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Pfändungsschutz für die private Altersrente
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 10.11.2015, Az. 26 O 19572/12, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe:
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die von der Berufung aufgezeigten Gesichtspunkte rechtfertigen eine hiervon abweichende Beurteilung nicht.
1. Der Kläger hat weder einen Erfüllungsanspruch noch einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte; er ist nicht aktiv legitimiert - Pfändungsschutzvorschriften zu seinen Gunsten sind nicht anzuwenden. Aktiv legitimiert ist vielmehr die R.bank G. - K. e.G. (im Folgenden: Bank).
Die Pfändungen und Überweisungen durch die Bank, die in den Jahren 1997 und 2001 erfolgten, umfassten das Stammrecht und die daraus entstehenden künftigen Ansprüche.
Die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 b und 851 c ZPO sind - wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat - vorliegend nicht anwendbar.
1.1. § 850 b ZPO ist auf die reine Altersrente schon vom Wortlaut her nicht anwendbar. Zutreffend hat das Landgericht auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 15.07.2010 - Az. IX ZR 132/09 bewertet. Aus dieser Entscheidung kann nicht entnommen werden, dass die Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut auf reine Altersrenten anwendbar sein soll. Aus der Entscheidung ergibt sich vielmehr, dass - wie auch vom Wortlaut der Vorschrift umfasst - diese auch auf die in der Vorschrift bezeichneten Einkünfte (dort Berufsunfähigkeitsrente) von Selbstständigen anzuwenden ist, nicht aber dass die Vorschrift erweiternd auf reine Altersrenten anzuwenden sein soll.
1.2. § 851 c ZPO ist zum einen deshalb nicht anwendbar, weil die Versicherung nicht unkündbar ist, (§ 851 c Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Ein Pfändungsschutz nach § 851 c ZPO setzt voraus, dass eine Verfügung (Abtretung, Verpfändung oder Kündigung) über die Ansprüche vertraglich unwiderruflich ausgeschlossen ist (Becker in Musielak ZPO, 13. Auflage 2016, § 851c Rn. 2). Dass der Versicherungsnehmer ein Kündigungsrecht hatte, ergibt sich aus § 4 der Allgemeinen Bedingungen (Anlage zum Schreiben der Beklagten vom 23.01.2013 - Bl. 18 d. A.). Aus den vorgelegten vertraglichen Vereinbarungen - und auch daraus, dass ein anderer Vertrag mit einem Kapitalwahlrecht vereinbart wurde, ergibt sich nicht, dass das in den Versicherungsbedingungen zugestandene Kündigungsrecht ausgeschlossen worden wäre.
Zum anderen galt diese Vorschrift zur Zeit der Pfändung noch gar nicht. § 851 c ZPO ist erst mit Wirkung zum 31.03.2007 in Kraft getreten. Die Pfändungen und Überweisungen erfolgten 1997 und 2001. Eine Rückwirkung entfaltet § 851 c ZPO nicht. Eine solche müsste gesetzlich geregelt sein. Eine entsprechende gesetzliche Regelung fehlt allerdings. Die Bank hatte bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes eine gesicherte Rechtstellung erlangt. Sie hatte mit der Pfändung und Überweisung Anspruch auf die künftigen Rentenzahlungen. Durch Inkrafttreten des Gesetzes wurde ihr diese Rechtsstellung nicht entzogen. Der Pfändungsschutz für die private Altersrente gilt für Pfändungen und Überweisungen, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes erfolgen; er erfasst nicht rückwirkend bereits dem Gläubiger aufgrund einer wirksamen Pfändung und Überweisung zustehende Ansprüche. Diese vom Landgericht vertretene Rechtsauffassung trifft zu. Weder ergibt sich aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung zu § 851 c ZPO, dass eine bereits entstandene - eigentumsrechtlich geschützte Rechtsposition - dem Gläubiger wieder (teilweise) entzogen werden soll. Vielmehr deutet der Wortlaut „... dürfen gepfändet werden ...“ darauf hin, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift eine Regelung für künftige Pfändungen treffen wollte. Anders, als beispielsweise in § 20 Abs. 1 EGZPO ( neu gefasst mit Wirkung vom 1. 1. 2002 durch Gesetz vom 13. 12. 2001 - BGBl. I S. 3638) oder in § 21 Abs. 1 EGZPO (eingeführt mit Wirkung vom 25. 4. 2006 durch Gesetz vom 19. 04. 2006 (BGBl. I S. 866), fehlt für den vorliegenden Fall - § 851 c ZPO wurde eingefügt mit Wirkung vom 31. 03. 2007 durch Gesetz vom 26. 3. 2007 (BGBl. I S. 368) - eine entsprechende Übergangsregelung, so dass auch deshalb davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber in eigentumsrechtlich geschützte Positionen der Gläubiger durch Einführung des § 851 c ZPO nicht eingreifen wollte und der Pfändungsgläubiger hinsichtlich bereits gepfändeter Forderungen keinen Rechtsverlust erleiden sollte. Somit hat die nachträgliche Einfügung dieser Vorschrift nicht zur Folge, dass die schon ausgebrachten Pfändungen und Überweisungen wirkungslos oder auch nur für die Zukunft beschränkt worden wären. Bei einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Rückwirkung hätte es im Übrigen auch nahegelegen, wie in § 20 Abs. 1 S. 2 EGZPO oder auch in § 21 Abs. 1 S. 2 EGZPO auch weitere Folgen, wie einen Titelberichtigungsanspruch zu regeln. Vorliegend wurden auch die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse nicht abgeändert, so dass - selbst wenn man - wie nicht - § 20 Abs. 1 EGZPO bzw. § 21 Abs. 1 EGZPO entsprechend anwenden würde - die Beklagte leistungsbefreiend an die Bank zahlen kann (§ 20 Abs. 1 S. 3 EGZPO bzw. § 21 Abs. 1 S. 3 EGZPO). Dafür dass der Gesetzgeber bereits entstandene Pfandrechte schützen wollte, spricht nicht nur, dass er keine Übergangsvorschrift eingefügt hat, die eine Rückwirkung regelt, sondern - wie das Landgericht zutreffend ausführt - auch, dass er Umgestaltungen des Vertrages durch eine nachträgliche Ausübung des Kapitalwahlrechtes nur zulassen wollte, wenn Rechte Dritter nicht entgegenstehen, insbesondere auch Pfandrechte (BT. 16/886 S. 14 zu Nr. 2).
2. Der fehlenden Aktivlegitimation steht auch die Restschuldbefreiung vom 13.08.2007 nicht entgegen, da der Bank ein Recht zur abgesonderten Befriedigung zustand (OLG Nürnberg, Beschluss vom 10.06.2009 - Az. 6 U 845/09, vgl. auch BGH, Versäumnisurteil vom 26.01.2012 - Az. IX ZR 191/10, OLG Celle Urteil vom 02.04.2009 - Az. 8 U 206/08).
3. Einen Schadensersatzanspruch hat der Kläger nicht. Die Beklagte hat sich nicht vertragswidrig verhalten.
4. Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Es wird gebeten binnen gleicher Frist mitzuteilen, ob der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgenommen wird.
Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht
Meta
18.07.2016
Entscheidung
Sachgebiet: U
Zitiervorschlag: OLG München, Entscheidung vom 18.07.2016, Az. 25 U 2009/16 (REWIS RS 2016, 8000)
Papierfundstellen: REWIS RS 2016, 8000
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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