Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2018, Az. X ZB 18/16

10. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 11560

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Gegenstand

Gebrauchsmusterschutz: Ausschluss für Arbeits- und Herstellungsverfahren – Feldmausbekämpfung


Leitsatz

Feldmausbekämpfung

1. Im Gebrauchsmustereintragungsverfahren hat die Gebrauchsmusterstelle zu prüfen, ob eines der in § 2 GebrMG aufgeführten Schutzhindernisse vorliegt.

2. Der Ausschluss von Gebrauchsmusterschutz für Verfahren steht in Einklang mit Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 35. Senats (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenats) des [X.] vom 6. September 2016 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Der Anmelder hat die Gebrauchsmusteranmeldung 21 2012 000 187.5 eingereicht, die aus einer internationalen Anmeldung vom 11. Oktober 2012 hervorgegangen ist, die Priorität einer [X.] Anmeldung vom 11. Oktober 2011 beansprucht und das Bekämpfen von [X.] betrifft. Die [X.] 1 bis 3 lauten:

1. Verfahren zum Bekämpfen von [X.], mit folgenden Schritten:

a) eine [X.] (10) wird rohrförmig ausgestaltet;

a1) wobei das Rohr (12) an beiden Enden (14) offen ist, um ein Eindringen von [X.] zu ermöglichen;

b) das Rohr (12) wird aus einem biologisch abbaubaren Material gebildet;

c) im Inneren des [X.] (12) der [X.] (10) wird mindestens ein [X.] (20) mittig fixiert;

c1) wobei das [X.] mittels eines wasserfesten Klebers so fixiert wird, dass Erschütterungen diesen Kleber nicht lösen können; und

d) mittels eines [X.]es wird die [X.] (10) auf die Oberfläche einer von [X.] befallenen landwirtschaftlichen Nutzfläche ausgebracht.

2. Verfahren nach dem vorhergehenden Anspruch; dadurch gekennzeichnet, dass statt eines [X.]s (20) ein Gemisch aus einem Köderstoff (18) und einer Giftlinse (20) verwendet wird.

3. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass der [X.] über eine Weite von bis zu 12 m oder bis zu 15 m erfolgt.

2

Die weiteren Ansprüchen 4 bis 19 betreffen eine [X.].

3

[X.] hat die Anmeldung zurückgewiesen. Im Beschwerdeverfahren, dem die Präsidentin des Patentamts beigetreten ist, hat der Anmelder sein Begehren weiterverfolgt und hilfsweise beantragt, die Sache im Hinblick auf § 2 Nr. 3 [X.] dem [X.] zur Entscheidung vorzulegen. Das Patentgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Anmelder mit der vom Patentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

4

B. Das Rechtsmittel ist zulässig, aber unbegründet.

5

I. Trotz der vom Patentgericht ausgesprochenen Beschränkung unterliegt der angefochtene Beschluss der vollständigen rechtlichen Überprüfung.

6

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde in Patent- und Gebrauchsmustersachen auf einen abtrennbaren Teil des Verfahrensgegenstands oder einzelne Verfahrensbeteiligte begrenzt werden ([X.], Beschluss vom 30. Oktober 2007 - [X.], [X.], 279 Rn. 8 - Kornfeinung; Beschluss vom 17. Juli 2012 - [X.], [X.], 1243 Rn. 4 - Feuchtigkeitsabsorptionsbehälter). Die Beschränkung der Zulassung auf eine einzelne Rechtsfrage ist jedoch nicht zulässig und deshalb unwirksam ([X.], Beschluss vom 15. März 1984 - [X.], [X.]Z 90, 318 = [X.], 797 - Zinkenkreisel).

7

Im Streitfall hat das Patentgericht die Rechtsbeschwerde zu den Rechtsfragen zugelassen, ob § 2 Nr. 3 [X.] mit Art. 14 Abs. 1 und 2 GG, mit Art. 3 Abs. 1 GG und mit der [X.] vereinbar ist. Diese Beschränkung bezieht sich auf einzelne Rechtsfragen. Sie ist deshalb unwirksam. Die Rechtsbeschwerde ist damit unbeschränkt statthaft.

8

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

9

[X.] dürfe im Eintragungsverfahren prüfen, ob eines der Schutzhindernisse aus § 2 [X.] vorliege. Dies ergebe sich aus § 8 Abs. 1 Satz 2 [X.], der lediglich die Voraussetzungen der Neuheit, des erfinderischen Schritts und der gewerblichen Anwendbarkeit von der Prüfung im Eintragungsverfahren ausnehme, und aus dem Zweck von § 2 [X.].

[X.] habe die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen, weil diese ein Verfahren umfasse, das nach § 2 Nr. 3 [X.] vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen sei. Eine auf die [X.] 4 bis 19 beschränkte Eintragung entspreche nicht dem Begehren des Antragstellers.

§ 2 Nr. 3 [X.] sei eine zulässige Inhaltsbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei. Die Regelung berühre nicht [X.]bereich der Eigentumsgarantie. Bereits das Patentrecht gewähre vollständigen Eigentumsschutz für Verfahrenserfindungen. Für den verbleibenden Bereich, den Schutz der Eigentumsverfassung, habe der Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Dieser sei im vorliegenden Zusammenhang umso größer, weil Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des geistigen Eigentums stets auch den fundamentalen Grundsatz des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs berührten. Vor diesem Hintergrund liefere die Begründung zu § 2 Nr. 3 [X.] nach wie vor brauchbare Erwägungen.

Die Regelung stehe auch nicht in Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 GG. Der dem Gesetzgeber zustehende Gestaltungsspielraum sei nur dann überschritten, wenn seine Entscheidung schlichtweg als willkürlich erscheine. Diese Voraussetzung liege im Hinblick auf die aus der Gesetzesbegründung hervorgehenden Erwägungen nicht vor.

III. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.

1. Zutreffend ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass im Eintragungsverfahren und damit auch in einem daran anschließenden Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren zu prüfen ist, ob eines der in § 2 [X.] aufgeführten Schutzhindernisse vorliegt.

§ 8 Abs. 1 [X.] sieht eine solche Prüfung zwar nicht ausdrücklich vor. Aus dem Umstand, dass § 8 Abs. 1 Satz 2 [X.] lediglich eine Prüfung des Gegenstands der Anmeldung auf Neuheit, erfinderischen Schritt und gewerbliche Anwendbarkeit ausschließt, ist jedoch zu folgern, dass das Vorliegen der weiteren materiellen Voraussetzungen zu überprüfen ist. Dies entspricht, wie das Patentgericht zutreffend dargelegt hat, auch dem Zweck von § 2 [X.].

2. Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand der [X.] 1 bis 3 gemäß § 2 Nr. 3 [X.] vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen ist, weil er ein Verfahren betrifft.

a) Nach den Ausführungen in der Anmeldung sind zur Bekämpfung von [X.] nach der Richtlinie 2010/85/[X.] Giftlinsen und Giftweizen mit dem Wirkstoff Zinkphosphid zugelassen, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Köder verdeckt angewendet wird. Im Stand der Technik müssten mit Gift angereicherte Körner von Arbeitskräften mittels spezieller Legeflinten in die [X.] appliziert und diese mit dem Fuß zugetreten werden. Dies sei zeitaufwendig und teuer und bei feuchten Bodenbedingungen schwer durchführbar.

Die Anmeldung betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, eine einfache und kostengünstige Bekämpfung von [X.] zu ermöglichen.

b) Zur Lösung dieses Problems schlägt die Anmeldung in Schutzanspruch 1 ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

Das Verfahren dient zum Bekämpfen von [X.] und umfasst folgende Schritte:

1. Eine [X.] (10) wird rohrförmig ausgestaltet.

1.1 [X.] (12) ist an beiden Enden (14) offen, um ein Eindringen von [X.] zu ermöglichen, und

1.2 wird aus einem biologisch abbaubaren Material gebildet.

2. Im Inneren des [X.] (12) wird mindestens ein [X.] (20) mittig fixiert, und zwar

2.1 mittels eines wasserfesten Klebers und

2.2 in der Weise, dass Erschütterungen diesen Kleber nicht lösen können.

3. Die [X.] (10) wird mittels eines [X.]es auf die Oberfläche einer von [X.] befallenen landwirtschaftlichen Nutzfläche ausgebracht.

c) Die damit beanspruchte Lösung ist ein Verfahren im Sinne von § 2 Nr. 3 [X.].

aa) Der in § 2 Nr. 3 [X.] verwendete Begriff des Verfahrens entspricht der herkömmlichen Definition im Zusammenhang mit technischen Schutzrechten, die auch § 9 Nr. 3 [X.] zugrunde liegt. Diese schließt insbesondere Arbeitsverfahren und Herstellungsverfahren ein ([X.], Beschluss vom 17. Februar 2004 - [X.], [X.]Z 158, 142, 148 f. = [X.], 495, 497 - Signalfolge; Beschluss vom 5. Oktober 2005 - [X.], [X.]Z 164, 220 = [X.], 135 Rn. 9 - Arzneimittelgebrauchsmuster). Bei Herstellungsverfahren besteht die Lehre zum technischen Handeln in der Beschreibung der beiden eigentlichen Verfahrensmaßnahmen, nämlich der Wahl der Ausgangsstoffe und der Art der Einwirkung auf diese Stoffe ([X.], Beschluss vom 11. Juli 1985 - [X.], [X.]Z 95, 295, 296 f. = GRUR 1986, 163 - Borhaltige Stähle).

bb) Vor diesem Hintergrund sind die [X.] 1 bis 3 auf ein Herstellungsverfahren gerichtet.

In den [X.] und 2 sind zwar überwiegend Eigenschaften der Köderstation festgelegt. Dennoch wird Schutz nicht für ein Erzeugnis mit diesen Eigenschaften beansprucht, sondern für ein Verfahren, mit dem ein solches Erzeugnis unter Auswahl der festgelegten Ausgangsmaterialien mittels der festgelegten Schritte hergestellt wird. Damit handelt es sich um ein Herstellungsverfahren.

Angesichts dessen kann offen bleiben, ob Merkmal 3 für sich gesehen ebenfalls einen einzelnen Schritt eines Herstellungs- oder Bearbeitungsverfahrens betrifft oder lediglich auf einen abstrakten Handlungserfolg abzielt, wie dies für [X.] typisch ist (dazu [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2005 - [X.], [X.]Z 164, 220 = [X.], 135 Rn. 10 - Arzneimittelgebrauchsmuster). Die Einordnung als Anspruch, der die Verwendung eines Erzeugnisses betrifft, würde voraussetzen, dass die übrigen Merkmale ebenfalls ein Erzeugnis oder dessen Verwendung betreffen. Im Streitfall betreffen die [X.] und 2 aber ein Verfahren. Die in Merkmal 3 zusätzlich vorgesehene Zielsetzung kann an dieser Einordnung nichts ändern, sondern allenfalls den Umfang beschränken, in dem das Verfahren geschützt ist.

Ob der Anmelder stattdessen auch Schutz für ein Erzeugnis oder dessen Verwendung beanspruchen könnte, ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Stehen dem Anmelder nach Art und Umfang der offenbarten technischen Lehre verschiedene Möglichkeiten offen, so kann er die Kategorie, die er wünscht, festlegen ([X.], Beschluss vom 11. Juli 1985 - [X.], [X.]Z 95, 295, 297 = GRUR 1986, 163 - Borhaltige Stähle).

3. Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass § 2 Nr. 3 [X.] bei diesem Verständnis nicht verfassungswidrig ist.

a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht § 2 Nr. 3 [X.] in Einklang mit Art. 14 GG.

aa) Zutreffend und insoweit von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen ist das Patentgericht davon ausgegangen, dass § 2 Nr. 3 [X.] eine Regelung über Inhalt und Schranken des als Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG zu qualifizierenden Rechts an einer Erfindung enthält.

Die Vorschrift sieht keine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG vor. Sie regelt vielmehr die Voraussetzungen, unter denen eine Erfindung dem Gebrauchsmusterschutz zugänglich ist.

bb) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Gesetzgeber den ihm zustehenden Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum nicht überschritten hat.

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s kommt dem Gesetzgeber bei der Regelung von Inhalt und Schranken des Eigentums ein Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu. Der Gesetzgeber hat allerdings [X.] des Eigentumsrechts zu berücksichtigen. Bei Rechten des geistigen Eigentums gehören zu den insoweit konstituierenden Merkmalen die grundsätzliche Zuordnung des vermögenswerten Ergebnisses der geistigen Leistung an den Berechtigten im Wege privatrechtlicher Normierung und seine Freiheit, in eigener Verantwortung darüber zu verfügen. Die Eigentumsgarantie gebietet dagegen nicht, dem Berechtigten jede nur denkbare wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit zuzuordnen (für das Urheberrecht: [X.] 31, 248 = [X.], 485, 486; [X.] 77, 263 = [X.], 687, 689; für das Recht an Erfindungen: [X.] 36, 281 = [X.], 142, 144).

(2) Diesen Anforderungen wird die Regelung in § 2 Nr. 3 [X.] gerecht.

(a) § 2 Nr. 3 [X.] lässt [X.] des Eigentumsrechts an einer ein Verfahren betreffenden Erfindung unberührt.

Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, ist ein Erfinder, der Schutz für ein Verfahren beansprucht, nicht rechtlos gestellt. Er kann nach Maßgabe der dafür einschlägigen Bestimmungen Schutz durch ein [X.] oder europäisches Patent erlangen (vgl. dazu bereits [X.], Beschluss vom 17. Februar 2004 - [X.], [X.]Z 158, 142, 148 = [X.], 495, 497 - Signalfolge). Der in § 2 Nr. 3 [X.] vorgesehene Ausschluss vom Gebrauchsmusterschutz führt mithin nur dazu, dass die Rechtsstellung des Erfinders hinsichtlich bestimmter Gesichtspunkte eingeschränkt ist. So kann der Inhaber eines Patents Rechte gegenüber Dritten erst nach inhaltlicher Prüfung und Erteilung des Schutzrechts geltend machen, was typischerweise mehr Zeit in Anspruch nimmt als die im Wesentlichen auf formale Aspekte beschränkte Prüfung, die der Eintragung eines Gebrauchsmusters vorangeht. Zudem gilt für Patente nicht die in § 3 Abs. 1 Satz 3 [X.] vorgesehene Schonfrist im Hinblick auf eigene Beschreibungen oder Benutzungshandlungen des Anmelders.

Diese Regelungen betreffen nicht [X.] des Eigentumsrechts. Sie schließen einen Erfinder, der Schutz für ein Verfahren begehrt, lediglich von einzelnen Verwertungsmöglichkeiten aus.

(b) Diese Einschränkungen sind durch die entgegenstehenden Interessen des Rechtsverkehrs, denen der Gesetzgeber mit § 2 Nr. 3 [X.] Rechnung getragen hat, gerechtfertigt.

Wie das Patentgericht im Einzelnen dargelegt hat, dient der Ausschluss von Gebrauchsmusterschutz für Verfahren der Rechtssicherheit. Diese ist durch die Eintragung eines Gebrauchsmusters generell berührt, weil der Anmelder dadurch formell in die Lage versetzt wird, Rechte gegenüber Dritten geltend zu machen, ohne dass überprüft worden ist, ob die inhaltlichen Anforderungen an die Schutzfähigkeit - Neuheit, erfinderischer Schritt und gewerbliche Anwendbarkeit - erfüllt sind. Die daraus resultierende Gefahr, dass Dritte materiell zu Unrecht in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten wirtschaftlichen Betätigung behindert werden, ist bei Rechten, die auf den Schutz von Verfahren gerichtet sind, tendenziell höher, weil diese typischerweise nicht anhand von Zeichnungen oder chemischen Formeln, sondern nur verbal beschrieben werden können (vgl. BT-Drucks. 11/5744, [X.]). Dies rechtfertigt die Entscheidung des Gesetzgebers, Schutz für Verfahren nur nach Maßgabe des Patentgesetzes und des [X.] vorzusehen.

Der Umstand, dass Gebrauchsmusteranmeldungen, die auf Schutz für ein Erzeugnis oder eine Verwendung gerichtet sind, nicht zwingend eine Zeichnung oder eine chemische Formel enthalten müssen und dass zumindest bestimmte Verfahren einer zeichnerischen Darstellung in Form eines Flussdiagramms oder dergleichen zugänglich sind, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Die abstrakte und generelle Regelung in § 2 Nr. 3 [X.] wird schon dadurch gerechtfertigt, dass die Beschreibung eines Verfahrens in typischen Situationen nicht mit derselben Präzision möglich ist wie diejenige eines Erzeugnisses oder einer Verwendung und deshalb die für den Rechtsverkehr resultierenden Gefahren bei einem auf Schutz für ein Verfahren gerichteten Gebrauchsmuster typischerweise größer sind.

(c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führen die seit der Entscheidung des [X.] eingetretenen Änderungen ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Dass die Verwendung eines Erzeugnisses dem Gebrauchsmusterschutz zugänglich ist, beruht nach der Rechtsprechung des [X.] auf dem Umstand, dass eine solche Verwendung gerade nicht mit einem Herstellungs- oder Arbeitsverfahren gleichgesetzt werden kann, sondern sich in einem abstrakten Handlungserfolg erschöpft ([X.], Beschluss vom 5. Oktober 2005 - [X.], [X.]Z 164, 220 = [X.], 135 Rn. 10 - Arzneimittelgebrauchsmuster). Der Gesetzgeber hat dem inzwischen dadurch Rechnung getragen, dass für die Verwendung eines Erzeugnisses jedenfalls dann gegenständlich beschränkter Stoffschutz beansprucht werden kann, wenn sie der chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers oder einem Diagnostizierverfahren am menschlichen oder tierischen Körper dient (§ 3 Abs. 3 und 4 [X.]; dazu [X.], Beschluss vom 25. Februar 2014 - [X.], [X.]Z 200, 229 = GRUR 2014, 461 Rn. 15 ff. - [X.] I).

Der Umstand, dass Fortschritte auf dem Gebiet der Informationstechnik erweiterte Möglichkeiten zur Recherche nach Patenten und Gebrauchsmustern eröffnet haben, mag dazu führen, dass ein Dritter, der ein bestimmtes Verfahren anwenden oder vermarkten will, leichter in der Lage ist, Schutzrechte aufzufinden, die diesem Vorhaben möglicherweise entgegenstehen. Damit ist indes nicht die Ungewissheit darüber behoben, wie weit der Schutzbereich eines aufgefundenen Rechts reicht und ob sein Gegenstand die materiellen Anforderungen an die Schutzfähigkeit erfüllt.

b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verstößt § 2 Nr. 3 [X.] auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

aa) Angesichts der bereits im Zusammenhang mit Art. 14 Abs. 1 GG aufgezeigten Besonderheiten ist es sachlich gerechtfertigt, Anmeldungen, die auf Schutz für ein Verfahren gerichtet sind, vom Gebrauchsmusterschutz auszunehmen.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt diese Differenzierung nicht zu einer Ungleichbehandlung von einzelnen Erfindergruppen. Ob eine Erfindung dem Schutz als Erzeugnis oder Verwendung oder dem Schutz als Verfahren zugänglich ist, hängt nicht von der Person des Erfinders ab, sondern vom Gegenstand der Erfindung. Wie der Streitfall anschaulich verdeutlicht, hat ein Erfinder zudem in vielen Fällen die Wahl, welche Kategorie von Schutz er beansprucht.

§ 2 Nr. 3 [X.] führt mithin auch unter diesem Aspekt nur zu einer Einschränkung der Verwertungsmöglichkeiten. Diese ist aus den bereits im Zusammenhang mit Art. 14 Abs. 1 GG angeführten Gründen im Interesse der Rechtssicherheit sachlich gerechtfertigt.

bb) Vor dem aufgezeigten Hintergrund ist es auch sachlich gerechtfertigt, Anmeldungen, die auf Patentschutz für ein Verfahren gerichtet sind, anders zu beurteilen als Anmeldungen, die auf entsprechenden Gebrauchsmusterschutz gerichtet sind.

Die beschriebenen Schwierigkeiten bei der Definition eines Verfahrens bestehen zwar auch im Zusammenhang mit Patenten. Dort wird dem Interesse der Rechtssicherheit aber dadurch zusätzlich Rechnung getragen, dass die Erteilung - und damit die Einräumung einer Rechtsposition, die es dem Anmelder ermöglicht, Dritte aus dem Schutzrecht in Anspruch zu nehmen - erst nach einer inhaltlichen Prüfung erfolgt. Im Verlauf dieses Verfahrens kann der Prüfer gegebenenfalls auf Präzisierungen hinwirken, die eine hinreichende Abgrenzung zum Stand der Technik ermöglichen. Eine Anmeldung, die diesen Erfordernissen nicht genügt, ist zurückzuweisen.

4. Erweist sich § 2 Nr. 3 [X.] nach allem als verfassungsgemäß, ist es weder geboten noch zulässig, die Vorschrift im Wege der verfassungskonformen Auslegung entgegen ihrem Wortlaut und ihrem Sinn und Zweck auszulegen.

IV. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. § 18 Abs. 4 Satz 2 [X.], § 109 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 22 Abs. 1 GKG).

V. Eine mündliche Verhandlung erachtet der [X.] nicht als erforderlich (§ 107 Abs. 1 [X.]).

Meier-Beck     

        

Bacher     

        

Hoffmann

        

Kober-Dehm      

        

Marx      

        

Meta

X ZB 18/16

27.03.2018

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 6. September 2016, Az: 35 W (pat) 1/15, Beschluss

§ 2 Nr 3 GebrMG, § 8 Abs 1 S 2 GebrMG, Art 3 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.03.2018, Az. X ZB 18/16 (REWIS RS 2018, 11560)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 811-813 REWIS RS 2018, 11560


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZB 18/16

Bundesgerichtshof, X ZB 18/16, 27.03.2018.


Az. 35 W (pat) 1/15

Bundespatentgericht, 35 W (pat) 1/15, 06.09.2016.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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