Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.08.2021, Az. 3 StR 118/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2021, 3376

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Gegenstand

Revision in Strafsachen: Beginn der Revisionsbegründungsfrist nach fehlerhafter Zustellung der Revisionsverwerfung durch das Tatgericht


Tenor

1. Der Beschluss des [X.] vom 25. Januar 2021 wird aufgehoben.

2. Der Angeklagte wird darauf hingewiesen, dass die Monatsfrist zur Begründung seiner Revision mit der Zustellung dieses Beschlusses zu laufen beginnt.

3. Die Sache wird dem [X.] zur Entgegennahme einer eventuellen weiteren Revisionsbegründung zurückgegeben.

Gründe

I.

1

Das [X.] hat den Angeklagten mit Urteil vom 30. November 2020 freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen das Urteil hat der Pflichtverteidiger binnen Wochenfrist Revision eingelegt. [X.] hat der Strafkammervorsitzende alsdann das schriftliche Urteil zustellen lassen. Anstelle des urlaubsabwesenden Verteidigers hat jedoch am 21. Dezember 2020 einer seiner Kollegen das Empfangsbekenntnis unterschrieben.

2

Mit Beschluss vom 25. Januar 2021 ([X.]. 1 KLs             ) hat das [X.] die Revision des Angeklagten mangels fristgerechter Begründung verworfen. Diese Entscheidung hat den Verteidiger am 2. Februar 2021 erreicht. Erst dadurch hat er vom zuvor ergangenen Urteil Kenntnis erlangt. Mit am 9. Februar 2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat er im Namen des Angeklagten unter näheren Ausführungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Frist zur Revisionsbegründung beantragt und die "allgemeine Sach- und Verfahrensrüge" erhoben.

II.

3

Der Wiedereinsetzungsantrag ist gemäß § 300 [X.] in einen Antrag auf Aufhebung des [X.] vom 25. Januar 2021 umzudeuten. Dieser Rechtsbehelf ist gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 [X.] statthaft und fristgerecht eingelegt. Er hat auch in der Sache Erfolg.

4

1. Der Verwerfungsbeschluss erweist sich als rechtsfehlerhaft. Mangels wirksamer Zustellung des Urteils hat die [X.] des § 345 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht am 21. Dezember 2020 zu laufen begonnen (§ 345 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Denn eine Zustellung ist grundsätzlich nicht ordnungsgemäß bewirkt, wenn anstelle des Pflichtverteidigers eine andere Person das Empfangsbekenntnis unterschreibt ([X.], Beschlüsse vom 12. April 1988 - 4 StR 105/88, [X.]R [X.] § 37 Abs. 1 Pflichtverteidiger 1; vom 28. April 2005 - 4 StR 21/05, BeckRS 2005, 6315; vom 12. Februar 2014 - 1 [X.], [X.], 149; [X.], Beschluss vom 19. Juni 2018 - 1 RVs 129/18, juris Rn. 1; MüKo[X.]/[X.]/[X.], § 345 Rn. 17 mwN; [X.], 8. Aufl., § 345 Rn. 5; [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 37 Rn. 19).

5

Eine Ausnahme hiervon liegt nicht vor. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Unterzeichner des Empfangsbekenntnisses, ein Fachanwalt für Arbeitsrecht und wie der Verteidiger nur angestellter Rechtsanwalt in der Kanzlei, gemäß § 53 [X.] als Vertreter eingesetzt war und als solcher aufgetreten ist, sind nicht ersichtlich. Es kann deshalb dahinstehen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Vertretung eines Pflichtverteidigers bei der Bewirkung von Zustellungen überhaupt möglich ist (zur Vertretung bei der [X.] s. [X.], Beschlüsse vom 29. November 2018 - 5 [X.], juris; vom 22. August 2001 - 1 [X.], [X.]R [X.] § 346 Abs. 1 Form 2; vom 5. Februar 1992 - 5 [X.], [X.], 248).

6

2. Eine Entscheidung des Senats über die Revision kommt derzeit noch nicht in Betracht. Zwar ist der Zustellungsmangel mit der tatsächlichen Kenntnisnahme des Urteils durch den Pflichtverteidiger am 2. Februar 2021 gemäß § 37 Abs. 1 [X.], § 189 ZPO geheilt worden. Auch die Revisionsanträge sind gestellt. Die Monatsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 1 [X.] zur Begründung der Revision beginnt jedoch erst mit der Zustellung dieses Beschlusses zu laufen. Insoweit gilt:

7

Wird eine Revision zu Unrecht als unzulässig verworfen und der Verwerfungsbeschluss zu einem Zeitpunkt zugestellt, in dem die Begründungsfrist noch nicht abgelaufen ist, so beginnt letztere erst mit der Zustellung der den Verwerfungsbeschluss aufhebenden Entscheidung des [X.]. Denn dem [X.] kann nicht zugemutet werden, die Revisionsbegründung in Kenntnis der negativen Entscheidung des Tatgerichts vorsorglich innerhalb der noch verbleibenden Frist einzureichen. Ihm ist vielmehr Gelegenheit zu geben, binnen eines Monats nach Zustellung der Aufhebungsentscheidung seine Revision (hier: weiter) zu begründen ([X.], Beschluss vom 6. März 2014 - 4 StR 553/13, NJW 2014, 1686, 1687 Rn. 9; [X.], Beschluss vom 4. Juni 2018 - 2 OLG 120 Ss 29/18, juris Rn. 8; [X.], Beschluss vom 19. Juni 2018 - 1 RVs 129/18, juris Rn. 8; [X.], 8. Aufl., § 345 Rn. 3 mwN; LR/[X.], [X.], 26. Aufl., § 345 Rn. 11).

8

Die Sache ist deshalb zur Fortsetzung des Revisionsverfahrens (§ 347 [X.]) an das [X.] zurückzugeben.

9

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (s. [X.]/[X.], [X.], 64. Aufl., § 346 Rn. 12).

Schäfer     

        

     Berg     

        

Erbguth

        

Ri[X.] [X.] befindet
sich im Urlaub und ist
deshalb gehindert zu
unterschreiben.

                          
        

Schäfer

        

[X.]     

        

Meta

3 StR 118/21

11.08.2021

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mainz, 25. Januar 2021, Az: 1 KLs 3100 Js 5887/19

§ 345 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.08.2021, Az. 3 StR 118/21 (REWIS RS 2021, 3376)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 3376

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