Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.07.2014, Az. I ZR 53/13

1. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 3759

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BUNDESGERICHTSHOF (BGH) WERBUNG ANWALTSBERUF BERUFS- UND STANDESRECHT FACHANWALT BERUFSVEREINIGUNGEN

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Gegenstand

Wettbewerbsverstoß: Werbung eines Rechtsanwalts mit Spezialkenntnissen entsprechend einer Fachanwaltschaft - Spezialist für Familienrecht


Leitsatz

Spezialist für Familienrecht

1. Entsprechen die Fähigkeiten eines Rechtsanwalts, der sich als Spezialist auf einem Rechtsgebiet bezeichnet, für das eine Fachanwaltschaft besteht, den an einen Fachanwalt zu stellenden Anforderungen, besteht keine Veranlassung, dem Rechtsanwalt die Führung einer entsprechenden Bezeichnung zu untersagen, selbst wenn beim rechtsuchenden Publikum die Gefahr einer Verwechslung mit der Bezeichnung "Fachanwalt für Familienrecht" besteht.

2. Der sich selbst als Spezialist bezeichnende Rechtsanwalt trägt für die Richtigkeit seiner Selbsteinschätzung die Darlegungs- und Beweislast.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 1. März 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist die [X.]. Der Beklagte ist ein in ihrem Bezirk tätiger Rechtsanwalt. Er ist mit zwei weiteren Rechtsanwälten in einer Kanzlei tätig. [X.] verwendete er einen Briefkopf, in dem rechts in einer Spalte die drei Rechtsanwälte genannt waren. Unter dem an erster Stelle angeführten Beklagten befand sich die Bezeichnung "Spezialist für Familienrecht". Bei den beiden weiteren mit dem Beklagten tätigen Rechtsanwälten fanden sich die Angaben "auch Fachanwältin für Familienrecht" bzw. "auch Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht".

2

Die Klägerin hält den vom Beklagten verwandten Begriff "Spezialist für Familienrecht" für irreführend. Sie hat den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen.

3

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen ([X.], [X.], 171 = [X.], 826).

4

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

5

I. Das [X.]erufungsgericht hat die [X.]erufung des [X.]eklagten als unbegründet angesehen. Dazu hat es ausgeführt:

6

Der Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 2 UWG in Verbindung mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG wegen eines Verstoßes gegen § 43b [X.], § 7 Abs. 2 [X.] sowie nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG zu. Die [X.]ezeichnung "Spezialist für Familienrecht" sei wettbewerbswidrig, weil damit die Gefahr einer Verwechslung mit der Fachanwaltsbezeichnung "Fachanwalt für Familienrecht" begründet werde. Nach § 7 Abs. 2 [X.] seien [X.]enennungen unzulässig, soweit sie die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften begründeten. Der angesprochene Verkehr kenne die Voraussetzungen, an die das Führen einer Fachanwaltsbezeichnung geknüpft sei, im Regelfall nicht. Er könne zwischen den beiden [X.]ezeichnungen, bei denen eine große sprachliche Nähe bestehe, nicht unterscheiden. Auf Fachgebieten, auf denen - wie vorliegend - die Möglichkeit bestehe, eine Fachanwaltschaft zu erwerben, sei für die [X.]ezeichnung "Spezialist für …" kein Raum.

7

II. Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]erufungsgericht. Mit der vom [X.]erufungsgericht gegebenen [X.]egründung kann kein Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen den [X.]eklagten wegen der [X.]ezeichnung "Spezialist für Familienrecht" aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 43b [X.], § 7 Abs. 2 [X.] oder aus § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG bejaht werden. Das [X.]erufungsgericht hat zwar in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass zwischen den [X.]ezeichnungen "Spezialist für Familienrecht" und "Fachanwalt für Familienrecht" Verwechslungsgefahr besteht. Es hat aber keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Angabe des [X.]eklagten, er sei Spezialist für Familienrecht, zutreffend ist und ihm die Führung der [X.]ezeichnung deshalb aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht verboten werden kann.

8

1. Das [X.]erufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei § 7 Abs. 2 [X.] um eine Konkretisierung der [X.] des § 43b [X.] und damit um eine Marktverhaltensregelung handelt und dass Zuwiderhandlungen unlautere geschäftliche Handlungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG darstellen ([X.], Urteil vom 9. Juni 2011 - [X.], [X.], 215 = [X.], 75 - Zertifizierter Testamentsvollstrecker; Urteil vom 18. Oktober 2012 - I ZR 137/11, [X.], 409 Rn. 15 = [X.], 496 - Steuerbüro).

9

a) Nach § 7 Abs. 1 [X.] in der seit dem 1. März 2006 geltenden Fassung darf ein Rechtsanwalt unabhängig von Fachanwaltsbezeichnungen Teilbereiche der [X.]erufstätigkeit nur benennen, wenn er seinen Angaben entsprechende Kenntnisse nachweisen kann, die er in der Ausbildung, durch [X.]erufstätigkeit, Veröffentlichungen oder in sonstiger Weise erworben hat. Verwendet er qualifizierende Zusätze, muss er zusätzlich über entsprechende theoretische Kenntnisse verfügen und auf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen sein. Nach § 7 Abs. 2 [X.] sind die Angaben gemäß Absatz 1 dieser [X.]estimmung unzulässig, wenn sie die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften begründen oder sonst irreführend sind.

b) Nach der [X.]egründung für die Neufassung der [X.]estimmung des § 7 [X.] zum 1. März 2006 ist es dem Rechtsanwalt freigestellt, auf Teilbereiche seiner [X.]erufstätigkeit und auf die den entsprechenden Angaben zu Grunde liegende Qualifizierung hinzuweisen, ohne dass die [X.]erufsordnung insoweit eine zahlenmäßige oder terminologische [X.]eschränkung vorgibt. Damit solle der Tatsache Rechnung getragen werden, dass sich die Rangordnung der Qualifikationen "Interessenschwerpunkt - Tätigkeitsschwerpunkt - Fachanwalt" im Rechtsverkehr nicht durchgesetzt hat ([X.] 2006, 212). Die [X.]egründung des [X.] nennt als [X.]eispiele für qualifizierende Zusätze im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] die [X.]egriffe "Spezialist", "Spezialgebiet" und "Experte" ([X.] 2006, 212). Wer derartige [X.]egriffe nennt, muss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] seine Angaben rechtfertigende theoretische Kenntnisse besitzen und auf dem betreffenden Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen sein. Zum Sinn und Zweck der [X.]estimmung des § 7 Abs. 2 [X.] führt die [X.]egründung aus, dass generell irreführende Angaben und insbesondere irreführende Annäherungen an den [X.]egriff des Fachanwalts in der [X.] verhindert werden sollen. Der Verbraucher soll verlässlich zwischen den auf eigener Einschätzung des Anwalts beruhenden Angaben des § 7 Abs. 1 [X.] und den von den Kammern nach § 43c [X.] in Verbindung mit den [X.]estimmungen der Fachanwaltsordnung verliehenen Fachanwaltsbezeichnungen unterscheiden können ([X.] 2006, 212, 213).

c) Die Regelung des § 7 Abs. 2 [X.] entspricht den unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 24 der Richtlinie 2006/123/[X.] vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im [X.]innenmarkt.

Gemäß Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/[X.] sind absolute Verbote der kommerziellen Kommunikation für reglementierte [X.]erufe untersagt. Nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123/[X.] ist es Aufgabe der Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass die kommerzielle Kommunikation durch Angehörige reglementierter [X.]erufe die Anforderungen der berufsrechtlichen Regeln erfüllt, die im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht je nach [X.]eruf insbesondere die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des [X.]erufsstandes sowie die Wahrung des [X.]erufsgeheimnisses gewährleisten sollen. [X.]erufsrechtliche Regelungen über die kommerzielle Kommunikation dürfen nicht diskriminierend sein und müssen durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig sein. Im Erwägungsgrund 40 der Richtlinie 2006/123/[X.] werden als zwingende Gründe des Allgemeininteresses der Verbraucherschutz, die Verhütung von unlauterem Wettbewerb und die Wahrung der ordnungsgemäßen Rechtspflege genannt.

d) Die Regelung des § 7 Abs. 2 [X.] steht auch mit der in Art. 12 Abs. 1 GG garantierten [X.]erufsausübungsfreiheit in Einklang. Nach der Rechtsprechung des [X.] kann anwaltliche Werbung verboten werden, die die Gefahr einer Irreführung der Rechtsuchenden begründet ([X.], NJW 2001, 2620, 2621). Sofern zutreffende Angaben über die spezielle Qualifikation des Anwalts nicht irreführend sind, ist ein berufsrechtliches Werbeverbot dagegen nicht gerechtfertigt ([X.], NJW 2004, 2656, 2657).

2. Das [X.]erufungsgericht hat angenommen, für den angesprochenen Verkehr seien Unterschiede zwischen den [X.]egriffen "Spezialist für Familienrecht" und "Fachanwalt für Familienrecht" nicht erkennbar. Diese im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Feststellung des [X.]erufungsgerichts zur Verkehrsauffassung ist nur daraufhin vom Revisionsgericht überprüfbar, ob das [X.]erufungsgericht bei seiner Würdigung gegen gesetzliche Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (vgl. [X.], [X.], 215 Rn. 13 - Zertifizierter Testamentsvollstrecker). Solche Rechtsfehler sind im Streitfall nicht gegeben.

a) Zutreffend hat das [X.]erufungsgericht bei der Feststellung der Verkehrsauffassung auf die Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Rechtsuchenden abgestellt, der sich bei der Wahl eines Rechtsanwalts an qualifizierenden Zusätzen orientiert. Es ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, dass das [X.]erufungsgericht aufgrund eigener Sachkunde beurteilt hat, wie die angesprochenen Verbraucher die beanstandete Werbung verstehen. Gehören [X.] - wie im Streitfall - selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen, bedarf es im Allgemeinen keines durch eine Meinungsumfrage untermauerten Sachverständigengutachtens, um das Verständnis des Verkehrs zu ermitteln ([X.], Urteil vom 2. Oktober 2003 - [X.], [X.]Z 156, 250, 255 mwN - Marktführerschaft; Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, [X.]Z 194, 314 Rn. 32 - [X.]iomineralwasser).

b) Die Feststellung der Verkehrsauffassung durch das [X.]erufungsgericht begegnet auch in der Sache keinen rechtlichen [X.]edenken. Sie erweist sich insbesondere nicht als erfahrungswidrig.

Das [X.]erufungsgericht hat darauf abgestellt, dass der angesprochene Verkehr die von einem Rechtsanwalt nach Art eines Titels verwendeten [X.]egriffe "Spezialist für Familienrecht" und "Fachanwalt für Familienrecht" als Synonyme verstehen wird. Es hat angenommen, dass der Verkehr die Voraussetzungen, die an das Führen einer Fachanwaltsbezeichnung geknüpft werden, im Regelfall nicht kennt und deshalb auch nicht zwischen einem Fachanwalt und einem Spezialisten unterscheiden kann. Daraus hat das [X.]erufungsgericht den Schluss gezogen, dass der Verkehr den [X.]egriffen "Spezialist" und "Fachanwalt" eine identische oder doch zumindest stark angenäherte [X.]edeutung zumisst. [X.]ei einem solchen Verständnis ist von einer Verwechslungsgefahr im Sinne von § 7 Abs. 2 [X.] auszugehen. Der angesprochene Verkehr wird nicht erkennen, dass ein "Fachanwalt für Familienrecht" besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem betreffenden Rechtsgebiet in einem förmlichen Prüfungsverfahren bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer nachgewiesen hat, während die Verwendung des [X.]egriffs "Spezialist für Familienrecht" auf einer Selbsteinschätzung des werbenden Anwalts beruht und eine Prüfung durch eine unabhängige Stelle, ob diese Selbsteinschätzung zutreffend ist, nicht stattgefunden hat.

c) Das [X.] hat allerdings bei der [X.]ezeichnung eines Rechtsanwalts als "Spezialist für Verkehrsrecht" grundsätzlich die Gefahr einer Irreführung mit einer Fachanwaltsbezeichnung von vornherein als ausgeschlossen angesehen ([X.], NJW 2004, 2656, 2658). Dadurch ist der Tatrichter im vorliegenden Verfahren aber nicht gehindert, bei der Feststellung des Verkehrsverständnisses zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Die Entscheidung des [X.] ist im Übrigen auf den hier zur Entscheidung stehenden Fall schon deshalb nicht übertragbar, weil es im Zeitpunkt der Entscheidung des [X.] keinen Fachanwalt für Verkehrsrecht gab (vgl. [X.], NJW 2004, 2656, 2658). Eine entsprechende Fachanwaltschaft wurde erst zum 1. Juli 2005 eingeführt. Hier liegt der Fall dagegen so, dass der [X.]eklagte mit einer Spezialisierung für das Familienrecht als einem Rechtsgebiet geworben hat, für das nach § 1 [X.] die Möglichkeit besteht, eine Fachanwaltsbezeichnung zu erwerben.

3. Das [X.]erufungsgericht hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Fehlvorstellung des Verkehrs nicht auf einer objektiv richtigen Angabe beruht.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann auch eine objektiv richtige Angabe irreführend sein, wenn sie beim Verkehr, an den sie sich richtet, gleichwohl zu einer Fehlvorstellung führt. In einem solchen Fall, in dem die Täuschung des Verkehrs lediglich auf dem Verständnis einer an sich zutreffenden Angabe beruht, ist für die Anwendung des § 5 UWG grundsätzlich eine höhere Irreführungsquote als bei einer Täuschung mit objektiv unrichtigen Angaben erforderlich; außerdem ist eine Interessenabwägung vorzunehmen ([X.], Urteil vom 18. März 2010 - [X.], [X.], 1024 Rn. 25 = [X.], 1390 - Master of Science Kieferorthopädie; [X.], [X.], 409 Rn. 29 - Steuerbüro). Diese Grundsätze sind auch bei der Auslegung des § 7 Abs. 2 [X.] anzuwenden, der generell irreführende Angaben und insbesondere irreführende Annäherungen an den [X.]egriff des Fachanwalts in der [X.] verhindern soll ([X.] 2006, 212, 213). Dabei handelt es sich um eine spezielle satzungsrechtliche Regelung des Irreführungstatbestandes.

b) Der [X.]eklagte hat in den Vorinstanzen behauptet, bei ihm lägen im [X.]ereich des Familienrechts die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] vor, er verfüge über entsprechende theoretische Kenntnisse und sei auf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen, so dass seine Einschätzung, er sei ein Spezialist für das Familienrecht, gerechtfertigt sei. Ist dies der Fall, kann ihm eine entsprechende Werbung nicht untersagt werden. Das [X.]erufungsgericht hat demgegenüber gemeint, im [X.]ereich der Fachanwaltschaften bestehe kein Raum für eine Selbsteinschätzung eines Rechtsanwalts als "Spezialist" (ebenso [X.], [X.] 2010, 100, 102; [X.] in [X.]/[X.]ornkamm, UWG, 32. Aufl., § 4 Rn. 11.100; Fezer/[X.]ecker-Eberhard, UWG, 2. Aufl., § 4-S3 Rn. 133; [X.], [X.], 1463, 1468; Remmertz, [X.], 266, 269; [X.].UWG/[X.], 2. Aufl., [X.]. §§ 1-7 H § 7 [X.] Rn. 7). Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.

aa) Die Regelung des § 7 Abs. 1 [X.] dient dem Interesse des [X.], auf dem weiten Gebiet der Rechtsberatung einen Rechtsanwalt zu finden, der sich in wesentlichem Umfang bereits mit dem Rechtsgebiet befasst hat, auf dem der Rechtsuchende Hilfe erwartet. [X.]ezeichnet sich ein Rechtsanwalt als Spezialist auf einem Rechtsgebiet, ist dies eine dem Informationsinteresse und der Orientierung des [X.] dienende nützliche Information. Wie sich aus der [X.]egründung der Änderungen des § 7 Abs. 1 [X.] ergibt, hat der [X.] ausdrücklich die Angabe von qualifizierenden Zusätzen wie "Spezialist", "Spezialgebiet" oder "Experte" für zulässig angesehen. Die Verwendung solcher Zusätze wird jedoch davon abhängig gemacht, dass der entsprechend werbende Rechtsanwalt seine Angaben rechtfertigende theoretische Kenntnisse besitzt und auf dem betreffenden Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen ist. Je intensiver der Rechtsanwalt Teilbereiche seiner [X.]erufstätigkeit werbend herausstellt, desto fundierter müssen seine Kenntnisse und praktischen Erfahrungen sein ([X.] 2006, 212).

Die Selbstbezeichnung als Spezialist ist auch für den Rechtsanwalt sachdienlich. Er kann damit die Inanspruchnahme in sonstigen Materien weitgehend abwehren, weil Rechtsuchende bei ihm nur unter besonderen Umständen Rechtsrat auf anderen Feldern nachfragen werden.

bb) Eine entsprechende Interessenlage besteht bei der Führung von Fachanwaltsbezeichnungen. Die gesetzlichen Regelungen zur Fachanwaltschaft in der [X.]undesrechtsanwaltsordnung wurden damit begründet, dass die [X.]eschäftigung des Rechtsanwalts mit Rechtsfragen außerhalb eines Kernbereichs, vor allem des Straf- und Zivilrechts, einer nachdrücklichen Einarbeitung in das betreffende Rechtsgebiet bedürfe, die sich unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten häufig nur dann lohne, wenn die einmal erlangten Kenntnisse in ständiger [X.]eschäftigung mit dem Gebiet weiter angewandt und ausgebaut werden könnten. Viele Rechtsanwälte hätten sich daher Spezialgebieten zugewandt. Ihre beruflichen Interessen träfen sich mit dem Verlangen der Rechtsuchenden nach einer möglichst hohen [X.]efähigung der Rechtsanwälte, die sie beraten und vertreten sollen ([X.]eschlussempfehlung und [X.]ericht des Rechtsausschusses, [X.]T-Drucks. 11/8307, [X.]). Der Rechtsanwalt, der eine Fachanwaltsbezeichnung führt, weist damit das rechtsuchende Publikum auf Spezialkenntnisse hin, über die er im Unterschied zu anderen Rechtsanwälten verfügt, die keine Fachanwaltsbezeichnung führen dürfen (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 14. Mai 1990 - [X.] ([X.]) 4/90, [X.]Z 111, 229, 231; Urteil vom 25. November 2013 - [X.] ([X.]) 44/12, NJW-RR 2014, 751 Rn. 11).

cc) Angesichts der vom [X.]erufungsgericht festgestellten Verwechslungsgefahr zwischen den [X.]ezeichnungen "Spezialist" und "Fachanwalt" ist es im Hinblick auf die Interessenlage des [X.] Publikums und der Anwaltschaft gerechtfertigt, von einem sich selbst als Spezialisten bezeichnenden Rechtsanwalt zumindest die Expertise eines Fachanwalts zu erwarten ([X.], [X.], 177, 178 = [X.], 513; [X.], [X.], 431, 432 f.). Jedenfalls wenn das Fachgebiet, für das sich der werbende Rechtsanwalt als Spezialist bezeichnet, auch ein Rechtsgebiet ist, für das eine Fachanwaltschaft besteht, ist zur Überprüfung dieser Werbebehauptung auf die jeweiligen Anforderungen der Fachanwaltsordnung an besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen zurückzugreifen ([X.], [X.], 292, 293). Entsprechen die Fähigkeiten eines Rechtsanwalts, der sich als Spezialist auf einem Rechtsgebiet bezeichnet, für das eine Fachanwaltschaft besteht, den an einen Fachanwalt zu stellenden Anforderungen, werden die Interessen der Rechtsuchenden nicht beeinträchtigt, wenn sie die [X.]egriffe "Fachanwalt" und "Spezialist" verwechseln. Es besteht bei einer solchen Sachlage keine Veranlassung, dem Rechtsanwalt die Führung der [X.]ezeichnung "Spezialist" zu untersagen. Ein in diesem Fall gleichwohl ausgesprochenes Verbot der Verwendung der [X.]ezeichnung "Spezialist für Familienrecht" ist zum Schutz des [X.] Publikums und im Interesse der Rechtsanwaltschaft nicht erforderlich und verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Eingriffe in die [X.]erufsausübungsfreiheit sind aber nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie den [X.]erufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen, also dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen ([X.], [X.], 72, 73; [X.] 2012, 360, 361).

[X.]) Ob an den Nachweis der Richtigkeit einer Selbsteinschätzung als Spezialist noch höhere Anforderungen zu stellen sind, wenn sie für Rechtsgebiete in Anspruch genommen wird, die nicht mit Fachanwaltschaften vollständig identisch sind (vgl. [X.], [X.], 177, 178), braucht nicht entschieden zu werden. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

c) Dem [X.]eklagten obliegt der Nachweis, dass er die Anforderungen eines Spezialisten auf dem Gebiet des Familienrechts erfüllt. Dies ergibt sich schon aus § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.]. Jedenfalls folgt dies aus allgemeinen Grundsätzen zur Verteilung der Darlegungs- und [X.]eweislast. Durch die [X.]ezeichnung als Spezialist nimmt der [X.]eklagte für sich in Anspruch, zu einer Spitzengruppe der im Familienrecht tätigen Anwälte zu gehören. Nach der Senatsrechtsprechung muss der [X.]eklagte, der eine Spitzenstellung - nichts anderes gilt für die Zugehörigkeit zu einer Spitzengruppe - für sich in Anspruch nimmt, die sie begründenden Tatsachen darlegen und beweisen, wenn seine Werbung als unrichtig beanstandet wird und die klagende Partei diese Tatsachen entweder überhaupt nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten aufklären kann ([X.], Urteil vom 22. Oktober 2009 - [X.], [X.], 352 Rn. 22 = [X.], 636 - Hier spiegelt sich Erfahrung). So liegen die Dinge im Streitfall. Zu der Frage, ob der [X.]eklagte über hinreichende theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen verfügt, um sich zu Recht als Spezialist für Familienrecht zu bezeichnen, hat das [X.]erufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

4. Da die vorbezeichnete Interessenabwägung auch im Rahmen eines auf § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 UWG gestützten Verbots gilt, kann auch die vom [X.]erufungsgericht auf diese Vorschriften gestützte Verurteilung nicht aufrecht erhalten bleiben.

III. Da die Sache mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheidungsreif ist, ist auf die Revision des [X.]eklagten das [X.]erufungsurteil aufzuheben und die Sache an das [X.]erufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

[X.]üscher                            Schaffert                              [X.]

                     Koch                              [X.]

Meta

I ZR 53/13

24.07.2014

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 1. März 2013, Az: 4 U 120/12, Urteil

§ 4 Nr 11 UWG, § 43b BRAO, § 7 RABerufsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.07.2014, Az. I ZR 53/13 (REWIS RS 2014, 3759)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 704 REWIS RS 2014, 3759

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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