Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.02.2017, Az. XI ZR 88/16

11. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15273

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Gegenstand

Beschwer für die Nichtzulassungsbeschwerde: Streitwertbemessung bei einer Feststellungsklage auf Fortbestehen eines Bausparvertrags


Tenor

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des [X.] vom 15. Februar 2016 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.953,62 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger schloss am 12. Juli 1977 mit der [X.] einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme in Höhe von 20.000 DM ab, welche später auf 80.000 DM (= 40.903,35 €) erhöht wurde. Gemäß § 6 der [X.] der [X.] ([X.]) werden das Bausparguthaben mit 3% p.a. und ein von der [X.] zu gewährendes Bauspardarlehen mit 5% p.a. verzinst. Die vereinbarte Bausparsumme ist noch nicht vollständig angespart, der Bausparvertrag jedoch seit über zehn Jahren zuteilungsreif. Nachdem der Kläger trotz wiederholter Aufforderungen der [X.] kein Bauspardarlehen in Anspruch genommen hatte, erklärte diese mit Schreiben vom 19. Mai 2014 die Kündigung des [X.] zum 30. November 2014 unter Hinweis auf die seit mehr als zehn Jahren bestehende Zuteilungsreife.

2

Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Bausparvertrag über den 30. November 2014 hinaus fortbesteht. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückgewiesen und den Streitwert auf 40.903 € festgesetzt. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Bei deren Einlegung belief sich das Bausparguthaben auf 35.162,05 €.

II.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die gemäß § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO erforderliche Mindestbeschwer von mehr als 20.000 € nicht erreicht ist.

4

1. [X.] im Rahmen des § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO ist nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO vorzunehmen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Juli 2015 - [X.], [X.], 276 Rn. 3 und vom 12. Januar 2016 - [X.], [X.], 454 Rn. 3, jeweils mwN). Für die Berechnung des Werts der Beschwer kommt es vorliegend gemäß § 4 ZPO auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels an (vgl. auch Senatsbeschluss vom 12. Januar 2016 - [X.], aaO). Maßgebend ist das Interesse des Beschwerdeführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht eigenständig zu befinden, ohne an die Streitwertfestsetzung der Vorinstanzen oder die Angaben der Parteien gebunden zu sein (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Januar 2016 - [X.], aaO; [X.], Beschlüsse vom 22. Mai 2014 - [X.], juris Rn. 4 und vom 15. Juli 2014 - [X.], juris Rn. 3).

5

2. Wie das Interesse eines Bausparers an der Feststellung des Fortbestandes eines [X.], dessen Kündigung von Seiten der Bausparkasse nach mehr als zehnjähriger Zuteilungsreife erklärt worden ist, gemäß §§ 3 ff. ZPO zu bemessen ist, wird in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt.

6

a) Von Teilen der Rechtsprechung wird, entsprechend der Handhabung von [X.] und Berufungsgericht in diesem Verfahren, das Feststellungsinteresse mit dem Nennbetrag der Bausparsumme gleichgesetzt (vgl. [X.], Urteil vom 17. August 2016 - 19 U 3/16, juris; [X.], Urteil vom 19. Mai 2015 - 10 O 404/14, juris Rn. 26; [X.], Urteil vom 6. November 2015 - 3 O 241/15, juris). Dies entspricht im Ergebnis auch den Ausführungen des [X.] in der Beschwerdeschrift. Demnach wäre die Beschwer mit 40.903,35 € zu beziffern.

7

b) Teilweise wird das klägerische Interesse demgegenüber nach der Höhe des Bausparguthabens bemessen (vgl. [X.], Urteil vom 17. August 2015 - 6 O 1708/15, juris; [X.], Urteil vom 21. August 2015 - 7 O 545/15, juris Rn. 34). Danach beliefe sich die Beschwer des [X.] auf 35.162,05 €.

8

c) Andere Teile der Rechtsprechung gehen davon aus, dass es einem Bausparer darum geht, sich zum einen den Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erhalten und zum anderen eine weitere Verzinsung des Bausparguthabens zu erlangen. Der Zinsanspruch sei aber bei der Wertermittlung gemäß § 4 ZPO nicht zu berücksichtigen, weswegen bei der Wertermittlung allein auf den Differenzbetrag zwischen Bausparguthaben und Bausparsumme, also auf die Höhe eines zu beanspruchenden Bauspardarlehens abzustellen sei (vgl. [X.], Urteil vom 8. April 2016 - 8 O 109/15, juris Rn. 34). Der [X.] beliefe sich danach vorliegend auf 5.741,30 € (Bausparsumme in Höhe von 40.903,35 € abzüglich des Bausparguthabens in Höhe von 35.162,05 €).

9

d) Nach einer vierten Auffassung ist für die Wertbestimmung das Interesse des [X.] an einer Verzinsung des Bausparguthabens und am Erhalt eines Bauspardarlehens maßgeblich. Das [X.] sei gemäß §§ 3, 9 ZPO anhand des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages des Bausparguthabens zu bestimmen, von dem im Hinblick auf den Feststellungsantrag ein Abzug von 20 % (so [X.], Urteil vom 15. September 2015 - 25 O 89/15, juris Rn. 17) oder von 50 % (so O[X.], [X.], 742, 748) vorzunehmen sei. [X.] das Interesse an der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens, welches mit 80 % (so [X.], aaO) oder mit 50 % des [X.] (so O[X.], aaO) zu bemessen sei. Soweit jeweils ein Abschlag von 50 % vorgenommen werde, sei dies gerechtfertigt, weil das [X.] und das Interesse am Erhalt des Bauspardarlehens in einem Alternativverhältnis zueinander stünden (vgl. O[X.], [X.], 742, 748, zustimmend: [X.], [X.], 9, 14). Der [X.] betrüge demnach 7.546,66 € (d.i. 80 % des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages in Höhe von 3.692,02 € [= 35.162,05 € x 0,03 x 3,5 = 3.692,02 €] = 2.953,62 € zuzüglich 80 % des Bauspardarlehens in Höhe von 5.741,30 € = 4.593,04 €) oder 4.717,66 € (d.i. 50 % des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages zuzüglich 50% des Bauspardarlehens).

e) Eine weitere Meinung stellt zur Wertermittlung auf das Interesse an einer weiteren Verzinsung des Bausparguthabens in Höhe des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages (§ 9 ZPO) oder auf das Interesse am Erhalt eines Bauspardarlehens in Höhe der Differenz zwischen Bausparguthaben und Bausparsumme ab. Da beide Interessen alternativ zueinander bestünden, sei dem Rechtsgedanken von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG folgend jeweils der höhere Wert maßgebend (vgl. [X.], Urteil vom 22. April 2016 - 1 O 208/15, juris Rn. 83 f.). Die Beschwer beliefe sich demzufolge hier auf 5.741,30 €, weil das Bauspardarlehen betragsmäßig höher ist als der dreieinhalbfache Jahreszinsertrag.

f) Nach einer sechsten Ansicht ist für die Wertbestimmung allein auf das Interesse des [X.] an einer weiteren Verzinsung des Bausparguthabens abzustellen, welches gemäß §§ 3, 9 ZPO anhand des dreieinhalbfachen Jahreszinsertrages zu bestimmen sei, ohne dass von diesem Betrag ein Abschlag zu machen sei (vgl. [X.], Beschluss vom 21. August 2015 - 8 U 319/15, juris Rn. 3 und Urteil vom 29. Juli 2016 - 8 U 11/16, juris Rn. 53; O[X.], Beschluss vom 19. Juni 2015 - 9 W 25/15, juris Rn. 3). Der [X.] betrüge demnach hier 3.692,02 €.

g) Überwiegend wird demgegenüber darauf abgestellt, dass sich das Interesse an der Feststellung des Fortbestandes des [X.] gemäß §§ 3, 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Jahreszinsertrag des Bausparguthabens beläuft, von dem mit Rücksicht auf die positive Feststellungsklage ein Abzug von 20% vorzunehmen sei (vgl. [X.], Urteil vom 14. September 2016 - 3 [X.], juris Rn. 81; [X.], Beschluss vom 26. Oktober 2015 - 31 U 182/15, juris Rn. 20 und Urteil vom 22. Juni 2016 - 31 U 234/15, juris Rn. 39; [X.], [X.], 257; [X.], Urteil vom 7. August 2015 - 10 C 1154/15, juris Rn. 113). Der [X.] wäre danach mit 2.953,62 € zu beziffern.

3. Der Senat erachtet die letztgenannte Auffassung für richtig.

a) Entgegen der Festsetzung des Berufungsgerichts und der Auffassung des [X.] ist das Interesse an der Abänderung des angefochtenen Beschlusses gemäß §§ 3, 9 ZPO nicht mit dem Nennbetrag der Bausparsumme gleichzusetzen, sondern nach dem dreieinhalbfachen Jahreszinsertrag des Bausparguthabens zu bemessen.

aa) Für die [X.] gemäß § 3 ZPO ist das objektiv zu ermittelnde wirtschaftliche Interesse des [X.] maßgeblich (vgl. [X.], Urteil vom 30. April 2001 - [X.]/00, [X.], 1270, 1271 f.; Beschlüsse vom 28. September 2009 - [X.], juris Rn. 3 und vom 16. Dezember 2015 - [X.] 405/15, NJW 2016, 714 Rn. 13). Dieses liegt vorliegend im Ausgangspunkt ausschließlich in der Fortsetzung des Bausparvertrags und der fortwährenden Zahlung der vereinbarten [X.]en.

Der von der [X.] gekündigte, bereits im Jahre 1977 abgeschlossene und zum Zeitpunkt der Kündigung seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreife Bausparvertrag bietet dem Kläger mit der vertraglich vereinbarten Guthabenverzinsung von 3 % p.a. angesichts der seit Längerem währenden Niedrigzinsphase eine im Hinblick auf die Rendite vergleichsweise sichere Geldanlage zu relativ günstigen Konditionen. Die Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens zu dem vereinbarten Zinssatz von 5 % p.a. wäre hingegen für den Kläger wirtschaftlich unvernünftig, weil am allgemeinen Kapitalmarkt derzeit und auch noch auf unabsehbare [X.] zu deutlich günstigeren Konditionen gewährt werden. Das objektive wirtschaftliche Interesse des [X.] an der Fortsetzung des [X.] besteht vor diesem Hintergrund allein darin, für sein Bausparguthaben den vereinbarten [X.] zu vereinnahmen, nicht aber ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen (vgl. [X.], [X.], 257 f.). Aufgrund dessen ist - jedenfalls nach der derzeitigen Marktlage - ein wirtschaftliches Interesse des [X.] am Erhalt des Bauspardarlehens nicht zu erkennen, so dass ein solches für die Wertbemessung außer [X.] zu lassen ist.

bb) Soweit der Kläger seine gegenteilige Auffassung, das durch die Kündigung zur Rückzahlung fällig werdende Bausparguthaben und die Höhe des Anspruchs auf Gewährung eines Bauspardarlehens seien zusammenzurechnen, auf den Senatsbeschluss vom 25. Februar 1997 ([X.], [X.], 741) stützen möchte, ist dies unbehelflich. Gegenstand der Feststellungsklage in jenem Verfahren war die Unwirksamkeit der Kündigung eines Bauspardarlehens, mit dem die noch ausstehende Darlehensvaluta zur Rückzahlung fällig gestellt wurde. Dementsprechend war das Interesse der Kläger an der Feststellung des Fortbestandes des Darlehensvertrages darauf gerichtet, das Darlehen nicht sofort zurückzahlen zu müssen, und damit wie bei einer entsprechenden negativen Feststellungsklage mit dem noch offenen Darlehensbetrag gleichzusetzen. Eine vergleichbare Interessenlage besteht bei der Kündigung eines [X.] durch die Bausparkasse in der Ansparphase nicht (vgl. [X.], [X.], 257; [X.], [X.], 9, 14).

b) Bei der Bezifferung des [X.]es ist gemäß §§ 3, 9 ZPO auf den dreieinhalbfachen Jahreszinsertrag abzustellen, der sich auf 3.692,02 € beläuft. Von diesem Betrag ist ein Abschlag in Höhe von 20 % vorzunehmen, weil der Beschwerdeführer keine Leistungsklage, sondern eine positive Feststellungsklage erhoben hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. Mai 2000 - [X.], [X.], 1266, vom 12. April 2007 - [X.], juris Rn. 1, vom 10. Dezember 2014 - [X.], juris Rn. 1, vom 16. Juli 2015 - [X.], juris Rn. 1 und vom 7. September 2016 - [X.], juris Rn. 4; [X.]/[X.], ZPO, 31. Aufl., § 3 Rn. 16 - Feststellungsklagen; MünchKommZPO/[X.], 5. Aufl., § 3 Rn. 72).

Etwas anderes folgt in diesem Zusammenhang nicht aus dem Senatsbeschluss vom 12. Januar 2016 ([X.], [X.], 454 Rn. 12), demzufolge bei der Bezifferung des [X.]es nach dem Widerruf eines [X.] auf den ungekürzten Betrag der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen abzustellen ist. Diese Entscheidung ist den Besonderheiten bei der Rückabwicklung eines Vertragsverhältnisses nach erfolgtem Widerruf geschuldet.

Ellenberger     

       

Grüneberg     

       

Maihold

       

Menges     

       

Derstadt     

       

Meta

XI ZR 88/16

21.02.2017

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 15. Februar 2016, Az: 13 U 151/15, Beschluss

§ 3 ZPO, § 9 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.02.2017, Az. XI ZR 88/16 (REWIS RS 2017, 15273)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 2343 WM2017,804 REWIS RS 2017, 15273


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. XI ZR 88/16

Bundesgerichtshof, XI ZR 88/16, 21.02.2017.


Az. 13 U 151/15

Oberlandesgericht Köln, 13 U 151/15, 15.02.2016.

Oberlandesgericht Köln, 13 U 151/15, 11.01.2016.


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