Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.09.2012, Az. 3 BGs 262/12

Ermittlungsrichter | REWIS RS 2012, 3163

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Gegenstand

Strafverfahren: Nebenklageberechtigung eines Ehegatten nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe türkischer Staatsangehöriger in Deutschland bei fehlender türkischer Anerkennungsentscheidung


Leitsatz

Zur Nebenklageberechtigung des Ehegatten im Falle einer in Deutschland rechtskräftig erfolgten Scheidung einer zwischen türkischen Staatsangehörigen geschlossenen Ehe bei Fehlen der nach dem anzuwendenden materiellen türkischen Recht erforderlichen Anerkennungsentscheidung.

Tenor

Der Antrag der [X.] vom 21. Februar 2012, ihr Rechtsanwalt [X.], B., als Beistand zu bestellen, wird nach Anhörung des [X.] beim [X.]

zurückgewiesen.

Gründe

[X.]

1

Der [[X.]] führt gegen die Beschuldigte [X.] ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts [...]

I[X.]

2

1. Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2012 beantragte Rechtsanwalt [X.] seine Beiordnung für [X.], die Tochter des Getöteten [X.] (siehe oben [X.] (3)), und für die Antragstellerin [X.], die das Tatopfer im Jahre 1980 in der [X.] nach [[X.]]ischem Recht geheiratet hatte. Nach dem Umzug der Antragstellerin und des [X.] in die [X.] wurde deren Eheschließung auch nach [X.] Recht vor dem Standesamt in [X.] vollzogen. Im Jahre 1998 erfolgte die Scheidung der Ehe durch rechtskräftiges Urteil des Familiengerichts [X.]

3

Während seitens des [[X.]]s beim [X.] gegen den Antrag der Tochter des Getöteten Einwendungen nicht erhoben und insoweit durch Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 29. Februar 2012 (3 [X.]) Rechtsanwalt [X.] als Beistand beigeordnet wurde, wies der [[X.]] die Antragstellerin [X.] darauf hin, dass nach Aktenlage die Eheleute Ö. geschieden und deshalb eine [X.] nicht mehr gegeben sei. Rechtsanwalt [X.] bat den [[X.]] daraufhin, den Antrag zurückzustellen, um ihm Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Auf den daraufhin vorgelegten Schriftsatz vom 29. Februar 2012 wies der [[X.]] unter Bezugnahme auf ein Urteil des [X.] vom 27. Mai 2003 ([X.], 953 f.) auf fortbestehende Bedenken hin und gab Rechtsanwalt [X.] die Möglichkeit, ergänzend zu Art. 13, 54 und 58 des [[X.]]ischen Gesetzes über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht ([[X.]]. [X.]) vorzutragen, da auch nach den Ausführungen im Schriftsatz vom 29. Februar 2012 von der Geltung [X.] Scheidungsrecht auszugehen sei. Eine - ablehnende - Stellungnahme des [[X.]]s beim Ermittlungsrichter des [X.] zum Beiordnungsantrag der Antragstellerin sollte einvernehmlich bis dahin zurückgestellt werden. Mit Schriftsatz vom 23. August 2012 hat Rechtsanwalt [X.] ergänzend Stellung genommen.

4

2. Der [[X.]] ist dem Antrag mit Stellungnahme vom 30. August 2012 entgegengetreten und hat zur Begründung ausgeführt:

„Für die Anwendung der §§ 395, 397a und 406g [X.] ist von einer rechtskräftig geschiedenen Ehe des getöteten [X.] und der Antragstellerin auszugehen.

Beide Ehegatten waren [[X.]]ische Staatsangehörige, auf deren Scheidungsantrag gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 1, Art. 17 EGBGB materielles [[X.]]isches Recht Anwendung findet. Damit wird aber auch auf das [[X.]]ische internationale Privatrecht und dessen Art. 13 verwiesen, nach dem das materielle Recht des Aufenthalts der Ehegatten anzuwenden ist. Die Eheleute Ö. waren beide in der [X.] aufenthältig, so dass auf [X.] Scheidungsrecht zurückverwiesen wird (vgl. [X.] [X.], 953 f.). Dementsprechend ging die Antragstellerin auch in ihren Vernehmungen nach der Tat von einer geschiedenen Ehe aus (vgl. [X.] f. vom 14. Juni 2001; [X.], 6, 9 ff. vom 29. August 2001; [X.] vom 17. September 2002). Ob für eine Wirksamkeit des [X.] Scheidungsurteils in der [X.] die im Schriftsatz vom 23. August 2012 angesprochene - [[X.]]ische - Anerkennungsentscheidung rechtskräftig vorliegt, kann hier dahinstehen. Für die Frage der [X.] nach § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] kann es nur darauf ankommen, ob eine Ehe nach [X.] Recht im Tatzeitpunkt bestand. Dies ist nach rechtskräftig ausgesprochener Scheidung nicht der Fall.“

II[X.]

5

1. Für die beantragte Entscheidung ist gemäß § 406g Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 162 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 1 Satz 2 [X.] der Ermittlungsrichter des [X.] zuständig.

6

2. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand für die Antragstellerin liegen nicht vor (§ 406g Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 397a Abs. 1 Nr. 2, § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] i.V.m. § 211 StGB).

7

a) Gemäß § 406g Abs. 1 Satz 1 [X.] können nach § 395 zum [X.] mit der Nebenklage Befugte sich auch vor Erhebung der öffentlichen Klage und ohne Erklärung eines [X.]es eines Rechtsanwalts als Beistand bedienen oder sich durch diesen vertreten lassen. Für die Bestellung eines solchen Beistands gilt gemäß § 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] die Vorschrift des § 397a [X.] entsprechend. Nach § 397a Abs. 1 Nr. 2 [X.] ist dem zur Nebenklage Berechtigten auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, wenn er Angehöriger eines durch eine rechtswidrige Tat Getöteten im Sinne des § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist. Angehöriger gemäß dieser Vorschrift ist derjenige, dessen Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner durch eine rechtswidrige Tat getötet wurden. Das Angehörigenverhältnis muss im Zeitpunkt des Verfahrens bestehen ([X.], [X.], 55. Aufl., § 395 Rn. 8 mwN).

8

b) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung ist die Antragstellerin nicht (mehr) Ehegatte des Getöteten [X.] im Sinne des § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

9

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, sie sei angesichts der Anwendbarkeit des [[X.]]ischen internationalen Privatrechts trotz der durch das Familiengericht [X.] rechtskräftig ausgesprochenen Scheidung nach wie vor als Ehegatte des Getöteten im Sinne des § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] anzusehen. Denn das [X.] Scheidungsurteil entfalte in der [X.] aufgrund des Fehlens der nach [[X.]]ischem Recht erforderlichen Anerkennungsentscheidung durch ein [[X.]]isches Gericht keine unmittelbare familienrechtliche Wirkung. Daher sei sie zum Zeitpunkt der Ermordung des [X.] [X.] von diesem „nicht rechtmäßig geschieden und im Umkehrschluss somit rechtskräftig verheiratet“ gewesen. Zudem hätten sie und das Tatopfer sich nach der Scheidung wieder angenähert und sich zuletzt sogar eine gemeinsame größere Wohnung suchen wollen. Deshalb sei das Anerkennungsverfahren in der [X.] nicht weiterverfolgt worden.

Ob hinsichtlich des rechtskräftigen Scheidungsurteils des [X.] eine Anerkennungsentscheidung durch ein [[X.]]isches Gericht, wie die Antragstellerin vorträgt, bisher nicht ergangen ist, kann dahinstehen. Denn im vorliegenden Fall ist auch bei - hier gegebener - Anwendbarkeit materiellen [[X.]]ischen Rechts bereits mit der Rechtskraft des [X.] Scheidungsurteils von einem Fehlen der Ehegatteneigenschaft der Antragstellerin im Sinne der § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in Verbindung mit § 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 397a Abs. 1 Nr. 2 [X.] auszugehen.

aa) Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sind geschiedene Ehegatten nicht nebenklageberechtigt (siehe nur [X.], NJW 1993, 3316, 3317; [X.] in [X.], [X.], 26. Aufl., § 395 Rn. 11; [X.] in KK-[X.], 6. Aufl., § 395 Rn. 8; [X.], aaO; [X.] in BeckOK-[X.], Stand: 1. Juni 2012, § 395 Rn. 14a). Demgemäß kann ihnen auch nicht nach § 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.] in Verbindung mit § 397a Abs. 1 Nr. 2 [X.] ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt werden.

bb) In Übereinstimmung mit dem [[X.]] ist die Antragstellerin jedenfalls im Rahmen der hier maßgeblichen Vorschriften der § 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § § 397a Abs. 1 Nr. 2, § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] als geschiedener Ehegatte anzusehen.

(1) Anders als der [[X.]] unter Berufung auf ein Urteil des [X.] am Main vom 27. Mai 2003 ([X.], 953) meint, folgt dies allerdings nicht bereits aus einer Verweisung in Art. 13 Abs. 1 [[X.]]. [X.] (aF) auf das [X.] Recht. Denn diese Vorschrift, nimmt - ebenso wie die im Wesentlichen inhaltsgleiche Nachfolgeregelung in Art. 14 des [[X.]]ischen Gesetzes Nr. 5718 vom 27. November 2007 über das internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht ([[X.]]. [X.] nF) - eine solche Verweisung nur unter bestimmten, hier nicht gegebenen Voraussetzungen vor.

Aufgrund der [[X.]]ischen Staatsangehörigkeit der Antragstellerin und des [X.] war für deren Scheidung gemäß Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1, Art. 17 Abs. 1 EGBGB materielles [[X.]]isches Recht anzuwenden. Mit der Verweisung auf dieses Recht gemäß den vorgenannten Bestimmungen des EGBGB wird auch auf das [[X.]]ische internationale Privatrecht und damit auf dessen die Scheidung betreffenden Art. [[X.]]. [X.] nF (und zuvor auf die Vorgängerregelung in § 13 [[X.]]. [X.] aF) verwiesen (vgl. [X.], [X.], 220 Rn. 16; [X.], aaO). Gemäß diesen Vorschriften unterliegen die Gründe und Folgen der Scheidung und Trennung - ebenso wie die allgemeinen Wirkungen der Ehe (Art. 13 Abs. 3 [[X.]] [X.] nF bzw. § 12 Abs. 2 [[X.]]. [X.] aF) - dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten. Nur wenn die Ehegatten - wie hier nicht der Fall - verschiedener Staatsangehörigkeit sind, wird das Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, bei Fehlen eines solchen [[X.]]isches Recht angewandt. Das [X.] beurteilt sich mithin, wenn beide Ehegatten - wie hier - bei Zustellung der Scheidungsklage die [[X.]]ische Staatsangehörigkeit besitzen, nach [[X.]]ischem Recht (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Juni 2007 - [X.], NJW 2007, 3347 Rn. 13; [X.], aaO).

(2) Aus dieser Anwendung materiellen [[X.]]ischen Rechts folgt indes für die Beurteilung der hier in Rede stehenden strafverfahrensrechtlichen Frage der [X.] der Antragstellerin nicht, dass dem rechtskräftigen inländischen Scheidungsurteil nur bei Vorliegen einer Anerkennungsentscheidung durch ein [[X.]]isches Gericht Bedeutung zukäme.

(a) Allerdings bedarf ein Scheidungsurteil eines [X.] Gerichts, um in der [X.] Rechtswirksamkeit zu erlangen, einer förmlichen Anerkennung durch ein dortiges Gericht (Art. 58 [[X.]]. [X.]; [X.], 200, 203; [X.], Urteil vom 14. Februar 2012 - L 18 R 677/10, juris Rn. 27; [X.], [X.] Familienrecht in der anwaltlichen Praxis, 2011, § 11 Rn. 1; [[X.]] in [X.], [X.] Familienrecht, [X.], Stand April 2009, Rn. 42 ff.).

(b) Gleichwohl kann ein solches Scheidungsurteil im Inland Gestaltungswirkung bereits mit seiner Rechtskraft erlangen.

(aa) Zu der Frage, inwiefern das Urteil eines [X.] Gerichts, durch das die Ehe zweier ausländischer Staatsangehöriger nach deren Heimatrecht geschieden wird, in [X.] Gestaltungswirkung entfaltet, solange noch eine nach dem betreffenden Heimatrecht erforderliche Anerkennung durch eine Stelle dieses Staates fehlt, werden in der Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten (zum [X.] vgl. [X.], aaO).

Die höchstrichterliche Rechtsprechung sieht insoweit, ohne dass bisher die hier gegebene Fallkonstellation hinsichtlich der [X.] entschieden worden wäre, eine differenzierte Betrachtungsweise als sachgerecht an und differenziert nach dem rechtlichen Zusammenhang, in welchem sich die (Vor-) Frage der Gestaltungswirkung eines [X.] Scheidungsurteils stellt.

So hat der [X.] bei der Prüfung von nach ausländischem Recht zu beurteilenden Ehehindernissen auf die Anerkennung des Scheidungsurteils nach dem betreffenden Recht abgestellt ([X.], Beschlüsse vom 12. Februar 1964 - [X.] ([X.]) 39/63, [X.]Z 41, 136, 145 ff.; vom 19. April 1972 - [X.] ([X.]) 7/72, NJW 1972, 1619 unter II). Bei der Anwendung ausländischen Erbrechts hingegen hat er dem Fehlen einer Anerkennung des [X.] Scheidungsurteils im Ausland keine Bedeutung beigemessen ([X.], Urteil vom 12. März 1981 - [X.], NJW 1981, 1900 unter II). Auch bei der Beurteilung der Frage einer Ehenichtigkeit wegen angeblichen [X.] der ersten Ehe hat der [X.] dem Fehlen einer (dort allerdings durch das ausländische Recht wegen Unauflöslichkeit der Ehe ausgeschlossenen) Anerkennung des [X.] Scheidungsurteils im Ausland keine entscheidende Bedeutung beigemessen und die erste Ehe letztlich aus der Sicht des [X.] Rechts durch rechtskräftiges Scheidungsurteil eines [X.] Gerichts für aufgelöst erachtet ([X.], Urteil vom 27. November 1996 - [X.], NJW 1997, 2114 unter 2 c bis e; vgl. auch KG, NJW-RR 1994, 774, 775 - zum Fall der Feststellung der Nichtehelichkeit durch ein rechtskräftiges [X.] Statusurteil ohne Vorliegen einer [[X.]]ischen Anerkennungsentscheidung; vgl. hierzu auch [X.], [X.] 1988, 354).

Das [X.] hat in dem bereits erwähnten Urteil vom 13. Januar 1999 einen Witwenrentenanspruch angesichts des Vorliegens eines rechtskräftigen [X.] Scheidungsurteils trotz Fehlens einer [[X.]]ischen Anerkennungsentscheidung verneint ([X.], aaO [X.]05). Es hat im Rahmen der auch von ihm für sachgerecht erachteten differenzierten Betrachtungsweise ([X.], aaO [X.]03) angenommen, dass die somit vorzunehmende Abwägung bei der Auslegung der für die Hauptfrage maßgeblichen Norm anzusetzen habe, in deren Zusammenhang sich die Vorfrage des Bestehens einer gültigen [X.] ([X.], aaO [X.]04). Hierbei hat das [X.] auch auf den Gesichtspunkt eines Inlands- bzw. [X.] abgestellt und ausgeführt, das dort zugrunde liegende Verfahren weise einen starken Inlandbezug auf, da es eine Leistungsgewährung aus dem inländischen System der gesetzlichen Rentenversicherung betreffe. Zudem hätten der verstorbene Versicherte und dessen geschiedene Ehefrau im Zeitpunkt seines Todes im Inland gewohnt. Beide hätten im Hinblick auf die von ihnen selbst betriebene Ehescheidung durch ein [X.] Gericht auch nicht davon ausgehen können, dass sie weiterhin in einer gültige Ehe lebten ([X.], aaO [X.]05).

(bb) Im vorliegenden Fall führt die vorzunehmende differenzierte Betrachtungsweise zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin auch im Falle des Fehlens der Anerkennungsentscheidung durch ein [[X.]]isches Gericht nicht (mehr) als Ehegatte des [X.] [X.] anzusehen ist.

Dabei kann dahinstehen, ob dem vom [X.] verwendeten Gesichtspunkt des Inlands- bzw. Auslandsbezug (vgl. hierzu auch [X.], aaO Rn. 30) auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer [X.] gemäß § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] maßgebliche Bedeutung zukommt oder ob diesem Gesichtspunkt hier die Rechtsprechung des [X.] entgegensteht, wonach die in § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bestimmte Regelung insofern Rechtssicherheit und auch Praktikabilität besorge, indem sie die Feststellung der [X.] eindeutig treffen lasse und verhindere, dass zur Bestimmung des Kreises der Nebenklageberechtigten erst umfangreiche Aufklärungsbemühungen des Gerichts entwickelt werden müssten, um über die [X.] zu entscheiden ([X.], aaO).

Denn auch unabhängig vom Vorliegen eines - hier schon wegen des langjährigen Aufenthalts der Antragstellerin und des [X.] in der [X.] sowie des Umstands, dass beide sich mit ihrem Scheidungsbegehren an ein [X.] Gericht gewandt haben und es vorliegend um die Beteiligung als Nebenklägerin an einem im Inland geführten Strafverfahren geht, zu bejahenden - starken Inlandsbezugs führt bereits die Auslegung der für die Hauptfrage maßgeblichen Norm (vgl. hierzu [X.], aaO [X.]04) zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin nicht (mehr) als Ehegatte des Getöteten anzusehen ist.

Mit der Vorschrift des § 395 Abs. 1 Nr. 2 [X.] soll den nahen Angehörigen des durch eine rechtwidrige Tat Getöteten (wie Ehegatten, Kindern und Geschwistern) ein Recht zur Nebenklage zugesprochen werden, um einen Anspruch auf Genugtuung und Entschädigung durch Beteiligung am Strafverfahren durchzusetzen ([X.], aaO mwN). Die Nebenklage schafft hierfür eine umfassende Beteiligungsbefugnis. Dem Nebenkläger wird Gelegenheit gegeben, im Verfahren seine persönlichen Interessen auf Genugtuung zu verfolgen ([X.], Urteil vom 23. Januar 1979 - 5 [X.], [X.]St 28, 272, 273; [X.] in KK-[X.], 6. Aufl., vor § 395 Rn. 1), insbesondere durch aktive Beteiligung das Verfahrensergebnis zu beeinflussen und sich gegen die Leugnung oder Verharmlosung der Verletzung des [X.] zu wehren (vgl. [X.], aaO, vor § 395 Rn. 1; [X.], aaO Rn. 1 f.).

Der Sinn und Zweck des § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] sowie der § 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 397a Abs. 1 Nr. 2 [X.] lässt es demnach nicht sachgerecht erscheinen, ein Genugtuungsinteresse der Antragstellerin und deren Möglichkeit einer aktiven Beteiligung am Strafverfahren noch über den Zeitpunkt der Rechtskraft des - hier bereits 14 Jahre zurückliegenden - inländischen Scheidungsurteils hinaus bis zu dem - unbestimmten - Zeitpunkt des Vorliegens einer [[X.]]ischen Anerkennungsentscheidung anzunehmen. Durch das - hier sogar von der Antragstellerin selbst [...] beantragte - Scheidungsverfahren vor einem inländischen statt vor einem [[X.]]ischen Gericht haben die Ehegatten, die zu diesem Zeitpunkt schon seit vielen Jahren in [X.] lebten und arbeiteten, deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie das Scheidungsurteil des [X.] Gerichts für sich als maßgebend erachten und künftig nicht mehr von einem rechtlichen Fortbestand ihrer Ehe ausgehen wollten. Dem entsprechend hat auch die Antragstellerin selbst, wie sich aus ihren nach der Ermordung des [X.] erfolgten polizeilichen Vernehmungen ergibt und vom [[X.]] in seiner Stellungnahme mit Recht hervorgehoben wird, ihre Ehe als geschieden angesehen.

(c) Ob im Einzelfall besondere Umstände es bei einer Konstellation wie der vorliegenden ausnahmsweise rechtfertigen können, im Rahmen der § 406g Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 397a Abs. 1 Nr. 2, § 395 Abs. 2 Nr. 1 [X.] nicht auf die Rechtskraft des inländischen Scheidungsurteils, sondern auf die [[X.]]ische Anerkennungsentscheidung abzustellen oder ob einer solchen Beurteilung der vom [X.] in Bezug auf die letztgenannte Vorschrift angeführte Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und der Praktikabilität ([X.], aaO) entgegensteht, bedarf keiner Entscheidung. Denn solche Umstände hat die Antragstellerin weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich. Die von der Antragstellerin in ihren polizeilichen Vernehmungen und in der Begründung des vorliegenden Antrags geschilderten Umstände einer späteren Wiederannäherung der geschiedenen Ehegatten rechtfertigen eine Ausnahme in dem vorstehend genannten Sinne jedenfalls nicht.

Dr. Bünger

Richter am [X.]

Meta

3 BGs 262/12

18.09.2012

Bundesgerichtshof Ermittlungsrichter

Beschluss

Sachgebiet: BGs

§ 395 Abs 2 Nr 1 StPO, § 397a Abs 1 Nr 2 StPO, § 406g Abs 1 StPO, § 406g Abs 3 S 1 Nr 1 StPO, Art 14 IntPRG TUR, Art 58 IntPRG TUR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.09.2012, Az. 3 BGs 262/12 (REWIS RS 2012, 3163)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3163

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

3 BGs 262/12

5 RVs 83/20 und 5 Ws 279/20

1 StR 309/21

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