schleudern, kam von der [X.] ab und stieß frontal mit einem Baum zusammen.

I[X.] Das [X.] hat die in der Hauptsache auf Zahlung von Mehrwertsteuer in mindestens diesem Umfang bei Erwerb eines [X.] Anhörung des [X.] sowie Vernehmung von drei [X.] abgewiesen, weil der Kläger arglistig seine Aufklärungsobliegenheit verletzt habe (§ 28 Abs. 2,
Abs. 3 Satz 2 VVG i.V.m. [X.], E.6.1 [X.]). Der Kläger habe zur vollen Überzeugung des Gerichts gegenüber der Beklagten mit Schadenanzeige vom 20. April 2014 das Schadenereignis vorsätzlich falsch geschildert. Er habe diese [X.] zwar auch bei seiner Anhörung gegenüber dem Gericht geschildert. Der Kläger sei aber nicht glaubwürdig. Das Gericht gehe davon aus, von dem Kläger belogen worden zu sein. Der Kläger habe seine Schadenanzeige arglistig falsch abgefasst, um den tatsächlichen Unfallhergang zu verschleiern und die Entschädigungsregelung in seinem Sinn zu vereinfachen.

Das [X.] hat auf die Berufung des [X.] das Urteil geändert
und

t-tung
von Sachverständigenkosten zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Vorlage der [X.] verurteilt; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Der Beklagten sei der ihr obliegende Nachweis nicht gelun-gen, dass die Voraussetzungen des subjektiven Risikoausschlusses in A.2.16 Nr. 1 [X.] vorliegen, der Kläger die Schäden vorsätzlich [X.] habe. Die Beklagte sei auch nicht wegen einer arglistigen
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genheitsverletzung des [X.] leistungsfrei. Soweit es um das Auftau-chen eines Rehs auf der Straße gehe, dem der Kläger nach seinem Vor-trag ausgewichen sei, sei der Beklagten schon nicht der Nachweis ge-lungen, dass diese Einlassung des [X.] im Schadenformular falsch sei. Auch wenn das [X.] den Kläger nach dem persönlichen [X.] nicht für glaubwürdig gehalten habe, rechtfertige dies nicht zwin-gend die Feststellung, dass seine Angaben unwahr seien. Die Feststel-lung von Arglist sei nach Aktenlage auch deswegen nicht möglich, weil nicht ersichtlich sei, dass der Kläger bei der Angabe einen gegen die In-teressen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt habe.

[X.][X.] [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der
Sache an das Berufungsgericht.

1. Dieses hat den Anspruch der
Beklagten auf Gewährung rechtli-chen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt, weil es den vom [X.] zum Unfallhergang angehörten Kläger nicht erneut zum Unfallgeschehen angehört hat, obwohl es seine Aussage anders als das [X.] gewürdigt, sie insbesondere nicht "zwingend"
für unwahr gehalten hat.

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grund-sätzlich an die Tatsachenfeststellungen des
ersten [X.]. Bei Zweifeln an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entschei-dungserheblichen Feststellungen sind allerdings erneute Feststellungen geboten. Auch wenn die erneute Vernehmung von Zeugen grundsätzlich 8
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im Ermessen des Berufungsgerichts steht, ist
es verpflichtet, einen in erster Instanz vernommenen Zeugen erneut zu vernehmen, wenn es sei-ne Glaubwürdigkeit anders als der Erstrichter beurteilen oder die proto-kollierte Aussage anders als die Vorinstanz verstehen oder würdigen will
(Senatsbeschluss vom 21. April 2010 -
IV [X.], juris Rn. 5; [X.], Beschluss vom 14. Juli 2009 -
V[X.]I ZR 3/09, NJW-RR 2009, 1291 Rn. 5; [X.], Urteile
vom 8. Dezember 1999 -
V[X.]I [X.], [X.], 1199 unter [X.]juris Rn. 22]; vom 10. März 1998 -
VI [X.], NJW 1998, 2222 unter
[X.] A 1 b [juris Rn. 12]; vom 30. September 1992

[X.], [X.]Z 119, 283, 292 unter [X.] 2
[juris Rn. 35]; jeweils m.w.N.). Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterblei-ben, wenn sich das Berufungsgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die [X.] noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit sei-ner Aussage betreffen ([X.], Beschluss vom 14.
Juli 2009 aaO
Rn. 5; Urteil vom 10.
März 1998 aaO; jeweils m.w.N.).

Nichts anderes gilt, wenn das Erstgericht die [X.] lediglich nach § 141 ZPO informatorisch angehört hat. Jedenfalls soweit die Angaben der [X.]en in die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach § 286 Abs. 1 ZPO Eingang gefunden haben (vgl. [X.], Urteil vom 16. Juli 1998

I
ZR 32/96, [X.], 363
unter [X.]juris Rn. 14]) und dort in ihrer Glaub-haftigkeit bewertet wurden, kann das Berufungsgericht nicht ohne eigene Anhörung von dieser Würdigung abweichen ([X.], Beschluss vom 25.
Juli 2017

[X.]/17, [X.], 249 Rn. 10; Urteil vom 16. Juli 1998 aaO; [X.], NJW 2017, 3218 Rn. 58; jeweils m.w.N.).

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b) Das Berufungsgericht hat gegen diese Pflicht zur neuerlichen Anhörung der [X.] verstoßen, denn es hat die protokollierte Aussage des [X.] anders gewertet als das [X.].

Dieses hat aufgrund seines persönlichen Eindrucks anlässlich der Anhörung des [X.] und der drei von ihm vernommenen Zeugen sowie der weiteren im Einzelnen gewürdigten Umstände die Überzeugung ge-wonnen, dass der Kläger gegenüber der Beklagten mit Schadenanzeige
vom 20. April 2014 das Schadenereignis vorsätzlich falsch geschildert habe. Es hat nach Anhörung des [X.] diesen für nicht glaubwürdig gehalten und war davon überzeugt, vom Kläger belogen worden zu sein. Der Kläger habe sowohl bei seiner Anhörung als auch durch die schriftli-chen Einlassungen seines
Prozessbevollmächtigten nicht den Eindruck vermittelt, zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen zu wollen. Seine Erklärungen seien teils unklar, teils ausweichend, teils widersprüchlich gewesen. So habe er etwa die Diskrepanz seiner Unfallschilderung zur Darstellung des [X.] in der [X.] nicht befriedigend erläutern können. Die gegenüber der Polizei abgegebene Hergangsschilderung habe er jeweils variierend vorgetragen. Zunächst habe er es als möglich dargestellt, nicht verstanden worden zu sein, eventuell über das "Thema Reh"
auch nicht gesprochen zu haben. Dann habe er es in Abrede gestellt, das in der Unfallanzeige [X.] zu haben. Schließlich habe er angegeben, der Polizei gegenüber von seinem Ausweichmanöver vor einem Reh berichtet zu haben.

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Das Berufungsgericht meint demgegenüber, der Beklagten sei der Nachweis nicht gelungen, dass die Einlassung des [X.] im Schaden-formular zum Auftauchen eines Rehs auf der Straße falsch sei. Auch wenn das [X.] den Kläger nach dem persönlichen Eindruck nicht für glaubwürdig gehalten habe, rechtfertige dies "nicht zwingend"
die Feststellung, dass seine Angaben unwahr seien. Diese Folgerung durfte
das Berufungsgericht nicht ohne nochmalige Anhörung des [X.] zum Unfallhergang treffen. Es durfte keine Beweislastentscheidung zum Nachteil der Beklagten treffen, ohne den Kläger selbst nochmals zum Unfallgeschehen im Einzelnen zu befragen (vgl. auch [X.], Beschluss vom 20. November 2014

[X.], juris Rn. 6).

Soweit das Berufungsgericht den Kläger zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen angehört hat, genügte dies
entgegen der Ansicht der Be-schwerdeerwiderung nicht. Es ist schon nicht ersichtlich, dass sich das Berufungsgericht aufgrund dieser Anhörung eine eigene Überzeugung von der Glaubwürdigkeit des [X.] gebildet hat. Insbesondere kann diese Anhörung aber eine Anhörung zum Unfallgeschehen nicht erset-zen.

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2. Die Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht anders entschieden hätte, wenn es den Kläger selbst zum Unfallhergang befragt hätte.

[X.]
[X.]
[X.]

[X.]
[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.05.2015 -
44 O 211/14 -

KG Berlin, Entscheidung vom 22.08.2017 -
6 [X.] -

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:240418BIVZR248.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV [X.]/17
vom
24. April 2018
in dem Rechtsstreit

Der IV. Zivilsenat des [X.] hat am 24. April 2018 durch den Richter [X.], die Richterin [X.], den Richter
[X.], die Richterinnen Dr.
Brockmöller und Dr.
Bußmann

beschlossen:

Der Beschluss des Senats vom 21. März 2018 wird gemäß § 319 Abs. 1 ZPO wegen einer offenbaren Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass es im Tenor heißen muss:

"Auf die Beschwerde der Beklagten wird die Revision ge-gen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 22. August 2017 zugelassen."

[X.]
[X.]
[X.]

[X.]
[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.05.2015 -
44 O 211/14 -

KG Berlin, Entscheidung vom 22.08.2017 -
6 [X.] -

Meta

IV ZR 248/17

21.03.2018

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2018, Az. IV ZR 248/17 (REWIS RS 2018, 11934)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11934

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IV ZR 248/17

IV ZR 172/09

VI ZR 103/17

6 U 78/15

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