Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2000, Az. 5 StR 613/99

5. Strafsenat | REWIS RS 2000, 1717

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5 [X.]/99BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSSvom 6. Juli 2000in der [X.] Körperverletzung im [X.] des [X.] hat am 6. Juli 2000beschlossen:1.Auf die Revisionen der Angeklagten [X.]und [X.]wird das Urteil des [X.] (Oder) vom4. Mai 1998 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehobena)in den Einzelstrafaussprüchen zu Fall 8, betref-fend R , und zu Fall 9, betreffend [X.],b)in den Gesamtstrafaussprüchen gegen diese [X.].2.Die weitergehenden Revisionen dieser Angeklagten [X.] die Revisionen der Angeklagten [X.]und [X.]gegen das genannte Urteil werden nach § 349 Abs. 2StPO als unbegründet verworfen.3.Die sofortigen Beschwerden der Angeklagten [X.]und[X.] gegen die sie betreffenden Kostenentscheidun-gen in dem genannten Urteil werden auf deren [X.] unbegründet verworfen.Die Angeklagten [X.] und [X.]haben die Kosten ih-rer Revisionen zu tragen.Der Angeklagte [X.]hat die den Nebenklägern [X.] , T T [X.] , [X.], [X.]K , [X.], L A [X.] und [X.] U [X.]im Revisions-verfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu [X.] -gen, der Angeklagte [X.] diejenigen der [X.] T , [X.], [X.]und [X.]K [X.] ,der Angeklagte [X.] diejenigen der [X.]und [X.]sowie der Ange-klagte [X.] diejenigen des Nebenklägers L A D .4.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die verbleiben-den Kosten der Revisionen der Angeklagten [X.] und [X.] , an eine andere Strafkammer des [X.].[X.][X.] hat die Angeklagten, die zu den [X.] zwischenFebruar 1993 und Juni 1994 als Polizeibeamte in [X.] tätig waren, wegeninsgesamt zwölf Fällen auf der dortigen Wache (oder bei der Zuführungdorthin) verübter Mißhandlungen für schuldig befunden. Opfer der Tatenwaren vorläufig festgenommene Ausländer, zumeist [X.], die [X.] illegalen [X.] standen. Das [X.] hat die [X.] jeweils wegen Körperverletzung im Amt verurteilt: die Angeklagten[X.], [X.]und [X.] zu [X.] jeweils zur Bewährung ausgesetzten [X.] Ge-samtfreiheitsstrafen von zwei Jahren gegen [X.](neun Fälle), einem [X.] [X.](drei Fälle) und zehn Monaten gegen [X.] (zwei Fälle), [X.] den Angeklagten [X.](ein Fall) zu einer Geldstrafe von 90 [X.] je 60 DM. Abgesehen von der sachlichrechtlich fehlerhaften [X.] je einer Einzelstrafe bei [X.] und [X.], deren Aufhebung jeweils auchdie der Gesamtstrafe nach sich zieht, sind die Revisionen der [X.] im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.- 4 -1. Zu den Verfahrensrügen merkt der Senat im Anschluß an [X.] des [X.] lediglich an:a) Es bedarf keiner Entscheidung, ob und inwieweit mit den Revisio-nen die Grundlagen für Vereidigungsverbote nach § 60 Nr. 2 StPO hinrei-chend dargestellt worden sind, die als Zeugen vernommene, vereidigte Poli-zeiangehörige betrafen, die ausgesagt hatten, sie hätten nichts von [X.] vorläufig festgenommener Personen auf der [X.]. Mit dem [X.] ist nämlich sicher auszuschließen,daß das angefochtene Urteil auf entsprechenden Verstößen [X.] die in der [X.] nicht fernliegen [X.] beruhen kann. Das [X.] hat den Zeugen un-geachtet ihrer Vereidigung keinen Glauben geschenkt. Nach der [X.] Beweiswürdigung im Urteil und der Gesamtheit des Revisionsvorbrin-gens läßt sich ausschließen, daß die Verteidigung eines der Angeklagten inder mehr als zwei Jahre andauernden Hauptverhandlung sich nicht der Ge-fahr bewußt gewesen wäre, daß das Gericht die entsprechenden Angabender Polizeikollegen der Angeklagten weitgehend als entlastende [X.] bewerten würde. Daher läßt sich auch aus dem [X.] zweifelhaften (vgl.[X.], 89) [X.] Gesichtspunkt einer Desinformation der Verteidigunghier kein Beruhen des Urteils auf den geltend gemachten Verstößen unzu-lässiger Vereidigung ableiten.b) Auch die auf Verletzung des § 229 StPO gestützten [X.] [X.] keinen Erfolg haben. Inwieweit sie bereits wegen Verwirkung unzulässigsind, weil die beanstandete karge Verfahrensgestaltung an einem Verhand-lungstag gerade auf Wunsch eines Verteidigers und mit Rücksicht auf [X.] erfolgte (vgl. [X.]R StPO § 338 Nr. 5 [X.] [X.] 3; [X.], 451; [X.], Beschluß vom 25. Februar 2000[X.] 2 StR 514/99 [X.]), bedarf keiner näheren Klärung; denn es ist in keinem Falldargetan, daß es an einer ausreichenden Sachverhandlung gefehlt [X.] -Eine solche liegt stets vor, wenn die Verhandlung den Fortgang derder Urteilsfindung dienenden Sachverhaltsaufklärung betrifft. Die [X.] hierauf bezogener Verteidigeranträge [X.] insbesondere von Be-weisanträgen [X.] ist daher fraglos Sachverhandlung (die von der Revision zi-tierte abweichende Kommentierung von [X.] in [X.]. § 229Rdn. 10 [X.] unter Bezugnahme auf eine zu ganz anderer Fallgestaltung er-gangene Entscheidung [X.] ist ersichtlich unzutreffend). Nicht anders beurteiltder Senat den Fall, daß die Hemmung einer als erforderlich angesehenenSachverhaltsaufklärung festzustellen und über die Reaktion hierauf zu [X.] ist; auch die Verhandlung über das Ausbleiben eines geladenenZeugen ist mithin als Sachverhandlung anzusehen (anders [X.] nicht tragend [X.][X.]R StPO § 229 Abs. 1 [X.] Sachverhandlung 2 m.w.N.). Die gerichtlicheReaktion hierauf, der Erlaß eines Ordnungsmittel- und [X.] die Entschließung über etwaige Zwangsmaßnahmen (§ 51 StPO), hatsich nämlich maßgeblich am Fortgang der Sachaufklärung zu orientieren.Abgesehen davon wird mit einer entsprechenden Kostenentscheidung diespätere umfassende Kostenentscheidung vorab partiell modifiziert. [X.] in der nach gerichtlicher Beratung erfolgenden Verkündung einer [X.] Entscheidung regelmäßig eine Sachförderung im Sinne einer Sachver-handlung. Dies kann grundsätzlich nicht von der nachträglich im Revisions-verfahren nur schwer zu beurteilenden Frage abhängen, ob die Entschei-dung im Einzelfall von diffizilen Überlegungen abhing oder ohne weiteresschnell zu treffen war. Besondere Indizien, die ausreichen könnten, hiergleichwohl eine gezielte —Scheinverhandlungfl zu belegen (vgl. [X.]R StPO§ 229 Abs. 1 [X.] Sachverhandlung 3), vermag der Senat [X.] nicht anders als der[X.] [X.] dem [X.] nicht zu entnehmen.Abgesehen davon ist der Senat der Auffassung, daß sich derartigeErwägungen bei nicht gänzlich fehlendem Sachbezug des Gegenstandeseines Sitzungstages für das Revisionsgericht grundlegend verbieten. [X.] Entscheidungserheblichkeit dieses von Entscheidungen des- 6 -4. Strafsenats ([X.]R StPO § 229 Abs. 1 [X.] Sachverhandlung 2; [X.]StV 1998, 359; 1999, 635) möglicherweise divergierenden Standpunktes fürden vorliegenden Fall kommt eine entsprechende Anfrage nach § 132 [X.] nicht in Betracht. Letztlich würden die [X.] zudem hier auch ausden vom [X.] angestellten Erwägungen scheitern, weil [X.] mehr als zweijähriger Hauptverhandlung ergangene Urteil auf demgeltend gemachten Verstoß nicht beruhen kann (vgl. [X.]St 23, 224, 225).c) Gegen die Vollständigkeit des Vortrags zu der auf § 338Nr. 3 StPO gestützten Verfahrensrüge des Angeklagten [X.], die sich [X.] des [X.] zur Anwendung des § 154 StPObezieht, bestehen zwar entgegen der Auffassung des [X.] keine Bedenken. Die Rüge hat indes aus den zutreffenden Gründender Zurückweisung des [X.] durch das [X.] in derSache keinen [X.]) Die auf Verletzung des § 261 StPO gestützten [X.] Angeklagten [X.]könnten auch in der Sache keinen Erfolg haben.Abgesehen von der unbedenklichen Anwendung des Selbstleseverfahrensist in keinem Fall ersichtlich, weshalb die gewonnenen Erkenntnisse nichtauch durch zulässigen, nicht protokollierungspflichtigen Urkundenvorhaltzum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden sein sollten. Ent-gegen dem [X.] ist das [X.] im Fall 2 nicht davonausgegangen, daß der Angeklagte [X.] ein Sicherstellungsprotokollselbst unterzeichnet hätte.2. Die Sachrügen der Angeklagten [X.]und [X.]bleiben insge-samt, die der Angeklagten [X.] und [X.] weitgehend erfolglos.a) Die Nachprüfung der auf [X.] Beweiswürdigung [X.] Schuldsprüche läßt keinen Rechtsfehler zum Nachteil der [X.] -klagten erkennen. Dies gilt auch für die gesamten [X.] den Angeklagten [X.]und [X.]. Daß die Sanktionen gegen diese [X.] im Ergebnis noch milder ausfallen könnten, wenn zusätzlich dieunvertretbare Verfahrensverzögerung im Revisionsverfahren in [X.] würde, ist auszuschließen. Bei den Angeklagten [X.] und [X.]wird dieser Gesichtspunkt bei den neu festzusetzenden Gesamtstrafen er-gänzend mitzuberücksichtigen sein.b) Bei dem Angeklagten [X.] hat die [X.] von zehn Mona-ten Freiheitsstrafe im Fall 6 [X.] Körperverletzungen zum Nachteil von dreiPersonen betreffend, welche der Tatrichter kaum vertretbar, indes ohne [X.] [X.] Rechtsfehler zu einer Tat zusammengefaßtsah [X.] Bestand, ebenso die Einzelstrafe von vier Monaten Freiheitsstrafe [X.] 7, in dem die [X.] unterbliebene [X.] Erörterung besonderer Umstände [X.] des § 47 StGB angesichts der Mitwirkung des Angeklagten an [X.] von insgesamt fünf vorläufig festgenommenen Personen an ei-nem Tag ausnahmsweise entbehrlich war. Nicht verständlich bleibt [X.] Verhängung einer Einzelstrafe von neun Monaten Freiheitsstrafe im [X.], mit der ein Unterlassen geahndet wurde. Die Höhe dieser Strafe, die ausdem nach § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 340Abs. 1 Satz 1 StGB gebildet wurde, ist im Blick auf die Verhängung einerEinzelstrafe von nur sechs Monaten Freiheitsstrafe gegen den in diesem Fallaktiven Täter [X.]unverständlich. Möglicherweise hat das [X.] inden Urteilsgründen bei der Strafzumessung die Fälle 7 und 8 verwechselt,sicher klären läßt sich dies indes angesichts des eindeutig abweichendenWortlauts nicht. Eine Auswirkung des Rechtsfehlers auch auf die [X.] der Gesamtfreiheitsstrafe [X.] deren Festsetzung auf nur elf Monate beiniedrigerer Einzelstrafbemessung angesichts des ausgesprochen engenzeitlichen und sachlichen Zusammenhanges der Taten nicht auszuschließenist [X.] bleibt möglich, so daß der Senat die Neufestsetzung der [X.] Einzelstrafe wie der Gesamtstrafe einem neuen Tatrichter überläßt.- 8 -Hierfür bedarf es allerdings nicht der Aufhebung von Feststellungen. Derneue Tatrichter wird neben sämtlichen maßgeblichen Feststellungen ausdem angefochtenen Urteil noch die nach Erlaß des ersten Urteils [X.] Verfahrensverzögerung, gegebenenfalls auch neue widerspruchsfreieFeststellungen zur persönlichen Entwicklung des Angeklagten [X.]zu be-rücksichtigen haben.c) Bei dem Angeklagten [X.] hat die [X.] von acht [X.] Freiheitsstrafe im Fall 9 [X.] einem Unterlassungsfall [X.] keinen Bestand,weil der Tatrichter nicht mitteilt, ob er ebenso wie bei allen anderen [X.], in denen er dies jeweils hinreichend zum Ausdruck gebrachthat, von der Milderungsmöglichkeit nach § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB Ge-brauch gemacht hat. Aus der Höhe der Einzelstrafe, die mehrere in [X.] verhängte Einzelstrafen übersteigt, geht nicht hervor, daß [X.] von der Strafrahmenverschiebung Gebrauch gemacht hat. [X.] eine Versagung der Strafrahmenverschiebung oder auch die Höhe derverhängten Einzelstrafe trotz erfolgter Strafrahmenverschiebung aus [X.] der konkreten Mißhandlung erklärbar sein, dies versteht sich [X.] entsprechende tatrichterliche Wertung nicht von selbst.Die gebotene Aufhebung der [X.] zieht auch die Aufhebungder Gesamtstrafe [X.] nicht anders als bei [X.] unter Aufrechterhaltung sämtli-cher Feststellungen [X.] nach sich. Hingegen besteht kein Anlaß, auch dieweitere ersichtlich rechtsfehlerfrei bemessene Einzelstrafe von sechs [X.] Freiheitsstrafe im Fall 2 mitaufzuheben.3. Nach § 473 Abs. 1 Satz 2 StPO ist die Anordnung der Erstattungder [X.] teils gesamtschuldnerisch zu tragenden (§ 472 Abs. 4, § 471 Abs. 4Satz 2 StPO) [X.] Nebenklägerauslagen für die Revisionen sämtlicher Ange-klagten [X.] auch derjenigen, bei denen ein geringer Teilerfolg möglich bleibt,- 9 -der indes insoweit keinesfalls einen Nachlaß nach § 473 Abs. 4 Satz 2 StPOzuließe [X.] bereits entscheidungsreif.Die Kostenbeschwerden der teilweise freigesprochenen Angeklag-ten [X.]und [X.] sind offensichtlich unbegründet: Die [X.] offenbar übersehen, daß der Tatrichter die erforderliche Teil-entscheidung nach § 467 Abs. 1 StPO im Urteil jeweils getroffen hat.[X.] BasdorfRaum Brause

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5 StR 613/99

06.07.2000

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2000, Az. 5 StR 613/99 (REWIS RS 2000, 1717)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1717

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