Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2015, Az. X ZR 122/13

X. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 2947

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:031115UXZR122.13.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM NAMEN [X.]S VOLKES
URTEIL
X ZR
122/13
Verkündet am:
3. November
2015
Anderer
[X.]izangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 651i Abs. 2 und 3
a)
Der Reiseveranstalter kann eine Reiseleistung, die Gegenstand eines [X.] sein sollte, von dem der Reisende zurückgetreten ist, nur dann durch die erneute Buchung der gleichen Reiseleistung durch einen anderen Reisenden anderweitig verwenden, wenn er die weitere
Nachfrage nach der Reiseleistung ohne den Rücktritt mangels freier Kapazität nicht hätte befrie-digen können.
b)
Den Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der gewöhnlichen Möglichkeit an-derweitiger Verwendung von Reiseleistungen, die Gegenstand stornierter Reiseverträge waren, bilden Erfahrungswerte, die hinreichend verlässlich Auskunft darüber geben, wie sich die typische Nachfrage nach einer diese Reiseleistungen umfassenden Reise darstellt. Wird die Reiseleistung im Rahmen unterschiedlicher Reisen angeboten, darf die Betrachtung weder auf willkürlich gewählte Reiseangebote beschränkt werden, noch ist stets ohne weiteres eine Durchschnittsbetrachtung zulässig. Die Erfahrungswerte müs-sen vielmehr repräsentativ für die Gesamtheit der Reisen sein, die der [X.] in der jeweiligen Kategorie oder Preisklasse anbietet.
[X.], Urteil vom 3. November 2015 -
X [X.] -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom
3.
November
2015
durch den Vorsitzenden Richter Prof.

Dr. MeierBeck, die
Richter Dr. Grabinski,
[X.] und Hoffmann
sowie
die Richterin Schuster
für
Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das am 4. September 2013 verkündete Urteil
des 2. Zivilsenats des [X.] aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht [X.].
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist
Reiseveranstalterin und bietet unter anderem Kreuzfahr-ten in den
Tarifen

[X.],

[X.]
und [X.]

an. Sie verwendet
Reisebedingungen, die unter Nr.
7.2 für den Fall des Rücktritts des Kunden ei-ne von diesem zu leistende pauschale Entschädigung vorsehen, die nach den jeweiligen
Tarifen und dem Tag des Rücktritts gestaffelt ist. Der klagende [X.] der [X.] und Verbraucherverbände beanstandet
die Regelung
für den [X.]

, die
im Fall des Rücktritts bis zum 60.
Tag
1
-
3
-
vor Reisebeginn eine pauschale Entschädigung pro Person von 50
% ([X.] 50

Der [X.]

dient der Vermarktung von Reisen zu einem gegen-
über den anderen Tarifen stark ermäßigten Preis. Dabei gibt es für die Buchung zwei Varianten. Entweder nennt der Reisende einen ungefähren Reisetermin und überlässt der Beklagten die Wahl von Schiff, Reiseziel und Route oder er bestimmt das (ungefähre) Reiseziel und lässt der Beklagten einen größeren Spielraum bei der Auswahl des Reisetermins.
Die Reiseunterlagen mit dem ge-nauen Abfahrtstermin und weiteren Angaben zur Reise erhält der Reisende spätestens 14 Tage vor der Abreise.
Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt; das [X.] hat die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelasse-nen
Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und [X.] an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen,
der für die pauschale Ent-schädigung festgelegte Vomhundertsatz des Reisepreises übersteige den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden der Beklagten und hat dies
im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Beklagte habe nicht dargelegt,
dass ihr ein typischerweise
zu erwar-tender Durchschnittschaden in Höhe von 50
% des Reisepreises bei Stornie-rung bis zum 60.
Tag vor Reiseantritt entstehe. Sie habe vorgetragen, dass 2
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-
nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge im Zeitraum ab dem 49.
Tag vor der geplanten Abreise die zu diesem Zeitpunkt nicht verkauften Reisen

und damit eben auch die stornierten [X.]

Reisen -
zu etwa 86
% in demselben Tarif
oder höherpreisig verkauft werden könnten. Hieraus ergebe sich, dass die Ein-nahmen aus anderweitiger
Verwendung der stornierten Reiseleistung nach dem gewöhnlichen Verlauf sehr viel höher seien als die von der Beklagten angesetz-ten 50
% des Reisepreises und damit der zu erwartende Verlust geringer als 50
%
sei. Bereits hieraus sei ersichtlich, dass die Stornopauschale von 50
% selbst unter Berücksichtigung anfallender Verwaltungskosten deutlich überhöht sei.
Zwar stehe dem Reiseveranstalter der Anspruch aus §
651i BGB zu, solan-ge keine volle Auslastung vorliege. Die Beklagte müsse sich jedoch entgegen-halten lassen, dass der durch Leerfahrten entstehende Verlust anteilig auf die Buchungsgrade der einzelnen Preissegmente zu verteilen sei.
Ein Vergleich mit [X.] anderer Anbieter sei nicht maßgeb-lich. Das Gesetz sehe die Verhältnisse, Strukturen
und Erfahrungssätze des jeweiligen konkreten Reiseveranstalters als erheblich an. Deshalb könnten branchenübliche Erfahrungssätze nicht generell in gleicher Höhe für alle Mitbe-werber gelten.
II.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
stand.
1.
Bei der
angegriffenen [X.] handelt es sich, wovon
das [X.] zu
Recht
ausgegangen ist,
um eine für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingung, die die Beklagte ihren Vertragspartnern bei Abschluss eines Vertrags stellt (§
305 Abs. 1 Satz 1 BGB).
2.
Die [X.] unterliegt nach §
307
Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskon-trolle.
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a)
Nach dieser Vorschrift sind Bestimmungen in Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen an §§ 308, 309 und §
307 Abs. 1 und 2 BGB zu messen.
Dabei ist durch Auslegung zu ermitteln, ob durch die Bestimmung von Rechts-vorschriften, d.h.
Gesetzesvorschriften
im materiellen Sinn und allgemeinen Rechtsgrundsätzen, abweichende oder diese ergänzende Regelungen [X.] werden
([X.], Urteil vom 10.
Dezember 2013 -
X
ZR
24/13, NJW 2014,
1168 = [X.] 2014, 132 Rn. 16, 17; Urteil
vom 9. Dezember 2014

[X.]/12, [X.]Z 203, 335 = [X.] 2015, 135 Rn. 17).
b)
Die beanstandete [X.] ergänzt die Vorschrift des §
651i Abs. 3 BGB, indem sie für den [X.]

bei einem
Rücktritt bis zum 60. Tag vor
Reisebeginn eine Pauschalentschädigung
von 50
% des Reisepreises und [X.] 50

wird.

3.
Nach § 651i Abs. 3 BGB kann für den Fall, dass der Reisende vor Reisebeginn vom Vertrag zurücktritt, für jede Reiseart unter Berücksichtigung der gewöhnlich ersparten Aufwendungen und des durch anderweitige Verwen-dung der Reiseleistungen gewöhnlich möglichen Erwerbs ein Vomhundertsatz des Reisepreises als Entschädigung festgesetzt werden. Wenn
wie im Streitfall
für bestimmte
Tarife in einer Reiseart spezielle
Entschädigungspauschalen [X.] werden, kann nichts anderes gelten. Die Tarife müssen, ebenso wie die Entschädigungspauschalen bei unterschiedlichen Reisearten,
so differenziert werden und die bei einem bestimmten Tarif als gewöhnlich erspart berücksich-tigten Aufwendungen und der bei diesem Tarif als gewöhnlich möglich berück-sichtigte
anderweitige Erwerb so bemessen werden, dass
es zumindest in der Regel ausgeschlossen ist, dass die Entschädigung überschritten wird, die nach §
651i Abs. 2 BGB zu zahlen wäre ([X.]Z 203,
335 Rn. 40). An die sachliche Rechtfertigung des verlangten Vomhundertsatzes des Reisepreises für die [X.], zu dessen Zahlung der Reisende, der von seinem gesetzlichen 11
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Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht hat, verpflichtet sein soll, dürfen dabei nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden
([X.]Z 203, 335 Rn. 41). Das [X.] ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der
Reiseveranstal-ter im Streitfall
darlegen und beweisen
muss, welche Aufwendungen gewöhn-lich erspart werden und welche anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten der Reiseleistungen gewöhnlich bestehen, wenn der Reisende von einer Reise der gebuchten Art zurücktritt ([X.], Urteil vom 9. Dezember 2014

X ZR 13/14, [X.] 2015, 144 Rn. 31).
4.
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch angenommen, aus dem von der Beklagten
vorgebrachten Zahlenmaterial folge,
dass diese durch die erneute Vermarktung von Reiseleistungen, die bereits Gegenstand einer

spätestens 60 Tage vor Reisebeginn durch Rücktritt vom Reisevertrag "stor-nierten"

Buchung
im [X.]

waren, durchschnittlich mehr als 50
% des
Reisepreises nach diesem Tarif erwirtschaften könne, dass die vorgetragenen Zahlen "im Gegenteil"
sehr viel höhere Einnahmen aus anderweitiger Verwen-dung der stornierten Reiseleistung ergäben.
a)
Der Reiseveranstalter kann eine Reiseleistung, die Gegenstand ei-nes Reisevertrags sein sollte, nur dann durch die erneute Buchung der gleichen Reiseleistung durch einen anderen Reisenden anderweitig verwenden, wenn er die weitere Nachfrage nach der Reiseleistung ohne den Rücktritt mangels freier Kapazität nicht hätte befriedigen können (vgl. [X.].[X.], 6.
Aufl.
§
651i Rn. 13). Andernfalls würde das Ziel der Vorschrift des §
651i Abs.
2 und 3 BGB verfehlt, die angemessene Entschädigung, die der [X.] anstelle des Reisepreises verlangen kann, nur dann und nur insoweit gegenüber dem Reisepreis zu reduzieren, als Aufwendungen erspart werden, die dem mit der Ausführung des [X.] zu erzielenden Erlös als Kos-ten gegenübergestanden hätten,
oder als an die Stelle des Zahlungsanspruchs gegen den Reisenden, der vom Vertrag zurückgetreten ist, der Zahlungsan-14
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spruch gegen einen anderen Reisenden getreten ist. Hiervon kann nicht ge-sprochen werden, wenn der Reiseveranstalter diesen Anspruch ebenso erwor-ben hätte, wäre der Rücktritt nicht erfolgt.
b)
Aus dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Vortrag der [X.] folgt nicht, dass diese Reiseleistungen, die im [X.]

gebucht
waren, nach Rücktritt vom Reisevertrag anderweitig in demselben oder gar in einem höherpreisigen Tarif verwenden konnte.
aa)
Die Beklagte hat
nach einem Hinweis des Berufungsgerichts
Zahlen für das
Geschäftsjahr 2012 vorgetragen. Danach standen
ab dem 49. Tag vor Reisebeginn, dem durchschnittlichen Rücktrittstag im [X.]

,
unter Ein-
schluss infolge von Stornierungen wieder freigewordener Kabinen
insgesamt 60.073 freie Kabinen zur Verfügung, von denen 2.440 (etwa 4
%)
in der [X.], 36.989 (etwa 62
%)
in der Preisklasse [X.] und 12.242 (etwa 20
%)
in der Preisklasse [X.]

abgesetzt werden konnten. Von den verblei-
benden 8.402 Kabinen (etwa
14
%)
wurden 6.490 (etwa 11
%)
zu nochmals ermäßigten Sonderkonditionen an Betriebsangehörige und Reisebüromitarbei-ter abgegeben und blieben 1.912 (etwa 3
%)
endgültig frei.
bb)
Aus diesen Zahlen kann nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat,
abgeleitet
werden, "die stornierten [X.]

Reisen"
würden zu etwa 86
% in
derselben Preisklasse oder höherpreisig erneut abgesetzt. Denn dabei bliebe unberücksichtigt, dass die Reisebuchungen ab dem 49. Tag nicht mit den von der Beklagten vorgetragenen Prozentsätzen den "stornierten [X.]

Reisen"

als jeweilige anderweitige Verwendung zugerechnet werden können.
Die Buchung im [X.]

ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass
der Reisende mit der Buchung keinen Anspruch auf Beförderung mit einem be-stimmten Schiff und Unterbringung in einer bestimmten Kabine erwirbt. Der Ta-rif [X.]

dient der flexiblen "Zuweisung"
von Buchungen zu einem möglichst
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späten Zeitpunkt, zu dem die Beklagte relativ genaue Kenntnis darüber hat, wie viele Reisende für eine
Kreuzfahrt mit einem bestimmten Schiff zu einem be-stimmten Zeitpunkt einen der Tarife [X.] und [X.] entweder bereits [X.] haben oder voraussichtlich noch buchen werden. Sie kann daher im Rahmen der ihr durch die Buchungen im [X.]

eröffneten Möglichkei-
ten einer stärkeren Nachfrage nach Kabinen im Tarif [X.] oder [X.] auf einem
bestimmten Schiff
dadurch Rechnung tragen, dass sie Passagiere, die den [X.]

gebucht haben, vorzugsweise mit einem anderen Schiff
be-
fördert, bei dem die Nachfrage nicht so stark angezogen hat. Die Beklagte kann ferner mit der Vergabe von Kabinen zu Sonderkonditionen so lange abwarten, bis sich abzeichnet, dass diese Kabinen ansonsten endgültig frei bleiben wer-den. Schließlich kann sie das Angebot im
[X.]

in der Schlussphase
der Vermarktung drosseln oder für bestimmte Reisen auch ganz einstellen, wenn das Buchungsverhalten darauf hindeutet, dass ein höherer Anteil an Ka-binen als erwartet in den Tarifen [X.] oder [X.] abgesetzt werden kann und die Flexibilität in der Zuweisung, die der [X.]

ermöglicht, und der
Verzicht auf die Abgabe zu Sonderkonditionen mutmaßlich nicht ausreichen, diese Nachfrage vollständig zu bedienen. Es entspricht betriebswirtschaftlicher Vernunft, diese Möglichkeiten sinnvoll zu nutzen, um die Schiffe so weit wie möglich auszulasten und dabei einen möglichst hohen Deckungsbeitrag zu er-wirtschaften.
Zu Recht macht daher die Revision geltend, dass der höhere Preis, den die Beklagte ab dem 49. Tag vor Reisebeginn dadurch erzielt, dass sie eine Kabine nicht zu Sonderkonditionen abgeben oder unbesetzt lassen muss, son-dern sie in den Preisklassen [X.], [X.] oder [X.]

absetzen kann, den
Verlust, den sie durch den Rücktritt von
einer [X.]

Reise
erleidet, nur dann
kompensieren oder gar

wie das Berufungsgericht angenommen hat -
über-kompensieren könnte, wenn der Beklagten jene Absatzgeschäfte ohne die 20
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-
Stornierung im [X.]

gebuchter Reisen ganz oder teilweise nicht mög-
lich gewesen wären. Dies hat das Berufungsgericht jedoch nicht festgestellt. Der revisionsrechtlichen Beurteilung ist daher das Vorbringen der Beklagten zugrunde zu legen, dass die Anzahl der durch Rücktritt von im [X.]

abgeschlossenen Reiseverträgen wieder frei gewordenen Kreuzfahrtplätze [X.] der Zahl der Plätze zurückbleibt, die entweder endgültig frei bleiben oder nur noch zu Sonderkonditionen absetzbar sind.
III.
Das Berufungsurteil kann hiernach keinen Bestand haben. Da das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen hat, in welcher Höhe der Beklagten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge durch die Kündigung von im [X.]

gebuchten Reisen ein Deckungsbetrag
entgeht, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Für die [X.] Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes
hin:
1.
Den Anknüpfungspunkt für die Ermittlung der gewöhnlichen Möglich-keit anderweitiger Verwendung
von Reiseleistungen, die Gegenstand stornierter
Reiseverträge waren, bilden Erfahrungswerte, die hinreichend verlässlich [X.] darüber geben, wie sich die typische Nachfrage
nach einer diese [X.] umfassenden Reise
darstellt. Dabei widerspräche es zwar dem Sinn einer Entschädigungspauschale, jede einzelne Reise für sich zu betrachten. Wird die Reiseleistung (hier: ein Platz auf einem Kreuzfahrtschiff) im Rahmen unterschiedlicher Reisen angeboten, darf die Betrachtung aber andererseits weder auf
willkürlich gewählte
einzelne
Reiseangebote beschränkt werden, noch ist
stets ohne weiteres eine Durchschnittsbetrachtung zulässig.
Die Erfah-rungswerte
müssen vielmehr repräsentativ für die Gesamtheit der Reisen sein, die der Reiseveranstalter in der jeweiligen Kategorie oder Preisklasse
anbietet
(vgl. [X.]Z 203, 335 Rn. 32). Die Anforderungen an ein repräsentatives Reise-profil lassen sich dabei nicht abstrakt definieren, sondern sind im Einzelfall vom Tatrichter unter Berücksichtigung des Interesses des Reiseveranstalters an ei-21
22
-
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-
nem praktisch handhabbaren Maßstab und des Interesses des Reisenden, nicht mit einer für die von ihm gebuchte Reise nicht angemessenen Pauschale belastet zu werden, zu bestimmen. Ergeben sich innerhalb der Kategorie oder Preisklasse (hier dem [X.]

) bei einer sinnvollen Gruppierung (etwa
nach Saison oder Zielgebiet) deutliche Unterschiede in der [X.] oder in dem durch diese Wiederverwertung zu erzielen-den Erlös, ist im Zweifel eine Differenzierung zwischen jenen Gruppen geboten.
2.
Das Berufungsgericht wird daher zu prüfen haben, ob die [X.] Kapazitäten bei den von der Beklagten im [X.]

vermarkteten Rei-
sen erheblichen Schwankungen, etwa je nach Reiseregion
oder Zeitpunkt der Reise,
unterliegen, so dass die Beklagte trotz der [X.], die ihr bei Reisenden der Preisklassen [X.] und [X.]

eröffnet ist, nicht durchweg die
Möglichkeit hat, die Nachfrage
nach Reisen in den
Kategorien [X.], [X.] und [X.]

vollständig
zu bedienen, ohne auf stornierte Plätze zurückzugrei-
fen. Das Berufungsgericht wird der Beklagten Gelegenheit zu näherem
Vortrag dazu zu geben haben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sich das Verhältnis zwischen Buchungsnachfrage und zur Verfügung stehenden Kapazi-täten nach Reiseregion, Reisezeit oder
sonstigen Kriterien unterscheidet.

3.
Das Berufungsgericht wird ferner zu berücksichtigen haben, dass Er-fahrungswerte zum zu erwartenden Buchungsverhalten auch in zeitlicher Hin-sicht repräsentativ sein müssen. Die Zahlen
eines einzelnen Geschäftsjahrs, wie sie die Beklagte vorgetragen hat, sind als Grundlage für die anzustellende Prognose allenfalls dann geeignet, wenn aufgrund besonderer Umstände damit gerechnet werden kann, dass zwischen einzelnen Geschäftsjahren keine nen-nenswerten Schwankungen auftreten. Sind solche Umstände nicht festzustel-len, ist es grundsätzlich geboten, einen längeren Zeitraum zu betrachten, der Aufschluss darüber gibt, ob die Nachfrage in den einzelnen Jahren wesentli-chen Schwankungen unterliegt, wobei es in der Regel ausreichen wird, die 23
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-
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-
Entwicklung in den letzten drei Geschäftsjahren darzulegen, zu denen die er-forderlichen Zahlen vorliegen. Das Berufungsgericht wird der Beklagten auch insoweit Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vortrags zu geben haben.
4.
Bei der Beurteilung der Frage, ob die Beklagte gewöhnlich in der [X.] ist, die gesamte Nachfrage nach

Reisen

oder gegebenenfalls die ge-
samte Nachfrage nach einer gesondert zu betrachtenden Kategorie von

Reisen

in den drei in Rede stehenden Preisklassen
[X.] [X.] und [X.]

ohne Rückgriff
auf durch Rücktritt vom Reisevertrag wieder frei gewordene
Kapazitäten zu
bedienen, wird
zunächst die Gesamtzahl aller Stornierungen zu betrachten
sein.
a)
Ist diese geringer als die Summe aus der Zahl der Buchungen zu Sonderkonditionen und der Zahl der freigebliebenen Plätze, wird dies den Schluss zulassen, dass die Beklagte mit der Wiederverwertung von [X.] allenfalls denjenigen Betrag erzielen kann, den sie für eine Buchung zu Sonderkonditionen berechnet und der nach dem Vortrag der Beklagten weniger als 50 % des Reisepreises in der Preisklasse [X.]

beträgt.

b) Liegt die Gesamtzahl der Stornierungen über diesem Wert, kommt hingegen in Betracht, dass die Erlöse, die die Beklagte gewöhnlich durch
an-derweitige Nutzung wieder frei gewordener
Kapazitäten erzielen kann, höher sind. In diesem Fall dürfen diese Erlöse
nicht willkürlich bestimmten Reisever-trägen
zugeordnet werden. Vielmehr wird
dem Umstand Rechnung zu tragen
sein, dass die Wahrscheinlichkeit, Reiseleistungen anderweitig verwerten
zu können, typischerweise umso höher ist, je mehr Zeit zwischen dem Zeitpunkt des
Rücktritts
und dem Reisebeginn verbleibt. Dies wird
etwa dadurch gesche-hen
können, dass die Beklagte Stornierungen entsprechend der in der [X.] vorgesehenen Staffelung nach [X.] und Rücktrittszeitraum zu
Gruppen zusammenfasst und Buchungen, die rechnerisch nur aufgrund von 25
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-
12
-
Stornierungen möglich waren, entsprechend dieser Staffelung den einzelnen Gruppen zuordnet. Demgemäß wären die durch anderweitige
Nutzung von Ka-pazitäten erzielten Erlöse
zunächst denjenigen Stornierungen zuzuordnen, die mindestens 60 Tage vor Reisebeginn erfolgt sind, und etwaige weitere Erlöse aus anderweitiger Verwertung von Reiseleistungen bei
der jeweils nächsten Gruppe von Stornierungen anzurechnen.
Meier-Beck
Grabinski
Bacher

Hoffmann
Schuster
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.01.2013 -
3 O 1084/11 -

O[X.], Entscheidung vom 04.09.2013 -
2 U 7/13 -

Meta

X ZR 122/13

03.11.2015

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.11.2015, Az. X ZR 122/13 (REWIS RS 2015, 2947)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2947

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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