Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.09.2022, Az. XI ZR 66/21

11. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 5425

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Tenor

Die Revision der Klägerin gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des [X.] vom 6. Januar 2021 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung der Klägerin.

2

Die Klägerin erwarb im September 2015 einen [X.] zum Kaufpreis von 27.785 €. Zur Finanzierung des über eine Anzahlung von 6.000 € hinausgehenden Kaufpreises schlossen die Parteien mit Datum vom 26. September 2015 einen Darlehensvertrag über 21.785 €. Das Darlehen sollte durch 59 Monatsraten in Höhe von 205,12 € und eine Schlussrate in Höhe von 13.126 € zurückgezahlt werden. Der Darlehensvertrag enthält unter Ziffer 10 folgende Angabe über die Verzugsfolgen:

"Im Falle des Zahlungsverzugs haben die Kreditnehmer der Bank den ausstehenden Betrag mit dem gesetzlichen Zinssatz gem. § 288 Abs. 1 BGB bzw. Abs. 2 BGB zu verzinsen, es sei denn, die Bank weist einen höheren oder die Kreditnehmer einen niedrigeren Verzugsschaden nach."

3

Mit Schreiben vom 11. November 2019 erklärte die Klägerin den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung und bot der Beklagten das Fahrzeug zur Abholung an.

4

Mit der Klage begehrt die Klägerin zuletzt die Rückzahlung der Anzahlung sowie die von ihr auf das Darlehen erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 25.228,08 € nebst [X.] um Zug gegen Rückgabe des finanzierten Fahrzeugs; ferner verlangt sie die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde.

5

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der - vom Senat im Hinblick auf den [X.] zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision ist unbegründet.

I.

7

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

8

Die Klägerin habe ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf sei verfristet, weil sich die Beklagte im Hinblick auf die der Klägerin erteilte [X.] auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB aF berufen könne und im Übrigen die ihr zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde alle für die [X.] der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB enthalten habe. Dies gelte insbesondere für die Angaben zum Verzugszinssatz.

II.

9

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen ([X.] nicht verneint werden. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 [X.]. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor die Klägerin die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB [X.]. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 (in der hier maßgeblichen, vom 11. Juni 2010 bis zum 20. März 2016 geltenden Fassung) [X.]. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, ordnungsgemäß erfüllt hat.

Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert zwar die Information über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nach den Maßstäben des nationalen Rechts nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 5. November 2019 - [X.], [X.], 1 Rn. 52 mwN). Im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über [X.] und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates ([X.]. 2008, [X.], [X.], berichtigt in [X.]. 2009, [X.], [X.], [X.]. 2010, [X.], [X.] und [X.]. 2011, [X.], [X.]) genügt dies aber den Anforderungen des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht, sondern verlangt die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes (vgl. Senatsurteil vom 12. April 2022 - [X.], [X.], 979 Rn. 11 f.). Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.

III.

Das Berufungsurteil erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, so dass die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO).

Der von der Klägerin mit der Revision verfolgte [X.] aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB in der bis zum 27. Mai 2022 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) [X.]. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB auf Rückgewähr der von ihr an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen ist jedenfalls derzeit unbegründet. Insoweit steht der Beklagten - was sie mit der Klageerwiderung geltend gemacht hat - nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB aF [X.]. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber der vorleistungspflichtigen Klägerin ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder die Klägerin den Nachweis erbracht hat, dass sie das Fahrzeug abgesandt hat (vgl. hierzu Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - [X.], [X.], 253 Rn. 22 ff.). Dass die Beklagte angeboten hätte, das Fahrzeug bei der Klägerin abzuholen (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB), ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB aF [X.]. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB steht der Beklagten - was der Senat mit Urteil vom 25. Januar 2022 ([X.], [X.], 418 Rn. 17) entschieden und im Einzelnen begründet hat - auch in Bezug auf die von der Klägerin nach der Widerrufserklärung auf das Darlehen geleisteten Zahlungen zu.

Soweit die Klägerin meint, die Beklagte könne sich auf das Leistungsverweigerungsrecht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht stützen, weil sie den [X.] der Klägerin bereits dem Grunde nach in Abrede stelle, trifft dies nicht zu. Für die Klägerin besteht in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB die Möglichkeit, Zahlung "nach" Herausgabe des Fahrzeugs zu verlangen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - [X.], [X.], 253 Rn. 29). Das ist hier nicht der Fall. Zwischen den Parteien steht aufgrund der rechtskräftigen Abweisung des Antrags der Klägerin auf Feststellung des Annahmeverzugs fest, dass sich die Beklagte nicht in Annahmeverzug befunden hat (§ 322 Abs. 1 ZPO).

Vorsorglich weist der Senat für ein etwaiges Folgeverfahren darauf hin, dass aus der Abweisung des [X.]s als derzeit unbegründet lediglich in Rechtskraft erwächst, dass die Klägerin gegen die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung keinen zur Zahlung fälligen Anspruch hatte, nicht dagegen, dass die Beklagte einem solchen Anspruch nicht weitere Einreden und Einwendungen entgegenhalten kann (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2021 - [X.], [X.], 371 Rn. 18 mwN).

[X.]     

      

Grüneberg     

      

Matthias

      

Derstadt     

      

Schild von Spannenberg     

      

Meta

XI ZR 66/21

20.09.2022

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 6. Januar 2021, Az: 3 U 237/20

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.09.2022, Az. XI ZR 66/21 (REWIS RS 2022, 5425)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5425

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Zitiert

XI ZR 650/18

XI ZR 179/21

XI ZR 498/19

XI ZR 559/20

XI ZR 193/20

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