Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2008, Az. 3 StR 6/08

3. Strafsenat | REWIS RS 2008, 4822

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[X.] vom 27. März 2008 Nachschlagewerk: ja [X.]St: ja Veröffentlichung: ja __________________ [X.] § 243 Abs. 4 Satz 2, § 244 Abs. 2 und 3 Zur Verlesung von schriftlichen Erklärungen des Angeklagten durch das Gericht und zur Behandlung hierauf gerichteter Beweisanträge. [X.], [X.]. vom 27. März 2008 - 3 StR 6/08 - [X.] in der Strafsache gegen wegen Betruges - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des [X.] - zu 3. auf dessen Antrag - am 27. März 2008 gemäß §§ 44, 46 Abs. 1, 349 Abs. 2 und 4 [X.] einstimmig be-schlossen: 1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Wiederholung einer Verfahrensrüge wird zurückgewiesen. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts Hildesheim vom 1. Juni 2007 im Strafausspruch aufgehoben; die Feststellungen bleiben aufrechterhalten. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-richts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges unter Einbezie-hung der durch Urteil des [X.]s Hildesheim vom 19. Mai 2004 (15 [X.]) erkannten Strafen und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs [X.] - 3 - ten verurteilt. Außerdem hat es bestimmt, dass die "von dem Angeklagten in dem einbezogenen Urteil bereits bezahlte Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessät-zen angerechnet wird". Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten haben [X.] beiden Verteidiger mit mehreren Verfahrensrügen und der Sachrüge [X.] begründet. Die von Rechtsanwalt [X.]erhobene Rüge, das er-kennende Gericht sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 338 Nr. 1 [X.]), hat den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] nicht genügt, weil der Gerichtsbeschluss vom 23. Januar 2006, mit dem der Besetzungsein-wand zurückgewiesen worden war, nicht mitgeteilt worden ist. Von diesem Formfehler hat der Angeklagte durch die seinen Verteidigern zugestellte [X.] des [X.] erfahren. Daraufhin hat er durch Rechtsanwalt [X.]die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Wie-derholung der Verfahrensrüge beantragt und in der Anlage die um den [X.] ergänzte Rüge übergeben. Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe die Frist zu deren Erhebung unverschuldet versäumt, weil er sich auf die ordnungsgemäße Sachbearbeitung durch den Verteidiger habe verlassen können. 2 I. Das Wiedereinsetzungsgesuch ist unzulässig. 3 Das Gesetz räumt die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur für den Fall ein, dass eine Frist versäumt worden ist (§ 44 Satz 1 [X.]). Eine Fristversäumung liegt hier nicht vor, weil die Revision des Ange-klagten von seinen Verteidigern mit der Sachrüge und mit mehreren Verfah-rensrügen fristgerecht begründet worden ist (st. Rspr.; vgl. [X.]St 1, 44; [X.]R [X.] § 44 Verfahrensrüge 1, 3, 7). Auch die Rüge fehlerhafter [X.] - 4 - zung ist nicht verspätet, sondern lediglich nicht in der durch § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] vorgeschriebenen Form erhoben worden. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Wiederholung einer [X.] vom Verteidiger nicht formgerecht vorgetragenen und daher unzulässi-gen Verfahrensrüge widerspräche im Übrigen der Systematik des [X.]. Könnte ein Angeklagter, dem durch die Antragsschrift des [X.] ein formaler Mangel in der Begründung einer Verfahrensrüge aufgezeigt worden ist, diese unter Hinweis auf ein Verschulden seines [X.] nachbessern, würde im Ergebnis die Formvorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] außer [X.] gesetzt. Da den Angeklagten selbst an dem Mangel regelmäßig keine Schuld trifft, wäre ihm auf einen entsprechenden Antrag hin stets Wiedereinsetzung zu gewähren (vgl. [X.]R [X.] § 44 Verfahrensrüge 1; [X.] wistra 1992, 28). Dies würde nicht mit dem öffentlichen Interesse in [X.] stehen, einen geordneten Fortgang des Verfahrens zu sichern und ohne Verzögerung alsbald eine klare Verfahrenslage zu schaffen ([X.]St 1, 44, 46). Die Gegenmeinung, die in einem solchen Fall aus Gründen der materiellen Ge-rechtigkeit generell Wiedereinsetzung gewähren will (vgl. [X.] in [X.], [X.]. § 44 Rdn. 16; [X.] 2003, 112, 114) [X.] nicht ausreichend, dass Formvorschriften zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Strafprozesses erforderlich sind. 5 Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Ver-fahrensrüge kommt daher nur in besonderen [X.] ausnahmswei-se in Betracht, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (vgl. [X.]R [X.] § 44 Verfahrensrüge 8; [X.], [X.]. vom 15. März 2001 - 3 StR 57/01; [X.]. vom 25. September 2007 - 1 StR 432/07; [X.], [X.] 6 - 5 - 50. Aufl. § 44 Rdn. 7 [X.]). Eine solche Ausnahmesituation liegt im vorliegenden Fall ersichtlich nicht vor. Auch bei Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bliebe die ergänzte Rüge ohne Erfolg; denn sie wäre unbegründet, wie der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat. 7 II. [X.] weist keinen Rechtsfehler auf. Ergänzend zur An-tragsschrift des [X.] bedarf der näheren Erörterung lediglich die Beanstandung, das [X.] habe unter Verstoß gegen § 244 Abs. 2, 3 [X.] die schriftliche Erklärung des Angeklagten vom 3. November 2006 nicht im Wege des [X.] verlesen. 8 1. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: 9 In der Anklageschrift hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten vor-geworfen, die [X.] zur Auszahlung eines Darlehens von 2,4 Mio. DM durch die Täuschung über den Verwendungszweck des Geldes - den Kauf von Geräteteilen zur Herstellung von 20 Kaltlichtbestrahlungsgeräten - veranlasst zu haben. Nach Verlesung der Anklageschrift hat sich der Angeklagte zur Sache nicht eingelassen. In der Hauptverhandlung vom 10. November 2006 (41. Hauptverhandlungstag) hat er beantragt, im Wege des [X.] sein an das [X.] adressiertes, zur Strafakte gelangtes Schreiben vom 3. No-vember 2006 zu verlesen zu dem Beweisthema: "Die Verlesung wird folgenden Wortlaut der Erklärung ergeben: –.". [X.] war dem Antrag das vierseitige Schreiben im Wortlaut. In ihm hat sich der Angeklagte zur finanziellen Lage der [X.] geäußert, die bisherige Beweisaufnahme bewertet und insbeson-dere die Behauptung aufgestellt, es sei zwischen ihm und der durch den [X.]. vertretenen [X.] tatsächlich ein Kaufvertrag über 20 Kalt-lichtbestrahlungsgeräte abgeschlossen worden, der nur zur Beschönigung der 10 - 6 - Bilanz der GmbH als Darlehensvertrag bezeichnet worden sei; das ausbezahlte Darlehen habe in Wirklichkeit eine Anzahlung auf den Kaufpreis sein sollen. Außerdem hat er in dem Schreiben mehrere [X.] aufgestellt und dafür Beweismittel benannt. Mit [X.]uss vom 20. November 2006 hat die Strafkammer den Verle-sungsantrag mit folgender Begründung abgelehnt: "Soweit der Angeklagte [X.], seine eigene Erklärung zu verlesen, handelt es sich nicht um einen Beweisantrag, weil es an einer [X.] fehlt. Da der Angeklagte [X.] – erklärt hat, er wolle sich nicht einlassen, sieht sich die Kammer daran gehindert, die Erklärung von Amts wegen zu verlesen. Die schriftliche Äußerung des Angeklagten spiegelt seine Auffassung und Meinung zu bestimmten [X.] wieder. Würde sie verlesen, käme dies einer Einlassung insoweit gleich (sog. Einlassungssurrogat). Damit wäre die Möglichkeit zur Bewertung seines Schweigens zu diesen Punkten im Übrigen eröffnet, was der Angeklagte gerade ausdrücklich nicht wünscht." 11 2. Die Rüge hat keinen Erfolg. Die Ablehnung des Antrags hält im Er-gebnis rechtlicher Nachprüfung stand. 12 a) Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass es sich bei dem Begehren des Angeklagten nicht um einen Beweisantrag handelte, der nur unter einer der Voraussetzungen des § 244 Abs. 3 [X.] hätte zurückgewiesen werden können. 13 aa) Das Schreiben des Angeklagten vom 3. November 2006 enthielt - wenn man von den Beweisanträgen absieht, über die das [X.] geson-dert entschieden hat und die nicht Gegenstand der Rüge sind - sowohl seiner Zweckbestimmung als auch seinem Inhalt nach im [X.] eine den Vorwurf des Betrugs bestreitende Einlassung zur Sache, auch wenn der Angeklagte [X.] - 7 - holt ausdrücklich erklärt hatte, von seinem Schweigerecht Gebrauch machen zu wollen. Ist ein Angeklagter aber bereit, Angaben zur Sache zu machen, so ist er gemäß § 243 Abs. 4 Satz 2, § 136 Abs. 2 [X.] zu vernehmen. Die Verneh-mung erfolgt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem Zweck der [X.] durch eine mündliche Befragung mit mündlichen Antworten ([X.] [X.], 439; [X.] in [X.]. § 243 Rdn. 44; [X.] aaO § 243 Rdn. 30). [X.] hat daher keinen Anspruch darauf, dass das Gericht seine schriftliche Einlassung in der Hauptverhandlung verliest (vgl. [X.] NJW 1994, 2904, 2906 - insoweit in [X.]St 40, 211 nicht abgedruckt; [X.] [X.], 439; 2004, 163, 164; [X.], 622; [X.] aaO § 243 Rdn. 44 m. w. N.; [X.] in SK-[X.] 54. Lfg. § 243 Rdn. 71). Dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte zu dem in § 243 Abs. 4 Satz 1 und 2 [X.] vorgesehenen Zeitpunkt der Hauptverhandlung zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, in deren späteren Verlauf jedoch zum [X.] Stellung nehmen will (vgl. [X.] NStZ 1986, 370). [X.]) Diese gesetzlich vorgesehene Form der Einlassung des Angeklagten kann nicht dadurch umgangen werden, dass dieser seine Stellungnahme zur Anklage in einem Schreiben an das Gericht niederlegt und nach dessen [X.] einen Antrag auf Verlesung des Wortlauts im [X.] stellt. Die Beweisbehauptung, der Angeklagte habe sich in einem Schriftstück in einer be-stimmten Weise zum Tatvorwurf geäußert, betrifft für sich grundsätzlich keine für die Entscheidung über den Schuldspruch oder Rechtsfolgenausspruch rele-vante [X.], die im formellen Strengbeweis aufzuklären ist (vgl. [X.] NJW 1994, 2904, 2906; [X.], 439; [X.], 622; [X.] aaO § 244 Rdn. 18 m. w. N.; aA Schlothauer [X.], 623, 625). Anders liegt es nur, wenn gerade der Inhalt des Schriftstückes an sich als Beweisgrundlage für den Urteilsspruch heranzuziehen ist. Im Einzelnen: 15 - 8 - [X.] eines Angeklagten ist zwar Teil der Beweisaufnah-me im materiellen Sinn, weil sie den Umfang der durchzuführenden formellen Beweisaufnahme bestimmt und über eine Tatsache, die dieser glaubhaft ein-gestanden hat, kein Beweis erhoben werden muss (vgl. [X.] aaO § 244 Rdn. 3; [X.] in SK-[X.] aaO § 244 Rdn. 26, 28; vgl. auch [X.] in SK-[X.] aaO § 243 Rdn. 52). Sie gehört jedoch nicht zu der in den §§ 244 - 257 [X.] geregelten formellen Beweisaufnahme und ist damit kein Beweismit-tel im technischen Sinn (vgl. [X.] aaO). Dies ergibt sich schon daraus, dass gemäß § 243 Abs. 3 und 4, § 244 Abs. 1 [X.] die Vernehmung eines aussagebereiten Angeklagten zur Sache nach Verlesung der Anklageschrift vor Beginn der eigentlichen Beweisaufnahme erfolgt und das Gesetz somit eine Trennung der Einlassung von der formellen Beweisaufnahme vorsieht (Herde-gen in [X.]. § 244 Rdn. 2). 16 An dieser gesetzlichen Konzeption ändert sich im Grundsatz nichts da-durch, dass der Angeklagte auf sein Recht aus § 243 Abs. 4 Satz 2 [X.], sich vor der formellen Beweisaufnahme mündlich zum Tatvorwurf zu äußern, ver-zichtet und statt dessen rechtliches Gehör in der Weise in Anspruch nimmt, dass er dem Gericht eine schriftliche Stellungnahme zu der Beschuldigung überreicht oder zusendet. Nicht anders als bei einer mündlichen Einlassung nach § 243 Abs. 4 Satz 2 [X.] erwächst dem Gericht hieraus zunächst ledig-lich die Verpflichtung, das Vorbringen des Angeklagten zur Kenntnis zu nehmen und zu prüfen, inwieweit dieses nach Maßgabe des § 244 Abs. 2 [X.] Anlass gibt, die Sachaufklärung durch formelle Beweisaufnahme auf bestimmte zusätz-liche Gesichtspunkte zu erstrecken. Es gilt hier nichts anderes als in den Fällen, in denen sich der Angeklagte schon vor der Hauptverhandlung schriftlich zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf geäußert hat, etwa nach § 136 Abs. 1 Satz 4 [X.], durch Einwendungen im Sinne des § 201 Abs. 1 [X.] oder im Zusammenhang mit Anträgen nach § 219 Abs. 1 [X.]. Insoweit ist [X.] - 9 - her - soweit ersichtlich - nicht ernsthaft vertreten worden, dass derartige schrift-liche Äußerungen in der Hauptverhandlung verlesen werden müssen, um [X.] die gerichtliche Aufklärungspflicht zu aktivieren. Unterschiede ergeben sich erst dann, wenn gerade der Inhalt der [X.] als Grundlage des Urteilsspruchs herangezogen werden soll. Legt der Angeklagte bei seiner Vernehmung nach § 243 Abs. 4 Satz 2 [X.] etwa ein Geständnis ab, so wird dieses durch seine mündliche Äußerung im Rahmen der materiellen Beweisaufnahme zum Inbegriff der Hauptverhand-lung (§ 261 [X.]) und darf daher vom Gericht bei der Urteilsfindung verwertet werden (siehe oben). Anders liegt es bei einem Geständnis, das der Angeklagte dem Gericht in schriftlicher Form zukommen lässt. Hier muss der Wortlaut des Schriftstücks durch Verlesung im formellen [X.] in die [X.] eingeführt werden, wenn das Geständnis als Grundlage des Urteils herangezogen werden soll (vgl. [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 244 Rdn. 33; [X.] aaO § 249 Rdn. 13). Es gilt hier nichts anderes als für schriftliche Geständnisse des Angeklagten, die nicht für das Gericht be-stimmt waren und etwa durch Sicherstellung oder [X.]agnahme Bestandteil der Verfahrensakten geworden sind. Ebenso liegt es bei einer erheblichen Di-vergenz zwischen der mündlichen Einlassung des Angeklagten in der [X.] und seiner schriftlichen Stellungnahme zum Tatgeschehen, wenn aus letzterer Schlussfolgerungen dazu gezogen werden sollen, ob die mündli-che Einlassung glaubhaft ist (vgl. [X.] aaO § 243 Rdn. 72). Wird in diesen Fällen ein Antrag gestellt, die schriftliche Erklärung des Angeklagten zu verle-sen, ist dies ein Beweisantrag, der nur unter den Voraussetzungen des § 244 Abs. 3 [X.] zurückgewiesen werden kann. Allerdings wird schon die Aufklärungspflicht im Regelfall zur Verlesung des Schriftstückes drängen. 18 - 10 - Nach diesen Maßstäben handelte es sich bei dem [X.] vom 10. November 2006 nicht um einen Beweisantrag. Es war nicht darauf gerichtet, den Wortlaut des Schreibens als solchen dem Urteil zugrunde zu legen; viel-mehr wollte der Angeklagte lediglich seine den Tatvorwurf bestreitende Einlas-sung sowie vor deren Hintergrund seine Bewertung des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme strengbeweislich in die Hauptverhandlung eingeführt [X.], obwohl das Gesetz diese Form der Beweiserhebung hierfür gerade nicht vorsieht. Das Gericht hatte den Inhalt des Schreibens auch ohne dessen ur-kundsbeweisliche Verlesung zur Kenntnis zu nehmen und - soweit durch § 244 Abs. 2 [X.] geboten - für die Gestaltung und gegebenenfalls den Umfang der Beweiserhebung zu berücksichtigen, aber auch bei der Beurteilung von deren Ergebnissen in Betracht zu ziehen. 19 cc) Abschließend bemerkt der Senat zu diesem Punkt: 20 Das vom Angeklagten mit seinem Vorgehen ersichtlich verfolgte [X.], nach einer Verlesung seiner schriftlichen Einlassung durch das Gericht im formellen Strengbeweis (§ 249 Abs. 1 [X.]) im Revisionsverfahren mit der [X.] einer Verletzung des § 261 [X.] beanstanden zu können, das Urteil habe sich mit wesentlichem Entlastungsvorbringen nicht ausreichend auseinanderge-setzt, rechtfertigt keine andere Beurteilung (vgl. [X.] aaO; [X.] in SK-[X.] 37. Aufbau-Lfg. § 337 Rdn. 81 m. w. N.). Zwar handelt es sich bei einer schriftli-chen Einlassung um eine grundsätzlich verlesbare Urkunde, weil das Gesetz die Verlesung nicht ausschließt (vgl. [X.]St 39, 305, 306). Jedoch kann ein schweigender Angeklagter das Gericht nicht zur Verlesung einer schriftlichen Einlassung zwingen und damit im Ergebnis wählen, ob er sich mündlich oder schriftlich zur Sache einlassen will. Ein solches Wahlrecht zwischen einer durch das Gericht verlesenen, ihre Sachbehandlung im Urteil inhaltlich revisionsrecht-lich voll überprüfbaren schriftlichen Einlassung einerseits und einer in der 21 - 11 - Hauptverhandlung selbst vorgetragenen, revisionsrechtlich nur mittelbar über deren Wiedergabe im Urteil überprüfbaren Aussage andererseits ist mit der auf die Prinzipien der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit angelegten Konzeption des Strafverfahrens und dem hieran anknüpfenden inhaltlich eingeschränkten Sys-tem der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht vereinbar (vgl. [X.] in FS für [X.], 654). b) Aus dem Gesagten folgt, dass auch die gerichtliche Pflicht zur Amts-aufklärung (§ 244 Abs. 2 [X.]) es nicht gebot, das Schreiben des Angeklagten vom 3. November 2006 im Wege des [X.] zu verlesen. Daher ist es revisionsrechtlich unerheblich, dass sich das [X.] nach dem Wortlaut seines Ablehnungsbeschlusses nicht bewusst war, dieses verlesen zu können (vgl. [X.]St 39, 305, 306). 22 Gemäß § 244 Abs. 2 [X.] hat das Gericht die Pflicht, zur Ermittlung des wahren Sachverhalts von Amts wegen die Beweisaufnahme auf alle Tatsachen und zulässigen Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung über den Tatvorwurf von Bedeutung sind und zur Sachaufklärung beitragen können. Deshalb muss es im Rahmen der angeklagten Tat die beweisbedürftigen [X.] mit allen zulässigen Beweismitteln feststellen, die für die Schuldfrage oder die in Betracht kommenden Rechtsfolgen erheblich sind (vgl. [X.] aaO § 244 Rdn. 40; [X.] aaO § 244 Rdn. 31, 35). Der konkrete Inhalt des Schreibens vom 3. November 2006 enthielt jedoch - wie oben dargestellt - als rein bestreitende Einlassung zum Tatvorwurf kein für den Schuldspruch oder den Rechtsfolgenausspruch wesentliches Vorbringen, aus dem für sich zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten Schlüsse hätten gezogen werden können. Zu seiner Verlesung im [X.] drängte daher nichts. Soweit das Schreiben Beweisanträge enthielt, hat das [X.] darüber entschie-den. Eine Verfahrensrüge ist insoweit nicht erhoben. 23 - 12 - Dem Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wurde dadurch Rechnung getragen, dass sein Schreiben Aktenbestandteil geworden ist, das Gericht dessen Inhalt zur Kenntnis genommen hat und unter [X.] verpflichtet war, die Beweisaufnahme auf alle nach dem Inhalt des Schreibens sich aufdrängenden Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken. Somit kann eine zur Akte gelangte schriftliche Einlassung den Um-fang und den Inhalt der Beweisaufnahme bestimmen. Wenn das Gericht einer nach dem Inhalt einer schriftlichen Einlassung sich aufdrängenden [X.] nicht nachgeht oder ein sich danach aufdrängendes Beweismittel nicht verwendet, beispielsweise einen Tatzeugen oder Alibizeugen nicht vernimmt, verletzt es insoweit seine Aufklärungspflicht. Mit der Aufklärungsrüge kann dann aber nicht die unterlassene Verlesung der Einlassung als solche gerügt werden, sondern nur die unterlassene Erhebung von Beweisen, die sich aufgrund der zum Akteninhalt gewordenen schriftlichen Erklärung aufdrängte. 24 Darüber hinaus gilt hier: Soweit das im Verlesungsantrag des Angeklag-ten wiedergegebene Schreiben vom 3. November 2006 Anlass hätte geben können, bestimmten Beweisanregungen nachzugehen, insbesondere den [X.]. nochmals zu vernehmen, ist die Aufklärungsrüge unzulässig. Es fehlt an der Mitteilung sowohl des zu erwartenden Beweisergebnisses als auch der Umstände, aufgrund derer sich die Beweiserhebung aufgedrängt hat. [X.] wäre die Aufklärungsrüge auch unbegründet. Die in der schriftlich formu-lierten Einlassung enthaltenen Behauptungen wurden - soweit bedeutsam - vom [X.] bei der Beweisaufnahme berücksichtigt und in der Beweiswür-digung ausführlich erörtert. 25 III. Der Strafausspruch hält indes rechtlicher Nachprüfung nicht Stand, weil das [X.] die festgestellte Verletzung des Gebots zügiger Verfah-26 - 13 - renserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]) in einer der neuen Rechtsprechung des [X.] nicht gerecht werdenden Weise kompensiert hat. 1. Das [X.] hat für den Betrug mit rechtsfehlerfreien Erwägungen eine Einzelstrafe von fünf Jahren als eigentlich verwirkt angesehen. Sodann hat es unter Beachtung der bisherigen Rechtsprechung (vgl. hierzu [X.] NJW 2007, 3294 [X.]) die ohne Rechtsfehler festgestellte Verfahrensverzögerung von zwei Jahren und neun Monaten dadurch kompensiert, dass es eine Einzelstrafe von drei Jahren und sechs Monaten festgesetzt hat. Aus dieser Strafe und den Einzelstrafen aus dem Urteil des [X.]s Hildesheim vom 19. Mai 2004 (15 [X.]) - eine Freiheitsstrafe von acht Monaten, neunzehn Freiheitsstrafen von sechs Monaten, vier Geldstrafen von 120 Tagessätzen und acht Geldstrafen von 180 Tagessätzen - hat es unter Auflösung der verhängten Gesamtstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten gebildet und darauf die bereits bezahlte Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessät-zen angerechnet. 27 2. Dies entspricht nicht dem Verfahren, in dem nach der nach Verkün-dung des angefochtenen Urteils geänderten Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs der Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu kompensieren ist (vgl. [X.]-GS- NJW 2008, 860 - zum Abdruck in [X.]St bestimmt). Danach ist die Kompensation nicht mehr durch einen bezifferten Abschlag auf die an sich schuldangemessene Strafe vorzunehmen. Vielmehr muss zunächst eine schuldangemessene, die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung außer [X.] lassende Einzelstrafe festgesetzt werden, wobei der lange zeitliche [X.] zwischen Tat und Urteil sowie die besonderen Belastungen, denen der Angeklagte wegen der überlangen Verfahrensdauer ausgesetzt war, bei der Straffestsetzung mildernd zu berücksichtigen und als bestimmende Zumes-sungsfaktoren in den Urteilsgründen kenntlich zu machen sind (§ 267 Abs. 3 28 - 14 - Satz 1 [X.]). Aus dieser Strafe und den einbeziehenden Strafen ist sodann eine Gesamtstrafe zu bilden, die in der Urteilsformel verhängt wird. Schließlich muss die Kompensation dadurch vorgenommen werden, dass in der Urteilsfor-mel ausgesprochen wird, welcher bezifferte Teil der verhängten Gesamtstrafe als Kompensation der Verfahrensverzögerung als vollstreckt gilt. Allgemeine Kriterien für diese Festlegung lassen sich nicht aufstellen; entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalls, wie der Umfang der staatlich zu [X.] Verzögerung, das Maß des Fehlverhaltens der [X.] sowie die Auswirkungen all dessen auf den Angeklagten. Jedoch muss stets im Auge behalten werden, dass die Verfahrensdauer als solche sowie die hiermit verbundenen Belastungen des Angeklagten bereits mildernd in die Strafzumes-sung eingeflossen sind und es daher in diesem Punkt der Rechtsfolgenbestim-mung nur noch um einen Ausgleich für die rechtsstaatswidrige Verursachung dieser Umstände geht. Der neue Tatrichter ist durch § 358 Abs. 2 [X.] nicht gehindert, für den Betrug eine höhere Einzelstrafe als die bisher erkannte von drei Jahren und sechs Monaten zu verhängen, die jedoch die im angefochtenen Urteil als an sich verwirkt und ohne Kompensation als schuldangemessen angesehene [X.] von fünf Jahren nicht übersteigen darf. Die zu verbüßende Strafe (die aus der schuldangemessenen Strafe und den einzubeziehenden Einzelstrafen zu bildenden Gesamtstrafe abzüglich des zur Kompensation der [X.] für vollstreckt zu erklärenden Teils) darf jedoch fünf Jahre und sechs Monate nicht übersteigen. Die bereits bezahlte Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen ist gemäß § 51 Abs. 2, 4 Satz 1 StGB kraft Gesetzes auf die zu verbüßende Gesamtfreiheitsstrafe anzurechnen. 29 [X.] wird, auch wenn der neue Tatrichter auf eine fünf Jahre und sechs Monate übersteigende Gesamtfreiheitsstrafe erkennt, hier durch die 30 - 15 - Kompensation in Form einer Anrechnung besser gestellt, weil sich der Zeit-punkt, zu dem ein Strafrest zur Bewährung ausgesetzt werden kann, vorverla-gert wird. Er kann deshalb - bei Vorliegen der übrigen, hier durchaus in Betracht kommenden Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 StGB - früher zur Bewährung aus dem Strafvollzug entlassen werden. Durch die Anwendung des früheren Strafabschlagsmodells ist er daher beschwert. 3. Die Feststellungen des [X.]s sind durch die rechtsfehlerhafte Verfahrensweise bei der Kompensation nicht berührt. Sie können daher [X.] bleiben. Der neue Tatrichter kann ergänzende, zu ihnen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen. 31 [X.] Pfister von [X.][X.]

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3 StR 6/08

27.03.2008

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2008, Az. 3 StR 6/08 (REWIS RS 2008, 4822)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 4822

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