Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.01.2015, Az. XII ZB 324/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 16847

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 324/14
vom
21. Januar 2015
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB §
1896 Abs.
2
a)
Auch im Bereich der Vermögenssorge kann die Erforderlichkeit der Betreu-ung nicht allein mit der subjektiven Unfähigkeit des Betreuten begründet werden, seine diesbezüglichen Angelegenheiten selbst zu regeln; vielmehr muss aufgrund konkreter tatrichterlicher Feststellungen die gegenwärtige Ge-fahr begründet sein, dass der Betreute einen Schaden erleidet, wenn man ihm die Erledigung seiner vermögensrechtlichen Angelegenheiten eigenver-antwortlich selbst überließe (im [X.] an Senatsbeschluss vom 6.
Juli 2011
XII
[X.]
80/11
amRZ 2011, 1391).
b)
Das Vorliegen eines aktuellen Handlungsbedarfs zugunsten des Vermögens des Betreuten ist nicht zwingend erforderlich; es genügt, dass dieser Bedarf jederzeit auftreten kann und für diesen Fall die begründete Besorgnis be-steht, dass ohne die Einrichtung einer Betreuung nicht das Notwendige ver-anlasst wird.
c)
Zur Einrichtung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Vertretung in behördlichen und gerichtlichen Verfahren.
[X.], Beschluss vom 21. Januar 2015 -
XII [X.] 324/14 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 21.
Januar 2015
durch [X.] und [X.] Klinkhammer, Dr.
Günter, Dr.
Botur
und Guhling
beschlossen:
Dem Betroffenen wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ge-gen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 3.
Juni 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Der 67-jährige Betroffene wendet sich gegen die Verlängerung seiner Betreuung.
Für den Betroffenen wurde im Jahre 2007 eine rechtliche Betreuung ein-gerichtet und der weitere Beteiligte zum Berufsbetreuer mit den Aufgabenkrei-sen
Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Gesundheitssorge, Aufent-haltsbestimmung, "Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten-
und Sozialleistungsträgern"
sowie
"Vertretung in gerichtlichen Verfahren"
be-1
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-
3
-

stellt. Für die beiden letztgenannten [X.] wurde zudem ein Einwilli-gungsvorbehalt angeordnet.
Das Amtsgericht hat die Betreuung nach Einholung eines [X.] Sachverständigengutachtens und nach Anhörung des Betroffenen durch Beschluss vom 2.
April 2014 dahingehend eingeschränkt, dass die [X.] Wohnungsangelegenheiten und Aufenthaltsbestimmung entfallen; im Übrigen
hat es
die Betreuung

bei Aufrechterhaltung des bestehenden Einwilli-gungsvorbehalts

verlängert.
Auf die gegen die Verlängerung der Betreuung gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Amtsgericht die Betreuung wei-ter
eingeschränkt und durch Beschluss vom 25.
April 2014 den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge entfallen lassen. Die weitergehende Beschwerde des Betroffenen hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der [X.] Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landge-richt.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dass bei dem Betroffenen nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr.
S. eine affektive Psychose in Form einer Manie bestehe. Für diese Störung seien insbesondere die bei dem Betroffenen vorliegenden Größenideen mit Realitätsverlust typisch. Aufgrund der teilweisen Realitätsver-kennung sei
der Betroffene wohl nicht in der Lage, seine finanziellen und schriftlichen Angelegenheiten selbst zu besorgen, woraus zweifelsfrei eine Be-3
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5
-
4
-

treuungsbedürftigkeit für die Aufgabenbereiche Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten-
und Sozialversicherungsträgern sowie "Erledigung des Postverkehrs"
erwachse.
Es lägen keine konkreten [X.] vor, die geeignet seien, die
gutachterliche Diagnose und Einschät-zung in Frage zu stellen, zumal das aktuelle Gutachten durchaus mit dem Er-gebnis der [X.] des [X.]sarztes
R. aus den Jahren 2006 und 2007 in Einklang zu bringen sei. Dem Anliegen des Betroffenen, den [X.] entfallen zu lassen, habe bereits das Amtsgericht entsprochen. Letztlich widerspreche der Betroffene der angenommenen [X.] auch gar nicht, denn er selbst führe an, dass er einen Rechtsbeistand bis zur Erledigung der eingebrachten "Probleme"
benötige.
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Nach
§
1896 Abs.
2 Satz
1 BGB darf ein Betreuer nur für [X.] bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Dieser Grund-satz verlangt für die Bestellung eines Betreuers die konkrete tatrichterliche Feststellung, dass sie

auch unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit

not-wendig ist, weil der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Die [X.] einer Betreuung darf sich dabei nicht allein aus der subjektiven Unfähig-keit des Betroffenen ergeben, seine Angelegenheiten selbst regeln zu können
(Betreuungsbedürftigkeit). Hinzutreten muss ein konkreter Bedarf für die Bestel-lung eines Betreuers. Ob und für welche Aufgabenbereiche ein objektiver Be-treuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssitu-ation des Betroffenen zu beurteilen
(vgl. Senatsbeschluss vom 6.
Juli 2011

XII
[X.]
80/11

mRZ 2011, 1391 Rn.
9
mwN).
Gemessen daran
kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Das Beschwerdegericht hat die fortbestehende Erforderlichkeit der Be-6
7
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-
5
-

treuung nur
aus seinen Erwägungen zur Betreuungsbedürftigkeit hergeleitet. Dagegen hat es keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, dass in der gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen ein objektiver Bedarf für die Aufrechterhaltung einer Betreuung mit den [X.]n der Vermögens-sorge und der Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten-
und Sozialleistungsträgern sowie der Vertretung in gerichtlichen Verfahren besteht.
aa) Auch im Bereich der Vermögenssorge kann die Erforderlichkeit der Betreuung nicht allein mit der subjektiven Unfähigkeit des Betreuten begründet werden, seine diesbezüglichen Angelegenheiten selbst zu regeln
(Senatsbe-schluss vom 6.
Juli 2011

XII
[X.]
80/11

FamRZ 2011, 1391 Rn.
9). Vielmehr muss aufgrund konkreter
tatrichterlicher Feststellungen die gegenwärtige Ge-fahr
begründet sein, dass der Betreute einen Schaden erleidet, wenn man ihm die Erledigung
seiner vermögensrechtlichen Angelegenheiten eigenverantwort-lich selbst überließe.
Dabei ist das Vorliegen eines aktuellen
Handlungsbedarfs zugunsten des Vermögens des Betreuten nicht zwingend erforderlich; es ge-nügt, dass
dieser Bedarf jederzeit auftreten kann und für diesen Fall die
be-gründete
Besorgnis
besteht, dass ohne die Einrichtung einer Betreuung nicht das Notwendige veranlasst wird (BayObLG FamRZ 1995, 117; BayObLG FamRZ
1997, 902, 903;
[X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1896 Rn.
112; [X.] Betreuungsrecht 5.
Aufl. §
1896 Rn.
22). Demgegenüber lässt sich die Erforderlichkeit der [X.] nicht aus bloßen Zweckmäßigkeits-erwägungen herleiten (Senatsbeschluss vom 30.
Mai 2012

XII
[X.]
59/12

FamRZ
2012, 1365 Rn.
10).
Der Betroffene ist nach Aktenlage vermögenslos und verfügt aus einer Altersrente und Wohngeld über laufende Einkünfte in monatlicher Höhe von rund 750

-
und Mietschulden, auf die angesichts der geringen Höhe seines Einkommens
keine Tilgungsleistungen erbracht
werden 9
10
-
6
-

können. Das Beschwerdegericht hat bislang keine konkreten Tatsachen [X.], die
beispielsweise die Schlussfolgerung rechtfertigen könnten, dass dem
Betroffenen ohne die Unterstützung des Betreuers eine weitere Verschuldung oder infolge
krankheitsbedingt unangepasster wirtschaftlicher Dispositionen eine Gefährdung seines
elementaren
Lebensbedarfs
droht.
bb) Auch
die Einrichtung einer Betreuung mit den [X.]n der "Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten-
und Sozialleis-tungsträgern"
sowie der "Vertretung in gerichtlichen Verfahren"
kann für sich genommen keinen Bestand haben.
Soweit mit der
Bestimmung eines solchen
[X.]s nicht lediglich eine an sich entbehrliche, aber nicht schädliche Klarstellung der sich aus §
1902 Abs.
1 BGB ergebenden Vertretungsberechti-gung des Betreuers im Rahmen eines weiteren ihm übertragenen [X.]s

hier der Vermögenssorge

beabsichtigt ist, muss regelmäßig ein kon-kreter Bezug zu einer bestimmten Angelegenheit oder einem bestimmten be-hördlichen oder gerichtlichen Verfahren hergestellt werden, für den die Notwen-digkeit der Bestellung eines Betreuers
besteht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Betreute krankheitsbedingt dazu neigt, sich durch das Betreiben einer Vielzahl von sinnlosen Verfahren zu schädigen ([X.], 919, 920; [X.] FamRZ 2012, 1166, 1167; [X.]/[X.] 6.
Aufl. §
1896 Rn.
116; [X.] Betreuungsrecht 5.
Aufl. §
1896 Rn.
26). Das Beschwerdegericht hat nicht festgestellt, dass diese Besorgnis derzeit
begrün-det wäre.

b) Hat das Beschwerdegericht hiernach die Voraussetzungen für die Be-stellung eines Betreuers
mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge oder dem
(isolierten) Aufgabenkreis der "Vertretung gegenüber Behörden, [X.], Renten-
und Sozialleistungsträgern"
bzw. der "Vertretung in gerichtlichen Verfahren"
nicht ausreichend festgestellt, kann die Anordnung des Einwilli-11
12
-
7
-

gungsvorbehalts nach §
1903 Abs.
1 BGB schon deshalb nicht bestehen blei-ben, weil dieser die wirksame Einrichtung einer Betreuung im betreffenden [X.] voraussetzt (Senatsbeschluss vom 6.
Juli 2011

XII
[X.]
80/11

FamRZ
2011, 1391 Rn.
15).
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß §
74 Abs.
7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Dose

Klinkhammer

Günter

Botur

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.04.2014 -
XVII 206/09 -

LG [X.], Entscheidung vom 03.06.2014 -
5 [X.] -

13

Meta

XII ZB 324/14

21.01.2015

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.01.2015, Az. XII ZB 324/14 (REWIS RS 2015, 16847)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16847

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Betreuung, Betreuerbestellung, Vermögenssorge


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