Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2002, Az. 4 StR 370/02

4. Strafsenat | REWIS RS 2002, 291

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BUNDESGERICHTSHOFBESCHLUSS4 StR 370/02vom10. Dezember 2002in der Strafsachegegen1.2.3.4.5.wegen Mordes u.a.- 2 -Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 10. Dezember 2002gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:1. Auf die Revisionen der Angeklagten B. , J. undG. wird das Urteil des Landgerichts Halle vom13. November 2001, soweit es sie betrifft, mit den Fest-stellungen aufgehoben.2. Auf die Revisionen der Angeklagten Ga. und Ge. wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungenaufgehobena) hinsichtlich des Angeklagten Ga. , soweit er we-gen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Raub mitTodesfolge verurteilt worden ist,b) hinsichtlich des Angeklagte Ge. , soweit er wegenBeihilfe zum Mord in Tateinheit mit versuchtemRaub mit Todesfolge verurteilt worden ist,c) in den diese Angeklagten betreffenden Strafaus-sprüchen.3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-handlung und Entscheidung, auch über die Kosten derRechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Land-gerichts zurückverwiesen.- 3 -Gründe:Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:- den Angeklagten Ge. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mitversuchtem Raub mit Todesfolge, gefährlicher Körperverletzung inzwei Fällen, Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie unterlassener Hilfe-leistung unter Einbeziehung eines früheren Urteils zu einer einheitli-chen Jugendstrafe von acht Jahren,- den Angeklagten Ga. wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtemRaub mit Todesfolge und wegen Sachbeschädigung zu einer einheit-lichen Jugendstrafe von sechs Jahren,- den Angeklagten B. wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtemRaub mit Todesfolge zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren,- die Angeklagten J. und G. jeweils wegen Beihilfe zum Mord inTateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge, und zwar den Ange-klagten J. zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und den Ange-klagten G. zu einer Freiheitsstrafe von ebenfalls vier Jahren.Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, wobei dieAngeklagten Ga. und Ge. ihre Rechtsmittel Œ wie den Revisionsbegrün-dungen unzweifelhaft entnommen werden kann Œ rechtswirksam auf die Verur-teilung wegen Mordes bzw. Beihilfe hierzu jeweils in Tateinheit mit versuchtemRaub mit Todesfolge beschränkt haben.- 4 -Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg, so daß es eines Einge-hens auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht bedarf.1. Das Urteil kann in Bezug auf die Angeklagten Ga. und B. imUmfang der Aufhebung keinen Bestand haben, weil die Erwägungen, mit denendas Landgericht den (bedingten) Tötungsvorsatz dieser Angeklagten bejahthat, durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen.a) Nach den Feststellungen beabsichtigte der Angeklagte Ge. , demspäteren Tatopfer Willi W. —einen Denkzettel zu verpassenfi und ihm sein Geldwegzunehmen. Die übrigen Angeklagten schlossen sich ihm an, —alle hattennun vor, Herrn W. sein Geld wegzunehmenfi. Der Angeklagte Ge. erreichteals erster Willi W. und schlug ihm mit der Faust kräftig in das Gesicht, so daßW. zu Boden ging. Anschließend trat der Angeklagte Ga. dem am Bodenliegenden W. mit seinen festen Straßenschuhen wuchtig in die Bauchgegend.Von weiteren Tritten hielt ihn der Angeklagte Ge. mit den Worten —Hör auffi ab.Der Angeklagte G. zog sodann W. zu einer schlecht einsehbaren Stelle,an der ihn die Angeklagten B. und J. nach Geld durchsuchten. Währenddessen trat der Angeklagte Ga. nochmals von oben stampfend in denBauchbereich des Opfers. Der Angeklagte J. riss Ga. zurück, sodann lie-ßen die Angeklagten von ihrem Opfer ab. Im Weggehen trat der AngeklagteB. , der vorgehabt hatte, mit dem erbeuteten Geld ein dringend benötigtesErsatzteil für sein Auto zu kaufen, —aus Frust darüber, daß sie kein Geld gefun-den hattenfi, mit seinen festen Straßenschuhen in die linke Seite W. s. DasTatopfer erlitt durch die Tritte unter anderem Verletzungen im Ober- und Un-terbauchbereich; es verstarb trotz operativer Versorgung drei Tage nach derTat. Todesursache war eine durch die Verletzungen im Bauchbereich ausgelö-ste Bauchfellentzündung. Durch welchen der insgesamt drei Fußtritte letztlich- 5 -die zum Tode des Tatopfers führenden Verletzungen verursacht worden sind,konnte nicht festgestellt werden.Das Landgericht hat zur inneren Tatseite ausgeführt, die Tritte seien vonden Angeklagten Ga. und B. in vollem Bewußtsein ihrer Heftigkeit undBrutalität ausgeführt worden, wobei ihnen das weitere Schicksal des Opfersvöllig gleichgültig gewesen sei. Eine solche Gleichgültigkeit gegenüber den—klar ersichtlichenfi Folgen eines äußerst brutalen Verhaltens, nämlich der Zu-fügung von schweren und —voraussehbar möglicherweise tödlichen Verletzun-genfi sei als bedingter Tötungsvorsatz zu werten.b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.Zwar liegt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofsbei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, daß der Täter mit der Mög-lichkeit des Todes des Tatopfers rechnet und, weil er sein gefährliches Tungleichwohl fortsetzt, auch einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Deshalbist in solchen Fällen der Schluß von der Lebensgefährlichkeit des Handelns aufbedingten Tötungsvorsatz grundsätzlich möglich. Wegen der hohen Hemm-schwelle gegenüber einer Tötung ist jedoch immer auch die Möglichkeit in Be-tracht zu ziehen, daß der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder je-denfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten. Der Tat-richter muß deshalb in seine Erwägungen alle die Umstände einbeziehen, dieein solches Ergebnis in Frage stellen (st. Rspr., vgl. nur BGHR StGB § 212Abs. 1 Vorsatz bedingter 1, 2, 5). Dies lassen die Urteilsgründe, worauf derGeneralbundesanwalt zu Recht in seiner Antragsschrift hingewiesen hat, nichterkennen. Insoweit ist die Beweiswürdigung lückenhaft.- 6 -Bei der Erkennbarkeit des tödlichen Erfolges stellt das Landgericht le-diglich Œ und zwar ohne Differenzierung in Bezug auf alle Angeklagten - daraufab, daß die Tritte mit größter Wucht auf die Œ wie jeder normal intelligenteMensch wisse Œ empfindliche Bauchregion geführt worden seien. Die tödlichenVerletzungen seien daher angesichts der Umstände von jedem durchschnittlichdenkenden Menschen problemlos vorhersehbar gewesen. Unerörtert bleibtjedoch, daß der Angeklagte B. nach den Ausführungen des Sachverständi-gen, dem die Jugendkammer gefolgt ist, nur über eine "sehr einfach struktu-rierte Persönlichkeit (...) mit enorm eingeschränktem sozialen und gnosiologi-schen Horizont" verfügt, sich zur Tatzeit jedenfalls in einem —leichten Rauschfibefand und den Tritt spontan, aus einer momentanen Verärgerung heraus ohnelängere Überlegung ausführte. In Bezug auf den Angeklagten Ga. hätte esin diesem Zusammenhang der Erörterung bedurft, daß der zur Tatzeit erst 14Jahre alte Angeklagte den Tatentschluß ebenfalls spontan gefaßt hat und aucher sich in einem —leichten Rauschfi befand, der zwar nicht seine Steuerungs-oder Einsichtsfähigkeit beeinträchtigte, —jedoch geeignet war, die Schwelle zumdelinquenten bzw. dissozialen Verhalten herabzusenkenfi.Auch das voluntative Moment hätte näherer Darlegungen bedurft. Nach-dem die Motivation der Angeklagten Ga. und B. bei Begehung der Tat Œjedenfalls primär - auf die Wegnahme des Geldes des Tatopfers gerichtet unddieses bereits überwältigt war, fehlt es an einem einsichtigen Beweggrund füreine so schwere Tat wie die Tötung eines Menschen. Auch soweit in Betrachtkommt, daß sie Œ dem Angeklagten Ge. folgend Œ die Absicht verfolgten, demOpfer einen —Denkzettelfi zu verpassen, würde dies eher den Schluß rechtferti-- 7 -gen, daß die Angeklagten nur die Verletzung des Opfers bedacht und einenweitergehenden Erfolg jedenfalls innerlich nicht gebilligt haben.c) Aufgrund des aufgezeigten Mangels kann das Urteil keinen Bestandhaben, soweit die Angeklagten Ga. und B. wegen Mordes verurteilt wor-den sind. Dies zwingt auch zur Aufhebung der für sich gesehen rechtsfehler-freien Verurteilung wegen der tateinheitlich begangenen versuchten Straftatnach § 251 StGB (vgl. hierzu Kuckein in KK 4. Aufl. § 353 Rdnr. 12).2. Damit unterliegt auch die Verurteilung der Angeklagten Ge. , J. undG. jeweils wegen Beihilfe zum Mord der Aufhebung. Diese hätte im übrigenschon deshalb keinen Bestand haben können, weil Œ wie der Generalbundes-anwalt im einzelnen zutreffend ausgeführt hat Œ die Feststellungen, mit denendas Landgericht einerseits in Bezug auf das Tötungsdelikt eine Gehilfenschaftund andererseits hinsichtlich des Versuchs der Straftat nach § 251 StGB eineMittäterschaft der Angeklagten begründet hat, in sich widersprüchlich sind.Dies führt Œ ebenso wie bei den Angeklagten Ga. und B. Œ jeweils auchzur Aufhebung der Verurteilung wegen des tateinheitlich verwirklichten ver-suchten Raubes mit Todesfolge.3. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung der erneuten Ver-handlung und Entscheidung. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senatim Hinblick auf die Beurteilung der Voraussetzungen des § 21 StGB darauf hin,daß der Tatrichter Œ auch wenn er der Bewertung des in der Hauptverhandlungangehörten Sachverständigen folgt Œ in den Urteilsgründen die für die Berech-nung der Blutalkoholkonzentration erforderlichen Grundlagen in einer für das- 8 -Revisionsgericht nachprüfbaren Weise darzulegen hat (vgl. hierzu BGHR StGB§ 20 Blutalkoholkonzentration 11; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 20 Rdnr.65).Tepperwien Maatz Kuckein

Meta

4 StR 370/02

10.12.2002

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2002, Az. 4 StR 370/02 (REWIS RS 2002, 291)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 291

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