Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.09.2013, Az. II R 37/12

2. Senat | REWIS RS 2013, 2900

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Gegenstand

Steuerbefreiung für Pflege des Erblassers - Ermittlung der Höhe des anzusetzenden Pflegefreibetrags - Entscheidung über unzulässige Anschlussrevision


Leitsatz

1. Pflege i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ist die regelmäßige und dauerhafte Fürsorge für das körperliche, geistige oder seelische Wohlbefinden einer wegen Krankheit, Behinderung, Alters oder eines sonstigen Grundes hilfsbedürftigen Person. Es ist nicht erforderlich, dass der Erblasser pflegebedürftig i.S. des § 14 Abs. 1 SGB XI und einer Pflegestufe nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI zugeordnet war .

2. Die Gewährung eines Pflegefreibetrags setzt voraus, dass Pflegeleistungen regelmäßig und über eine längere Dauer erbracht worden sind, über ein übliches Maß der zwischenmenschlichen Hilfe hinausgehen und im allgemeinen Verkehr einen Geldwert haben .

3. Der Erwerber muss zur Berücksichtigung eines Pflegefreibetrags die Hilfsbedürftigkeit des Erblassers sowie Art, Dauer, Umfang und Wert der erbrachten Pflegeleistungen schlüssig darlegen und glaubhaft machen. Hieran sind jedoch keine übersteigerten Anforderungen zu stellen .

Tatbestand

1

I. Der Kläger, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionskläger (Kläger) erhielt von der im Jahr 1920 geborenen und im Dezember 2009 verstorbenen [X.]rblasserin ([X.]), mit der er weder verwandt noch verschwägert war, im Wege des Vermächtnisses zwei zu Wohnzwecken vermietete [X.]igentumswohnungen im Gesamtwert von 103.104 €. [X.] Alleinerbe der [X.] war ihr Neffe.

2

Der Kläger hatte seit 2004 eine General- und Versorgungsvollmacht der [X.]. [X.]r leistete ihr in den letzten Jahren vor ihrem Tod regelmäßig Hilfe u.a. in Form von Unterstützung bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen, bei der [X.]rledigung von Botengängen und Schriftverkehr, durch Begleitung bei Arztbesuchen oder Vorsprachen bei Behörden. [X.] lebte bis Mai 2009 alleine in ihrer Wohnung; nach einem stationären Krankenhausaufenthalt war sie von Juli 2009 bis zu ihrem Tod in einem Pflegeheim untergebracht. Seit 1. Mai 2009 war [X.] in [X.] und seit 1. Juli 2009 in [X.]I eingeordnet.

3

Der Beklagte, Revisionskläger und [X.] (das Finanzamt --[X.]--) setzte gegen den Kläger [X.]rbschaftsteuer fest, wobei es den Wert der Wohnungen gemäß § 13c des [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der für das [X.] geltenden Fassung ([X.]rbStG) mit 90 % der festgestellten [X.] zugrunde legte und im Rahmen des [X.]inspruchsverfahrens zunächst Pflegeaufwendungen für den Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis zum 31. Dezember 2009 in Höhe von insgesamt 11.688 € anerkannte.

4

Nach einer Prüfung des [X.] erhöhte das [X.] die [X.]rbschaftsteuer in der [X.]inspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2011 auf 21.270 €. Dabei berücksichtigte es nur noch einen Freibetrag für Pflegeleistungen für die Monate Mai und Juni 2009 in Höhe von 755 € (420 € x 2 x 89,9 %). Der Pflegefreibetrag sei erst ab Vorliegen der Pflegebedürftigkeit i.S. des [X.]lften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) und nur bis zum Zeitpunkt einer vollstationären Pflege zu gewähren. Außerdem sei der Wert der Pflegeleistungen anteilig zu kürzen, weil wegen der Steuerbefreiung nach § 13c [X.]rbStG der Steuerwert des Vermächtnisses (91.666 €) nur 89,9 % des Verkehrswertes (101.976 €) betrage.

5

Nach [X.]rhebung der Klage wurde die Steuerfestsetzung mit Bescheid vom 6. Juli 2012 im Hinblick auf das beim [X.] ([X.]) anhängige Verfahren II R 9/11 nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 3 und 4 der Abgabenordnung für vorläufig erklärt. Die Klage hatte teilweise [X.]rfolg. Das Finanzgericht ([X.]) erkannte einen Freibetrag für Pflegeleistungen in Höhe von 4.725 € an und setzte die [X.]rbschaftsteuer gegen den Kläger auf 20.070 € herab. § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG erfordere weder das Vorliegen der Pflegebedürftigkeit noch die [X.]rbringung von Pflegeleistungen i.S. der §§ 14, 15 SGB XI. Der Begriff der Pflege i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG sei weit zu verstehen. Der Kläger habe der [X.] Pflege in diesem Sinne gewährt, jedoch Zweifel am geltend gemachten zeitlichen Umfang der erbrachten Leistungen nicht gänzlich ausräumen können. Deshalb sei nach Würdigung der gesamten Umstände des Streitfalls davon auszugehen, dass er in den fünf Jahren vor dem Tod der [X.] insgesamt 315 Stunden Pflegeleistungen erbracht habe. In Anlehnung an vergleichbare Dienstleistungsvergütungen sei ein Stundensatz von 15 € angemessen, so dass die Pflegeleistungen mit 4.725 € (315 Stunden x 15 €/Stunde) zu bewerten seien. Das Urteil des [X.] ist veröffentlicht in [X.]ntscheidungen der Finanzgerichte 2012, 2217.

6

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung des § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG. Die Revisionsbegründung wurde den Prozessbevollmächtigten des [X.] gegen [X.]mpfangsbekenntnis am 11. Oktober 2012 zugestellt.

7

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt, die Revision des [X.] zurückzuweisen.

9

Darüber hinaus begehrt der Kläger mit Schriftsatz vom 19. November 2012, der am 21. November 2012 beim [X.] eingegangen ist, weiterhin die Anerkennung des vollen Freibetrags in Höhe von 20.000 €.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die [X.]rbschaftsteuer unter Änderung des [X.]rbschaftsteuerbescheids vom 6. Juli 2012 auf 15.480 € herabzusetzen.

Das [X.] beantragt, die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] war als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die [X.] des [X.] ist unzulässig und war daher zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 [X.]O).

A. Revision des [X.]

Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der [X.]rwerb des [X.] wegen der gegenüber [X.] erbrachten Pflegeleistungen in Höhe von 4.725 € steuerfrei ist.

1. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG bleibt ein steuerpflichtiger [X.]rwerb bis zu 20.000 € steuerfrei, der Personen anfällt, die dem [X.]rblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes [X.]ntgelt Pflege oder Unterhalt gewährt haben, soweit das [X.] als angemessenes [X.]ntgelt anzusehen ist. Die Vorschrift regelt nicht den Abzug eines Pauschbetrags, sondern die Berücksichtigung eines Freibetrags (vgl. [X.]-Urteil vom 28. Juni 1995 II R 80/94, [X.][X.] 178, 218, [X.] 1995, 784), wobei die mögliche Steuerbefreiung auf maximal 20.000 € begrenzt ist. Liegt der Wert der erbrachten Leistungen unter 20.000 €, so ist nur ein [X.]rwerb in dieser Höhe steuerfrei.

a) Der Begriff "Pflege gewähren" wird in § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG anders als beispielsweise der Begriff der Hilflosigkeit in § 33b Abs. 6 des [X.]inkommensteuergesetzes nicht definiert und muss als steuerrechtliches Tatbestandsmerkmal nach seinem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen [X.]inzelregelung interpretiert werden (vgl. Beschluss des [X.] vom 27. Dezember 1991  2 BvR 72/90, [X.] 1992, 212, unter 1.a cc). Wortlaut, [X.]ntstehungsgeschichte und Zweck der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG rechtfertigen eine weite Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals.

b) Nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG setzt die Steuerbefreiung u.a. voraus, dass dem [X.]rblasser Pflege gewährt worden ist. Pflege in diesem Sinne ist die regelmäßige und dauerhafte Fürsorge für das körperliche, geistige oder seelische Wohlbefinden einer hilfsbedürftigen Person (vgl. [X.], [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 13 Rz 40; [X.] in Fischer/Jüptner/[X.]/ [X.], [X.]rbStG, 4. Auflage § 13 Rz 57; [X.] in [X.][X.], § 13 [X.]rbStG Rz 61; grundlegend Urteil des [X.] --[X.]-- vom 5. Juli 1921 Ia A 74/21, [X.][X.] 6, 252).

aa) Die Gewährung von Pflege setzt begrifflich eine wegen Krankheit, Behinderung, Alters oder eines sonstigen Grundes bestehende Hilfsbedürftigkeit des Pflegeempfängers voraus ([X.], a.a.[X.], § 13 Rz 40). Dabei reicht es für die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG aus, dass die Pflege des [X.]rblassers durch seine Hilfsbedürftigkeit veranlasst war. [X.]s ist nicht erforderlich, dass der [X.]rblasser pflegebedürftig i.S. des § 14 Abs. 1 [X.] und einer Pflegestufe nach § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.] zugeordnet war (vgl. [X.], a.a.[X.], § 13 [X.]rbStG Rz 61). Denn in § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG wird auf die Vorschriften des [X.] weder verwiesen noch in sonstiger Weise Bezug genommen.

bb) Weitere Voraussetzung für eine Pflege i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG ist die [X.]rbringung von Pflegeleistungen.

Zu den Pflegeleistungen zählen --in Anlehnung an die in § 14 Abs. 4 [X.] angeführten [X.] die Unterstützung und Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege (z.B. Waschen, Duschen, Kämmen), der [X.]rnährung (z.B. Zubereiten und Aufnahme der Nahrung), der Mobilität (z.B. selbständiges Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung) und der hauswirtschaftlichen Versorgung (z.B. [X.]inkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung). Dazu gehören aber auch weitere, nicht von § 14 Abs. 4 [X.] erfasste Hilfeleistungen, wie die [X.]rledigung von Botengängen und schriftlichen Angelegenheiten, Besprechungen mit Ärzten, Vorsprachen bei Behörden sowie die seelische Betreuung des [X.]rblassers. Gerade bei hilfsbedürftigen Personen kann es erforderlich sein, dass sie einen Ansprechpartner ihres Vertrauens haben, an den sie sich mit ihren Anliegen wenden können. Das Vorliegen von Pflegeleistungen kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Vertrauensperson als Betreuer nach den §§ 1896 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bestellt war.

Voraussetzung ist jedoch stets, dass die Leistungen regelmäßig und über eine längere Dauer erbracht worden sind ([X.] in [X.]/[X.], [X.]rbStG, § 13 Rz 108; [X.], a.a.[X.], § 13 Rz 57; [X.], a.a.[X.], § 13 Rz 61; [X.], a.a.[X.], § 13 Rz 40). Nur gelegentliche Botengänge oder Besuche, die nicht über ein übliches Maß der zwischenmenschlichen Hilfe hinausgehen, reichen nicht aus (vgl. [X.] in Troll/[X.]/[X.], [X.]rbStG, § 13 Rz 98). Die erbrachten Leistungen müssen im allgemeinen Verkehr einen Geldwert haben.

c) Die [X.]ntstehungsgeschichte und der Zweck des § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG sprechen ebenfalls für eine weite Auslegung der Steuerbefreiung.

Die Vorschrift geht auf § 33 Nr. 4c des [X.]rbschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 10. September 1919 --[X.]rbStG 1919-- ([X.], 1543) zurück. Im Zusammenhang mit der Auslegung des dort verwendeten Begriffs der "Verpflegung" des [X.]rblassers stellte der [X.] klar, dass dieser weitergehend zu verstehen und hierunter nicht nur die Verköstigung, sondern allgemein auch die anderweitige Fürsorge für das körperliche Wohl des Pflegeempfängers zu zählen sei ([X.]-Urteil in [X.][X.] 6, 252). Ob sich die Pflege auf niedere oder fachkundige Dienstleistungen gründe, sei unerheblich (vgl. Zimmermann, [X.]rläuterungsbuch zum [X.]rbStG 1919, § 33 unter Nr. 10). Die unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung im Jahr 1922 neu gefasste Vorschrift (§ 22 Nr. 10 [X.]rbStG in der Fassung vom 20. Juli 1922, [X.] 1922, 610) wurde bis zur Gesetzesänderung zum 1. Januar 1974 inhaltlich unverändert in die späteren [X.]rbschaftsteuergesetze übernommen.

Durch das Gesetz zur Reform des [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts vom 17. April 1974 ([X.], 933) wurde die bis dahin im Rahmen der Angemessenheit grundsätzlich in unbegrenzter Höhe gewährte Befreiung zunächst auf 2.000 DM beschränkt (§ 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG 1974). In der Folgezeit wurde dieser Höchstbetrag schrittweise wieder heraufgesetzt, zuletzt durch das [X.]rbschaftsteuerreformgesetz vom 24. Dezember 2008 ([X.], 3018) auf 20.000 €. Mit der [X.]inführung bzw. Beibehaltung einer betragsmäßigen Beschränkung sollten nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Möglichkeiten einer missbräuchlichen Ausnutzung der Vorschrift durch Beantragung ungerechtfertigt hoher Beträge für die in der Regel nicht beweisbaren und nur bedingt nachprüfbaren Pflegedienste oder Unterhaltsleistungen auf ein vernünftiges Maß eingeschränkt werden (vgl. BTDrucks 7/1333, S. 5; BTDrucks 16/11107, S. 9). Der Gesetzgeber verzichtete jedoch trotz der [X.]inführung des [X.] zum 1. Januar 1995 ([X.], 1014) auf eine inhaltliche Beschränkung des Pflegebegriffs und auf eine Anlehnung an den Begriff der Pflegeleistungen und der Pflegebedürftigkeit nach §§ 14, 15 [X.] mit einer leicht nachprüfbaren Zuordnung zu einer Pflegestufe. Die Anhebung des [X.] durch das Gesetz zur Reform des [X.]rbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts sollte nach der Gesetzesbegründung vielmehr zu einer Verbesserung der steuerlichen Berücksichtigung von Pflegeleistungen führen, die gegenüber dem [X.]rblasser unentgeltlich oder gegen zu geringes [X.]ntgelt erbracht wurden (BTDrucks 16/11107, S. 9).

2. [X.]ine Steuerbefreiung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG ist nur zu gewähren, soweit das [X.] als angemessenes [X.]ntgelt für die gewährte Pflege anzusehen ist.

[X.]in angemessenes [X.]ntgelt ist die Zuwendung nur, soweit sie dem Betrag entspricht, den der [X.]rblasser durch die Inanspruchnahme der Pflegeleistungen des [X.]rwerbers erspart hat (vgl. [X.], a.a.[X.], § 13 Rz 98). Der Wert der Pflegeleistungen ist im konkreten [X.]inzelfall am Maßstab der objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt der Pflegeleistung zu ermitteln (vgl. [X.]-Urteil vom 10. Dezember 1980 II R 101/78, [X.][X.] 132, 310, [X.] 1981, 270). Der anzusetzende Freibetrag hängt insbesondere von Art, Dauer und Umfang der erbrachten Hilfeleistungen ab.

3. Der Abzug des [X.] nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG erfordert, dass der [X.]rwerber die Hilfsbedürftigkeit des [X.]rblassers sowie Art, Dauer, Umfang und Wert der tatsächlich erbrachten Pflegeleistungen schlüssig darlegt und glaubhaft macht. [X.]r trägt insoweit die Feststellungslast.

a) Im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Steuerbefreiung und die damit verbundenen Nachweisschwierigkeiten sind jedoch keine übersteigerten Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung zu stellen. Vielmehr ist bei der Beurteilung der Frage, ob und inwieweit die tatsächlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt sind, ein großzügiger Maßstab anzulegen.

Insbesondere kann regelmäßig angenommen werden, dass mit zunehmendem Alter eines Menschen auch dessen Hilfsbedürftigkeit zunimmt. So kann, wenn keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen, schon bei einem über 80 Jahre alten Menschen von einer Hilfsbedürftigkeit auszugehen sein, ohne dass es hierzu eines Nachweises in Form eines ärztlichen Attests oder vergleichbarer Bescheinigungen bedarf. Allein die Unterbringung und Versorgung eines Pflegeempfängers in einem Pflegeheim schließen eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG nicht aus. Denn durch die Steuerbefreiung begünstigte Pflegeleistungen können auch gegenüber einer Person erbracht werden, die in einem Pflegeheim lebt.

b) Die Höhe des anzusetzenden Freibetrags bestimmt sich nach den gesamten Umständen des konkreten [X.]inzelfalls. Zur [X.]rmittlung des Werts der vom [X.]rwerber erbrachten Pflegeleistungen können die jeweils für vergleichbare Leistungen zu zahlenden, üblichen Vergütungssätze entsprechender Berufsgruppen oder gemeinnütziger Vereine herangezogen werden. Dem [X.]rwerber steht es aber stets frei, einen höheren Wert seiner Leistungen nachzuweisen. Bei [X.]rbringung langjähriger, intensiver und umfassender Pflegeleistungen kann der Freibetrag auch in voller Höhe zu gewähren sein, ohne dass es eines [X.]inzelnachweises zum Wert der Pflegeleistungen bedarf.

4. Die Steuerbefreiung des [X.]rwerbs gemäß § 13c [X.]rbStG rechtfertigt keine Kürzung des für den Freibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG maßgeblichen Werts der Pflegeleistungen.

Nach § 13c Abs. 1 und 3 [X.]rbStG sind bestimmte zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke unter näher festgelegten Voraussetzungen mit 90 % ihres Werts anzusetzen. Der verminderte Wertansatz eines Grundstücks nach § 13c Abs. 1 [X.]rbStG schließt eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG nicht aus. Da nach § 13 Abs. 3 Satz 1 [X.]rbStG jede Steuerbefreiungsvorschrift für sich anzuwenden ist, ist dementsprechend auch die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG unabhängig von der Steuerbefreiung nach § 13c [X.]rbStG zu gewähren.

§ 13c Abs. 1 [X.]rbStG führt deshalb nicht dazu, dass der Wert der Pflegeleistungen entsprechend dem Verhältnis zwischen dem verminderten Wertansatz des Grundstücks und dem festgestellten Grundbesitzwert zu mindern ist. Insoweit fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage, die eine verhältnismäßige Kürzung anordnet. § 10 Abs. 6 Satz 5 [X.]rbStG erfasst nur Schulden und Lasten, die mit nach § 13c [X.]rbStG befreitem Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen; diese sind nur mit dem Betrag abzugsfähig, der dem Verhältnis des nach Anwendung des § 13c [X.]rbStG anzusetzenden Werts dieses Vermögens zu dem Wert vor Anwendung des § 13c [X.]rbStG entspricht. Die nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG begünstigten Pflegeleistungen begründen aber wegen der dem [X.]rblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes [X.]ntgelt gewährten Pflege keine Schulden oder Lasten i.S. von § 10 Abs. 6 Satz 5 [X.]rbStG.

5. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der [X.]rwerb des [X.] wegen der Pflege der [X.] in Höhe von 4.725 € steuerfrei. Das [X.] hat den Wert der Pflegeleistungen offensichtlich nicht zu hoch angesetzt.

Nach den gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] hat der Kläger gegenüber [X.], die altersbedingt unterstützungsbedürftig war, unentgeltlich Pflegeleistungen i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 9 [X.]rbStG erbracht. Das [X.] hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den Umfang der anzuerkennenden Pflegeleistungen auf insgesamt 315 Stunden geschätzt und deren Wert in Anlehnung an die Vergütung, die der örtliche gemeinnützige Verein für vergleichbare Leistungen berechnet, mit durchschnittlich 15 € pro Stunde angesetzt. Gegen diese mögliche Sachverhaltswürdigung und tatrichterliche Überzeugungsbildung des [X.] wurden zulässige Revisionsrügen nicht erhoben.

B. [X.] des [X.]

1. Der im Rahmen der Revisionserwiderung des [X.] gestellte Antrag, den Freibetrag in voller Höhe von 20.000 € zu gewähren und die [X.]rbschaftsteuer auf 15.480 € herabzusetzen, ist als [X.] auszulegen (§ 155 [X.]O i.V.m. § 554 der Zivilprozessordnung --ZPO--; vgl. [X.]-Urteil vom 22. Dezember 2011 III R 93/10, [X.]/NV 2012, 932).

2. Die [X.] des [X.] ist jedoch unzulässig. Die unselbständige [X.] muss innerhalb eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung eingelegt und begründet werden (§ 155 [X.]O i.V.m. § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO; vgl. [X.]-Urteil in [X.]/NV 2012, 932). Daran fehlt es vorliegend. Die Revisionsbegründung des [X.] wurde den Prozessbevollmächtigten des [X.] gegen [X.]mpfangsbekenntnis am 11. Oktober 2012 zugestellt. Die gesetzliche Frist ist daher gemäß § 54 [X.]O i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alternative 1 BGB am Montag, den 12. November 2012, abgelaufen. Die [X.] wurde indes erst am 21. November 2012 und damit verspätet eingelegt. Anders als die Frist zur [X.]rwiderung auf die Revisionsbegründung kann diese Frist nicht verlängert werden ([X.]-Urteil vom 19. März 2003 VI R 40/01, [X.]/NV 2003, 1163). Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 [X.]O liegen nicht vor.

3. [X.]ine unzulässige Revision ist grundsätzlich nach § 126 Abs. 1 [X.]O durch Beschluss zu verwerfen. Wird aber neben einer zulässigen Revision eine unzulässige [X.] eingelegt, kann der Senat insgesamt über beide Revisionen durch Urteil entscheiden ([X.]-Urteil vom 21. Juni 2012 IV R 42/11, [X.]/NV 2012, 1927).

Meta

II R 37/12

11.09.2013

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 6. Juli 2012, Az: 11 K 4190/11, Urteil

§ 13 Abs 1 Nr 9 ErbStG 1997 vom 24.12.2008, § 14 Abs 1 SGB 11, § 15 Abs 1 S 1 SGB 11, § 13 Abs 3 S 1 ErbStG 1997, § 13c Abs 1 ErbStG 1997 vom 24.12.2008, § 155 FGO, § 554 Abs 2 S 2 ZPO, § 126 Abs 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 11.09.2013, Az. II R 37/12 (REWIS RS 2013, 2900)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2900

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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