28. Zivilkammer | REWIS RS 2022, 8453
EINSTWEILIGER RECHTSSCHUTZ EINSTWEILIGE VERFÜGUNG DOMAIN DOMAINRECHT Hinzufügen
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Die vollmachtlose Übertragung einer Domain stellt eine strafbare Datenveränderung i.S.d. § 303a Abs. 1 StGB dar und kann entsprechend § 861 BGB analog auch ohne Verfügungsgrund eine Leistungsverfügung rechtfertigen.
Einstweilige Verfügung gegen vollmachtlose Übertragung einer .de-Domain - sog. Domainentführung / Leistungsverfügung
Der Verfügungsbeklagte wird verpflichtet, gegenüber der [...] vertreten durch den Vorstand [...] auf die Domain [example.com] zu verzichten.
Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens werden dem Verfügungsbeklagten auferlegt.
[X.] wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.
Der Verfügungskläger begehrt von dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung „Rückübertragung“ der Domain ….de.
Die Verfügungskläger ist ein in [Verein], der Verfügungsbeklagte ist ehemaliger Vorstand dieses Vereins.
Er ist am [X.] aus dem Vorstand ausgeschieden.
Der Verfügungskläger war bis vor wenigen Wochen Inhaber der streitgegenständlichen Domain [example.com]. Über diese Domain war der Verfügungskläger bereits über viele Jahre erreichbar gewesen.
Der Verfügungskläger war auch Inhaber des zugehörigen Kontos beim Provider [...], unter dem die Domain registriert war.
Zugang zum Nutzerkonto besaß der aktuelle Vorstand des Verfügungsklägers bis zum [X.] um 11.08 Uhr nicht. Die Zugangsdaten, über die bis dahin nur ausschließlich der Verfügungsbeklagte als ehemaliger Vorstand verfügte, gab der Verfügungsbeklagte nach Aufforderung mit Schreiben vom 17.06.2022 am [X.] um 11:08 Uhr dem Verfügungskläger bekannt.
Der aktuelle Vorstand des Verfügungsklägers stellte dann beim ersten Zugriff am [X.] fest, dass die Domain [example.com] nicht mehr Teil zum entsprechenden Vertrag bei [...] gehörte.
Der Verfügungsbeklagte hatte die Domain vor Mitteilung der Zugangsdaten an den Verfügungskläger in seinen eigenen Bestand und an sein eigenes Konto transferiert.
Unter der Adresse [example.com] war nunmehr nur noch eine weiße Seite zu erreichen auf der steht:
„Diese Domain wurde nicht gefunden“.
Dabei handelt es sich um eine vom Antragsteller erstellte Internetseite mit diesem Text.
Der Verfügungskläger erwirkte daraufhin am 26.07.2022 bei der [...] eG, einen Dispute Eintrag (Anlage [X.], [X.]. 38 der Akte).
Der Verfügungskläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigten, mahnte daraufhin den Verfügungsbeklagen mit Abmahnung vom 26.07.2022 ab ([X.], [X.]. 41 ff der Akte) und forderte ihn auf, binnen 24 Stunden auf die Domain [example.com] zu verzichten. Mit Antwortschreiben, E-Mail vom 27.07.2022 an die Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers ([X.], [X.]. 43 der Akte), erklärte der Verfügungsbeklagte dann:
„Da [X.] die Angelegenheit aber nervt, gebe ich hiermit die von Ihnen gewünschte Verzichterklärung ab.“
Mit E-Mail vom 27.07.2022 (Anlage AS, [X.]. [X.]) wiesen die Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers den Verfügungsbeklagten darauf hin, dass die Verzichtserklärung gegenüber dem Provider zu erklären ist und die Erklärung Ihnen gegenüber keinerlei Wirkung habe.
Der Verfügungsbeklagte erwiderte daraufhin mit E-Mail vom 28.07.2022, 9.24 Uhr, dass er versichere, dass die von der [X.] gewünschte Verzichtserklärung heute bis 11:00 Uhr beim Provider eingegangen sei.
Mit E-Mail der Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers vom 28.07.2022 12.40 Uhr wurde der Verfügungsbeklagte daraufhin hingewiesen, dass die Domain weiterhin auf ihn registriert sei.
Mit E-Mail des Verfügungsbeklagten vom 28.07.2022, 13.44 Uhr ([X.], [X.]. 47 der Akte) übermittelte dieser an den Verfügungskläger den für die streitgegenständliche Domain relevanten Authentifizierungscode.
Mit anwaltlicher E-Mail vom [X.] wurde der Verfügungsbeklagte [X.]; aufgefordert, auf die streitgegenständliche Domain zu verzichten, worauf der Verfügungsbeklagte am 04.08.2022 antwortete, dass er dem Provider gegenüber bereits den Verzicht erklärt habe.
Die Domain war auch am [X.] nach wie vor konnektiert und auf den Verfügungsbeklagten eingetragen.
Der Verfügungskläger beantragt,
den Verfügungsbeklagten zu verpflichten, gegenüber der [...]. eG, ..., vertreten durch den Vorstand [...] auf die Domain [example.com] zu verzichten
Der Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Er wendet ein: Eine Eilbedürftigkeit sei nicht gegeben, die Dringlichkeit nicht ausreichend dargelegt worden.
Der Antrag sei auch unbegründet, da der Verfügungskläger eine anderweitige Möglichkeit zur Verfügung stehe, um seine Mitglieder zu informieren und zwar über die URL [...]. Der Verfügungskläger sei zudem bereits seit geraumer Zeit im Besitz aller Möglichkeiten, um Inhaber der streitgegenständlichen Domain zu werden, da dem Verfügungskläger insbesondere auch der AUTH-Code am 28.07.2022 übermittelt worden sei.
Es fehle zudem ein Rechtsschutzbedürfnis, da der Verfügungsbeklagte im Vorfeld dieses Verfahrens nicht aufgefordert worden sei, gegenüber der [...] eG, die Löschung zu erklären.
Zur Ergänzung wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die einstweilige Verfügung ist zulässig.
Das [X.] ist insbesondere auch örtlich ständig. Der Verfügungsbeklagte hatte zwar mit Schriftsatz vom 12.09.2022 die örtliche Zuständigkeit vorsorglich gerügt, im Termin vom 14.09.2022 dann aber [X.] zur Sache verhandelt. Somit ergibt sich die Zuständigkeit zumindest aus § 39 ZPO.
Die einstweilige Verfügung ist auch begründet.
Der Verfügungskläger hat gegen den Verfügungsbeklagten einen Anspruch darauf, dass der Verfügungsbeklagte gegenüber der [...] eG, auf die streitgegenständliche Domain [example.com] verzichtet aus §§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 303 a StGB, §§ 858, 861 BGB analog.
Der Verfügungskläger hat die Voraussetzungen eines solchen Anspruchs schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht.
Der Verfügungskläger war berechtigter Inhaber der streitgegenständlichen Domain [example.com]. Er war auch Inhaber des zugehörigen Kontos beim Provider [...], bei dem die Domain registriert war. Der Verfügungskläger besaß jedoch bis zum [X.] nicht die Zugangsdaten zum Nutzerkonto, diese hatte allein noch der Verfügungsbeklagte als ehemaliger Vorstand im Besitz. Letzterer hatte jedoch nach Ausscheiden aus dem Vorstand des Verfügungsklägers kein Recht zum Besitz mehr. Am [X.] hat der Verfügungsbeklagte dann zwar die Zugangsdaten dem Verfügungskläger übermittelt, aber hatte zuvor am gleichen Tag noch die Domain [example.com] in seinen eigenen Bestand und an sein eigenes Konto transferiert. Diesen Sachverhalt, der eine verbotene Eigenmacht, eine Datenveränderung gemäß § 303 a StGB und somit einen Anspruch des Verfügungsklägers auf Wiedereinräumung des Zugriffs auf die streitgegenständliche Domain begründet, hat der Verfügungskläger in der Antragsschrift schlüssig dargelegt und durch die beigefügten Anlagen ([X.] bis [X.]) glaubhaft gemacht. Im Übrigen hat der Verfügungskläger diesen Sachverhalt auch nicht bestritten.
Aus §§ 858, 861 BGB analog bzw. §§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 303a StGB folgt vorliegend der Anspruch des Verfügungsklägers auf Wiedereinräumung des Zugriffs auf die Domain. Hierzu ist es erforderlich, dass der Verfügungsbeklagte gegenüber der [...] eG, auf die streitgegenständliche Domain verzichtet. Nur durch diese Verzichtserklärung gegenüber der [...]. eG, kann, nachdem ein Dispute Eintrag zugunsten des Verfügungsklägers besteht, eine Inhaberübertragung auf den Verfügungskläger durchgeführt werden. Dies ergibt sich aus den durch den Verfügungsbeklagten vorgelegten Informationen über den Inhaberwechsel (Anlage AG 3; [X.]. 79 der Akte).
Dort heißt es ausdrücklich:
„Hinweis: Eine Inhaberübertragung ist nicht möglich, wenn für die Domain ein Dispute-Eintrag besteht“.
Eine Übernahme der Domain ist daher nach dem erfolgten Dispute Eintrag nicht mehr mithilfe des [X.] möglich, sondern nur noch über einen Verzicht.
Von daher kann der Verfügungsbeklagte sich auch nicht auf Erfüllung berufen. Er hat unstreitig bisher eine Verzichtserklärung gegenüber der [...]. eG, nicht abgegeben.
Soweit er vorträgt, dass er eine Verzichtserklärung bereits gegenüber dem Provider abgegeben habe, ist dies zum einen nicht ausreichend und zum anderen hat er auch nicht glaubhaft gemacht, dass er diese Erklärung tatsächlich abgegeben hat.
Der Verfügungsbeklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für das einstweilige Verfügungsverfahren berufen.
Es ist unerheblich, ob der Verfügungskläger den Verfügungsbeklagten zuvor ausdrücklich aufgefordert hat, eine Verzichtserklärung gegenüber der [...] eG., abzugeben.
Der Verfügungsbeklagte hat widerrechtlich dem Verfügungskläger den Zugriff auf die streitgegenständliche Domain entzogen. Der Verfügungskläger hat den Verfügungsbeklagten mehrfach zum Verzicht auf die Domain aufgefordert. Der Verfügungsbeklagte hat jedoch nicht das Erforderliche unternommen, um die Löschung herbeizuführen, da auch weiterhin ein Zugriff durch den Verfügungskläger nicht möglich ist. Nach alledem besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis.
Der Verfügungsbeklagte hat ferner auch einen Verfügungsgrund schlüssig dargelegt und durch die beigefügten Anlagen glaubhaft gemacht.
Dem Verfügungskläger steht, wie zuvor ausgeführt gem. § 861 Abs. 1 BGB analog ein Anspruch Wiedereinräumung des Zugriffs auf die Domain zu. Dieser Anspruch aus § 861 BGB wegen verbotener Eigenmacht kann im Wege der einstweiligen Verfügung ohne besonderen Verfügungsgrund geltend gemacht werden und darf ausnahmsweise im Verfügungsverfahren als Leistungsverfügung zur endgültigen Befriedigung des Gläubigers führen ([X.]/Vollkommer, ZPO, 34. Aufl. 2007, § 940 Rn. 8 Stichwort Herausgabe m.w. Nachw.; [X.], Urteil vom [X.], 2 U 1524/06, BeckRS 2007, 5725).
Abgesehen davon hat der Verfügungskläger auch im Übrigen einen Verfügungsgrund schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht.
Er hat schlüssig dargelegt und ausreichend glaubhaft gemacht, dass die einstweilige Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist (§§ 935, 940 ZPO). Dies folgt bereits daraus, dass der Verfügungskläger über die streitgegenständliche Domain, über die er über viele Jahre erreichbar war, für seine Mitglieder nicht mehr erreichbar ist. Zudem wird durch die über die Domain nun auf eine leere Seite, die den Eindruck vermittelt, dass der Verein nicht mehr existiert. Von daher liegt auf der Hand, dass dem Verfügungskläger erheblicher Schaden droht. Dass der Verfügungskläger vorübergehend zur Kommunikation andere URLs nutzt, ist unerheblich.
Nach alledem war der einstweiligen Verfügung stattzugeben.
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Meta
22.09.2022
LG Frankfurt a.M. 28. Zivilkammer
Urteil
Sachgebiet: O
§ 935 ZPO, § 940 ZPO, § 823 Abs. 2 BGB, § 858 BGB, § 861 BGB, § 303a StGB,
Zitiervorschlag: LG Frankfurt a.M., Urteil vom 22.09.2022, Az. 2-28 O 173/22 (REWIS RS 2022, 8453)
Papierfundstellen: GRUR-RS 2022, 38063 REWIS RS 2022, 8453
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